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a) Altes Reich.

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Wenn Babylonien von Anfang an, mehrere Jahrtausende vor dem Auftauchen »chartalen« Geldes, als Trägerin »kapitalistischer« Wirtschaftsformen, strengen Schuldrechts mit den härtesten Formen der Personalexekution und – später – ausgebildeter Geldwirtschaft erscheint, so gilt dagegen Aegypten mindestens für die ältere Zeit als ein spezifisch naturalwirtschaftliches Wirtschaftsgebiet. Es ist nicht leicht zu sagen, in welchem Sinne dies für die inneren Wirtschaftsverhältnisse – denn Außenhandel hat der Pharao wahrscheinlich getrieben, soweit und weit früher als geschichtliche Kunde überhaupt zurückreicht: seine Stellung beruht ökonomisch unter anderem auch darauf – zutrifft. »Geld« fehlt offenbar der ältesten Zeit. Dagegen besteht schon im 4. Jahrtausend Verkehr, auch Bodenverkehr, und es scheint fast sicher, daß vererbliches und, unter Umständen, auch veräußerliches Bodeneigentum schon (oder vielmehr: gerade) vor der Einigung des Reichs existierte und daß die alles überwuchernde Bedeutung des »Oikos« des Pharao und der Tempel erst Entwicklungsprodukt ist. Die urkundlichen Zeugnisse sprechen naturgemäß in den Zeiten des alten und mittleren, und erst recht des neuen Reichs vorwiegend von den Verhältnissen der königlichen und der Tempelwirtschaft. Daß man sich von dem Umfang des Tempelbesitzes danach vielfach übertriebene Vorstellungen gemacht hat, scheint jetzt zweifellos. Ob aber die Abwesenheit alles privaten, d.h. nicht entweder Lehn oder Kolonenland bildenden, Grundeigentums in den Zeiten der ältesten historischen Dynastien, an die man sich zu glauben gewöhnt hatte, je eine Realität war, ist jetzt mehr als zweifelhaft geworden. Leider sind viele Quellen in der Deutung recht umstritten. Die Lesungen der Urkunden, speziell der demotischen, ist vielfach noch höchst unsicher. Speziell dem verdienten E. Revillout, auf dessen wichtige, aber unerträglich schwatzhafte Darstellungen man immerhin oft angewiesen ist, sind schwerste Irrtümer (Verwechslung von Eheschließungs- mit Verstoßungsurkunden u. dgl.) nachgewiesen.

Die Monumente beginnen jetzt Aufschluß zu geben über eine Epoche (die sog. »thinitische«), welche der Verlegung der Residenz nach Memphis voranging und den Staat (um etwa 4000) noch in der Entwicklung von Burgen- und Fronkönigtum zu jenem ungeheuren königlichen »Oilos« zeigt, der in der älteren Zeit des »Neuen Reichs« seine Höhe erreichte.

Die sozialen Institutionen empfingen im sog. »alten Reich« ihr spezifisches Gepräge durch drei Momente: 1. das Fehlen ernstlicher kriegerischer Bedrohung und Expansionsmöglichkeit; 2. die durch die Eigenart der Existenzbedingungen gegebene Notwendigkeit eines früh ziemlich ausgebildeten bureaukratischen Verwaltungsapparats und sehr umfassender Heranziehung der Bevölkerung zu Frondiensten im Interesse der Wasserbauten. Der einzelne ist in erster Linie Staatsfröner, und wenn die Pharaonen sich rühmen, daß sie Ordnung geschaffen und »jede Stadt ihr Gebiet kennen gelehrt« haben, so bezieht sich dies, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, auf die Bewässerungsverhältnisse und die daraus folgenden Ansprüche und Fronden; 3. das offenbar hiermit zusammenhängende Fehlen der Familiennamen oder anderer die »Geschlechter« als solche zusammenhaltender (Familien–individualistischer) Institutionen, wie es durch die gemeinwirtschaftliche Einschnürung und die Uebermacht der höfischen Rangverhältnisse gegeben ist. Die Familien der »Großen« sind zwar grundherrliche Familien, zugleich aber und vor allem sind sie Dienstadel, und dieser Dienstadel rekrutierte sich mit zunehmender Machtstellung der Pharaonen auch zunehmend durch Avancement von unten her. – Die (relative) Dezentralisation des Verwaltungsapparates im alten Reich entspricht der geringfügigen Entwicklung eigentlich militärischer Institutionen: es bestehen neben der Garde des Pharao und Polizeitruppen der Tempel normalerweise nur Gaumilizen, die der Gauvorstand zum eventuellen Aufgebot gegen die damals ohnmächtigen Beduinenschwärme verwendet.

Be- und Entwässerungsanlagen, Kanäle, Wasserhebevorrichtungen sind die grundlegenden Institutionen eines Wirtschaftsbetriebes, der vollständig an die Bewegungen und Regulierungen des Nilwasserstandes festgeklammert ist und deshalb von Anfang an – d.h. seit dem Beginn der Wasserregulierung – in starkem Maße gemeinwirtschaftlich beeinflußt gewesen sein muß. Die uralte Gaueinteilung des Landes hat sicherlich mit ökonomischen Institutionen im Interesse der Bewässerung und Produktion ebenso zusammengehangen, wie die in der späteren Zeit erwähnten öffentlichen Kornhäuser in den Gauhauptstädten sicher, ebenso wie die assyrischen Institute gleicher Art, sowohl fiskalische wie teuerungspolitische Zwecke verfolgten. Der Nomarch hatte daher, neben der Fürsorge für die Bewässerungsanlagen, vor allem die Umlegung der Fronden, dann die Sorge für den Ertrag des königlichen Grundbesitzes in der Hand. Daß dieser Königsbesitz von jeher sehr ausgedehnt war, ist nicht fraglich. Später mag ein Bodenregal des Königs theoretisch bestanden haben, aus unten zu erwähnenden Gründen. Von da bis zu dem Gedanken einer staatssozialistischen Gestaltung der gesamten Produktion als Grundform altägyptischer Wirtschaft ist aber noch ein weiter Weg. – Wir wissen natürlich von den ältesten Sozialverhältnissen fast nichts. Sehr primitive Ackerinstrumente – Hakenpflug von Ochsen gezogen, Hacken und Hämmer statt der Eggen, Schafe und Schweine zum Eintreten der Saat, die Sichel zum Schneiden, Esel oder Rindvieh zum Austreten – dienten zum Anbau von Gerste, Weizen, Hirse. Daneben wurden Wein, Gemüse und Dattelpalmen, erst in ganz später Zeit und selten auch Oelbäume gezogen und aus den Nilsümpfen Lotos-(Nelumbium-) Kerne zum Essen und Papyrus für die verschiedensten technischen Zwecke, vom Schiffsbau bis zum Schreibmaterial, gewonnen. Die Einfachheit der Pharaonenkost (wesentlich: Gemüse) erwähnt Diodor; die Masse der Bevölkerung lebte von Brot und Sesamöl. (Wenn behauptet wird, die Aegypter hätten mit Rizinusöl gebacken, so mutet das ihren Eingeweiden doch zu viel zu!) Das Pferd ist vor dem neuen Reich nicht nachweislich und offenbar von Syrien aus importiert, das Kamel erst in hellenistischer Zeit sicher nachweisbar (vorher in einer Kamee), der Esel wurde als Transporttier gehalten, Rinder, Schafe, Ziegen und verschiedene Antilopen, von Geflügel besonders Gänse gezüchtet und mit Brotteig gemästet. Die später dichter besiedelten Deltamarschen dienten in der Frühzeit den Herden des Binnenlandes in periodischem Auftrieb im großen als Fettweide. Marsch- und Sumpfländer kleinen Umfangs müssen von jeher auch nilaufwärts zu den einzelnen Gauen gehört haben, da die Viehhaltung nicht unbeträchtlich war. (In der Lagidenzeit ließ der König überall Landparzellen für die Beweidung von der Bestellung ausschließen.) Das Schwein war offenbar von jeher bekannt, bildlich erscheint es in Herden erst im neuen Reich. Nutzholz ist äußerst spärlich, spielt aber auch weder beim Nilschlammziegelbau, noch, ursprünglich, beim Schiffsbau eine entscheidende Rolle. – Die Ackerbestellung erforderte von jeher relativ kurze Zeit. Düngung war entbehrlich, Brache unnötig, Fruchtwechsel beliebig. Demgemäß war die Arbeitsintensität des Landbaues in der Pharaonenzeit nur mäßig stark: auf je 6 Aruren (12/3 ha) Ackerland rechnete man, scheint es, in einer Urkunde aus der Zeit der 18. Dynastie eine Sklavenfamilie (in einer Urkunde aus der Scheschonkidenzeit allerdings auf 0,7 Aruren: bei Gartenland kamen für Fronden nach Revillouts Rechnung 5 Männer auf 4 Aruren). Dagegen rechnen die Kahun Papyri (12. Dyn.) 10 Aruren (2,75 ha) auf den Mann. Die große arbeitsfreie Zeit, welche – gleichviel was man von diesen und den späteren, naturgemäß ziemlich stark differierenden Angaben hält – jedenfalls in der ägyptischen Landwirtschaft bestand, gab die Möglichkeit, einerseits für die Leistung der kolossalen Baufronden dem Pharao zur Verfügung zu stehen, andererseits auch zu einer sehr umfassenden gewerblichen Nebenbeschäftigung, sei es für den Markt, sei es als Leiturgie für die Magazine. Man darf vielleicht auch dieser, durch die Naturbedingungen der Landwirtschaft gegebenen, Situation es mit zuschreiben, daß eine Trennung von Gewerbe und Landwirtschaft in der Form der Städtebildung in Aegypten sich so sehr viel weniger als anderwärts vollzog. Im übrigen hat dies seinen Grund (damals wie heute) eben in der geographischen Konfiguration des Landes: der Fluß als eine einzige ungeheure Verkehrsstraße mit einem schmalen kontinuierlichen Streifen besiedelten Landes auf jeder Seite. Und weiterhin spielte auch die soziale Struktur des Landes (einheitliches Robot- und Leiturgie-System, s.u.) und die politisch-militärische Verfassung (Friedlichkeit der »älteren« Reiche bis zum Hyksos-Einfall, auf Söldnern und Leiturgien eines bäuerlichen Kriegerstandes ruhende Militärverfassung des »neuen«) dabei eine entscheidende Rolle. Daß das Land »keine Städte« gehabt habe, ist dabei natürlich nur in dem Sinne richtig, daß seine Festungen und größeren Ansiedelungen jene Attribute, welche den antiken Städten, selbst denen Mesopotamiens, gemeinsam sind, soweit gefehlt haben, daß die Gesamtheit des Landes in altägyptischer wie in ptolemäischer Zeit einheitlich nach Landdistrikten verwaltet wurde und daß Privilegien einer Stadtbürgerschaft und selbst beschränkt autonome städtische Verwaltungskörperschaften (außer in den 3 Hellenenstädten) fehlten. – Ob die Sprache je ein nationales Wort für Sklaven besaß, scheint nicht sicher. In den Inschriften werden selbst die Worte, welche am häufigsten auf Kriegsgefangene, flüchtige Sklaven, Kaufsklaven angewendet wurden (boku, honu), auch für die höchsten weltlichen oder priesterlichen Funktionäre gebraucht (was die Priester anlangt, so ist zur Erklärung wohl daran zu erinnern, daß schon im mittleren Reich die Organisation der »Stundenpriester« bestand, welche, den 4 Priester-Phylen zugeteilt, schichtweise abwechselnd den Kultus versahen, – ganz entsprechend den später zu erwähnenden »Schichten« der pharaonischen Fronarbeiter). Eine ungeheure Fülle von Ausdrücken stehen für ganz denselben, zweifellos unfreien, Status zu Gebote, ohne daß es bisher den sorgsamen Untersuchungen z.B. J. Baillets geglückt wäre, sie, sei es etymologisch oder nach dem Metier oder nach dem Stande, dem sie entstammen, einigermaßen sicher zu klassifizieren, mit Ausnahme ganz weniger, weiterhin zu erwähnender, aber stets nur inexakt durchgeführter Unterscheidungen. Es ist das Wesen des Leiturgiestaates, als welcher Aegypten, vollständig im »neuen«, dem Keim nach schon im »alten« Reich, uns entgegentritt, welches sich darin äußert: jeder einzelne ist gebunden an die Funktion, die er innerhalb des sozialen Organismus vorsieht, daher ist im Prinzip jeder unfrei. Schon in den ältesten historischen Zeiten ist diese Entwicklung so weit verbreitet, daß es zwar jeweils privilegierte Schichten, aber keine rechtlich freien Volksgenossen im Sinn der hellenischen πόλις oder κώμη gibt, und im Prinzip jeder Sklave, wenigstens wenn es ihm gelang, in die Karriere des »Schreibers« zu gelangen, den »Marschallstab im Tornister« hatte. Natürlich kommen Kaufsklaven zahlreich vor. Aber die Sklavenpreise sind, verglichen mit den Bodenpreisen, wie es scheint, seit dem neuen Reich gestiegen; ein Sklave kostete in einer Urkunde unter den Scheschonkiden (libysche Dynastie) fast soviel wie das Quantum Land, welches er bebaute. Unter Darius kostete er in einer Urkunde das 12fache, während der Preis des Landes niedriger ist als in den älteren Urkunden. Aegypten hat zwar vorübergehend große Raubkriege geführt und Sklaventribute kommen in der Zeit der Thutmosis- und Amenophis-Dynastie vor. Aber sie sind für den Hausbedarf des Königs persönlich bestimmt. Die überlieferten Zahlen von Gefangenen – soweit sie glaubhaft sind – sind nicht hoch. Schon diese Sklavenmarkt- und jene erwähnten Sklaven-Preis-Verhältnisse – wenn sie typisch gewesen sein sollten – mußten private Ausnutzung von landwirtschaftlicher Sklavenarbeit im Großbetrieb zunehmend erschweren. Später machte das gewaltige Steigen der Bodenpreise eine solche vollends unrentabel. Alle Unfreien haben normalerweise eigene Familie, nur bei den Kriegsgefangenen wird diese gefehlt haben. – Die Funktion der Sklaverei versehen im »Alten Reich« die Klientel und der Kolonat.

Man nimmt im allgemeinen an, daß das Pharaonentum in Ober- wie in Unterägypten durch Unterwerfung der einzelnen »Gaukönige« und ihre Verwandlung in belehnte »Nomarchen« (nach Art der »patesi« des Zweistromlandes) entstanden sei. »Burgherr« als Beamtentitel findet sich noch in späterer Zeit. Die einstige Selbständigkeit der Gaufürsten spricht sich auch in der im alten Reich – wie sich zeigt – bestehenden Monopolisierung mancher Priestertümer durch gewisse »adelige« Familien aus. Die Gefolgschaft der Tafelgenossen wird auch hier der Keim des Lehensadels gewesen sein: Das später ganz promiscue für »Sklave« verwendete Wort: »chamsu« bedeutete ursprünglich wohl den freien Ministerialen (daher es auch im Minne-»Dienst« verwendet wird). Das Gefolgschaftsverhältnis hat aber in Aegypten, dank der absoluten Abhängigkeit aller von der bureaukratischen Vorsorge für die Nilregulierung, auf alle Sphären des sozialen Daseins übergegriffen. Schon die Art der Rechtspflege mußte allmählich den Satz zur Geltung bringen: »Nul homme sans maître«. Der »Mann ohne (Schutz-) Herrn« gilt als hilflos. Die gesamte Einwohnerschaft des Landes ist in eine Klientel- (»amach«-) Hierarchie eingegliedert. Die Herrschaft des Pharao ist schon in der ältesten Zeit ein »Fronstaat«: – er führt auch die Geißel als Attribut. Und zwar scheint es (und das wäre auch dem allgemeinen Entwicklungsschema entsprechend), daß die Bindung der Bauern an die Robot und damit an die Scholle und das Maß ihrer Fronbelastung in dem Flußmündungsgebiete, in Ünterägypten, anfangs schärfer war als in Oberägypten, dort also, wo die ältesten Stätten des Handelslagen, ihren Ursprung nahm. Wenn (angeblich) ein »Kolon« des Pharao in der Zeit vor König Snefru oder doch vor den Pyramidenbauten mit eigenem Siegel auftritt, so könnte man daraus schließen, daß das Maß der Knechtung der königlichen Bauern damals noch geringer war und erst mit der großen Bautenperiode begann (doch ist die Flüssigkeit der Ausdrücke – s.o. – zu bedenken). Ursprünglich ist die Robotpflicht offenbar auch beruflich wenig differenziert. Die Könige des alten Reichs bieten Soldaten, Schiffsleute und andere Untertanen, die 12. Dynastie auch Krieger und Priester, zu Transportleistungen auf (Mentuhotep 3000 für den Transport eines Sargdeckels). Späterhin findet sich auch ein Aufgebot nur der Bauarbeiter des gesamten Landes.

Die Bauern des unteren Nilgebietes scheinen alle als Arbeiter des Pharao zu gelten, welche unter Kontrolle seiner Beamten das ihnen überwiesene Landstück bebauen, über dessen Produkt dann nach Instruktion des Pharao verfügt wird. »Taxator der Kolonen« ist schon im 4. Jahrtausend ein Beamtentitel. Die »retu« (»Leute«, ptolemäisch: λαοί werden mit den Gütern verschenkt. Dagegen wird angenommen, daß in Oberägypten damals feudale Verhältnisse fortbestanden und »freie« Bauern, das heißt wohl lediglich: solche, welche vorwiegend Abgaben zu leisten hatten, vorgeherrscht haben. Auch für die Handwerker gilt ein ähnliches Nebeneinander: es finden sich (angeblich) auch später »freie« Dorf- und Stadthandwerker neben solchen, die der Pharao als ihm fronpflichtig in den Stadtvierteln, die um seine Paläste liegen, angesiedelt hat. Aber rechtlich garantiert war diese Scheidung wohl kaum. Die große faktische Beweglichkeit der ägyptischen Lohnarbeiter (die z.B. in russischen Erscheinungen der Leibeigenschaftszeit ihre Parallele findet) darf nicht als Ausfluß ihrer Rechtslage gelten. »Arbeiter« ist eine der üblichen Bezeichnungen für alles nicht zum Amts- oder Tempeladel gehörige »Volk«: die Robotpflicht war sicherlich subsidiär eine ganz universelle. Der einzelne ist von jeher Objekt der Herrschaft des Pharao, er und sein Besitz sind vor allem »Katasternummer«. Die Gemeinden haften durch Vermittlung ihres Vorstehers solidarisch für die Leistungen, die der König ihnen zuweist. Dies ist offenbar der ursprüngliche Zustand. Daher kannte schon das »alte Reich« (dies zeigt u.a. ein Berliner hieratischer Papyrus für die 11. Dynastie) den später so wichtig gewordenen Begriff der »ἰδία«: Jedermann muß ein »Domizil« nachweisen können, d.h. aber: eine Gemeinde, der er »zugeschrieben« ist und wo er gegebenenfalls zu den Staatsfronden requiriert wird, – sonst verfällt seine Habe, insbesondere auch seine Familie, dem Pharao, der natürlich auch über ihn selbst nach Belieben disponiert. Später war die Robot so (nach Revillouts Behauptung generell) reglementiert, daß z.B. je eine Person 2000-2500 Quadratellen Gemüseland zu bestellen hat: solches Gartenland war offenbar besonders oft in eigener Regie des Königs. Die Untertanenabgaben bestanden in Getreide, Vieh, Stoffen und anderen Hausfleißprodukten.

Erblicher »privater« Grundbesitz – d.h. solcher Grundbesitz, der nicht nur, wie Kolonenstellen, faktisch, sondern irgendwie garantiert erblich war – scheint vorwiegend auf königliches Lehen zurückzugehen. Auf den Gütern der königlichen Lehenskonzessionäre sind Umfang, Ursprung und Garantie der Erblichkeit des Besitzenden auf Stelen eingegraben. Die urkundlich überlieferten königlichen Neukonzessionen sind zumeist Häuser und Gärten (in einem Fall bis zu 200 Aruren in 12 Parzellen umfassend), mit Sklaven und eventuell Kolonen. Oft sind sie wohl »Amtspertinenzen« von Priestern und Nomarchen. Stets werden sie sorgsam inventarisiert und taxiert. Gerade die älteste (»thinitische«) Periode ergibt aber in den Inschriften der Grabkammern (so in der Inschrift des Mten, ca. 4000 v. Chr.) das Bestehen erblicher und teilbarer Grundbesitzungen. Neben königlichen Konzessionen, und zwar insbesondere von Grabgrundstücken (die in Aegypten von jeher eine gewaltige Rolle spielten und, sozusagen, einem commercium für sich unterlagen), als Lehen (»ger« = beneficarius) finden sich private Gutsübertragungsverträge vom Vater auf den Sohn, königliche Schenkungen von Land und Leuten und endlich Uebereignungen von z.B. 200 Aruren und einer Pfründe in Gestalt einer täglichen Rente von 100 Broten titulo oneroso: als Entgelt eines Beamten für bestimmt geleistete Dienste. Ob deren Veräußerung im Privatverkehr damals möglich war, ist wohl noch nicht sicher zu sagen, erscheint aber eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich (von »Kauf« konnte natürlich, da es kein »Geld« gab, nicht eigentlich die Rede sein). Das Inventar (amit-per, ampa) beim Gutsüberlassungsvertrage bildet das Surrogat testamentarischer Dispositionen; es kommt später als technischer Ausdruck bei Uebertragungen 1. vom Vater auf den Sohn, – 2. vom Mann auf die Frau, – 3. vom Bruder auf den Bruder – vor. Die prinzipielle Veräußerlichkeit des Grundbesitzes scheint e contrario namentlich auch durch die für das 4. Jahrtausend bereits inschriftlich bezeugten religiösen Stiftungen zu folgen, bei denen ausdrücklich die Nichtveräußerlichkeit des (für »Seelenmessen« – sit v.v.! – zugunsten des Verstorbenen) gestifteten Landes festgesetzt wird: die betreffenden Priester sollen, als »honu-ka«, den Besitz nur ihren Kindern hinterlassen dürfen, also dauernd und erblich an ihre Funktion gebunden sein. Der Name »ewige Kinder« (»Kinder« = Gewaltunterworfene freien Standes, wie die liberi in potestate des römischen Vaters) kommt für solche an die Leiturgie Gebundenen vor. In den Stiftungen wird dies rechtstechnisch – da der moderne juristische Begriff der Stiftung natürlich fehlte – in Form einer donatio sub modo (der Heredität nämlich) erzielt, wie Moret und Boulard hübsch nachgewiesen haben. Für den Gesamtcharakter der Sozialverfassung ergeben jene Inschriften zunächst das Bestehen von Priestergütern schon für jene älteste Zeit, ferner die Existenz der später (s.u.) so bedeutsamen Amtspfründe neben dem Amtslehen; die Exemtion der Priestergüter von der Jurisdiktion der Notabeln (großen Lehnsträger) wird in den religiösen Stiftungen ausbedungen (die daher natürlich nur von einem Angehörigen der Notabelnklasse ausgehen konnten). Damit wird indirekt die Existenz dieser Herrenstellung der »Großen« für das 4. Jahrtausend erwiesen, zugleich die Art des Beginns der Priestermacht verdeutlicht. Unter der 11. Dynastie appellieren allerdings selbst flüchtige Landarbeiter von ihren Herren an den Pharao selbst, und ebenso findet sich im »Neuen Reich« später die Kriminal- Jurisdiktion selbst über flüchtige Sklaven königlicher Prinzen wieder in den Händen von staatlichen Richtern. Allein schon im alten Reich hat das Königtum seine Stellung mit den Nomarchen zu teilen gehabt, die in Oberägypten innerhalb der von ihnen verwalteten Bezirke eine der Sache nach dynastische Stellung behielten oder an sich rissen. Bereits unter der 9. Dynastie scheint die Erblichkeit auch anderer Aemter die Regel gebildet zu haben. Manche Funktionen sind noch viel früher Gegenstand von »ampa«-Dispositionen. – Bei dem äußerst weiten Umfang des »Amtsbegriffs« mußte dies ganz generell der Stellung des ältesten Sohnes, der die Aemter allein erbte, im Familienrechte zugute kommen. Im übrigen bietet das älteste Familienrecht nichts Abnormes. Für eine Geltung des »Mutterrechts«, also des Fehlens des Erbrechts im Mannesstamm, in Aegypten ist nicht der geringste Beweis zu erbringen. Schon die ältesten Grabinschriften ergeben doppelseitiges Erbrecht. Die nicht seltene Erwähnung nur der Mutter in den Inschriften hängt sicher einerseits mit Erbtochterqualität derselben (in der Aemtervererbung) zusammen, ferner aber mit der Reaktion der Frauenfamilie gegen die Wirkungen der Polygamie, welche die Nötigung zu kontraktlicher Sicherung der Stellung der Braut als »Hauptfrau«, »große Frau«, und ihrer Kinder als der allein oder doch in garantiertem Umfang erbberechtigten mit sich brachte, endlich auch wohl mit Ebenbürtigkeitsfragen. »Sohn des X, gemacht (sic!) von der Y« ist das korrekte Patronymikon. Die spätere günstige Rechtsstellung der Frau (die faktische Position hat historisch sehr geschwankt und ist offenbar nach Klassen sehr verschieden gewesen: »ich bin ein Weib« ist eine politische Unterwerfungsformel) – ist wohl Folge der konsequenten Weiterentwicklung jener Praktiken in Verbindung mit der Entmilitarisierung der ägyptischen Nation. Wo privates Erbrecht überhaupt besteht, steht die Frau dem Mann gleich und ist, soweit die Quellen reichen, geschäftsfähig bis zur Ptolemäerzeit geblieben. Schon im 4. Jahrtausend setzt ihr der Mann Vermögen aus zur Verteilung an ihre Kinder nach ihrem Belieben und erhält (in der Inschrift des Mten) der Sohn Land durch »amitper« von der Mutter. Die häufige Geschwisterehe dient offenbar – »oben« wie »unten« – der Vermeidung der Vermögenszersplitterung (im Pharaonenhaus wohl auch der Erhaltung der Blutsreinheit). Die Namen der Grundbesitzkomplexe in den Gräbern der Familien des alten Reichs (Unterägypten), durch die Generationen hindurch verfolgt, ergeben anschaulich, welches Maß von Bodenbesitzanhäufung durch geschickte Heiratspolitik mit genügender Inzucht erzielt werden konnte (Proc. Bibl. Arch. XVII S. 244). Es findet sich da massenhafter (und offenbar verstreuter) Güterbesitz zusammengeballt, der hauptsächlich durch Vererbung (auch in weiblicher Linie) und durch Gutsübergabe an den Sohn die Hand wechselt, aber auch aus anderen nicht ersichtlichen Quellen – damals wohl wesentlich: Lehen oder Schenkung des Königs – sich vermehrt. Bewirtschaftet wird er schon in ältester Zeit durch Kolonen, von denen Deputationen der einzelnen Güter in den Gräbern des Gutsherrn abgebildet sind. Die Wirtschaft scheint Fronhofs-Wirtschaft (neben unfreier Kolonenpacht) zu sein.

Im einzelnen scheint noch fast alles recht unsicher. Offensichtlich ist nur, daß die Domänen und Kolonen des Königs, seine Schatz-, Korn-, Viehhäuser und Rüstkammern in sämtlichen Gauen das ökonomische Skelett des Staates ausmachen. Aber daneben steigert sich sichtbar der feudale Einschlag.

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