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Sechste szene

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Der Zauberer und der Teufel.

Der zauberer.

Polokruz, polokruz!

Teufel erscheint. Zim, zim!

Zauberer. Ich liebe Bibi, liebt sie noch jemand außer mir?

Teufel. Ja, Kasperle!

Zauberer lacht gellend. Und seine Aussichten?

Teufel. Sind gut, wenn er Biribi zum Lachen bringt.

Zauberer. Kann ich das hindern?

Teufel. Du mußt sein Gelächter einfangen und tot machen.

Zauberer. Ist das ein Tier, oder so was?

Teufel. Viel, viel kleiner als ein Mäuschen – ein unsichtbares Etwas. Man hört’s nur, man sieht’s nicht, greift’s nicht – ’s ist in ihm drin.

Zauberer. Können wir es in eine Falle locken?

Teufel. Ja, wenn er schläft. Dann geht’s durch seinen offenen Mund spazieren und dringt in fremde Schlafstuben ein, kitzelt die Leute am Bauch und amüsiert sich, bis Kasperle wieder aufwacht. Dann hat es wieder Dienst. Jetzt schläft er gerade.

Zauberer. Gut, ich locke es heran, und du mach, daß du es verschluckst.

Man hört ein fernes, leises Gekicher, das näher kommt und anschwillt, die ganze Tonleiter auf und ab lacht und schließlich dröhnt, wie ein mächtiger Baß. Der Zauberer und der Teufel laufen ihm nach, wollen es mit den Händen fangen, stolpern, laufen sich selbst in die Arme, sehen in die Luft hinauf usw.

Zauberer faßt den Teufel an die Ohren. Ich hab’s, ich hab’s!

Teufel. Ach was – das bin doch ich, der Teufel.

Zauberer. Ach so. Pardon.

Teufel faßt den Zauberer an seinem Hintern. Ich hab’s! Ich hab’s!

Zauberer. Ach was, das ist doch mein Hintern!

Teufel. Oh, entschuldigen Sie, mein Allerwertester! – In der Luft ist’s, in der Luft ist’s, dicht über Ihrem Kopf!

Zauberer. Was in der Luft ist, dafür hab’ ich einen besonderen Merks. Ich hex’ es in mich hinein. Passen Sie auf: Jau, jau, julu, ratz, ratz, ratz, bum. So, jetzt mach’ ich’s Maul auf und fress’ es.

Er fängt an mit ganz hoher Stimme zu kichern und sich zu schütteln.

Teufel. Was ist mit Ihnen? Warum kichern Sie so? Ihre Stimme ist verändert. Ich kenne Sie nicht mehr. Woher diese verspätete Kindlichkeit? Und warum schütteln Sie sich so gewaltsam?

Zauberer. Ich muß, ich muß. Das Gelächter Kasperles ist in mir. Es poltert und purzelt mir durch die Därme, es zerreißt mich noch. Hihi, haha, hoho! Achtung, Achtung! Jetzt fährt’s mir hinten hinaus als ein Wind! Fangen Sie’s rechtzeitig auf, sonst geht’s durch. Er dreht dem Teufel sein Hinterteil zu. Dieser ist emsig mit Gesicht und Händen daran beschäftigt; sodann richten sich beide in die Höhe, der Teufel schüttelt sich vor Lachen. Sehen Sie, so tut das! Ich weiß wohl, daß es nicht Ihre Natur ist, so albern zu kichern.

Teufel lachend. Ich spür’s in meinen Nasenflügeln, beißender als das stärkste Kraut aus den Schnupfdosen der Hölle. Hatsi, hatsi! Jetzt rutscht’s mir durch den Kehlkopf – als ob ich ein paar Dutzend Heuschrecken verschläng’. Da, da! Jetzt schüttert es hohl aus meinem Bauch. Boxen Sie es tot!

Der Zauberer nimmt einen großen Anlauf und boxt ihm eins in den Bauch. Gelles Gelächter.

Teufel. Das sitzt! Es hat sich soeben totgelacht! O, o! Es ist hin, ich bin auch hin.

Zauberer wirft sich weinend über ihn. Stirb nicht, du mein unersetzlicher Liebling.

Er muß mitten im Heulen laut auf lachen und wechselt ab zwischen Geheul und Gelächter.

Teufel. Was ist denn das? Mir scheint, ich bin noch da; aber ich muß sagen, das war eine sonderbare Totenklage. Ich wüßte nicht, was Sie an meinem vermeintlichen Tod so lächern konnte!

Zauberer. Nicht ich, nicht ich. Als ich Sie umarmte, ist das Gelächter wieder in mich hineingeschlüpft. – Jetzt lacht es auf einmal so dreckig, ich weiß nicht warum. Hä, hä, hä!

Teufel. Scheußlich! Ich will es auf mein Horn nehmen, ich will es spießen.

Er nimmt einen Anlauf und rennt dem Zauberer sein Horn in den Bauch.

Zauberer umsinkend. Ich habe gelebt.

Teufel ihn beschnuppernd. Er stinkt schon, gleich nehm’ ich ihn mit. Doch was ist das?

Sie lachen beide abwechslungsweise unbändig und in allen Tonarten; indem einer auf den andern losrennt, den andern boxt, packt, verbleut, würgt.

Zauberer. Jetzt ist’s in mir.

Teufel. Nein in mir. Da, da!

Sie rennen mit den Köpfen aneinander und sinken um. Totenstille.

Der Polizist tritt auf.

Polizist. Ich höre Stimmen. Wer sind Sie! Was singen Sie hier für ein Duett? Ist es forte, dann ist es eine Ruhestörung, ist es piano, dann ist es ein Geheimbund! Ich verhafte Sie! Keine Widerrede – oder Sie können das übrige als Leichen sagen. Wer sind Sie? Er kommt näher, greift sie an. O je, es sind schon Leichen – und welch ein Unglück! Ich kann sie nicht feststellen. Leichen an sich sind nichts Schlimmes. Eine angemessene Zahl von Todesfällen liegt im Interesse der städtischen Verwaltung. Aber eine Leiche, die nicht festgestellt ist, das darf nicht vorkommen, solang ich im Amt bin. Ausländer sind’s, man sieht’s an der Gesichtsfarbe. Wertgeschätzte Leichen, werdet nur einen Augenblick lebendig, damit ich eure Personalien feststellen kann! Nichts. Ach was, ich werf’ sie ins Wasser, dann bleibt alles streng vertraulich. Es gibt keinen Staat ohne ein Staatsgeheimnis. Er nimmt beide Leichen unter den Arm. Sie zucken heftig. Was, Halbheiten, noch bis in den Tod hinein? Wer tot ist, ist tot. Halbtote werden hier nicht geduldet. Ins Wasser mit euch! Die Leichen zucken wieder. Still gelegen! Fast hätte ich gesagt: Stillgestanden, ihr Leichen. Aber eine Leiche hat keinen Stand mehr, das ist klar. Deswegen gibt es da auch keine Standesunterschiede. Ich hab’ mich also ganz richtig ausgedrückt. So, jetzt sind wir gleich am Wasser. Die Leichen zucken noch heftiger. Was zuviel ist, ist zuviel! Er stößt ihre Köpfe aneinander, bis sie sich nicht mehr rühren. Es genügt nicht, tot zu sein – es gehört auch Haltung dazu! Ich glaub’ schon, daß auch eine Leiche mal was kitzelt. So eine Mücke, die weiß nicht, ob die Nase, auf die sie sich setzt, eine Nase des Lebens oder eine Nase des Todes ist. Aber was eine anständige Leiche ist, die beherrscht sich.

Man hört in der Ferne lachen, Kasperle tritt auf. Der Teufel und der Zauberer springen auf die Füße und suchen das Weite.

Teufel. Das Lachen ist da – alles, nur das nicht!

Zauberer. Die Lachpest, die Lachpest! Solange diese anstekkende Krankheit hier wütet, bleibe ich außer den Grenzen des Reiches.

Kasperle. Was war denn mit denen?

Polizist. Eigentlich sind es zwei Leichen, wenigstens waren sie’s bis dato. Aber sie benahmen sich dabei so, daß man sie unmöglich ernst nehmen konnte. Wir verlieren wenig daran, wenn sie über die Grenze gehen. Empfehle mich. Polizist ab.

Kasperle. So was ist mir noch nie passiert. Ich wachte auf und wartete wie gewöhnlich auf meinen ersten lustigen Einfall, um aufzustehn und ihn auszuführen; aber ich blieb ernst, wie eine Blutwurst. Ich erzählte mir selber die schönsten Schnurren und sah dabei in den Spiegel – aber mein Mienenspiel spielte überhaupt nicht mehr. Schließlich rasierte ich mich und machte dabei eine wahre Leichenbittermiene. Da hörte ich ganz von fern – man sollt’s nicht glauben, wenn’s nicht wahr wäre – mein eigenes Gelächter; ganz genau wie ich lache, aber aus mir draußen. Ich sah, wie mein Gesicht sich andächtig verklärte, und jetzt erst gewann ich mein Gelächter lieb und wußte, was ich an ihm hatte – da’s von mir weg war und wieder zu mir herkam. Es sprang an mir hinauf, wie ein Hundel – war das eine Wiedersehensfreude! Vor Staunen sperrte ich das Maul auf – da flog es gleich hinein, und jetzt ist’s in mir drin und rumort in mir, daß mir der Bauch wackelt. Hahaha. Noch nie war mir so lächerlich zumut wie jetzt, das ist grad die richtige Stimmung für’s Biribi.

Kasperle-Spiele für große Leute

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