Читать книгу Time of Lust | Band 3 | Devote Begierde | Roman - Megan Parker - Страница 4
ОглавлениеLiebe mich!
Es schien ein ungewöhnlich heißer Tag zu werden. Obwohl Jana und ich wie immer in den Morgenstunden laufen gingen, war es diesmal kaum auszuhalten, die tropische Hitze legte sich schwer auf unsere Glieder und der Rundweg der Insel kam mir so lang vor wie noch nie. Ich bewunderte Jana für ihre Unbeschwertheit, die sie trotz ihrer Behinderung aufbrachte. Wir waren ein eingespieltes Team. Die Idee mit dem Seil war genial, Jana konnte dadurch an meiner Seite fast ungehindert laufen, und ohne dieses sichtbare Verbindungsstück wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, dass sie blind war. Bei dem kleinen Anstieg hinter der Villa machte sogar ich als Erste schlapp. Vielleicht saß mir noch der kräfteraubende Höhenflug von gestern in den Knochen. Meine Bauchmuskeln schmerzten bei jeder Erschütterung und nachdem Jana ohne mich nicht weiterlaufen konnte, beschlossen wir, uns auf einen der Felsen zu setzen und eine kurze Verschnaufpause einzulegen.
Ich wusste nicht, ob es uns erlaubt war, zu pausieren, aber ich wusste, dass Santiago bei vielem, was Jana betraf, Nachsicht zeigte. Bestimmt durften wir auch nicht fernab der Überwachungskameras einschlägige Gespräche führen, aber Gelegenheit macht Diebe und wie sollte er jemals dahinter kommen, wenn er uns nicht beobachten ließ?
»Denkst du, unsere Laufschuhe sind verwanzt?«, fragte ich Jana.
Sie lachte. »Nein, ich glaube nicht.«
»Dann können wir doch jetzt reden, worüber wir wollen! Das ist eine Lücke im System!«
Jana zögerte. »Ich verletze seine Regeln nicht! Und woher soll ich wissen, dass du es für dich behältst, wenn ich dir etwas erzähle.«
»Du vertraust mir nicht?«
»Ich traue hier niemandem«, meinte sie.
»Santiago hat bald Geburtstag!«, erklärte ich ihr freigiebig. »Ich hab es durchgehört, als wir nach Miami ins ›Empire‹ gefahren sind. Die Männer haben heimlich getan, aber so wie ich es verstanden habe, planen sie eine riesige Party für ihn!«
Jana zuckte mit den Schultern und wandte ihr Gesicht von mir ab.
»Interessiert dich auch nicht, was wir in diesem Nachtclub erlebt haben?«
Jana musste lange nachdenken, bevor sie sich zu einer Antwort durchringen konnte und ein zögerliches »Doch« über ihre Lippen kam.
Ich war froh darüber. Denn es belastete mich unheimlich und ich fand es erleichternd, ihr von Santiagos Auftritt im Empire erzählen zu können – von dem zierlichen blonden Mädchen, dass er dort auf so grausame Weise entjungfert hatte. Ich erzählte ihr aber auch von dem geheimnisvollen älteren Herrn, der Santiago kurz aus unserer Runde entführt hatte und ihm binnen fünf Minuten so nahe gekommen war, dass er ihn fast geküsst hätte – »Ray la Comte« hatte ich auf einer Visitenkarte später gelesen. Wie hochsensibel Cheyenne und Amistad auf den vermeintlichen Rivalen reagiert hatten!
Danach erzählte ich ihr von meinem Erwachen im Verlies, von der rosa Droge, von Amistad und dem Augenspray.
»Und Amistad hat dir nicht wehgetan?«, fragte sie erstaunt.
Ich seufzte. »Nein, er war vorsichtig, fast zärtlich – zumindest, soweit es in seiner Macht lag. Dafür, wie er gebaut ist, kann er ja nichts.«
»Bei mir war er noch nie zärtlich«, sagte sie. »Und ich wusste auch nicht, dass er dazu überhaupt fähig ist.«
»Doch!«, musste ich ihr widersprechen. »Ich war mir sicher, dass er das kann. Allein wegen Santiago.«
»Wie meinst du ›wegen Santiago‹?«
»Na ja, Santiago selbst steht nicht auf brutale Männer, das weiß ich aus vertraulicher Quelle, und nachdem Amistad ja auch mit Santiago schläft, musste er ja eine zärtliche Seite haben.«
»Wie kommst du darauf, dass er mit Santiago schläft und nicht umgekehrt?«
Sie hatte recht ... Wie kam ich bloß darauf, ihr das zu erzählen? So viel wollte ich gar nicht preisgeben. »Es ... es ist nur ein Verdacht«, flüsterte ich. »Ich hab mal gehört, wenn es um Männer geht, bevorzugt Santiago die passive Rolle. Ihm widerstrebt der andere Part, darum macht er das auch bei uns nie. Oder hat er dich schon einmal von hinten genommen?«
Jana schüttelte gedankenverloren den Kopf. »Das würde ja bedeuten, auch Cheyenne schläft mit ihm? Ich hab mir das immer umgekehrt vorgestellt. Hast du das von David?«
»Vielleicht, aber Jana, bitte behalte es für dich!«
»Ja ... sicher.« Sie wirkte irgendwie betroffen, als würde sie ein Gedanke quälen. »Du denkst also, Amistad wäre immer zärtlich zu Santiago?«
»Ja ... warum?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»War er schon mal brutal zu ihm?«, fragte ich entrüstet.
»Nein.« Jana lächelte verlegen. »Aber ich hatte mal ein sehr merkwürdiges Erlebnis und seit dem bin ich etwas verwirrt. Vor zirka einem Monat – als du noch in New York warst – wurde ich zu Santiago, Amistad und Cheyenne ins Schlafzimmer gebracht. Ich durfte nicht sprechen. Sie haben mich ans Bett geführt, Santiago lag auf dem Rücken und ich sollte ihn befriedigen. Und, obwohl ich mich ausschließlich zwischen seinen Beinen aufgehalten habe, glaube ich sagen zu können, dass seine Hände nicht frei waren!«
Entsetzt sah ich sie an. »Du meinst ... er war gefesselt?« Ich flüsterte, als würden schrecklich unanständige Worte meine Lippen verlassen.
»Ich glaube, er war ans Bett gefesselt«, entgegnete Jana, »mit Gurten oder so, auf jeden Fall lautlos, denn normalerweise fasst er mir dabei immer in die Haare, wirklich immer! Und an diesem Abend habe ich nicht ein einziges Mal seine Hand gespürt. Außerdem war er die ganze Zeit über sehr kurzatmig – als hätte er Schmerzen – und an seiner Körperspannung habe ich gemerkt, dass er nicht allein auf mich reagiert hat. Irgendetwas haben sie mit ihm gemacht.«
»Das kann ich nicht glauben ... gerade Cheyenne ... Er ist doch ganz verschossen in Cheyenne. Ich denke, er liebt ihn.«
»Ja. Ich weiß. Cheyenne möchte ich auch gar nicht beschuldigen, die Verantwortung hatte sicher Amistad, aber Cheyenne ist ihm hörig – er macht alles, was Amistad ihm sagt. Und ich glaube, Santiago wertet es auch so. Er würde Cheyenne deswegen nie böse sein – das war von Anfang an so vereinbart – Cheyenne gehört schon seit Jahren Amistad und Amistad erlaubt ihm, Santiago zu lieben.«
»Das verstehe ich nicht ... Sie gehören doch beide Santiago.«
»Ja, trotzdem ... Amistad kann Cheyenne etwas befehlen und die Verantwortung dafür übernehmen. Ich sage ja auch gar nicht, dass das, was an jenem Abend passiert ist, gegen Santiagos Willen war. Santiago hat immer noch die Oberhand. Wenn er es hätte abbrechen wollen, hätte er es bestimmt getan.« Jana griff nach meiner Hand. »Zahira ... Er hat sich von Amistad dominieren lassen ... freiwillig!«
Ich schluckte. »Warum tut er das?«
»Ich weiß nicht. Er wird seine Gründe dafür haben. Ich schätze mal, es macht ihn an! Allzu viel Bewegungsfreiheit wird er Amistad dabei sicher nicht gewähren. Vielleicht war es auch eine einmalige Geschichte und er wollte nur etwas ausprobieren. Er ist doch ständig auf der Suche nach dem ultimativen Kick.«
»Santiago in Fesseln?! Wie soll ich dieses Bild jemals wieder aus meinem Kopf bekommen?«
Jana seufzte. »Am besten ganz schnell! Komm, wir laufen weiter, bevor jemand misstrauisch wird ...«
***
Wir verbrachten den Nachmittag auf der Dachterrasse im Schatten und im Pool, denn es wurde tatsächlich einer der heißesten Tage des Jahres. Auch die anderen Mädchen durften an die frische Luft, Alice und Natalie, sowie Amistads Gespielinnen, Irina und Jessica, was wirklich eine Seltenheit war, denn Santiago mochte sie nicht so gern um sich haben. Zum ersten Mal sah ich die beiden befreit von den massiven Fesseln, in rosa-weiß gestreiften Bikinis. Ein völlig neuer Anblick für mich – ohne die schweren Eisen wirkten sie direkt lieblich und grazil.
Beim Mittagessen fehlte mal wieder Cheyenne und ich nahm mir vor, bei Gelegenheit Amistad nach ihm zu fragen. Und diese Gelegenheit kam schneller, als geplant.
»Bin ich noch immer dein Gott?«, fragte er und setzte sich zu mir auf meine Sonnenliege.
»Santiago ist mein Gott!«, entgegnete ich stolz.
Amistad lehnte sich über mich, stützte seine Unterarme neben meinem Kopf ab, und kam mir so nahe, dass ich seinen Atem spüren konnte. »Sicher?«, fragte er nach.
Etwas eingeschüchtert zwinkerte ich. »Ja ... außer, er ... ist gerade nicht da.«
Amistad lächelte und küsste mich.
Es war mir unangenehm, denn Santiago war sehr wohl da ... und zwar gar nicht weit von uns. Er stand mit Natalie an der Brüstung. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass Amistads fordernde Küsse ihre Wirkung in meinem Körper zeigten – mir wurde augenblicklich heiß zwischen den Beinen – doch plötzlich rief Santiago nach Amistad. Ich dachte zuerst, er hätte ein Problem damit, dass Amistad an meinen Lippen hing, aber er deutete hinaus aufs Meer.
Auch ich wurde nun neugierig, nahm Jana an die Hand und wir gingen ebenfalls nach vorn an die Brüstung. Mein Blick fiel auf ein riesiges Kreuzfahrtschiff.
»Das ist jetzt das zweite Mal in diesem Monat, dass sie den Abstand nicht einhalten!«, beschwerte sich Santiago.
»Ja, offensichtlich nützt eine schriftliche Beschwerde nichts. Wir sollten den Fall unserem Anwalt übergeben«, schlug Damian vor. »Es ist auch immer dieselbe Linie, exakt alle vierzehn Tage.«
Hinter vorgehaltener Hand beschrieb ich Jana, welche Ausmaße dieses Schiff hatte, ich zählte die Stockwerke und schätzte grob, wie nahe es der Insel war.
»Die offizielle Route verläuft mindestens eine Meile weiter westlich von hier. Der Kapitän gehört suspendiert!«, meinte Amistad.
»Da siehst du mal wieder, wie interessant eine Privatinsel für die Leute ist. Sie wollen sehen, wie die Reichen leben. Bestimmt sind jetzt Hunderte Ferngläser auf uns gerichtet«, entrüstete sich Santiago. »Ich komme mir vor, wie ein Schimpanse im Zoo!«
Ich musste lachen. Alle mussten lachen. Der Vergleich hinkte ein wenig. Wir kehrten dem Kreuzfahrtschiff bewusst den Rücken und Santiago begann, sich mit Natalie abzulenken.
Wenig später – wir lehnten noch immer an der Brüstung – war das Schiff hinter dem Hügel der Insel verschwunden. »Es fehlt noch, dass sie hier anlegen«, scherzte Santiago und strich durch Natalies lange blonde Haare. »Ich könnte Eintrittskarten verkaufen ... für eine Kellerbesichtigung«, schmeichelte er.
Natalie lächelte und kam ihm mit ihren Lippen entgegen, um ihn zu küssen. Offenbar versuchte auch sie, ihn diese Verletzung seiner Privatsphäre vergessen zu machen. Wir alle waren stets um seine gute Laune bemüht.
Im Augenwinkel beobachtete ich die beiden, verspürte einen Hauch von Eifersucht und musste an Jana denken, die direkt neben mir stand, aber von all dem kaum etwas mitbekam. Sie ersparte sich eine ganze Menge, dachte ich, so entspannt, wie sie gerade an der Brüstung lehnte und vermutlich ihren Gedanken nachhing.
Plötzlich fiel neben mir klirrend ein Glas zu Boden und im selben Moment flog Natalie quer über die Terrasse. Einige Mädchen schrien auf. Ich griff erschrocken nach Janas Hand und mein Herz pochte wie verrückt. Er hatte Natalie geschlagen, mit einer Wucht, sodass sie erst kurz vor dem Pool auf ihrem Bauch liegen blieb. Und jetzt wirkte er so außer sich, als hätte man ihn geschlagen! Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Blicke starr – wie im Schock! Im nächsten Moment bückte er sich, nahm eine Glasscherbe, und stürzte auf Natalie zu, bevor sie aufstehen konnte. Er kniete sich über sie und drückte ihren Kopf zu Boden. Sie schrie und wehrte sich. Damian und Amistad eilten zu Hilfe und versuchten, ihn zu beruhigen, aber sie gossen damit nur Öl ins Feuer.
»Sie hat mich ANGEFASST!«, brüllte Santiago Damian an. »HALT SIE!«
Mir wurde schlecht. Sogar Jana schlug sich eine Hand vors Gesicht. Die beiden Männer hielten Natalie fest, während Santiago ihr mit der Glasscherbe eine Wunde an ihrem Hinterkopf zufügte. Natalie schrie und schlug mit ihren High Heels auf den Boden, sodass ich meinte, sie würden jeden Moment in tausend Teile zerbersten. Dann stand er auf, packte sie wutentbrannt an einem Arm und einem Bein und warf sie in hohem Bogen in den Pool. Zu dritt blieben die Männer am Rand stehen und beobachteten, wie Natalie in ihrem ersten Schock unterging. Rote Schlieren zogen sich aus ihren hellblonden Haaren und färbten das Wasser. Als sie wieder auftauchte, war sie hysterisch. Sie fasste sich zittrig in ihre Haare, sah das Blut, schrie und schaffte es kaum, sich über Wasser zu halten. Aber Santiago stand, fest entschlossen, ihr nicht zu helfen, an der Kante des Pools. Er atmete schwer, noch immer in Rage strafte er sie mit einem verächtlichen Blick und deutete den Männern an, sie sollten noch warten. Erst als sein Vergeltungsdrang befriedigt war, gab er den Befehl, sie zu retten. Gleichzeitig sah er zum ersten Mal in die Runde und schenkte uns allen eine Miene, als wollte er uns fragen, wer es als Nächstes mit ihm aufnehmen wollte ...
Wir alle waren schockiert. Er hatte sich den perfekten Tag für eine solche Aktion ausgesucht, denn mit Ausnahme von Cheyenne waren alle auf der Terrasse versammelt und standen nun sprachlos rund um den Pool. Die Mädchen waren kreidebleich, hatten ihre Hände über Mund und Nase gefaltet und Tränen in den Augen. Selbst ich hätte nie gedacht, dass er auf diese Regelverletzung so drastisch reagieren würde. Offensichtlich gab es für ihn einen deutlichen Unterschied, zwischen einer erlaubten Berührung und einer unerlaubten. Santiago nahm das Entsetzen in der Runde wohlwollend zur Kenntnis. Dann wandte er sich vom Pool ab und kam auf mich zu. Ich schluckte. Aber er sah mich nur an und ging weiter zu Jana. Er fasste an ihre Taille und raunte in ihr Ohr: »Liebe mich!«
Sie ließ ihren Kopf an seine Schulter sinken, als hätte er sie mit seinen Worten betäubt. Daraufhin nahm er sie auf seine Arme und verließ mit ihr die Terrasse.
Damian gab den Befehl, alle anderen Mädchen in den Keller zu bringen, während Amistad Natalie verarztete. Er machte ihr einen Druckverband und musste sie anschließend sogar mit drei Stichen nähen.
Santiago bekamen wir den ganzen Tag nicht mehr zu Gesicht und ich war so eingeschüchtert, dass ich erst gar nicht nach unten gehen wollte, nur, um ihm bloß nicht zu begegnen. Auch später im Bad ließ ich mir unverhältnismäßig viel Zeit, ich gönnte meiner Haut ein aufwendiges Peeling, eine Intensiv-Kur und eine teure Pflege-Maske, ich stylte in aller Ruhe meine Haare, zupfte meine Augenbrauen und verpasste meinen Fingernägeln einen neuen Anstrich. Nur ungern trennte ich mich schließlich von meinem Spiegelbild und trat wieder hinaus auf den Flur. Vor der Tür lauschte ich erst, ob Jana schon allein war ...
Plötzlich kam Amistad aus seinem Zimmer. Er sah mich mit dem Ohr an der Holzvertäfelung und lächelte. »Was tust du da?«
»Ist Santiago da drin?«, flüsterte ich.
»Nein. Er ist mit Cheyenne nach Miami gefahren. Schon vor zwei Stunden.«
Erleichtert atmete ich auf.
Amistad legte mitfühlend eine Hand an meine Wange. »Keine Angst, er hat sich schon wieder beruhigt.«
»Wie geht es Natalie?«, fragte ich besorgt.
»Das geht dich nichts an!«, entgegnete er.
Ich nickte, während Amistad mit seinem Daumen seltsam verführerisch über meine Lippen streichelte.
»Darf ich gehen?«, fragte ich.
Er überlegte ... Dann nahm er seine Hand von mir.
Ich nickte dankbar und verschwand in Janas Zimmer. Sie lag im Bett und hatte den Fernseher an. Ich musste schmunzeln. »Geht’s dir gut?«, fragte ich sie.
»Ja ... warum nicht?«
Ich krabbelte zu ihr ins Bett. »Na ja, das Letzte, was ich von dir gesehen habe, war, wie du mit ihm die Terrasse verlassen hast. Und ehrlich gesagt, ich hätte in diesem Moment nicht mit ihm allein sein wollen!«
Jana schüttelte den Kopf. »Er war nicht grob«, beruhigte sie mich. »Wir sind in sein Zimmer gegangen und er hat mit mir geschlafen. Er war so begierig, so übertrieben begierig, als hätte er monatelang keinen Sex mehr gehabt. Aber er war nicht grob.«
»Das ist krank!«, stolperte über meine Lippen.
»Pass auf, was du sagst!«, ermahnte sie mich.
Sie hatte recht. Trotzdem ... »Weißt du überhaupt, was da oben passiert ist? Was er getan hat?«
»Ich will es nicht wissen! Und ich muss es auch nicht wissen, Zahira. Ich liebe ihn!«
Beleidigt verschränkte ich meine Arme und sprach nicht mehr mit ihr. Sie machte es sich meiner Meinung nach viel zu einfach. Nur weil ihre Augen blind waren, musste sie sich doch nicht komplett vor der Wahrheit verschließen. Plötzlich fielen mir wieder Santiagos Worte ein ... Ich hätte kein Recht, über ihn zu urteilen, und dass er mich hier gefangen halten würde, jeglicher moralischen Kritik über ihn beraubt. Ich beneidete Jana um ihre Gelassenheit und versuchte, mir an ihr ein Beispiel zu nehmen.
Wir schwiegen ... hörten der Moderation einer Quizsendung zu ... und irgendwann entschuldigte ich mich bei ihr. Dann schlief sie ein und ich stand wieder auf, weil ich nicht schlafen konnte. Mit einem Buch setzte ich mich in den großen Fauteuil und war froh, dass Jana das Licht nicht störte. Wenig später hörte ich das Speedboot am Steg anlegen und sah aus dem Fenster. Aber es war zu dunkel, um jemanden zu erkennen. Ich las bestimmt noch eine Stunde und gerade, als ich wieder zu Bett gehen wollte, öffnete jemand lautlos unsere Tür. Es war Damian, er deutete mir, ich solle herauskommen.
Jana schlief fest. Ich legte mein Buch zur Seite und folgte ihm.
»Santiago hat getrunken«, erklärte er leise. »Er ist unten im Wohnzimmer und will dich sehen. Allein! ... Sei vorsichtig, was du sagst! Momentan ist er zwar eher depressiv, aber das kann sich schlagartig ändern.«
Ich nickte.
»Ich beobachte euch von meinem Zimmer aus«, erklärte Damian weiter, »über die Kameras ... nur für den Notfall.«
»Okay«, hauchte ich.
Damian nahm mich an die Hand und führte mich hinunter ins Wohnzimmer. Auf den letzten paar Metern gab er mir einen motivierenden Klaps auf den Po und ließ mich allein, während er selbst im Flur unter der Treppe verschwand.
Santiago saß lässig ausgebreitet auf einem bequemen Kuschelsofa. Seine Füße hatte er auf dem Glastisch abgelegt und selbst war er so weit auf dem Sofa nach unten gerutscht, dass er genau genommen eher lag als saß. In einer Hand balancierte er ein Glas Whiskey auf seinem Bauch, in der anderen hielt er eine kalte Zigarette. Seine Haare waren zerzaust. Seine Augen glänzten wässrig, leicht rötlich – wie entzündet – und sie fanden kaum einen Anhaltspunkt in der Umgebung. So betrunken hatte ich ihn noch nie gesehen.
Schwerfällig zog er eine Augenbraue hoch, als sein wirrer Blick meinen Körper erfasste. »Sssn... nu... hier?«, lallte er.
Ich erschrak vor seiner Stimme. »Du hast mich rufen lassen«, antwortete ich. Mein Herz klopfte. Seine Verfassung machte mir Angst. Ich hoffte, er würde sitzen bleiben. Wie konnte mich Damian mit ihm nur allein lassen ... in diesem Zustand. Ängstlich betrachtete ich sein Gesicht ... wie seine Augen angestrengt nach mir suchten ... und seine Lippen, die erneut zu einer Frage ansetzten. »Ssss... fff... feuer?«
Feuer ... seine Zigarette ... klar! Aber wo um Himmels Willen sollte ich Feuer hernehmen? Ein kurzes Nachthemd und High Heels, mehr hatte ich nicht anzubieten. »Warte, ich hol dir Feuer«, versprach ich ihm, eilte zur Bar und suchte so hektisch nach einem Feuerzeug, als hätte ich inzwischen ein Kleinkind auf der Autobahn zurückgelassen. Kurz darauf war ich wieder bei ihm. Ich setzte mich vorsichtig an seine Seite, um ihn nicht zu erschrecken, und hielt ihm – etwas außer Atem, aber stolz – eine Flamme vor die Brust.
Verträumt betrachtete er das Licht. Dann erinnerte es ihn offenbar an die Zigarette, die er sich daraufhin in den Mund steckte. Ich hielt das Feuer. Aber er atmete nicht tief genug ein, zumindest nicht durch den Mund, stattdessen musterte er nun eingehend meine Brüste, die sich durch das transparente Nachthemd aufreizend abzeichneten. Und seine Augen rollten dabei, als würde ihn dieser Anblick schwindelig machen. Ich überlegte, ihm zu sagen, dass er tiefer einatmen musste, aber plötzlich ließ er das Glas los und fasste mir an die Brust. Ich reagierte blitzschnell, machte das Feuer aus, hielt das Glas fest und stellte es auf den Tisch. Zwei- oder dreimal knetete er meinen Busen, ich war mir nicht sicher, ob mich das nun erregen sollte, dann streichelte er über mein Dekolleté und ließ schließlich seine Hand erschöpft in meinen Schoß sinken. Mit seiner anderen Hand nahm er sich die Zigarette aus dem Mund und reichte sie mir. Ich wollte sie weglegen, aber da hatte ich ihn offenbar falsch verstanden. Mit einer überraschend schnellen Bewegung fasste er an meinen Unterarm und seine Stimme klang nun entschlossen herrisch: »FEUER!«
Ich schluckte. Falls das zu bedeuten hatte, dass ich ihm die Zigarette anzünden sollte, dann gab es da ein kleines Problem ... Ich hatte noch nie geraucht, es mit meinen achtzehn Jahren noch nicht mal versucht. Aber Santiago war gewohnt, dass man ihm Zigaretten anrauchte. Also hielt ich sie an meine Lippen, entfachte die kleine Flamme und atmete zaghaft ein. Ich wollte den Rauch nur in meinen Mund und keinesfalls in meine Lungen bekommen. Leider reichte das nicht aus, um die Zigarette zum Glühen zu bringen. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als tief einzuatmen. Und siehe da ... sie leuchtete auf. Im selben Moment bekam ich einen Hustenanfall.
Santiago nahm mir die Zigarette aus der Hand und grinste mich amüsiert an. Er inhalierte und blies erleichtert dichten Nebel in die Luft. Als ich mich wieder eingekriegt hatte, wanderte seine Hand erneut langsam meinen Körper hoch. Er zerrte etwas ungeschickt die Spaghettiträger über meine Schultern, und als er meine Brüste freigelegt hatte, begann er, sie lustvoll zu kneten. Er drückte und presste sie abwechselnd. Ich versteifte mich komplett und sah meine Herausforderung darin, meine Brüste wehrlos einem Betrunkenen zum Spielen zu überlassen. Jeden Moment rechnete ich damit, dass er mir gröber wehtun würde. Aber er tat es nicht. Im Gegenteil, nach einer geraumen Zeit des Knetens öffneten sich seine Lippen und er hauchte verunsichert: »Jungfrau?«
Das durfte wohl nicht wahr sein! Wusste er überhaupt noch, wer ich war? Was sollte ich ihm darauf antworten? Wenn ich »Nein« sagte, würde er mich vielleicht von der Couch stoßen. Also nickte ich überzeugt. »Ja. Jungfrau!« Und etwas leiser fügte ich hinzu: »Ich war Jungfrau, bis ich dich traf.«
Er streichelte mich weiter, wandte seinen Blick von mir ab und seine Hand fiel wieder in meinen Schoß. Er rauchte. Plötzlich zogen sich seine Augenbrauen gequält zusammen, er atmete tief ein, sammelte alle Kraft und setzte zu einem jämmerlichen Schrei an ... »DAVID!«
Ich erschrak.
Dann sah er mich an, hielt sich verkrampft an meinem Nachthemd fest und flehte mich förmlich an: »David!«
Mir schossen sofort Tränen in die Augen, aber zum Glück bemerkte er das nicht, sondern versuchte jetzt, an sein Glas auf dem Tisch heranzukommen. Ich half ihm, reichte ihm seinen Whiskey und sah betroffen zu, wie er das Glas in einem Zug leer trank. Dann gab er es mir zurück und ich stellte es wieder auf den Tisch. Er kaute an seinem Daumennagel und hielt dabei die Zigarette gefährlich nahe an sein Gesicht. Ich musste auf ihn aufpassen wie auf ein kleines Kind. Und während ich ihn beobachtete, kullerten ein paar Tränen über seine Wangen. Schon wieder war ich schockiert. Ich hatte ihn noch nie weinen gesehen. Seine Augenbrauen waren noch immer schmerzlich verzerrt, seine Stirn von tiefen Falten gezeichnet und er schluchzte nun hörbar. Wie gern hätte ich ihn in diesem Moment in meine Arme genommen und getröstet. Ich war so hilflos. Mit einem herzzerreißend traurigen Blick sah er mich wieder an und sprach nun überraschend deutlich: »David llllieb mich!«
Hielt er mich jetzt für David?
»Er llllieb mich!«, fügte er etwas lauter hinzu.
»Ja.« Ich nickte betroffen. »Er liebt dich! David liebt dich! ... Und ich liebe dich auch.«
Er wischte sich seine tropfende Nase ab und ich musste ihm die Zigarette aus der Hand nehmen. Dann versuchte er, sich an mir aufzurichten, doch mittendrin merkte ich, dass er sich eigentlich mit mir hinlegen wollte. Er zog meine Beine auf die Couch und streckte sich mit mir gemeinsam der Länge nach aus. Anders als gewohnt rutschte er an meinem Körper etwas tiefer und legte sein Gesicht auf mein Dekolleté. Wären die verfluchten Kameras nicht gewesen, ich hätte ihn in meine Arme geschlossen. Aber so klammerte er sich nur an mir fest.
Kurz darauf glitt seine Hand zwischen meine Beine und er fragte mich noch einmal: »Jungfrau?«
Erneut gab ich meine kleine Notlüge zum Besten: »Ja! ... Bitte tu mir nicht weh!«
Er sah mir ins Gesicht und drang überraschend gefühlvoll, langsam und vorsichtig mit zwei Fingern in mich ein. Ich hauchte ein leises Stöhnen und war dankbar für seine Zärtlichkeit. Dann verließ ihn jedoch die Kraft und er sackte auf mir zusammen.
Sein Kopf lag auf meiner Brust und ich hätte ihn so gern gestreichelt oder festgehalten, ihm ein Gefühl von Geborgenheit und meine Liebe geschenkt. Himmel, war er schwer! Etwas ängstlich suchte ich nach den Kameras an der Decke und fragte mich, ob Damian rechtzeitig kommen würde, falls mir die Luft ausging. Santiago schien spontan eingeschlafen zu sein, mit zwei Fingern in mir! Ich seufzte.
Als hätte ich ihn gerufen, stand plötzlich Damian neben mir. Er kontrollierte Santiagos Atem und kam zu dem Schluss: »Er schläft.«
Ich lächelte.
»Willst du so liegen bleiben oder ist er dir zu schwer?«, flüsterte Damian. »Kriegst du Luft?«
»Ja. Lass ihn! Bitte, weck ihn nicht auf!« So etwas Ähnliches wie Mutterinstinkt erwachte in mir.
»Okay. Ich leg mich auf die andere Couch. Falls er wach wird, weck mich sofort! In diesem Zustand darf er nicht unbeaufsichtigt sein!«
»Ja, versprochen«, hauchte ich, »ich kann so eh nicht schlafen.«
Damian nickte.
»Damian?«
»Ja?«
»Er hat zwei Finger in mir.«
Damian lächelte. »Dann wünsch ich ihm wilde Träume – für dich.«
Ich grinste und zog meine Muskeln eng um Santiagos Finger zusammen. Er erwiderte es mit einem leichten Zucken – vermutlich ein Reflex. Schwerfällig seufzte ich. Aber lange musste ich diese atemraubende Stellung nicht durchhalten. Eine gefühlte halbe Stunde später schreckte Santiago plötzlich in die Höhe. Im nächsten Moment musste er sich übergeben. Auf wackelige Arme gestützt, befreite er sich über meinem Brustkorb von seinem Mageninhalt. Es war wohl eine ganze Flasche Whiskey gewesen. Sofort wandte ich mein Gesicht von ihm ab und wartete angespannt darauf, dass ich meinen Mund wieder unbeschadet öffnen konnte. Nach meinem ersten Atemzug schrie ich: »DAMIAN!«
Santiago zuckte zusammen und starrte mich verdutzt an – möglicherweise erstaunt darüber, dass seine Kotze sprechen konnte.
Damian war sofort bei mir. Er griff Santiago unter die Arme und half ihm, sich aufzusetzen. »Bleib kurz liegen«, bat er mich. Gleichzeitig tippte er in sein Handy. Dann zog er sein eigenes T-Shirt aus und wischte Santiago, der sich selbst nur am Kinn feucht bekleckert hatte, damit ab.
Verschlafen kam Edward um die Ecke. »Bah!« Er schlug sich die Hand vor den Mund.
»Komm her, hilf mir!«, ersuchte ihn Damian. »Wir legen ihn auf die andere Couch, er schläft bestimmt gleich weiter.« Zu zweit halfen sie ihm hinüber und, wie vorausgesagt, fiel Santiago sofort wieder ins Koma.
Edward holte ein großes Laken, wickelte mich ein und brachte mich unter die Dusche. Danach schlüpfte ich, leicht verwirrt, aber um eine Erfahrung reicher, zu Jana ins Bett.
***
Am nächsten Morgen waren alle Spuren beseitigt, das Wohnzimmer erstrahlte wie gewohnt in perfekter Ordnung und nichts deutete mehr auf die nächtliche Entgleisung hin. Nur das Frühstück mussten wir ohne Santiago einnehmen. Es hieß, er wäre in seinem Zimmer und müsse sich noch ausschlafen. Ich traf ihn erst am Nachmittag – am Strand.
Edward und Marcus waren zum Surfen draußen und ich sah ihnen vom Ufer aus zu. Ein angenehm warmer Wind wehte landeinwärts. Ausnahmsweise trug ich diesmal eine lange Bluse über meinem Bikini, hauchdünn und transparent. Mir war nicht kalt, doch ich verschränkte meine Arme und hoffte, der feine Stoff würde mich ein bisschen vor Wind und Sonne schützen. An der sanften Brandung merkte man kaum, wie hoch die Wellen weiter draußen wogten, aber die beiden Jungs waren unbestritten gute Surfer und ich fand es alles andere als langweilig, sie zu beobachten. Bestimmt eine Stunde stand ich schon hier, ohne dabei an die Zeit zu denken. Ich trat auf der Stelle hin und her, weil ich mich bewegen wollte, und versank dabei abwechselnd mit meinen High Heels im weichen Sand ... als ich plötzlich Santiago hinter mir bemerkte. Er schlang seine Arme um mich und ich war erleichtert, dass es ihm sichtlich wieder besser ging. Langsam drehte ich mich um, blickte zu ihm auf, in seine großen dunklen Augen, die mich nun wieder bewusst und gezielt erfassten ... Er wirkte sehr ernst, als ob ihn etwas bedrückte. Ich wollte ihn küssen, aber er begann zu reden. »Ich hab mir das Video von gestern angesehen ...«
Zögerlich nickte ich und wartete auf eine Kritik, was ich falsch gemacht hatte.
»Wegen David ... Das mit David ist vorbei!«, erklärte er. »Genau so, wie deine Zeit als Jungfrau vorbei ist.«
Ich lächelte. »Ja, ich weiß.«
»Ich ... ich verstehe nicht, dass Damian ...« Genervt fuhr er sich durch die Haare und seufzte. »Ich wollte nicht, dass du mich so siehst ...«
Das konnte ich nachvollziehen. Aber ich wollte es! Ich wollte auch dann bei ihm sein, wenn es ihm schlecht ging. »Ich liebe dich!«, versicherte ich ihm. »Und ich liebe dich heute genauso wie gestern. Bitte glaub mir! Es war bloß der Whiskey. Ich hab deshalb nicht meine Achtung vor dir verloren!« Ich musste ihm das sagen, egal, wie es auf ihn wirkte. Er hatte zum ersten Mal in meinem Leben Schwäche gezeigt und ich war ihm so dankbar dafür. Noch nie zuvor hatte ich die Gelegenheit gehabt, so für ihn zu empfinden – nicht nur seinem Glanz, seiner Schönheit und seiner Macht zu erliegen, sondern das Gefühl zu haben, ihn wirklich aufrichtig zu lieben. Ich wollte nicht, dass er sich für irgendetwas entschuldigte.
Und das tat er auch nicht. Stattdessen streichelte er zärtlich über meine Wange und nickte. Das hieß für mich, er war zufrieden, er glaubte mir und er würde es auch so sehen. Ich küsste seine Hand. Er schlang seine Arme um mich und hielt mich fest. Minutenlang. Ich hörte sein Herz, fühlte die kräftigen, ruhigen Schläge. Irgendwann, ganz unmotiviert, ließ er sich mit mir in den Sand fallen. Zuerst war ich erschrocken, aber dann sah ich ihn lächeln. Er legte sich auf mich, mit der ganzen wundervollen Schwere seines Körpers.
»Magst du das?«, fragte er mich.
»Ja«, hauchte ich glücklich.
Santiago nickte wissend und küsste mich so leidenschaftlich, als wäre es unser allererster Kuss. Ich fühlte mich von seinen Lippen begehrt und von seiner Zunge besessen, ließ mich verzaubern, berauschen, trank seinen Atem und seine Liebe.
Nach einer ungewissen Zeit streichelte eine seichte Welle unsere Füße. Santiago löste sich von meinem Mund und blickte hinter sich. »Die Flut.«
Ich nickte traurig.
Ein letztes Mal küsste er meine hungrigen Lippen und half mir anschließend auf die Beine. Ich schüttelte den Sand aus meinen Haaren und von meiner Bluse. Santiago legte seine Hand um meine Taille und wir spazierten gemeinsam zurück zur Villa. Mitten auf dem Weg fiel ihm schließlich doch eine Kritik zu meinem Verhalten am Vortag ein. »Sollte ich dich jemals wieder ersuchen, mir eine Zigarette anzuzünden, dann ruf um Hilfe! Ich möchte nicht, dass du rauchst!«