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4. Winter
Оглавление„Warum hast du versucht, deine Schwester umzubringen?“, fragte die Therapeutin auf dem Stuhl mir gegenüber. Es war meine erste Sitzung bei ihr und ich fühlte mich alles andere als wohl. Ich wollte zwar, dass mir geholfen wurde, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mich verstand. Es kam mir eher so vor, als würde sie versuchen, mich dazu bringen zu wollen, etwas zuzugeben, das ich nicht getan hatte.
„Ich wollte sie nicht umbringen! Ich wollte ihr nicht einmal wehtun“, versicherte ich ihr aufgewühlt. „Sagen Sie mir lieber, was ich tun kann, damit das aufhört.“
„Das ist nicht so leicht. Wir müssen herausfinden, woher der Hass auf deine Schwester stammt“, erklärte sie sachlich.
„Ich hasse Eliza nicht! Ich kann sie nicht leiden und war wütend auf sie. Mittlerweile tut mir mein Verhalten nur noch leid und ich würde mich am liebsten bei ihr entschuldigen. Aber das kann ich nicht, weil ich Angst habe, sie noch einmal zu verletzen.“
Mrs. Gallagher notierte eifrig auf ihrem Notizblock, was ich gesagt hatte. Sie sah zu mir auf. „Wenn du deiner Schwester nicht wehtun willst, warum hast du es dann getan? Erinnerst du dich daran?“
„Natürlich erinnere ich mich daran!“, schimpfte ich beunruhigt. Wollte sie mir jetzt etwa schizophrene Züge unterstellen? Ich war doch nicht verrückt! „Ich habe völlig die Kontrolle verloren“, sagte ich zögernd und dachte an den Moment in der Kunststunde zurück.
„Wann fing es an, dass du so wütend wurdest? Warst du bereits am Morgen schlecht gelaunt?“
„Nein. Es fing an, als Eliza den Raum betrat. Ich wurde bei ihrem Anblick wütend, auch wenn ich mir nicht erklären kann, warum. Ich habe versucht, mich zusammenzureißen, aber als sie dann den Streit mit unserer Mitschülerin hatte, konnte ich es nicht länger zurückhalten. Ich hatte das Gefühl, von innen zu verbrennen, wenn ich nicht etwas unternehme. Ich hatte Eliza verletzen wollen, sie sogar umbringen wollen. In diesem einen Moment wollte ich sie wirklich tot sehen.“
Meine Worte waren heraus, bevor ich über sie nachdenken konnte. Ich blickte geschockt zu Mrs. Gallagher, die nachdenklich meinen Blick erwiderte. Sie kritzelte etwas auf ihren Block und musterte mich dann neugierig. „Wann warst du nicht mehr wütend auf deine Schwester?“
„Ich weiß es nicht“, antwortete ich prompt, versuchte dann aber, darüber nachzudenken und einen Zeitpunkt auszumachen, an dem die Wut zurückgegangen war. Solange wir im Kunstraum gewesen waren, hatte ich mich kaum beherrschen können. Auch als wir hintereinander zu dem Büro des Direktors gegangen waren, wäre ich ihr am liebsten erneut an die Kehle gesprungen. Erst als ich auf der Bank hatte warten müssen und Eliza in das Büro des Direktors gegangen war, war ich ruhiger geworden. „Erst als Eliza aus meinem Blickfeld verschwunden war.“
„Stimmt es, dass du zu deiner Schwester gesagt hast, dass du möchtest, dass sie wieder verschwindet?“
Ich wagte es nicht, sie anzusehen. „Ja das stimmt.“
„Möchtest du das noch immer?“
„Nicht, ohne dass ich mich bei ihr entschuldigen konnte. Ich will nicht, dass wir im Streit auseinander gehen. Ich liebe meine Schwester, trotz allem, was gewesen ist."
Mrs. Gallagher sah auf die Uhr. Unsere Stunde war vorbei. Sie stand auf und reichte mir die Hand. „Halt an der Liebe für deine Schwester fest. Versuch sie dir ins Gedächtnis zu rufen, wenn du sie das nächste Mal siehst. Bis nächste Woche.“
„Bis dann“, murmelte ich leise und verließ mit hängenden Schultern ihre Praxis. Ich hatte mir nichts mehr gewünscht, als dass Eliza wieder die Stadt verlassen würde. Ich wollte Lucas und meine Eltern für mich haben. Ich wollte an der Schule nicht nur die Schwester der berüchtigten Eliza sein. Ich wollte, dass sie aufhörte, mein Leben zu beeinflussen. Aber jetzt, wo ich sie nicht einmal mehr ansehen konnte, ohne auf sie loszugehen, bereute ich meine Wünsche auf einmal. Eliza war meine Schwester und ich hatte nur sie. Es hatte einen Grund dafür gegeben, dass ich mich für sie und nicht für Liam entschieden hatte. Ich liebte sie, auch wenn wir nichts gemeinsam hatten und ich sie nicht einmal mochte. Sie würde immer meine Schwester bleiben.
In der Schule machten alle einen weiten Bogen um mich, selbst Dairine und Mona schienen sich vor mir zu fürchten. Ich war unberechenbar in ihren Augen. Es tat weh, zu sehen, wie die anderen auf mich reagierten, obwohl ich mir mein Verhalten selbst nicht erklären konnte. Was hätte Liam zu alldem gesagt? Don’t care, das Miststück hat es nicht anders verdient!
Vermutlich würde ihm die ganze Situation große Freude bereiten. Eliza hatte mich verloren, das war genau das, was er gewollt hatte. Aber ich hatte meine Schwester genauso verloren. Sie leiden zu sehen, schmerzte mich ebenfalls. Ich dachte häufiger, wenn ich alleine war, an Elizas gute Seiten. Sie hatte mich immer beschützt, als wir noch kleiner gewesen waren. Niemand hatte ein böses Wort über mich verlieren dürfen, ohne dass sie ihn nicht im Anschluss dafür verprügelt hätte. Eliza konnte mich zum Lachen bringen, wenn ich traurig war. Sie verwandelte jeden tristen Regentag in ein Abenteuer, dachte sich Geschichten aus und machte mir Platz in ihrem Bett, wenn ich vor dem Gewitter Angst hatte. Sie war nicht nur der schlechte Mensch, den ich in den letzten Jahren in ihr gesehen hatte. Selbst wegen Lucas konnte ich ihr nicht länger böse sein, wenn ich daran dachte, was ich ihr angetan hatte.
Dad hupte laut, als ich in Gedanken versunken aus der Praxis getaumelt kam. Erschrocken lief ich zum Auto und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen.
„Du siehst müde aus“, stellte er fest, als wir losfuhren.
„Bin ich auch, die Sitzung war anstrengend.“
„Ist Mrs. Gallagher nett? Fühlst du dich bei ihr gut aufgehoben?“
Mrs. Gallagher war sehr nett sogar, aber ich fühlte mich von ihr nicht verstanden. Doch das konnte ich Dad nicht sagen. Ich wusste, dass die Polizei mich nach dem Vorfall hatte mitnehmen wollen und meine Eltern es nur durch die Zusage einer Therapie hatten verhindern können. Ich hatte nicht das Recht, Ansprüche zu stellen. Nicht in meiner Situation.
„Ja, ich glaube, sie weiß wirklich, was sie tut.“
„Das ist schön“, sagte er erleichtert und tätschelte meinen Oberschenkel. Er schenkte mir ein warmes Lächeln. „Mach dir keine Sorgen, alles wird wieder gut.“
„Wie geht es Eliza?“
Dad sah mich überrascht an. „Es ist wirklich eigenartig. Ihr scheint euch auf den Tod nicht ausstehen zu können und trotzdem stellt ihr mir beide immer diese Frage. Sie ist traurig und vermisst ihre Schwester, aber sie macht dir keine Vorwürfe. Eliza weiß, dass sie viel falsch gemacht hat. Sie wäre die Letzte, die dich für irgendetwas verurteilen würde.“
„Kannst du ihr bitte trotzdem sagen, dass es mir wirklich leidtut?“
Er lächelte. „Das mache ich, aber ich bin sicher, bald kannst du es ihr selbst sagen. Warum versuchst du es nicht bei unserer Familiensitzung nächste Woche?“
Daran hatte ich schon gar nicht mehr gedacht. Alleine bei dem Gedanken, Eliza wieder gegenübertreten zu müssen, brach bei mir der kalte Schweiß aus. „Mal sehen“, entgegnete ich nichtssagend und schloss meine Augen, damit er mir nicht weitere Fragen stellte.
Zu Hause angekommen, eilte ich in mein Zimmer, doch dort erwartete mich bereits Mona. Sie saß auf meinem Bett und schrak zusammen, als ich durch die Tür gestürmt kam.
„Entschuldige, ich wusste nicht, dass du hier bist. Bleib ruhig sitzen“, versuchte ich sie zu beruhigen. Sie legte schnaufend ihre Hand aufs Herz und sah mich aufgeregt an. „Liam hat Kontakt zu mir aufgenommen“, sagte sie und ich sah sie zum ersten Mal wirklich lächeln.
„Wie meinst du das?“
„Ich bin ein Medium, Winter!“, sagte sie, als habe sie es mir schon viele Male erklärt und ich sei nur zu doof, um es zu begreifen. „Seelen, die zwischen unserer Welt und der der Toten feststecken, können Kontakt zu mir aufnehmen. Ein Teil von Liam ist immer noch bei uns. Seine Seele.“
„Und was bedeutet das jetzt?“
Ihr Lächeln verschwand. „Er hängt in der Zwischenwelt vermutlich fest, weil er keines natürlichen Todes gestorben ist. Es war nicht sein Schicksal, so früh von uns zu gehen.“
„Hat er etwas zu dir gesagt?“
„Nein.“
„Woher weißt du dann, dass er da ist?“
„Ich spüre seine Präsenz. Jeder Mensch hat seine eigene individuelle Ausstrahlung. Ich bin mir sicher, dass es Liam ist.“
Ich setzte mich zu ihr aufs Bett und sah mich um. „Ist er gerade auch hier?“
Mona begann zu kichern. „Er ist kein Geist, wie du es aus dem Fernsehen kennst. Seine Seele ist bei uns, nicht eine durchsichtige Version seines Körpers. Sie schwingt um uns herum.“
Auf der einen Seite erleichterte es mich, dass Mona offenbar in der Lage war, sich über etwas zu freuen, aber auf der anderen Seite ärgerte es mich, dass sie dafür über mich lachen musste. „Na gut, ist seine Seele denn in diesem Moment bei uns?“
Sie nickte und sah mich eindringlich an. „Ich spüre ihn am stärksten, wenn du in der Nähe bist. Er hält sich an dir fest.“
Ich versuchte, in mich reinzuhören. Fühlte ich mich ungewöhnlich? Anders als sonst? Ich dachte an meine Wut auf Eliza. War es möglich, dass Liam dafür verantwortlich war?
„Mona, kann es sein, dass Liam von mir Besitz ergriffen hat? Zwingt er mich dazu, jedes Mal auszurasten, wenn ich Eliza sehe?“
Sie wirkte von meiner Frage überrumpelt. Ihre Freude darüber, wieder Kontakt zu ihrem Cousin zu haben, überschattete jeden anderen Gedanken. Sie zögerte, aber dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass er das kann. Seelen tun so etwas nicht. Sie sind keine Dämonen. Im Grunde können sie keinen Einfluss auf unser Leben nehmen. Sie sind mehr so etwas wie stumme und teilnahmslose Beobachter.“
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr glauben konnte. „Du sagtest, Liams Seele stecke in einer Zwischenwelt fest. Was bedeutet das für ihn? Ist das etwas Schlechtes?“
„Nein, es bedeutet nur, dass er nicht wiedergeboren werden kann. Er leidet aber nicht darunter. Seelen wissen nichts von ihren Möglichkeiten und Chancen. Sie existieren einfach um uns herum, ohne Einfluss auf unser Leben zu nehmen.“
„Kannst du mit ihm reden?“
„Vielleicht in einer Séance“, antwortete sie zögernd. Ich konnte ihr deutlich ansehen, dass ihr der Gedanke nicht gefiel. Ich sah auf ihre Arme, die keine blauen Flecke mehr hatten. Die Magie hatte sie verletzt.
„Du hast Angst davor, oder?“
„Ja“, gestand sie. „Bin ich deshalb ein schlechter Mensch?“, wollte sie verzweifelt von mir wissen. „Sollte ich Kontakt zu ihm aufnehmen wollen? Es ist nicht so, dass ich dadurch irgendetwas ändern könnte. Selbst wenn ich es schaffe, zu ihm durchzudringen, würde er trotzdem dortbleiben müssen. Seine Seele gehört nicht länger zu den Lebenden.“
„Du musst nichts tun, was du nicht möchtest! Es ist dein Leben.“
Ganz vorsichtig und zart legte sie ihre Hand auf meine. „Danke, Winter. Danke, dass du für mich da bist. Du bist meine einzige Freundin und ich weiß, warum Liam dich so mochte.“
Ihr Geständnis berührte mich. Mona fiel es schwer, Gefühle zu zeigen oder Körperkontakt in irgendeiner Form zuzulassen. Ihr kleiner Schritt in meine Richtung hatte sie viel Überwindung gekostet. Das wusste ich zu schätzen. Ich erwiderte ihren Händedruck leicht und lächelte sie aufmunternd an. „Es ist Freitagabend. Hast du Lust, mit mir und Dairine etwas essen zu gehen?“
Ich sah ihren panischen Gesichtsausdruck. Sie fürchtete sich vor großen Menschenmassen.
„Keine Angst, wir gehen irgendwohin, wo nicht viel los ist. Etwas Abgelegenes. Bitte, Mona. Du kannst dich nicht immer nur zu Hause verstecken.“
Sie nickte zögerlich. „Aber wirklich nur, wenn es dort leer ist. Keine Kneipe, kein Club, kein Kino und auch sonst nichts, wo es laut werden könnte.“
Dairine würde sich über Monas Forderungen weniger freuen, aber ich wusste, dass sie zustimmen würde. Obwohl ich Lucas, Liam, meine Schwester und irgendwie sogar meine Eltern verloren hatte, blieben mir immer noch meine Freundinnen. Es würde ein ruhiger, aber trotzdem lustiger Abend werden.
Wir hatten uns von Dairines Fahrer bei einem kleinen Lokal auf der Straße in Richtung Waterford absetzen lassen. Während wir im Warmen mit einer Tasse heißer Schokolade saßen, wartete er im Auto, an dem der Wind riss und der Regen gegen die Scheiben klopfte.
„Der arme Kerl“, grinste ich Dairine an. „Man könnte fast Mitleid mit ihm haben. Willst du ihm nicht wenigstens einen Kaffee rausbringen lassen?“
„Nein, es ist schlimm genug, dass er hier wartet. Dann werde ich ihn nicht auch noch dafür belohnen. Ich habe ihm gesagt, er soll nach Hause fahren und ich rufe ihn an, wenn wir fertig sind. Aber er hat sich geweigert!“
„Du weißt genau, dass er das nur tut, weil dein Vater ihn angewiesen hat, dies zu tun.“
„Sein Pech!“, fauchte Dairine unnachgiebig. Sie hatte Streit mit ihrem Vater gehabt, weil dieser rausbekommen hatte, dass sie Geld von seiner Kreditkarte benutzt hatte, um damit einen Flug nach Colorado zu kaufen. Er gab ihr für alles Geld, nur dafür nicht. Wenn sie unbedingt wieder nach Colorado fliegen wolle, anstatt sich ihr Leben hier aufzubauen, sollte sie die Flüge auch selbst bezahlen. Dairine arbeitete dafür bereits in einem Supermarkt, aber das Geld hatte wohl dennoch nicht gereicht. Ihr Vater hatte den Flug stornieren lassen und dementsprechend schlecht war ihre Laune.
„Ich glaube, wir brauchen noch mehr Schokolade!“, schlug ich vor, um die Stimmung etwas aufzuheitern. „Wir haben Mousse au Chocolat, Schokoladeneis oder Schokokuchen im Angebot.“
„Mir wäre Schokoladenschnaps am liebsten“, kicherte Dairine. Glücklicherweise war sie sogar lustig, wenn sie schlechte Laune hatte. Ich schielte zu Mona, die aus dem Fenster in die Nacht hinaussah. Ihre Hände lagen um der warmen Kakaotasse, von der sie sogar etwas getrunken hatte. Auch wenn sie sich kaum an unseren Gesprächen beteiligte, wirkte sie entspannt. Außer uns saßen an der Theke drei ältere Herren und ein junges Paar an einem der Tische. Es war wirklich kaum etwas los, so, wie ich es ihr versprochen hatte. Vermutlich brauchte sie nur etwas Zeit, um sich richtig bei uns einzufinden. In ein paar Wochen würde sie vielleicht schon über dieselben Scherze lachen können wie wir.
„Was nehmen wir denn jetzt?“, fragte ich erneut ich die Runde.
„Lasst euch überraschen“, flötete Dairine und lief zur Theke. In dem Moment öffnete sich knarrend die Tür. Ein Mann mit Kapuze über dem Kopf betrat die Bar. Der Regen tropfte von seiner Jacke auf den Boden und er hinterließ nasse Fußabdrücke auf dem Boden, als er den Inhaber des Lokals an der Kasse mit Handschlag begrüßte. Die Kapuze glitt nach hinten und zum Vorschein kam braunes lockiges Haar. In meinem Inneren verkrampfte sich etwas. Er kam mir bekannt vor. Dieselbe Wut, die mich jedes Mal überkam, wenn ich Eliza sah, begann sich plötzlich zu regen. Der Mann hätte seine nasse Jacke ruhig an der Tür ausziehen können, dann wäre jetzt nicht der ganze Boden voll nasser Flecken. Womöglich würde jemand ausrutschen und sich verletzen. Er war achtlos und dachte nur an sich. Ich versuchte mich gegen den Drang, ihn zur Rede zu stellen, zu wehren und wendete mich ab. Ich krallte meine Hände um die leere Tasse. Der Mann ging mich nichts an! Ich kannte ihn wahrscheinlich gar nicht. Warum war ich so wütend auf ihn?
Mona musterte mich neugierig. „Geht es dir nicht gut?“
„Siehst du den Mann an der Kasse?“
Sie schaute in die richtige Richtung, schüttelte aber dennoch den Kopf. „Da ist niemand.“
Verwirrt drehte ich mich erneut um. In der Tat waren weder der Inhaber noch der Fremde da. Hatte ich ihn mir etwa nur eingebildet? Ich suchte die Theke nach Dairine ab und fand sie im Gespräch mit dem Mann in seiner nassen Jacke. Sie war in Gefahr! Er würde ihr etwas antun!
In dem Moment, als ich bei den beiden eintraf, lachte sie über etwas, das er gesagt hatte. Ich sah in sein Gesicht und erkannte ihn wieder: Will. Doch das hinderte mich nicht daran, mir die Gabel zu schnappen, die auf dem leeren Teller einer der älteren Herren lag und sie mit voller Wucht in Wills Hand zu jagen, die auf dem Tresen ruhte. Er schrie vor Schmerzen auf und starrte mich fassungslos an. „Winter!“, keuchte er, als er mich erkannte. Mehr brachte er nicht hervor, denn ich versetzte ihm einen heftigen Stoß, sodass er zurücktaumelte, gegen einen anderen Gast fiel und diesen mit zu Boden riss. Er versuchte sich aufzurappeln, aber ich trat ihm in den Magen, bevor er auf die Beine kommen konnte. Ich wurde von hinten an den Armen gepackt, trat aber dennoch weiter auf Will ein. Man drückte mich nieder, das Gesicht fest gegen den alten Teppich gepresst, so fest, dass ich kaum Luft bekam. Meine Hände wurden auf meinem Rücken gefesselt, aber ich konnte nur daran denken, dass ich es irgendwie schaffen musste, Will umzubringen. Er war ein Schattenwandler und somit eine Gefahr für jeden. Es war meine Aufgabe, ihn und alle anderen zu töten.