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Bei ARRI

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Jana war häufig bei ARRI, das war ein ganzer Gebäudekomplex, in dem sich auch Studios und eine Post-Production befanden. Sie mußte dort meistens zum Kameraverleih. Die meisten Münchner, die dort hingingen, wollten ins gleichnamige Kino, das einen modernen Vorführsaal mit bequemen Sesseln hatte. Die wenigsten wußten, daß Arnold und Richter auch erstklassige Filmkameras bauten und dafür ständig Oscars bekamen. Die Münchner Produktionen liehen sich die ARRI-Kameras und die passende Ausrüstung dann eben beim Kameraverleih.

Es war Aufgabe der Kameraassistenten, das Material abzuholen, meist am Tag vor Produktionsbeginn, und es dann gleich dort zu testen. Dafür gab es einen Raum neben der Ausgabe, wo sie die Kamera aufbauten, eine Optik daraufschraubten und dann auf eine Wand sahen, wo eine Graphik aufgemalt war, die ein wenig so aussah wie ein Testbild im Fernsehen. Wenn die Produktion viel Geld hatte, nahmen sie eine 35 mm-Kamera. Die Kamera, aber auch die passenden Objektive, kosteten mehr Miete, außerdem ging natürlich das Material ins Geld, dafür war die Bildqualität unvergleichlich gut. Wenn weniger Geld da war oder ohnehin fürs Fernsehen produziert wurde, wählte man die 16 mm-Variante.

Das Testen der Ausrüstung war nicht nur wichtig, damit die Kameraassistenten nicht mit fehlerhaftem Equipment zum Dreh kamen und dann der ganze Drehtag im Eimer war, sondern auch, weil es teuer wurde, wenn etwas kaputt war. Wenn in Wohnungen oder Häusern gedreht wurde, rechneten die Produzenten eine Summe für Schäden mit ein, weil erfahrungsgemäß immer eine Vase zu Bruch ging, ein Stativ durch ein Fenster kippte oder ein Produktionsfahrer einen Zaun umfuhr. Das machte das Filmgeschäft genau aus: mörderischer Streß, wobei jeder Fehler fatal sein konnte, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Streit.

Jana lernte früh, daß es wichtig war, daß der Ruf alles war und sich Fehler in Windeseile herumsprachen. Ein Fahrer, der mehrfach irgendwo dagegen rumpelte, konnte sich etwas anderes suchen. Ein Regieassistent, der keine Menschenmassen dirigieren konnte, war für den Job ungeeignet, ein Produktionsleiter, der, wenn jemand plötzlich ausfiel, nicht ruckzuck einen Ersatz aus dem Hut zaubern konnte, war seiner Aufgabe eben nicht gewachsen.

Wenn Jana sich bei einer Produktionsfirma bewarb, für die sie noch nicht gearbeitet hatte, schaute sie dort natürlich zu Bürozeiten vorbei, wenn nicht gerade alle mitten im Produktionsstreß waren. Sie gab ihren Lebenslauf ab, auf dem ihre bisherigen Jobs aufgelistet waren. Die neue Firma rief dann einfach jemanden von der Liste an, in der Branche kannte ohnehin jeder jeden, und fragte nach Jana. Dann hieß es: das macht sie gut. Das reichte. Wenn dann jemand gebraucht wurde, bot man ihr den Job an. Natürlich für etwas zu wenig Geld, dann sagte Jana, es müsse schon ein wenig mehr sein, dann sagte man, ja aber die Produktion sei doch so schrecklich arm, dann sagte Jana, ja trotzdem, und dann bekam sie, was anständige Fahrer eben bekamen. In allen Abteilungen war es das gleiche, gute Leute kosteten eben gutes Geld. Die Amerikaner sagten: if you pay peanuts, you get monkeys.

Aber als Jana anfing, war alles neu und ungewohnt und besonders. Als sie das erste Mal bei ARRI war, lief ihr dort eine Fernsehmoderatorin über den Weg. In einem der Studios wurde täglich eine Nachmittags-Talkshow aufgezeichnet. Einmal schaute Jana zu, wie ein Anheizer das Publikum mit Witzen in Stimmung brachte, bevor es losging. Während die Show lief, leuchtete immer wieder ein Applausschild auf, damit das Publikum auch wußte, wann es zu klatschen hatte.

Ein Woche später war sie wieder bei ARRI, da wurde im Studio daneben ein Werbespot gedreht. Sie mußte eine Schauspielerin vom Flughafen Riem abholen, die aus London eingeflogen wurde. Sie spielte die Hausfrau, die sich enorm freute, daß der Pulli nach dem Waschen wieder so weich war. Jana hatte eine Zeitlang nichts zu tun, also schaute sie beim Drehen zu. Der Regisseur trug wallende weiße Gewänder und bewegte sich eigentümlich. Jemand sagte ihr, wer es war. Jana war beeindruckt. Er hatte zwei Münchner Fernsehserien gemacht, die jeder kannte. In einer wurde das München der Schickeria aufs Korn genommen, mit dem sie selbst immer mehr in Berührung kam.

Durch irgend etwas wurde der Dreh aufgehalten und als klar war, daß es etwas dauern würde, bis weitergedreht werden konnte, sagte der Regisseur, sie sollten ihn holen, wenn es weiterginge und ging einfach davon. Er wohnte auf der Rückseite des Studios und wartete offenbar lieber in seiner Wohnung.

Jana wurde bald klar, daß in der Filmbranche nicht alles so war, wie es schien. Und darum ging es natürlich auch: Dinge anders aussehen zu lassen, als sie waren. Daß das aber mitunter sehr viel weiter ging, als sie sich vorstellen konnte, sollte sie bald erfahren.

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