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Endstation
Оглавление>>Ihre Fahrkarte bitte!<<
Katy schreckte hoch, sah das freundlich lächelnde Gesicht
eines älteren Mannes undeutlich vor sich.
>>Wie? Einen Moment bitte. .<<, gab sie von sich und
lächelte den älteren Herrn müde an.
>>Entschuldigen Sie, Madam, ich wollte Sie nicht
wecken<<, gab der Mann, den Katy nun als Schaffner
realisierte, entschuldigend von sich.
>>Irgendwann muss ich ja mal aufstehen<<, lächelte Katy
ihn an.
Der Mann nahm mit seiner faltigen Hand ihren Fahrschein
entgegen. Mit einer silbern glänzenden Zange lochte er die
Fahrkarte und wollte das Abteil verlassen.
>>Können Sie mir sagen, wo wir uns gerade befinden?<<,
fragte Katy den Mann.
Dieser überlegte kurz und schaute zum Fenster hinaus.
Bei diesem Schneesturm werden Sie sicher nicht erkennen
wo wir sind, dachte Katy und lächelte in sich hinein.
>>Ist das ein Sturm da draußen!<<, antwortete der
Schaffner auf ihre Frage. Ein Griff an die Halterung an
seinem Gürtel fördert ein ledriges Notizbuch zu Tage.
Murmelnd blätterte der Schaffner darin.
>>Heroldsville. Sind kurz hinter Heroldsville<<, wandte er
sich an Katy.
>>Herrgott! Dann habe ich drei Stationen verschlafen!<<,
entfuhr es ihr.
>>Wann kommt die nächste Station? Ich hätte schon längst
aussteigen sollen.<<
Wütend auf sich selbst, hatte sie sicher den Schaffner zu
laut angefahren, dieser jedoch schaute erneut in sein
Büchlein und lächelte sie an.
>>Nicht vor ńer Stunde Madam. Bei dem Sturm fahren wir
nicht jede Station an. Schätze in Burrowhill können Sie
aussteigen.<<
Mit einem Griff an seine Schaffnermütze verbeugte sich der
ältere Mann leicht und verließ das Abteil.
Katy sah sich um, außer ihr und einer älteren Dame war
das gesamte Abteil völlig leer.
Mit einem dumpfen Gefühl im Kopf überlegte sie
krampfhaft wie sie ihren Verlobten erreichen konnte.
Hatte der Zug einen Münzfernsprecher?
Sie schaute sich um, in diesem Abteil schien es keinen zu
geben.
Die alte Frau, drei Stühle hinter ihr, bemerkte ihre Unruhe.
>>Suchen Sie etwas, mein Kind?<<, rief sie zu Katy.
Ertappt und ein wenig hilflos wandte sie sich zu der alten
Frau um.
>>Einen Telefonapparat. Ich muss meinen Verlobten
anrufen, ich habe meine Station verpasst.<<
Die alte Frau erhob sich aus ihrem Sitz und ging auf Katy
zu. Ein faltiges und gutmütig aussehendes Gesicht schaute
sie lächelnd an. Dann nahm die Dame neben Katy Platz.
>>Ich meine ein Telefon im Gang beim Speisewagen
gesehen zu haben<<, überlegte die alte Frau murmelnd.
>>Gehen Sie zwei Waggons weiter. Sie sehen das Schild des
Speisewagens schon<<, sagte sie und lächelte erneut.
Katy bedankte sich und erhob sich.
Der Schnee peitschte gegen die Fenster des Zuges, weiße
Flocken tanzten durch die rabenschwarze Nacht.
Die Tür zum nächsten Abteil klemmte.
Katy stemmt ihr Gewicht dagegen und öffnete sie langsam.
Zwei menschenleere Abteile mussten durchquert werden,
bevor Katy den Speisewagen erreichte.
Das rote Telefon hing in der Nähe der Tür, spiegelte das
diffuse Licht der Deckenbeleuchtung wieder.
Katy nahm den Hörer ab und hielt ihn sich ans Ohr.
Mit einem Mal erschrak sie, aus dem Hörer drang eine
Stimme.
>>Ich kriege dich!<<
Katys Herz übersprang einen Schlag.
Die tiefe Männerstimme klang boshaft. Sie unterdrückte
einen leisen Aufschrei und starrte auf das Telefon.
>>Wer ist da?<<, flüsterte sie.
Ein Klicken war zu vernehmen und die Leitung war tot.
Langsam schüttelte sie den Kopf.
War sie überhaupt richtig wach? Spielte ihre Müdigkeit
eine Rolle bei der Geschichte? Hatte sie sich die Stimme
vielleicht nur eingebildet?
Langsam schob sie ihren Finger in die Aussparung der
Wählscheibe und drehte sie, nachdem sie die richtigen
Ziffern gefunden hatte.
Ein Freizeichen ertönte.
Komm schon, geh ran, dachte sie.
Endlich ein Geräusch, der Hörer auf der anderen Seite
wurde abgenommen.
>>Hallo?<<, meldete sich die vertraute Stimme ihres
Verlobten.
>>Gottseidank! Ich bin’s, Katy<<, gab sie erleichtert von
sich.
>>Hab‘ meine Station verpasst. Ich sitze noch im Zug, mein
Schatz.<<
Seine angenehm vertraute Stimme schenke ihr die nötige
Ausdauer, die Fahrt zu überstehen.
>>Ich fahre zur nächsten Haltestelle und hol‘ dich ab. .<<,
gab er von sich.
Katy seufzte erleichtert.
>>Das musst du nicht, Darling<<, antwortete sie, obwohl
sie genau wusste, dass ihr Verlobter sich die Mühe machen
würde. Für sie würde er alles tun.
>>Gib mir die Station durch und ich fahre gleich los.<< Sie
vernahm ein Lachen auf der anderen Seite der Leitung.
Nachdem Katy ihm die Station und ihre voraussichtliche
Ankunft genannt hatte, legte sie auf.
Der Schnee peitschte weiterhin an die Zugfenster, hatte die
Sicht nach draußen komplett verhüllt.
Als sie wieder auf ihrem Sitz saß, nahm Katy die alte Frau
hinter ihr wahr.
Sie war wieder auf ihren Platz zurückgekehrt und schien
eingeschlafen zu sein, müde hing der Kopf auf ihrer
Schulter. Ein feiner Speichelfaden war aus ihrem
Mundwinkel gelaufen.
Katy lächelte, es war sehr spät und eine alte Frau war
sicher schneller erschöpft als sie. Dabei bin ich selbst
eingeschlafen, ich dumme Gans. Wäre das nicht passiert,
säße ich nicht immer noch im Zug und versaue meinem
Schatz den Abend.
Sie schüttelte langsam den Kopf, angesichts ihrer eigenen
Dummheit.
Müde rieb sie sich die Schläfen, schaute aus dem Fenster
und bemerkte die kleine Station, die hinter einem Fels in
ihr Sichtfeld trat. Hätte die Station nicht sämtliche Lichter
eingeschaltet, wäre sie im Schneesturm völlig
untergegangen.
Die Tür öffnete sich. Der alte Schaffner betrat das Abteil.
>>Meine Damen und Herren, wir halten an dieser
Wartungsstation unvorhergesehen. Bitte bleiben Sie auf
ihren Sitzen und steigen Sie nicht aus!<<, vernahm Katy die
raue Stimme des Alten.
Sie reckte den Kopf. Der Schaffner ging durch ihr Abteil
und vorbei an der alten Frau. Diese hatte anscheinend
nichts von der Ankündigung des Schaffners bemerkt und
schlief weiterhin seelenruhig.
Der Zug wurde langsamer, die Bremsen setzten ein und das
Gefährt kam quietschend zum Stehen.
Die Station war nun direkt vor Katys Fenster, müde
erkannte sie den Umriss eines, im Schnee stehenden,
Mannes in Uniform. Ein Polizist, dachte sie.
Der Fremde trat an ihr Fenster, wischte mit dem Ärmel
seiner Uniform den Schnee beiseite und schaute sie an.
Buschige Augenbrauen waren zusammengezogen und die
braunen Augen des Mannes musterten sie ausgiebig.
Dann setzte er sich wieder in Bewegung und ging auf die
Wagontür des Zuges zu.
Der Schaffner musste irgendetwas rufen, denn der Fremde
legte den Kopf schief und hörte anscheinend sehr
angestrengt zu. Der Sturm musste laut und stark sein.
Dann verschwand der Mann aus ihrem Sichtfeld.
Katy drehte sich um, behielt die Abteiltür fest im Blick und
konzentrierte sich angestrengt darauf, was nun passierte.
Die Tür öffnete sich quietschend. Sie erkannte den alten
Schaffner. Dieser betrat zuerst das Abteil und gab die Sicht
auf einen hünenhaften Mann frei, der hinter ihm eintrat.
>>Guten Abend, Herrschaften, mein Name ist Officer
Daniels.<< Dabei schaute er Katy an und tippte sich an die
Kappe auf seinem Kopf.
Katy nickte leicht und schaute ihm in die Augen, versuchte
den Grund für sein Erscheinen zu erkennen, sie bemerkte
nichts.
>>Sie fragen sich sicher, wieso ich hier bin, wieso um alles
in der Welt inmitten der Pampa, inmitten des
Schneesturms.<<
Er schaute den Schaffner an, räusperte sich.
Katy schien es, als hätte selbst der Schaffner nicht die
geringste Ahnung, warum der Officer in seinem Zug sei.
>>Ich bin hier wegen eines Mannes. Wir haben die
Informationen, man habe ihn zuletzt gesehen, wie er in
diesen Zug stieg. Ich wurde damit beauftragt, da diese
Gegend in meinen Zuständigkeitsbereich fällt.<<
>>Was für ein Mann?<<, fragte Katy, selbst erschrocken
über ihre Aufmüpfigkeit.
Der Officer schaute sie intensiv an, musterte sie von Kopf
bis Fuß und begann dann erneut zu sprechen.
>>Es handelt sich um einen, aus einer Einrichtung für
geisteskranke Kriminelle, entflohenen Insassen. .<<
Katy schwindelte. Ein Verrückter? In diesem Zug,
womöglich in ihrem Abteil?
Unsinn! In diesem Abteil sind nur ich, der Schaffner, die alte
Frau und der Officer, dachte sie und verfluchte sich und
ihre Panik.
>>Ich bitte Sie, bleiben Sie ruhig, Madam. Aus diesem
Grund bin ich hier, ich werde den Insassen in Gewahrsam
nehmen und Sie sehen mich nie wieder<<, lächelte der
Officer.
Katy unterdrückte ein angsterfülltes Lachen.
Der Schaffner wandte sich zu dem Polizisten und wies ihn
Richtung Abteiltür.
>>Folgen Sie mir Sir, wir gehen nun in das nächste Abteil.
Sofern Sie sich hier genauestens umgesehen haben
natürlich.<<
Der Schaffner drehte sich zu der alten Frau, die noch
immer schlief.
>>Ma‘am, haben Sie mitbekommen, weshalb dieser Mann
hier ist?<<, fragte er sie und stieß sie leicht an der Schulter
an.
Mit einem Mal ruckte der Körper der alten Frau nach vorn,
mit dem Kopf zuerst kippte der gebrechliche Körper vom
Sitz und schlug mit einem dumpfen Knall auf den Gang des
Zuges.
Mit einem Aufschrei des Entsetzens sprang der Schaffner
zurück und stieß mit seiner Schulter gegen den Polizisten.
Dieser beugte sich zu der alten Frau, spreizte zwei Finger
der rechten Hand ab und hielt sie an ihren Hals.
>>Sie ist tot<<, wandte er sich an den Schaffner.
Mit kreidebleichem Gesicht schüttelte der alte Mann den
Kopf.
>>Wie konnte das passieren? Es war doch die ganze Zeit
jemand in diesem Abteil. .<<, stammelte er fassungslos.
Katy rutschte nervös auf ihrem Sitz hin und her, der
Polizist schien es im Blickwinkel bemerkt zu haben.
Er wandte sich zu ihr.
>>Haben Sie etwas bemerkt?<<, fragte er sie und nahm
seine Mütze langsam ab.
Katy schaute ihm tief in die Augen und nickte.
>>Ich war vorhin eine Weile nicht in diesem Wagon, ich
musste telefonieren und ging dazu in den Speisewagen.
Dort hängt ein Telefon, müssen Sie wissen. Ich nahm den
Hörer ab und da. .<< Sie hielt inne und schluckte.
>>Was war dann?<<, hakte der Polizist nach.
>>Dann war da diese Stimme. Eine Männerstimme, am
Hörer. Sie klang tief und kratzig. Und so böse. .<<,
stammelte sie.
Der Schaffner machte große Augen, er drehte sich zu dem
Polizisten um und begann zu sprechen.
>>Sir, Sie müssen wissen, in diesem Zug gibt es nur ein
weiteres Telefon. Nur so kann die junge Dame eine Stimme
gehört haben. Derjenige, der mit ihr sprach, war an
ebendiesem Apparat.<<
>>In welchem Wagon befindet sich das zweite Telefon?<<
Der Schaffner schwitze merklich.
>>In der Fahrerkabine.<<
Der Polizist war sofort losgelaufen, sein Ziel war die
Fahrerkabine. Der Schaffner begleitete ihn.
Katy hatte den beiden gesagt, sie komme mit.
Nach kurzem Zögern hatte der Polizist ihrem Vorschlag
zugestimmt.
In Anbetracht der toten Dame, wäre es unzumutbar
gewesen, Katy allein in einem Zug mit einem Insassen
einer Nervenheilanstalt zu lassen.
Sämtliche Abteile waren leer gewesen, der Zug raste
weiterhin durch die Nacht.
Katy kam es vor, als erreichten sie niemals ihr Ziel und
damit ihren Verlobten.
Der Gang vor ihnen lag in völliger Finsternis.
>>Die Lampe ist durchgebrannt<<, flüsterte der Schaffner.
>>Ich werde vorangehen<<, sagte der Officer und zog seine
Dienstwaffe aus dem Holster.
Der Schaffner lief nun hinter Katy, atmete hastig ein und
aus. Katy roch Pfefferminz und Kaffee in seinem warmen
Atem.
Sie hatten die Fahrerkabine erreicht.
>>Haben Sie heute Kontakt zu dem Führer des Zuges
gehabt?<<, fragte der Officer und wandte sich zu dem alten
Schaffner.
>>Nein, Sir. Wir haben ständig neue Fahrer, ich bekomme
den Namen des Diensthabenden meist kurz vor
Fahrtbeginn. Heute jedoch haben wir bei dem Unwetter
keine Pläne bekommen. Der Einzige der weiß, wann wir
die letzte Station erreichen, bin ich. Wieso fragen Sie?<<,
gab der Schaffner zurück.
Eine Antwort blieb aus, der Officer legte seine Hand um
den Schiebegriff der Abteiltür und öffnete diese langsam,
alle Muskeln gespannt.
Hinter der geöffneten Tür der Fahrerkabine stand ein
Mann.
>>Entschuldigen Sie, Sir... Würden Sie sich bitte langsam
umdrehen?<<, sagte der Polizist und richtete seine Waffe
auf den Rücken des Mannes.
Der massige Nacken des Zugführers arbeitete.
Langsam legte er eine Zeitschrift aus der Hand und drehte
sich um.
Sein gutmütiges Gesicht schaute erschrocken, als er die
Waffe in der Hand des Officers wahrnahm.
>>Herrje, was wird denn hier veranstaltet?<<, fragte er
sichtlich überrascht und mit schriller Stimme.
>>Sir, ich bin Officer Daniels. Ich gehe einer Sache nach, die
sich um einen flüchtigen Kriminellen dreht. Haben Sie
heute Abend etwas ungewöhnliches bemerkt?<<, hakte der
Officer nach. Die Waffe in seiner Hand ließ er sinken.
Der Zugführer dachte nach, zog dabei die Stirn in Falten.
>>Nein. Nein, ich glaube nicht, Officer.<<
>>Ich muss Sie warnen, Sie müssen die Tür ihrer Kabine
verschlossen halten, der entflohene Geisteskranke hält sich
womöglich in diesem Zug auf<<, sprach der Officer mit
ernster Stimme.
>>Ich werde sie so gut es geht verriegeln und für keinen
Menschen heute Nacht öffnen<<, lächelte er.
>>Entschuldigen Sie die Frage, Sir, aber wann erreichen
wir unsere nächste Haltestelle?<<
Katy hatte sich nach vorn gedrängt und sprach den
Zugführer an.
>>Ich sehe gern‘ auf unserem Plan nach, Madam<<, gab der
Zugführer freundlich zurück.
Die Waffe des Polizisten schnellte nach vorn, der Hahn
spannte sich.
>>Der Schaffner sagte uns, dass es heute keine Pläne gäbe.
Das konnte auch nur jemand nicht wissen, der kein
Mitarbeiter des Zuges ist!<<
Mit einem raschen Satz sprang der Zugführer nach vorn
und wich zur Seite aus.
Der Schuss der Waffe war ohrenbetäubend.
Mit einer schnellen Bewegung hatte der Wahnsinnige ein
Messer in den Hals des Polizisten gerammt.
Röchelnd kippte dieser zur Seite und fasste sich noch an
den Hals. Er verlor im Fall die Waffe, die unter einige Sitze
rutschte.
Katy schrie auf, versuchte von den Geschehnissen
wegzukommen. Eine Hand packte ihren Knöchel.
Der Polizist versuchte sich im Todeskampf festzuhalten.
Die nackte Angst stand in seinen Augen.
>> Ich kriege dich!<<, vernahm Katy hinter sich.
Der Angreifer packte sie an den Haaren, zog sie hart nach
hinten.
Das einst so freundliche Gesicht, hatte sich in eine Maske
des Wahnsinns verwandelt.
Der massige Körper kam auf sie zu, drückte sich an sie und
roch an ihren Haaren.
>>Schöne Haare. . Du riechst gut<<, hauchte er.
Sein Atem roch säuerlich und stinkend.
Katy konnte sich nicht rühren. Der Wahnsinnige zog sie in
die Fahrerkabine, über den toten Polizisten und warf sie
gegen einen Metallspind.
Katy krachte schmerzhaft gegen den Schrank, der sich
öffnete und seinen grausigen Inhalt preisgab.
Die Leiche des echten Zugführers polterte heraus und
schlug hart auf den Boden auf.
>>Jetzt bist du dran!<<, brüllte der Geisteskranke.
Katy schloss die Augen, schloss gleichzeitig mit ihrem
Leben ab.
Der Schnee peitschte an die Scheibe des Zuges, die
Scheinwerfer schnitten durch die Nacht, warfen bizarre
Schatten in das furchtbare Gesicht des Wahnsinnigen.
Mit dem Mut der Verzweiflung zog Katy sich an einer Tür
hinauf, erkannte das Schild Notausgang und drückte sich
dicht dagegen. Mit einem Mal flog die Tür auf, der Wind
peitschte kalten Schnee in ihr Gesicht.
Sie verlor den Halt. Die Füße im Zug und den Körper im
Freien und nur an den kalten Griff der Tür geklammert,
versuchte sie, das Gleichgewicht zu halten.
>>Bleib hier!<<, brüllte der Mörder in den Sturm.
Eine Hand zog sie zurück, warf sie hart auf den Boden der
Kabine. Sie lag zwischen den Beinen des Kranken, der ihr
die Hand an die Kehle hielt.
>>Du bist so schön.. <<
Seine Worte gingen beinahe im Sturm unter.
Die geöffnete Tür brachte Schnee und Eisregen mit sich.
Der Schuss war schmerzhaft laut.
Der darauffolgende Schrei ebenfalls.
Der Schaffner stand in der offenen Tür der Fahrerkabine
mit der rauchenden Waffe des Officers.
Mit dem Ausdruck des Unverständnisses kippte der
massige Leib des Wahnsinnigen nach vorn und
verschwand in der Schwärze der Nacht.
Katy fiel in tiefe Ohnmacht.
>>Wachen Sie auf!<<, dröhnte es in Katys Schädel.
Wo war sie? Noch im Zug?
Mit schwankendem Blick richtete sie sich auf. Sie war noch
im Zug. Jedoch hatte der Schneesturm aufgehört. Der Zug
stand, das merkte sie jetzt.
>>Wo sind wir?<<, fragte sie benommen.
Der Schaffner, der vor ihr stand, lächelte.
>>Endstation<<, sprach er.
Katy stand auf und schaute sich um. Der Zug hatte an
einem Bahnhof gehalten, vereinzelte Schneeflocken
rieselten noch von Bäumen.
>>Sie haben den Zug gestoppt?<<, fragte Katy.
>>Ja Madam, das habe ich. War nicht so schwer, Notbremse
ziehen und alles ist gut!<<, lachte er herzlich und Katy
dachte daran, dass es sicher mehr Arbeit bedurfte einen
Zug anzuhalten, als nur an der Bremse zu ziehen.
>>Die Polizei sollte jeden Moment da sein<<, fuhr der alte
Schaffner fort.
>>Denke, die werden die Leiche des Wahnsinnigen
irgendwo im Frühling finden, wenn der Schnee abgetaut
ist.<<
Er schüttelte leicht den Kopf.
>>Arme Leute. Drei Tote in einer Nacht.<<
>>Wären Sie nicht gewesen, wären es fünf geworden!<<,
sagte Katy und drückte seinen Arm. Der Schaffner lächelte
traurig und nickte.
>>Mein Verlobter muss hier irgendwo auf mich warten.
Ich werde rasch zu ihm gehen und ihm erklären, was
passiert ist, er macht sich sonst sicher Sorgen<<, sagte Katy
und sprang auf den schneebedeckten Boden.
>>In Ordnung, ich werde hier die Stellung halten!<<, rief
der Schaffner ihr hinterher.
Katy sah den Wagen ihres Verlobten bereits nach wenigen
Schritten.
Der schwarze Ford parkte zwischen einigen Baumreihen.
Das Wagendach war unbedeckt von Schnee, ein Zeichen,
dass er gerade erst angekommen sein musste.
Sie hob den Arm und winkte. Ihr Verlobter bestätigte mit
einer Lichthupe.
Katy ging auf den Wagen zu und schaute durch das Fenster.
Das Gesicht, das sie so sehr liebte, lächelte zu ihr.
Er kurbelte die Scheibe herunter und küsste sie.
Sie erklärte ihm alles.
Nachdem sie sämtliche Fragen beantwortet hatte, ging sie
allein zurück zu dem Zug.
Polizisten nahmen ihre Aussage ins Protokoll auf, stellten
unzählige Fragen, ließen sie von einem Arzt untersuchen.
Nachdem alles geklärt war und auch der Schaffner gehen
durfte, schickte man Katy nach Hause.
Mit den Worten Falls wir noch Fragen haben sollten. .
verabschiedete man sich von ihr.
Katy lächelte. Sie durfte nach Hause, die Nacht der
Schrecken war vorüber. Rasch eilte sie auf den Wagen
ihres Verlobten zu, öffnete die hintere Tür und kroch
hinein. Sie brauchte Schlaf.
Nachdem sie sich auf die Rückbank gekuschelt hatte,
wandte sie sich an ihren Verlobten.
>>Wir können los, Schatz. .<<
Alles blieb ruhig. Aber der Geruch war wieder da.
>>Ich kriege dich.. <<