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III. Wettbewerbliche Beurteilung von Zusammenschlüssen

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Eine M&A-Transaktion, die einen Zusammenschlusstatbestand des § 37 GWB verwirklicht und bei der die Schwellenwerte des § 35 GWB erreicht werden, unterliegt den fusionskontrollrechtlichen Bestimmungen des GWB. Das bedeutet, dass der Zusammenschluss beim Bundeskartellamt zur Prüfung anzumelden ist und nicht vollzogen werden darf, bevor das Bundeskartellamt diesen freigegeben bzw. erklärt hat, dass die gesetzlichen Untersagungsvoraussetzungen nicht vorliegen.

Das materielle Beurteilungskriterium ist in § 36 Abs. 1 S. 1 GWB enthalten. Das Bundeskartellamt muss danach einen Zusammenschluss untersagen, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt. Dies gilt allerdings nach § 36 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GWB nicht, wenn die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen. Die Untersagungsmöglichkeit des Bundeskartellamtes entfällt auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine Untersagung auf einem Markt vorliegen, auf dem seit mindestens fünf Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und auf dem im letzten Kalenderjahr weniger als 15 Mio. EUR umgesetzt wurden (§ 36 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GWB).

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Das Untersagungskriterium der erheblichen Wettbewerbsbehinderung wurde erst mit der 8. GWB-Novelle 2013 in die deutsche Fusionskontrolle übernommen. Bis dahin konnte das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss nur dann untersagen, wenn dieser „eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt“ hätte. Mit der Neuregelung soll eine weitere Angleichung an die europäische Fusionskontrolle erfolgen, die ein nahezu wortgleiches Kriterium (den sog. SIEC-Test) in Art. 2 Abs. 2 FKVO enthält und eine stärkere ökonomische Ausrichtung der Fusionskontrolle erreicht werden. Die Einführung des SIEC-Tests erlaubt nach dem Willen des Gesetzgebers eine Untersagung nunmehr auch in den wenigen wettbewerblich schädlichen Konstellationen, in denen die Voraussetzungen der Marktbeherrschung bislang nicht erfüllt sind. Das gilt etwa für komplexe Oligopolsachverhalte oder für die Erfassung nicht koordinierten bzw. einseitigen Verhaltens einzelner Unternehmen, wie z.B. Preissetzungsmöglichkeiten eines Unternehmens nach einem Zusammenschluss, ohne dass dieses zugleich eine marktbeherrschende Stellung innehat.[100] Darüber hinaus soll hierdurch auch die Beurteilung vertikaler Integration und konglomerater Zusammenschlüsse erleichtert werden, bei denen eine Verschlechterung der Marktstruktur nicht unmittelbar mit dem Zusammenschluss eintritt, sondern erst infolge geänderter Möglichkeiten und Anreize zu einem wettbewerbsschädlichen Verhalten der Unternehmen. Dennoch soll es durch das neue Untersagungskriterium nicht zu Einbußen an Rechtssicherheit kommen, da die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung als Regelbeispiel der erheblichen Wettbewerbsbehinderung erhalten bleibt und diesem Kriterium in der Praxis nach wie vor eine zentrale Bedeutung zukommen wird.[101] Es bleibt daher abzuwarten, ob der SIEC-Test in der Praxis tatsächlich zu einer Erweiterung der Untersagungsmöglichkeiten des Bundeskartellamtes führen wird. Die folgende Darstellung konzentriert sich aufgrund der bislang fehlenden deutschen Entscheidungspraxis zu diesem Kriterium auf das Regelbeispiel der Marktbeherrschung.[102] Wegen weiterer Einzelheiten zum SIEC-Test kann auf die Ausführungen zur europäischen Fusionskontrolle verwiesen werden.

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