Читать книгу Time of Lust | Band 3 | Devote Begierde | Roman - Megan Parker - Страница 6

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Verbrannt im Schnee

»Liegt die Cuba Libre schon vor Anker?«, fragte Santiago.

»Nein, sie wird um fünfzehn Uhr hier sein«, meldete Marcus.

»Wie sieht der Tagesplan aus?«, erkundigte er sich weiter.

»Wenn du möchtest«, schmeichelte Amistad in seiner freundlichsten Tonlage, »suchst du nach dem Frühstück einige Mädchen aus, die den Abend mit dir verbringen dürfen. Der Rest fährt nach Hause. Du kannst dich danach zurückziehen, der Masseur ist bestellt, wir haben einen kleinen Imbiss auf der Dachterrasse vorgesehen und gegen sechzehn Uhr gehen wir gemeinsam aufs Schiff. Dort verbringen wir den Nachmittag, einige Überraschungsgäste sind geladen, es gibt ein exquisites Abendessen, danach Show und ein privates Programm.«

Santiago nickte stumm.

»Wenn es dir zuwider ist, Mädchen auszusuchen, dann kann das auch Damian für dich übernehmen. Ich denke, er kennt deinen Geschmack am besten«, schlug Amistad abschließend vor.

»Zur Not würde auch ich mich anbieten«, meldete sich Edward und entlockte damit uns allen ein verhaltenes Lächeln.

Santiago stützte beide Ellbogen auf den Tisch und legte sein Gesicht in die offenen Hände, als müsse er erst mit sich selbst wieder ins Reine kommen.

Die Gelegenheit nutzte ich, um Damian etwas ins Ohr zu flüstern. »Warum ist er so schlecht gelaunt? Einhundert hübsche Mädchen ... was ist so schlimm daran?«

Damian seufzte. »Er hat die berechtigte Befürchtung, dass nicht alle von ihnen seine Neigungen teilen, Bedenken, Mädchen auszuwählen, die ihm dann auf der Yacht schockiert die kalte Schulter zeigen. Aber so ist das Leben ... es gibt nicht immer alles auf dem Silbertablett serviert.«

»Neigungen? Aber es geht doch nur um eine Party ...«

»Ja ... aber auch da wird er sich amüsieren wollen ... gerade an seinem Geburtstag!«

»Warum habt ihr dann nicht Mädchen bestellt, die seine Neigungen teilen?«

Leider bekam ich keine Antwort mehr. Damian stand auf und reichte Santiago einen ausgewählten Stapel Glückwunschkarten.

Emotionslos blätterte Santiago sie durch. An einigen blieb er etwas länger hängen. Manche entlockten ihm ein kleines Augenbrauenzucken ... und nur eine ein schweres Seufzen. Die schob er jedoch gleich zur Seite. Ich überlegte kurz, ob David ihm wohl zum Geburtstag schreiben würde, aber ich konnte nicht ergründen, von wem die besagte Karte war ...

Santiago hatte sein Frühstück beendet und zündete sich entspannt eine Zigarette an. Beiläufig riskierte er einen Blick in die Menge und zum ersten Mal huschte ein selbstgefälliges Lächeln über seine Lippen. Er blies Rauch in die Luft ... sah noch mal hin ... und dann glitzerten seine Augen. »Ich hoffe, die sind alle achtzehn?«, erkundigte er sich.

»Natürlich.« Amistad lächelte, als er merkte, dass Santiago nun endlich Interesse zeigte.

»Warum hast du keine Auswahl getroffen?«, fragte er Amistad.

»Ich dachte, wenn sie dich persönlich sehen, würden einige von ihnen vielleicht ihre Grenzen neu abstecken.« Er griff über Cheyenne hinweg nach Santiagos Hand. »Wie du siehst, knien sie nun seit über einer Stunde für dich auf ihren zierlichen Beinchen in recht unbequemen High Heels. Das ist nicht angenehm.«

»Das kommt darauf an, was du ihnen bezahlt hast!«

»Glaub mir, du würdest dir für diesen Betrag nicht ein Haar krümmen lassen!«

Santiago lächelte. »Sag es mir, damit ich ein Gefühl dafür bekomme, was sie hier leisten!«

»Eintausend Dollar.«

Santiago nickte unbeeindruckt und erhob sich vom Tisch. Mit dem Wissen, dass ihm einhunderttausend Dollar zu Füßen lagen, schritt er gemächlich durch die ersten paar Reihen und besah einige der Mädchen, die ihn ihrerseits aufgeregt, aber schweigend, mit neugierigen Blicken verfolgten. Er hielt seine Hände auffallend hoch, als müsste er ein Gehege kleiner, bissiger Hunde durchqueren ... alle, die ihn kannten, wussten jedoch, dass seine einzige Angst es war, berührt zu werden. Zur Tarnung hatte er seine Zigarette erhoben, kämmte mehrmals durch seine ohnehin perfekten Haare oder strich nachdenklich über seinen gepflegten Bartschatten. Noch bevor er alle besehen hatte, verharrte er plötzlich in der Mitte des Wohnzimmers. Dann kam er zum Tisch zurück und wandte sich an Amistad. »Ich brauche Platz – dort in der Mitte. Bringt Jana auf ihr Zimmer! Marcus, du begibst dich zum Ausgang!«

Wie gewohnt befolgten sie seine Anweisungen, ohne auch nur darüber nachzudenken, seine Worte zu hinterfragen. Santiago machte inzwischen seine Zigarette aus und deutete Alice und mir, wir sollten aufstehen und ihn begleiten. Über ein paar Mädchen hinweg stiegen wir bis zu der arrangierten Lichtung in der Mitte. Er ließ mich neben seinem rechten Fuß niederknien, während Alice sich ihm gegenüber aufstellen musste. Ich ahnte sofort, was das zu bedeuten hatte ... und Alice’ Blicken zufolge, ahnte auch sie es. Jedoch konnten wir wohl beide kaum glauben, dass er diese Seite von sich so offen zur Schau stellen wollte.

Zuvor hielt er jedoch eine kleine Ansprache: »Für all jene, denen es ein Bedürfnis ist, mich näher kennenzulernen, möchte ich eine kleine Demonstration dessen geben, was sie heute Abend bei mir unter Umständen erwartet. Es steht jeder frei zu gehen. Die Tür bleibt fünf Minuten geöffnet.«

Mit einem Lächeln auf den Lippen streichelte er Alice über die Wange, und wie einen unausgesprochenen Befehl hielt er anschließend seine Hand auf. Mir schauderte. Er wollte es tatsächlich tun. Mein Herz schlug einen nervösen Rhythmus und auch mein Atem beschleunigte sich. Gehorsam gab ihm Alice ihre überkreuzten Handgelenke und er hielt sie fest. Alice sah ihn nicht an, sie blickte nur auf ihre Hände. Auch als er ausholte. Der Schlag traf sie auf die rechte Wange. Sie schien zu fallen und wäre bestimmt auch gestürzt, hätte Santiago sie nicht gehalten und an ihren Armen zurückgerissen. Einzig ihre langen Haare wirbelten herum, spektakulär und beängstigend zugleich. Alice drehte sich, fiel vor ihm auf die Knie, und als sie zum ersten Mal Luft holte, entsprang ihrer Kehle ein schrilles Schluchzen.

Wie unzählige Echos hallten Schreckenslaute durch die Menge. Alice versuchte, sich sofort zu beherrschen und kurz darauf erkannte man nur noch an ihren schnellen Atemzügen, dass ihr etwas zugestoßen war. Santiago half ihr auf die Beine und bewies seine Anerkennung, indem er sie stolz lächelnd auf den Mund küsste.

Als hätten die Pausenglocken geläutet, sprangen die ersten Mädchen auf ... Einige waren noch unschlüssig, aber schon nach wenigen Sekunden war klar, dass nur wenige die Courage haben würden zu bleiben. Santiago zog sich inzwischen zurück, trank mit Amistad an der Bar den ersten Whiskey des Tages und beobachtete nur beiläufig, wie gut siebzigtausend Dollar zur Tür hinauswanderten. Die restlichen Mädchen wurden von Damian ersucht aufzustehen und Santiago musterte sie diesmal einzeln. Er berührte ausgewählte Mädchen an der Schulter, die anderen mussten ebenfalls die Villa verlassen.

Größenmäßig hatte er nun eine mittlere Schulklasse in vier Reihen vor sich auf dem Boden knien, als wollte er eine Yogastunde leiten.

Alice und ich knieten an seinen Seiten und ich blickte etwas bange einer zweiten Machtdemonstration entgegen, die nun vermutlich mich treffen würde.

Aber zu meiner Überraschung sah er uns beide an und überließ offensichtlich uns die Wahl ... vielleicht, weil er es bevorzugte, dass man sich ihm freiwillig hingab. »Wer möchte die Nächste sein?«, fragte er, völlig unnötig, wie ich fand, denn nie im Leben hätte ich zugelassen, dass Alice sich ein zweites Mal zur Verfügung stellen musste.

Ohne zu zögern stand ich auf. Gleichzeitig drang ein schüchternes »Ich« aus Santiagos Yogagruppe an unsere Ohren. Eines der Mädchen erhob sich und versuchte angestrengt, auf den geliehenen High Heels das Gleichgewicht zu finden. Offenbar hatte sie zum ersten Mal in ihrem Leben Absätze dieser Dimension unter ihren Füßen, denn es gelang ihr kaum, ruhigzustehen. Verlegen strich sie durch ihre langen Haare und musste schließlich selbst beschämt lachen, weil sie so wackelte.

Ihr Auftreten ließ ein bisschen daran zweifeln, ob sie sich wirklich darüber im Klaren war, wozu sie sich soeben gemeldet hatte. Wie ein kleiner Engel stach sie mit ihren hellblonden, gewellten, langen Haaren aus der Menge hervor. Für Santiagos Maßstäbe hatte sie mit Sicherheit die perfekte Figur, zierlich, vielleicht etwas zu klein, dafür aber ein bildhübsches Gesicht, das nun zusehends an Farbe gewann. Sie lächelte wie in einer kitschigen Zahnpasta-Werbung, sehr gewinnend, aber trotzdem auch unschuldig und ehrlich.

Als ich meine Augen endlich von ihr losreißen konnte, blickte ich in das Gesicht eines Mannes, der geblendet und sprachlos hinter einer kontrolliert ernsten Fassade seine Pläne neu zu überdenken schien. Santiago war hingerissen von ihr und rammte mir damit ein Messer ins Herz. Nie hätte ich gedacht, dass auch nur eines dieser Mädchen hier heute zur Konkurrenz für mich werden könnte ... wenn man bedachte, was ich bereit war, für ihn zu geben!

Nachdem Santiago offenbar keine Worte fand, streckte er ihr einladend seine Hand entgegen. Er bedachte sie weiter mit einer völlig überzogen strengen Miene, von der ihr jugendlicher Leichtsinn jedoch unbeeindruckt blieb. Sie stieg unsicheren Schrittes an den knienden Mädchen vorbei, lächelte die süßesten Grübchen in ihre Wangen und reichte ihm ihre überkreuzten Handgelenke, als wäre das die normalste Art der Begrüßung auf der ganzen Welt. Santiago hielt sie fest und war wortlos bezaubert von ihrer bedingungslosen Unterwerfung.

Plötzlich wurde Damian auf sie aufmerksam und näherte sich uns. Erleichtert atmete ich auf, denn ich hoffte, er würde vernünftigerweise dieses Mädchen aus ihrer verhängnisvollen Lage befreien. Aber dann blieb er tatenlos neben uns stehen.

»Wie ist dein Name?«, fragte Santiago schließlich sein bereitwilliges Opfer.

»Lilienné«, hauchte sie scheu mit einem feuchten Glitzern in den Augen.

»Du bist keine achtzehn!«, zweifelte er sofort, obwohl Amistad beim Frühstück das Gegenteil versichert hatte.

Vor Schreck lief sie rot an.

»Wie alt?«, bohrte er nach.

»Sie ist sechzehn«, erklärte Damian und kam näher.

Sofort ließ Santiago ihre Hände los und fauchte Damian verärgert an: »Was soll das? Wollt ihr mich ärgern? Schaff sie mir aus den Augen!«

»Nein!«, protestierte sie in ihrer Angst nun etwas lauter. Ihre Stimme war hell und lieblich.

»Warte«, beruhigte ihn Damian und fasste ihm dabei an die Schulter. »Hör sie dir an. Sie ist eine Ausnahme. Die einzige Ausnahme hier. Alle anderen sind achtzehn, ich schwör’s dir! Aber hör sie dir an ... sie hat gute Referenzen.«

»Referenzen?« Er lachte verächtlich. »Habe ich jetzt jemanden, der meine Frauen vorweg testet? ... Und? ... Wie ist sie im Bett? Haben wir ein Zeugnis?«

»Ich meinte Beziehungen!«, korrigierte sich Damian. »Die Kleine hat erstklassige Beziehungen.«

Skeptisch wandte sich Santiago wieder dem Mädchen zu. »Und zwar?«

»Ich ... ich warte schon seit drei Jahren darauf, hierherzukommen«, erklärte sie hastig und übersprudelnd, »nicht nur für einen Abend, ich würde gern bleiben. Estelle ist meine Schwester, ich war die letzten Monate bei ihr in der Schweiz, ich weiß, wie sie lebt, mit Keathan, und ich weiß, wie hier auf Ivory alles abläuft ... und ich wünsche es mir von ganzem Herzen.«

»Estelles kleine Schwester?« Er lächelte verzückt und musterte erneut ihren Körper. »Du bist kleiner als sie ... und deine Haare sind viel heller ... aber du siehst ihr tatsächlich etwas ähnlich.« Nach einer anfänglichen Euphorie trübte sich jedoch seine Stimmung wieder. »Das ändert aber nichts daran, dass du zu jung bist!«

»Nein, ich bin nicht zu jung! Wirklich nicht! Wieso soll ich zu jung sein? Ich hab Freundinnen, die haben schon seit zwei Jahren Sex!«, empörte sie sich.

Santiago war kurz erschrocken über ihre Direktheit. »Okay – drücken wir es anders aus – es liegt nicht an deinem Alter, es liegt an meinem Alter! Ich mache mich mit dir strafbar.«

»Nein ... Estelle ist mein Alibi ... ich wohne offiziell bei ihr ... und sie erlaubt es. Ich quäle sie seit drei Jahren! Ehrlich! Sie hat es mir für meinen sechzehnten Geburtstag versprochen!«

»Und wann war der?«

»Vor einer Woche.«

Santiago fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Ich muss mich hinsetzen.«

»Ja, vielleicht setzen wir uns auf die Couch und besprechen das in Ruhe ...«, schlug Damian vor. »Die anderen Mädchen sollen inzwischen an der Bar etwas trinken.«

»Dich brauche ich vielleicht noch!« Santiago hielt mich am Arm fest. »Und auch Alice ... Ihr setzt euch zu mir!«

Wir nahmen auf einem Kuschelsofa Platz. Lilienné kniete sich direkt neben ihn, sodass sie ihn ansehen konnte. Er verlangte nach alkoholfreien Cocktails für uns alle und zündete sich eine Zigarette an. Dann blies er Rauch in die Luft und lehnte sich entspannt zurück. »Also, was weißt du über mich?«, fragte er Lilienné.

»Alles!« Sie strahlte ihn an wie das Christkind.

»Alles?« Santiago schmunzelte. »Du machst mir Angst!«

Sie holte ihre zierlichen Hände unter ihrer Haarpracht hervor und begann, an einzelnen Fingern abzuzählen: »Ich weiß von den High Heels, vom Keller, von den anderen Mädchen ... Männern ... dass ich mit meinen Händen aufpassen muss ... und ich möchte das Brandmal!«

»Da hast du ja große Pläne!«, lobte Santiago sie zynisch.

Keck blickte sie in seine Augen. »Wir können sofort damit anfangen!«

Santiago gab sich nachdenklich ... »Und von mir willst du nichts?«

»Doch!« ... Beschämt lächelte sie ihn an.

»Wer sagt dir, dass du mir überhaupt gefällst?«

»Sie haben mich ausgewählt! Vorhin, als die anderen Mädchen gehen mussten, sollte ich hierbleiben!«

Santiago nickte und streichelte über ihre Wange. »Du brauchst mich nicht mit ›Sie‹ anzusprechen.«

Lilienné lächelte und wurde schon wieder rot im Gesicht.

Plötzlich kam Santiago ein Gedanke, der ihn sichtlich irritierte. »Estelle hat keine Eltern mehr. Hab ich das richtig in Erinnerung?«

»Ja. Unsere Eltern hatten einen Autounfall. Estelle war damals schon mit ... dir ... zusammen. Und du hast sie für eine Woche nach Hause gehen lassen, um alles zu regeln. Sie hat mich in der Schweiz in ein Internat gesteckt ... und sie hat mir ein Foto von dir gezeigt ... und von der Insel erzählt. Sie wirkte glücklich. Ich hab sie so beneidet! Aber sie meinte, sie würde mich nie hierher bringen, nicht mal, wenn ich alt genug dafür wäre, weil du sehr ... unberechenbar wärst. Trotzdem wollte ich mit, und ich hab sie nicht in Ruhe gelassen und sie angebettelt. Daraufhin hat sie mir erzählt, dass du sie geschlagen hättest. Ich wusste nicht, ob ich ihr das glauben sollte, vielleicht hatte sie es ja nur gesagt, um meinem Drängen ein Ende zu setzen. Jedenfalls, als sie weg war, hab ich begonnen, mich danach zu sehnen ... nach dir ... egal, was du mit mir getan hättest.«

»Drei Jahre lang?«

»Ja. Estelle hat mir immer wieder E-Mails geschrieben. Und ich hab dich manchmal im Fernsehen gesehen. Bei so Promi-Veranstaltungen. Viermal mit Estelle. Aber auch mit anderen Mädchen. Sie waren alle hübsch. Und sie wirkten glücklich.«

»Aber du weißt mittlerweile, dass das stimmt, was Estelle über mich erzählt hat!«

»Ja. Estelle hat mich vor zwei Monaten zu sich geholt. Sie ist jetzt offiziell mein Vormund. Ich hab gesehen, wie sie mit Keathan lebt ... das ist ähnlich! Und sie liebt ihn.«

»Trotzdem«, entgegnete Santiago, »warum sollte Estelle ihre Einstellung mir gegenüber geändert haben? Ich kann nicht glauben, dass sie dich jetzt plötzlich zu mir schickt!«

»Doch, das stimmt«, mischte sich Damian ins Gespräch, »ich habe mit ihr lange und ausführlich telefoniert! Außerdem habe ich Lilienné schon vor vier Wochen kennengelernt, als sie in Miami war. Dir wird schwindelig, wenn du das alles hörst, was sie mir erzählt hat. Sie will es wirklich und ich halte sie nicht für zu jung ... obwohl ich einer der Letzten wäre, der so etwas befürwortet. Nur gegen ein Brandmal würde ich mich verwehren. Das kann sie mit achtzehn haben, früher nicht!«

Santiago griff ihr zärtlich ins Gesicht, offenbar gefielen ihm die beschämten Blicke und die Röte, die er damit auslöste. »Du bist Jungfrau?«, fragte er.

»Ja.«

Andächtig streichelte er mit seinem Daumen über ihren Schmollmund. »Und wie viele haben dich schon geküsst?«

»Keiner.« Vorsichtig schüttelte sie ihren Kopf, um seine Hand nicht zu irritieren.

»Warum nicht?«, raunte er.

»Für dich«, hauchte sie.

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als hätte sie ihn mit ihren Worten verletzt. Daraufhin beugte er sich langsam nach vorn, verschwand mit seinem Gesicht in ihren blonden Haaren und küsste sie zärtlich auf ihre jungfräulichen Lippen. Angespannt ballte sie ihre Hände zu Fäusten, offenbar, damit sie sich selbst leichter davon abhalten konnte, ihn zu berühren.

Ich hätte sterben können ... vor Eifersucht. Und ich hätte sie töten wollen ... für ihre sechzehn Jahre. Er nahm sich so viel Zeit, sie zu küssen, dass ich wegsehen musste. Ich überlegte, ob er jetzt gleich über sie herfallen, sie hier auf dieser Couch zu seinem Eigentum machen würde, oder ob er den Anstand hatte, sie dafür auf seine Arme zu nehmen und nach oben zu tragen.

Als er sich von ihr löste, kullerten zwei Tränen aus ihren blauen Augen. »Heißt das, ich darf bleiben?«, flüsterte sie verunsichert.

Santiago lehnte sich wieder zurück und fasste sich an die Stirn. Danach hielt er die Hand vor seine Augen und seufzte schwer. Natürlich wollte er, dass sie blieb ... mir brauchte er nichts vorzumachen.

»Was meinst du?« ... fragte er auf einmal mich!

»Ich?« Was sollte ich dazu sagen? Von mir aus konnte sie sofort wieder nach Hause fahren. Obwohl sie unbestritten süß war, nett und herzig, aber eben auch bildhübsch, unschuldig und endlos sexy – eine gewaltige Konkurrenz! Wie gern wäre ich an ihrer Stelle gewesen ...

»Ja. Du!«, riss er mich aus den Gedanken.

Plötzlich ahnte ich, was er plante. Er wollte aus meinem Mund hören, wie weit er damit das Messer in mein Herz treiben könnte, wie sehr es mich verletzen würde. Er wollte Lilienné benutzen, um uns zu quälen. »Ich verstehe sie ...«, musste ich schweren Herzens zugeben. »Ich wäre auch schon mit sechzehn so weit gewesen ... und ich beneide sie, wenn du ihr das erlaubst. Ich werde sie jeden Tag beneiden, den sie hier ist.« Ein dicker Kloß würgte mich im Hals. »Ich wäre auch gern sechzehn ... für dich«, schluchzte ich.

Santiago nickte verständnisvoll und lächelte geschmeichelt.

»Die Frage ist vielleicht eher, wie sie mit Schmerzen umgehen kann!«, meinte Alice kühl. »Estelle kann ihr viel erzählen, aber wenn man das nicht am eigenen Körper erlebt hat ...«

»Estelle hat mich getestet!«, protestierte Lilienné trotzig.

Santiago zog erstaunt eine Augenbraue hoch und grinste. »Tatsächlich?«

»Also, eigentlich war es Keathan ... Estelle musste nur lange überlegen, wie sie es anstellen sollte, denn sie wollte nicht, dass Keathan mich berührt und ich sollte mich dabei auch nicht in ihn verlieben. Aber da war keine Gefahr ... Keathan gefällt mir nicht!«

»Und wie hat Keathan dich getestet?«

Objektiv betrachtet war Lilienné wirklich süß. Sie gestikulierte beim Reden noch aufgeregter als Santiago, fast so, als wären wir alle taubstumm, nur wirkte es bei ihr viel graziler und lieblicher. Man konnte einfach nicht die Augen von ihr lassen.

»Warst du mal in Davos Skifahren?«, fragte sie mit treuherzigem Blick.

»Nein«, gestand Santiago. »Ich war noch nie in der Schweiz.«

»Okay. Ist nicht so schlimm«, beruhigte sie ihn großmütig.

Santiago lächelte und wollte etwas sagen, doch als er Luft holte, sprach sie schon weiter ...

»Also, stell dir vor ... Davos, wo Keathan wohnt, vor gut einem Monat. Es war kalt, eiskalt, bestimmt minus zehn Grad. Wir hatten so viel Schnee, dass manche Leute ihre Dächer abschaufeln mussten, weil die Last für die Häuser zu schwer war. Keathan hat ein wirklich uriges Blockhaus, direkt an der Skipiste. Bei ihm reichte der Schnee auf der Bergseite bis über die Fenster! Aber drinnen hatten wir es schön warm, einen offenen Kamin ... und richtig gemütlich.«

»Klingt romantisch«, befand Santiago.

»Ja. War es auch!«, stimmte sie ihm zu. »Nur am Tag meiner Prüfung nicht. Ich wusste nicht, wann es passieren würde. Estelle meinte, das wäre Teil der Prüfung. Und so holten sie mich mitten in der Nacht aus dem Bett. Sie und Keathan hatten ihre ultra-modernen Thermo-Skianzüge und dicke Fellstiefel an, ich hingegen nur ein Nachthemd. Estelle entfachte das Licht in unserer Laterne, Keathan nahm mich an die Hand und wir gingen nach draußen. Ich durfte nicht sprechen. Vielleicht hundert Meter neben dem Haus begann der Wald, aber so weit kamen wir gar nicht. Ich war barfuß ... wir gingen durch den Tiefschnee ... und schon nach ein paar Schritten begannen meine Füße einzufrieren. Dann wollte Keathan, dass ich mein Nachthemd auszog, was mir in diesem Moment sogar egal war ... mir taten bloß die Füße weh. Also gab ich Estelle mein Nachthemd und lief nackt neben ihm weiter ... bis ich nicht mehr gehen konnte. Ich setzte mich in den Schnee und hielt heulend meine Füße fest. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh so etwas tut! Irgendwann kann man gar nicht mehr unterscheiden, ob es Hitze oder Kälte ist, was man da spürt. Der Schmerz frisst sich durch die Knochen in deinen ganzen Körper. Lange hielt ich es auch auf meinem Popo nicht aus und ich wollte mich gerade hinknien, als Keathan meinte, ich solle mich hinlegen!«

»Mhhh ...« Santiago schnurrte wie ein genusssüchtiger Kater.

»Eigentlich wollte ich es nicht, denn ich wollte ja meine Prüfung bestehen, aber ich flehte ihn an, das nicht von mir zu verlangen.«

Während Lilienné weitersprach, zog mich Santiago zwischen seine Beine ... Ich kniete nieder, legte meinen Kopf in seinen Schoß und im selben Moment wusste ich, warum er mich dort haben wollte. Zufrieden breitete er meine Haare aus, überall dort, wo er sie brauchte, um seine offensichtliche Begeisterung für Lilienné zu verbergen.

»Keathan hätte auch fast Mitleid bekommen«, fuhr sie fort, »aber Estelle bestand darauf, weiterzumachen. Ich zitterte am ganzen Körper und meine Zähne klapperten wie ein antikes Morsegerät, während ich mich vorsichtig mit dem Rücken in den tiefen Schnee legte. Und dann bekam ich fast keine Luft mehr, weil ich solche Schüttelkrämpfe hatte. Angestrengt hechelte ich ... und sie standen nur da und sahen mir zu! Meine Haut brannte. Ich drehte mich auf den Bauch ... dann wieder auf den Rücken ... immer hin und her ... bis der Schnee unter mir platt gedrückt war ... bestimmt nur ein paar Minuten, aber es kam mir ewig lange vor. Irgendwann hob mich Kea­than vom Boden und nahm mich auf seine Arme. Ich dachte, ich hätte es überstanden, aber er legte mich ein paar Meter entfernt wieder in den tiefen, lockeren Schnee, wo ich sofort einsank und die nasse Kälte mich erneut umarmte. Ich wollte schreien, aber ich hatte keine Luft dazu ... und im selben Moment stieg Keathan mit seinem Schneestiefel auf meine Brust. Zuerst war ich erschrocken, aber dann klammerte ich mich mit allem, was ich hatte, an sein Bein. Er lachte und verbot mir das ... er wollte, dass ich ruhig liegen blieb ... flach ausgestreckt ... im Schnee. Er sagte, das wäre die Prüfung, ich müsse mich überwinden. Und er hatte recht ... das war das Schwerste von allem. Ich hatte so Angst, dass er mit zu viel Gewicht auf mich draufsteigen könnte ... ich schaffte es kaum, ihn loszulassen. Und als ich schließlich meine Arme und Beine in den Schnee gestreckt hatte, meinte er, er würde bestimmen, wie lange mein Körper hier liegen müsse und ich solle nicht darüber nachdenken, sondern mich nur auf meinen Atem konzentrieren. Zuerst dachte ich, ich würde ersticken ... vor Kälte ... und unter seinem Gewicht ... aber dann beruhigte ich mich ... atmete ... und fühlte eine seltsame Erregung darin, ihm ausgeliefert zu sein. Dann stieg er von mir herunter und ich bewegte mich nicht. Er blieb neben mir, zog seine Thermofäustlinge aus und legte mir eine warme Hand auf den Unterbauch, die andere an meinen Hals. Ein unbeschreibliches Gefühl durchströmte meinen Körper. Ich war so dankbar für seine Wärme. Und, obwohl ich fror und zitterte und meine Knochen schmerzten, konnte ich auf einmal tiefer atmen. Seine Hände schenkten mir Linderung und fühlten sich wundervoll an. Die auf meinem Bauch strahlte förmlich in mich hinein, als hätte er in mich hineingegriffen und eine warme Flüssigkeit in meinem Unterleib verschüttet, die sich langsam in mir verströmte. Ich beobachtete meine Atemluft, die in weißen Wolken aus meinem Mund floss, genau wie die aus seinem. Es hatte etwas ganz Intimes, wie sich unsere Atemzüge außerhalb unserer Körper vereinten, zu einem unzertrennlichen Nebel, der mir die Sicht auf seine strenge Miene verschleierte. In meinen Gedanken war er ein Magier, der einen Feuerball in meinem Unterleib bewegte und mich damit zum Leben erweckte. Estelle meinte jedoch ziemlich bald, er solle aufhören, sie wolle das nicht. Und dann nahm er mich endlich auf seine Arme und trug mich zurück zum Haus.«

Santiago atmete bewusst tief durch und fuhr sich durch die Haare.

»Ich bin noch nicht fertig«, betonte Lilienné quirlig, offenbar hatte sie Angst, seine Aufmerksamkeit zu verlieren.

Er schluckte schwer. »Okay ... erzähl weiter.«

»Keathans grober Anzug rieb unangenehm auf meiner Haut, die eiskalt, durchgefroren und übersät mit roten Flecken war. Zuhause setzte er mich ab und noch immer schüttelte es mich unkontrolliert, ich zitterte und hechelte wie ein kleiner Hund, der zu viel gespielt hatte. Sie hatten schon vorweg die Badewanne eingelassen. Estelle versicherte mir, das Wasser wäre nur lauwarm, aber für mich fühlte es sich heiß an ... unerträglich heiß. Keathan zog sich aus, bis auf seine Shorts, und zwang mich mit sich in die Wanne. Er brauchte Kraft und seinen ganzen Körper, um mich festzuhalten und unter Wasser zu drücken. Meine Haut brannte wie Feuer. Ich kreischte bis ich heiser war. Estelle musste sogar aus dem Bad flüchten, weil sie es nicht mit ansehen konnte! Irgendwann hing ich nur noch keuchend auf Keathan ... die Schmerzen waren vorbei ... und ich hatte zwei Tage keine Stimme.«

Santiago drückte ihr stolz einen Kuss auf den Mund. »Du bleibst bei mir.«

»Wirklich?«

»Ja. An deiner Erzählung war nur eines falsch ... nicht Kea­than ... ICH bin dein Magier! Und ich bin für den Feuerball in deinem Unterleib zuständig. Ich werde dich verbrennen, Baby ... tief in dir drin ... so, wie du es dir wünschst.«

Lilienné saß sprachlos und versteinert da, fasziniert von seinen Augen, betäubt von seinen Worten.

Er küsste ihren offenstehenden Mund und ich spürte seine harte Erektion unter meiner Wange kraftvoll zucken. »Die gleiche Geschichte erzählst du mir heute Abend noch mal!«, befahl er ihr.

»Ja«, hauchte sie ... und nach ein paar Sekunden realisierte sie erst, dass sie hierbleiben durfte. Voller Begeisterung griff sie mit ihren Armen ins Leere, weil sie ihm verständlicherweise um den Hals fallen wollte, dann rutschte sie in ihrer Not neben mir auf die Knie und küsste seine Hand, die sie zum Glück mit ihren Lippen freihändig erreichen konnte.

Santiago belächelte ihre Geste und fügte etwas leiser hinzu: »Besser gesagt ... morgen Abend. Heute Abend bin ich nicht hier.«

Lilienné überhörte das in ihrer Euphorie und fragte ganz aufgeregt: »Darf ich Estelle anrufen?«

Santiago war kurz perplex ... aber dann machte er für sie eine Ausnahme. »Damian ... gib ihr ein Handy!«

Mit zittrigen Fingern tippte sie aufgeregt in die Tasten und Santiago holte mich wieder neben sich auf die Couch.

»Keathan! Hi! Kann ich Estelle sprechen? Bitte!« Sie war richtig außer Atem. »Hi! ... Ja! ... Ja! ...«

Santiago nahm ihr das Telefon aus der Hand. »Estelle? ... Hi ...« Er lächelte geschmeichelt erhob sich von der Couch, um etwas entfernt von uns ungestört telefonieren zu können. »Ja, sie ist bezaubernd ... Du hast nie von ihr erzählt ... «

Als er zurückkam, wandte er sich an Damian: »Bring sie in mein Zimmer! Gib ihr ein Nachthemd und sag ihr, was sie nicht anfassen soll. Ich möchte, dass niemand zu ihr geht oder mit ihr spricht!«

»Was machen wir mit den anderen Mädchen?«, fragte Damian.

»Wie viele sind übrig?«

»Etwas über zwanzig.«

»Die können wir doch mitnehmen, oder?«

»Sicher«, meinte Damian.

Santiago setzte sich wieder neben Lilienné und legte eine Hand auf ihre Beine. »Wir sehen uns dann morgen!«

»Wieso morgen? Heute ist doch die Party!«, entgegnete sie.

»Ja, aber nicht für dich. Ich möchte, dass du hierbleibst.«

Sie sah ihn an, als hätte er sie für immer verstoßen. »Wieso?«

Er lächelte. »Du hast drei Jahre auf mich gewartet, dann wirst du einen Tag auch noch aushalten.«

»Aber warum willst du mich nicht auf deiner Party dabeihaben?«

Langsam fasste er ihr strenger in die Haare und tat ihr damit sichtlich weh. »Du musst schon mir überlassen, was ich mit dir mache. Es ist eine Ehre, in meinem Zimmer auf mich warten zu dürfen! Aber wenn du unbedingt willst, als Alternative hätten wir noch den Keller ...«

Hastig schüttelte sie ihren Kopf und er ließ sie sofort wieder los. Dann streichelte er zärtlich über ihre Wange. »Baby, ich verspreche dir, ich kümmere mich morgen um dich! Du bist mein schönstes Geburtstagsgeschenk! Zwar weiß ich nicht genau, was mich heute noch alles erwartet, aber das wird es kaum übertreffen.«

Dicke Tränen kullerten über ihre Wangen und er küsste sie liebevoll weg. Zum ersten Mal musste sie sich seinem Willen beugen. Und charmanter hätte er ihr das vermutlich gar nicht vermitteln können. Sie schwieg, weinte nur. Santiago nickte Damian zu und sie ging traurig mit ihm nach oben.

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