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ОглавлениеAnonym 1
Die Erkenntnis, dass unser Leben nicht mehr so sein wird, wie es war
Mein Mann, 55 Jahre, war immer ein toller Mann mit viel Elan. Er war 45 Jahre als Mechaniker unterwegs. Echt, ein toller Mann.
Dann kamen Jahre, die wir uns nicht erklären konnten. Er war müde, machte viele Fehler und er wurde sehr langsam. Wir konnten es uns nicht erklären – mein Sohn und ich. Das Autofahren und Motorradfahren waren sein Hobby, aber auch das ließ nach. Er war immer sehr ordentlich, auch dies ließ nach. Der Ärger war bei uns in der Ehe vorprogrammiert, sie lief nicht mehr gut. Meinem Mann war alles egal geworden und zum guten Schluss fingen die Probleme auch in der Firma an. Ihm wurde dreimal fristlos gekündigt, seine Firma kam aber nicht damit durch.
Jetzt war Schluss mit lustig und ich schickte meinen Mann zum Arzt. Keiner hat etwas gefunden. Einer sagte dann, es seien Depressionen. Haha, Männer haben keine Depressionen!
Wir standen dann kurz vor der Scheidung. Mal gingen die Sachen, die er machen wollte, dann wieder nicht. Mal konnte er Auto fahren, mal nicht. Dann blieb er einfach stehen und erklärte mir, er könne nicht mehr laufen. Haha! Ich dachte wirklich, er will mich verarschen! Dies wiederholte sich jeden Tag, ich war verzweifelt. Ich war wirklich soweit, mich scheiden zu lassen.
Nun war mein Mann inzwischen schon 60 Jahre alt. Er sollte bald in Rente gehen, und da kam der Hammer. Wir gingen ganz normal zum Hausarzt. Der sagte mir auf den Kopf zu, ob ich nicht sähe, dass mein Mann Parkinson hat. Ich sagte ihm, dass dies nicht richtig wäre, denn er war ja mittlerweile in drei Krankenhäusern gewesen und die haben nichts gefunden.
Die Findungsphase dauerte dann fast zwei Jahre. Jeder Arzt sagte etwas anderes und ich konnte das nicht verarbeiten und habe es auch bis heute nicht verstanden.
Wir mussten bis in die Heidelberger Uniklinik fahren, bis wir endlich die Gewissheit hatten, dass es Parkinson war. Das hat mir so viel Kraft gekostet, dass ich am Ende war. Jetzt ging es aber erst richtig los. Einen Neurologen finden, mit dem man arbeiten kann und der sich auch Zeit nimmt. Leider hatten wir am Anfang sehr viel Pech. Zuerst mussten wir fast sieben Monate warten, bis wir einen Termin bekamen. Dann kamen wir mit dieser Dame nicht zurecht. Sie fragte mich, was ich denn wollte. Mein Mann hat Parkinson, da kann man nicht mehr viel machen. Ich habe mich mit dieser Dame derart angelegt, dass sie mich nicht mehr sprechen wollte.
Der nächste Neurologe – ein Jahr später – war nicht besser. Wenn man eine Erleichterung bei meinem Mann haben wollte, wurde dies direkt von dem Arzt abgelehnt, kostet zu viel.
Nach mittlerweile zweieinhalb Jahren haben wir jetzt einen super Neurologen gefunden. Das erste, was er machte, war Reha-Sport und andere Therapien zu verschreiben. Mein Mann bekommt sogar eine Medikamentenverschreibung, das heißt morgens und mittags gibt eine Pflegerin ihm die Tabletten. Ich wusste nicht, dass es dies überhaupt gibt. Ich muss nur für 28 Tage 10 % dazu zahlen. Super! Jetzt klappt es auch viel besser, da er die Tabletten nun regelmäßig nimmt.
Also, geht doch! Ich muss dazu sagen, ich gehe noch den ganzen Tag arbeiten. Da mein Mann und ich durch diese Krankheit viele Freunde verloren haben, habe ich dafür gesorgt, dass er zweimal die Woche in eine Tagespflege geht. Dort fühlt er sich super wohl.
Das Beste ist aber
Jetzt kam bei mir die Erkenntnis der Bemutterung. Das heißt, ich nahm Ihm alles ab aus Angst, dass er etwas falsch machen könnte (hat er ja früher auch). Ich fing an, mich über diese Krankheit zu informieren – über das Internet. Sollte man lieber lassen, man findet so viele verschiedene Therapien und viele Medikamente und meint, dass man dies dann auch umsetzten kann (nee, kann man nicht, man ist kein Arzt).
Ich habe sehr viel falsch gemacht und habe mich auch sehr bemitleidet. Mir ging es immer schlechter und schlechter und das schlimmste dabei ist, ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, da ich ja jetzt für alles alleine verantwortlich bin. Das war aber nur ein Gefühl, das ich hatte.
Es wurde mir auch eingeredet: Ich bin in den Augen anderer Leute eine schlechte Ehefrau, da ich meinen Job nicht aufgegeben habe. Aber ich habe auch ein Leben und ich gehe seit meinem 20. Lebensjahr arbeiten und dies sehr gerne. Wie jeder weiß, muss man ja auch arbeiten, um zu leben.
Am Anfang habe ich sehr weit weg gearbeitet und wurde dann aufgrund der Krankheit meines Mannes im gegenseitigen Einverständnis gekündigt. Mein alter Chef war der Meinung, dass ich nicht immer alles leisten kann, wie es sein sollte. Es ist echt traurig, dass man heute nur noch nach Leistung bewertet wird (jeder hat mal schlechte Tage). Ich habe einen neuen Job mit 55 Jahren gefunden, der mir viel Spaß macht (ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass mich noch einer nimmt). Dort habe ich ein normales Leben.
Es ist schön, aber ich hatte wieder ein schlechtes Gewissen (ich bin immer unter Spannung und man hat immer dieses schlechte Gewissen). Es ist genauso wie früher. Als unser Sohn im Kindergarten war, hatte ich auch immer ein schlechtes Gewissen: „Geht es ihm gut, ist er gut versorgt?“
Diese schlechten Gedanken, die immer im Kopf sind. Alles hinterfragt man. Das schlimme ist auch, dass dieses Hinterfragen mittlerweile in jeder Lebenslage kommt. Man wird sehr unsicher. Das habe ich vor Kurzem wieder gemerkt. Ich hatte ein Personalgespräch, bei dem man mir auf Grund der Lage in der Firma (es sind Leute ausgefallen und ich habe diese Abteilung in Vertretung übernommen, für mehrere Monate) gesagt hat, wie klasse ich das mache. Ich konnte es überhaupt nicht glauben. Ich dachte, das kann nicht richtig sein. Ich habe kein Selbstbewusstsein.
Ich will ganz offen sein: Es ist nicht die Schuld meines Mannes, es ist mein Problem. Ich kann nicht damit umgehen, dass mein Mann vieles nicht mehr kann. Früher, als ich ihn noch fragen konnte, war alles besser. Ob es Alltagssorgen sind oder fachlich (Auto), alles muss ich machen. Man lernt es, aber es dauert ein wenig. Mit der Zeit wird es aber besser. Doch leider kommen immer neue Probleme hinzu, aber auch diese werde ich meistern.
Das Beste ist aber, dass ich meinen Mann liebe und dies wird auch so bleiben, mit allem Wenn und Aber!
Das ist jetzt mein neues Leben mit einem kranken Ehemann
Es ist wirklich nicht schön, aber man muss im Leben eben immer weitermachen. Ich höre mich jetzt wirklich an, wie eine Frau, der das alles zu viel ist. Richtig, ist es auch, aber es ist wirklich sehr schwer, wenn sich das ganze Leben verändert.
Es ist jeden Tag eine Herausforderung des Lebens, dieses auch zu meistern. Es fängt morgens an und hört erst am späten Abend auf. Das Eheleben ist in meinen Augen nicht mehr vorhanden. Ich habe das Gefühl, dass ich nur noch eine Krankenschwester für ihn bin. Das ganze Problem ist, er hat auch keine Freude mehr am Leben, sitzt den ganzen Tag – wenn ich nicht da bin – da und kann nichts mit sich anfangen. Ich möchte gar nicht wissen, was er den ganzen Tag macht. Ich bin noch berufstätig in Vollzeit. Und ich muss sagen, dass ich sehr gerne arbeiten gehe. Ich glaube, sonst würde ich die gesamte Situation nicht aushalten können.
Es hört sich sehr schlimm an, aber leider ist es so. Ich liebe meinen Mann sehr, aber ich hadere mit der gesamten Situation. Ich bin mittlerweile schon so weit, dass ich echt überlege, endlich mal alleine in den Urlaub zu fahren. Es ist schlimm, dass man so denkt, aber ich brauche eine Auszeit. Vor vier Jahren hätte ich jedem gesagt ich fahre nie alleine in den Urlaub, aber jetzt werde ich es in Angriff nehmen. Und ich fahre alleine in den Urlaub, und ich hoffe, dass ich mich auch wirklich erholen kann, da ich es echt brauche. Sonst lande ich bald selber im Krankenhaus.
Wir haben einen Sohn, der jetzt 35 Jahre alt ist. Am Anfang der Krankheit ist er sehr rüde mit mir umgegangen, weil er nicht verstanden hat, wie sehr ich leide. Er lebt 300 km von uns entfernt und daher bekam er nur am Wochenende mit, was bei uns Zuhause los ist. Er sagte immer: „Es ist doch nicht so schlimm.“
Jetzt war er im Urlaub bei uns und er ist echt verzweifelt und sagte nur: „Mutti, wie kannst du das nur aushalten?“ Und ich sage Ihm immer wieder – es ist nicht einfach – aber ich habe mal gesagt: „Wie in guten, so in schlechten Zeiten.“ Er ist mein Ehemann und er wird es auch bleiben. Man muss nur einen Weg finden, wie man jetzt zusammenleben kann und beide gut leben können.
Jeden Tag muss man lernen, ich versuche es jeden Tag aufs Neue.