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Liebe Schwester,

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du warst für ein halbes Jahr verschwunden, ohne dass ich wusste, wo du bist, wie es dir geht oder warum du überhaupt gegangen bist. Anfangs habe ich mir Sorgen um dich gemacht und unsere Streitereien vermisst, aber mein Leben musste auch ohne dich weitergehen. Unser aller Leben musste das!

Lucas schien unter deinem Verschwinden fast am meisten zu leiden. Er hat wochenlang nach dir gesucht, kaum geschlafen, kaum gegessen. Schuldgefühle haben ihn gequält und er hat sich gefragt, ob er dir nicht genug zur Seite gestanden hätte. Ich konnte sein Leid nicht länger ertragen. Es hat mir das Herz zerrissen, ihn so zu sehen. Ich bin ihm nicht mehr von der Seite gewichen und habe mir jeden Tag angehört, was für ein toller, aber missverstandener Mensch du doch wärst. Lucas ist der Einzige, der dich auf diese Weise sieht. Denn ich glaube, wenn dich die anderen in der Schule als egoistisches Miststück beschimpfen, liegen sie richtig. Du hast nie daran gedacht, was es für mich, Lucas oder unsere Eltern bedeutet, wenn du einfach von heute auf morgen verschwindest. Es war dir egal, weil du wie immer nur an dich gedacht hast!

Und dann kommst du plötzlich wieder, ausgerechnet zur selben Zeit, in der diese schrecklichen Ritualmorde in Wexford passieren. Aber du klopfst nicht an unsere Tür oder rufst an, um zu sagen, dass du wieder da bist. Nein, du versteckst dich und spielst Lucas gegen mich aus. Lucas, den ich schon immer geliebt habe. Lucas, den du ohne ein Wort hier zurückgelassen hast. Lucas, der dir nie wirklich wichtig war.

Du kommst zurück und erwartest von mir, dass ich Verständnis für deine ausweglose Situation aufbringe. Du bist jetzt eine Schattenwandlerin, ernährst dich von den Gefühlen anderer Menschen und beobachtest mich aus der Finsternis. Du hast zwei Menschen getötet und trotzdem war ich bereit, dir zu verzeihen. Du bist meine Schwester und ein Teil von mir wird dich immer lieben, aber du hast mich erneut verraten. Du hast mir Lucas weggenommen! Du hast ihn geküsst, obwohl du gesagt hast, dass du nichts für ihn empfindest. Du hast gelogen. Du bist genauso herzlos, wie du es immer warst. Du hast dich nicht geändert!

Liam hat mich vor dir gewarnt. Er hat dich durchschaut. Er kannte die Abgründe deiner Seele. Ich habe geglaubt, dass der Schmerz seine Worte bestimmt. Du hast ihm das Wichtigste auf der Welt genommen: seine kleine Schwester. Und das nur, weil du glaubtest, es besser zu wissen, dir von nichts und niemandem etwas sagen lassen zu müssen. Du hast dich überschätzt, mal wieder. Aber dieses Mal ist ein kleines Mädchen durch deine Schuld viel zu früh aus dem Leben gerissen worden. Ich hoffe, du denkst in deinen Träumen an sie und vergisst nie deine Schuld!

Liam ist ein Mörder. Aus Verzweiflung hat er Unschuldige ermordet, um seine Schwester wieder zum Leben zu erwecken. Es hat nie funktioniert, er hat nur noch mehr Trauer und Tod verbreitet. Aber trotzdem war er für mich mehr als ein skrupelloser Killer. Er war mein Freund. Sein Blut klebt an meinen Händen, weil ich mich zwischen ihm und dir entscheiden musste. Ich habe dich gewählt und würde es jederzeit wieder tun, auch wenn ich mir nichts mehr wünsche, als dass du deine Sachen packst und wieder aus meinem Leben verschwindest. Ich liebe dich, Eliza, aber ich kann deine Nähe nicht länger ertragen!

Deine Schwester,

Winter

Schattenjagd

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