Читать книгу Spanische Literaturwissenschaft - Maximilian Gröne - Страница 15
2.4 LiteraturgeschichteLiteraturgeschichte
ОглавлениеNormativenormativ Poetiken verwiesen auf AutorinnenAutor und AutorenAutor und auf die Werke vergangener Zeiten vor allem unter dem Gesichtspunkt ihres Vorbildcharakters oder der zu meidenden Fehler, sie enthielten daneben aber bereits Auflistungen von Werktiteln und Namen. LiteraturgeschichtenLiteraturgeschichte hingegen beabsichtigen, einen systematisierenden Überblick zumindest über die für wichtig erachteten Werke einer (meist) Nationalliteratur oder auch einer Gattung zu liefern.
Als wesentliche Anhaltspunkte dienen dabei:
Biographik BiographienBiographie ‚großer‘ AutorinnenAutor und AutorenAutor;
bedeutende literarische Texte, die zumeist Teil des KanonsKanon (s.u.) geworden sind und die nach Möglichkeit in ihre Entstehungs- und Wirkungszusammenhänge InterpretationInterpretation eingeordnet und auf dieser Grundlage interpretiertInterpretation werden;
mittel- und längerfristige Tendenzen der literarischen Entwicklung, z.B. in Bezug auf GattungenGattungen und EpochenEpochen, die in ihren thematischenThema und formalen Aspekten aufgezeigt werden;
die Verzahnung der literaturgeschichtlichenLiteraturgeschichte Prozesse mit den zeitgleichen politik-, wirtschafts-, sozial-, ideen-, mentalitäts-, kultur- und mediengeschichtlichen Kontextualisierung Kontexten, wobei – je nach Ansatz der Verfasser/Verfasserinnen – eine Deutung globaler Zusammenhänge unternommen werden kann (z.B. in sozialgeschichtlicher Perspektive);
Innovationen oder Meisterschaft die individuelle Leistung einzelner AutorenAutor/AutorinnenAutor bzw. die womöglich für das Weitere wegweisenden Besonderheiten spezifischer Werke.
Neben die genannten Kriterien sind im Laufe der letzten Jahrzehnte neue Gesichtspunkte getreten, die über ältere Konzeptionen des KanonsKanon hinausweisen und Textgruppen in einen eigenen geschichtlichen Zusammenhang stellen. Solche ‚alternativen‘ LiteraturgeschichtenLiteraturgeschichte widmen sich vorrangig der Literatur von ‚Minderheiten‘, so der Geschichte des weiblichen Schreibens, oder der postkolonialen Literaturen; sie verfolgen thematischThema/motivischeMotiv Leitfäden (bspw. eine LiteraturgeschichteLiteraturgeschichte der Liebe) oder betrachten spezielle UntergattungenGattungen bzw. Literaturtypen (etwa eine Geschichte der Utopien). Darüber hinaus können methodischeMethode Ansätze zur Abfassung eigener LiteraturgeschichtenLiteraturgeschichte führen. Aus komparatistischerKomparatistik Sicht schließlich kann der enge Rahmen der Nationalliteratur verlassen werden (vgl. z.B. die auf historische Kontinuität der literarischen Konzepte ausgelegte Abhandlung von Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter [1948]).
Abb. 2.7
Schreibende Frauen blieben lange im Schatten der LiteraturgeschichteLiteraturgeschichte
Bis in das 18. Jh. hinein wurde LiteraturgeschichtsschreibungLiteraturgeschichte als wichtige Aufgabe der poetologischenpoetologisch Schriften wahrgenommen; so findet sich in Spanien der erste Versuch einer Darstellung der romanischen Literaturen in der Carta proemio al Condestable don Pedro de Portugal (Vorwort und Brief an den Kronfeldherrn Don Pedro von Portugal), einem poetologischenpoetologisch Widmungsbrief des RenaissancelyrikersRenaissance Íñigo López de Mendoza, Marqués de Santillana von 1445. Die deutsche Romanistik, welche als wissenschaftliche Disziplin noch vor den romanischsprachigen Nachbarländern deren literarische Monumente [bad img format] Zusatzmaterialien zur Editionsphilologie finden Sie unter www.bachelor-wissen.de sichtete, leistete seit Ende des 19. Jh. einen wichtigen Beitrag zu einer nunmehr wissenschaftlichen Beschreibung des literarischen Erbes. Ihr Bemühen war es dabei zunächst, literarische Quellen aufzuspüren, zu untersuchen und unter philologischen Aspekten zu edieren, d.h. die Überlieferung zu erforschen und maßgebliche Textausgaben zu erstellen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. bildete sich somit im Zeichen des PositivismusPositivismus (siehe Einheit 10.2) eine ‚moderne‘ wissenschaftliche Beschäftigung mit der literarischen Überlieferung aus, deren Quellen nach überprüfbaren Daten und Kriterien systematisch erfasst, analysiert und zueinander in Beziehung gesetzt wurden. Diese einseitig auf die Überlieferungsgeschichte ausgerichtete TextphilologieTextphilologie TextphilologieTextphilologie wurde schließlich aus einer anderen, immer noch dem PositivismusPositivismus unterstellten Perspektive erweitert, welche in den historischen Entstehungsbedingungen eines Textes den zentralen Angelpunkt für ihre InterpretationInterpretation erblickte. Im Zuge eines geschärften Geschichtsbewusstseins sollte die historische Entwicklung der einzelnen Nationalliteraturen aufgearbeitet werden, was nicht zuletzt zur Erstellung von Werk- und Autorenkatalogen führte. Eine wichtige Frage, die bis in die Mitte des 20. Jh. verfolgt wurde, beschäftigte sich zudem mit dem vom jeweiligen ‚Volkscharakter‘ geprägten ‚Wesen‘ der Nationalliteratur. Sie war auch ein zentrales Anliegen der frühen Philologie in Spanien um Marcelino Menéndez Pelayo (siehe Einheit 10.3).
Die Kontextualisierung der literarischen Werke konnte später unter wechselnden Leitideen erweitert werden, so unter der Berücksichtigung von Thesen der Sozialwissenschaften, der Psychologie, der Volkskunde, der philosophischen Ästhetik, der Sprachwissenschaft, der MedienwissenschaftenMedien u.v.m.
Heute hat die LiteraturgeschichteLiteraturgeschichte unter dem Einfluss von poststrukturalistischer und dekonstruktivistischerDekonstruktion Literaturtheorie (siehe Einheit 12.2) einen Punkt erreicht, an dem viele der für Poetik und LiteraturgeschichtsschreibungLiteraturgeschichte grundlegenden Kategorien wie Autorschaft, Gattungen, EpochenEpochen, Kanon oder Wirkungsästhetik in ihrer Aussagekraft angezweifelt werden. Nichtsdestotrotz liefern LiteraturgeschichtenLiteraturgeschichte nach wie vor unerlässliche Leitfäden für die Annäherung an übergreifende Entwicklungsprozesse und an einzelne Schlüsseltexte, wie immer sich deren Auswahl im Einzelfall auch legitimieren mag. (Eine Auswahl an Geschichten der spanischen Literatur finden Sie in Einheit 3.4)
Abb. 2.8
Literatur als Kommunikationsnetz