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-Vorwort-

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Gaby Köster hat ein Buch über ihren Schlaganfall geschrieben. Bap-Frontmann Wolfgang Niedecken hat ein Buch über seinen Schlaganfall geschrieben. Tausend Schlaganfall-Bücher, und jetzt schon wieder eines? Und dann auch noch von einem Niemand geschrieben? Warum sollte ich das denn lesen? Vielleicht waren das eure ersten Gedanken, als ihr den Rückentext dieses Buches gelesen habt. Und um eine Antwort gleich vorweg zu nehmen: Ich habe dieses Buch vor allem für mich selbst geschrieben – weil es Teil meines Verarbeitungsprozesses ist, der bis heute, vier Jahre danach, andauert, und wahrscheinlich auch noch eine ganze Weile andauern wird. Das war mein wichtigstes Anliegen für diesen Bericht.

Bevor ihr dieses Buch jetzt aber gleich wieder aus der Hand legt, möchte ich wenigstens versuchen, zu erklären, warum es sich trotzdem lohnen könnte, weiterzulesen. Ein kleiner Unterschied zu vielen anderen Büchern zu diesem Thema ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass ich in einem sehr jungen Alter von nur 24 Jahren einen Schlaganfall erlitt. Und dass die Ursache dafür – eine sogenannte spontane Dissektion der Halsschlagader – eine insgesamt zwar sehr seltene, aber immerhin die zweithäufigste Schlaganfall-Ursache bei jüngeren Patienten unter 50 Jahre darstellt. Das weiß so gut wie niemand. Auch ich nicht, bis ich selbst betroffen war. Selbst vielen Ärzten ist diese spezielle Schlaganfall-Ursache nicht geläufig – das kann ich zumindest aus meiner Erfahrung heraus sagen.

Einen Schlaganfall bekommt man doch erst, wenn man alt ist, raucht und Übergewicht hat – so lautet die weit verbreitete Meinung. Nun, leider ist es nicht so. Die spontane Dissektion ist bis heute eine rätselhafte Erkrankung. Sie trifft meist Menschen, die keine typischen Risikofaktoren für einen Schlaganfall aufweisen: kein Übergewicht, keinen Bluthochdruck, keine hohen Blutfettwerte, kein Rauchen.

Es gibt Hinweise darauf, dass die Krankheit mit einer bestimmten Art von Bindegewebsschwäche einhergeht. Ein kleiner „Webfehler“ im System, wie es einer der wenigen ausgemachten Dissektions-Experten Deutschlands, Dr. Tobias Brandt aus Heidelberg, in unserem Gespräch so schön formuliert hat. Eindeutige Antworten gibt es aber immer (noch) nicht. Und genauso mangelt es an verständlichen, deutschsprachigen Informationen zu dieser seltenen Schlaganfall-Ursache.

Also habe ich mich selbst auf die Suche nach Antworten begeben. Ich habe versucht, mich zum Experten meiner eigenen Erkrankung zu machen (so gut es geht, zumindest): Im Wälzen von Studien und Fachliteratur und im Gespräch mit Experten, die in diesem Bereich forschen. Als gelernte Journalistin ist das ja sogar irgendwie meine Aufgabe. Ich wollte also nicht das tausendunderste x-beliebige Schlaganfall-Buch schreiben: Ich wollte das erste Buch als Betroffene einer spontanen Dissektion schreiben, das nicht nur meine persönliche Geschichte erzählt, sondern auch verständlich über das Krankheitsbild informiert. Mein zweites Anliegen war es also, zu informieren.

Bitte erwartet jetzt aber keine rein wissenschaftliche Abhandlung. Auch konnte ich nicht auf all die vielen anderen Ursachen für Schlaganfälle, die junge Menschen und sogar Kinder treffen können, eingehen. Das war auch nicht mein Anspruch. Alle Fakten, die ich im Zuge meiner Recherchen sammeln konnte, habe ich am Ende des Buches noch mal in einem Überblick zusammengefasst. Wenn ich meine Geschichte schon aufschreibe, dachte ich, kann ich sie auch genauso gut veröffentlichen – und ein kleines bisschen dazu beitragen, aufzuklären.

Eigentlich lautet ja einer unserer journalistischen Grundsätze: sei nicht zu nah dran, mach dich nicht mit einer Sache gemein! Das konnte ich in diesem Fall nicht einhalten. Ich machte mich selbst zum Subjekt meiner Recherchen. Bei meinen Gesprächen mit Ärzten und Forschern ging es plötzlich nicht mehr nur um irgendeine Krankheit, um das Leben von irgendjemandem, sondern um meine Krankheit, um mein Leben. Das kann einen emotional ziemlich umhauen.

Leider ist es mir nicht gelungen, meine Erkrankung als Teil meines Lebens zu akzeptieren. Denn das ist die wirkliche Herausforderung nach einem solchen Schicksalsschlag: das Leben mit der Diagnose. Mit einem Schlag (bei mir im wahrsten Sinne des Wortes) ist alles anders. Die Phasen des Abstreitens, der Wut, der Verzweiflung, der Hoffnung, die man in den Tagen, Wochen, Monaten und Jahren nach einem solchen Ereignis erlebt, habe ja nicht nur ich erlebt. Sie erlebt jeder, der durch eine schwere Erkrankung oder ein anderes einschneidendes Lebensereignis völlig aus der Bahn geworfen wird.

Auch wenn zunächst alles danach aussah: Ich schaffte es nicht, mich mit meinem Schicksal und der Ungewissheit, die diese rätselhafte Erkrankung mit sich bringt, abzufinden. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre wies mich mein Körper ganz deutlich in die Schranken – diesmal aufgrund einer psychischen Erkrankung und so deutlich, dass ich seine Signale nicht noch einmal ignorieren konnte. Ich musste langsam, oft auch schmerzhaft, lernen, dass es einen Unterschied zwischen verdrängen und verarbeiten gibt. Und dass man immer auch zurückschauen muss, um vorwärts zu kommen.

Erst dieser harte Rückschlag zwang mich zur echten Auseinandersetzung mit allem, was passiert war. Und zur Auseinandersetzung mit meinem Leben an sich, mit dem, was mir wichtig ist, was ich brauche und was ich wirklich will. Das bringt mich zu meinem dritten Anliegen, das eigentlich eher eine diffuse Hoffnung ist: Ich wollte, dass sich in meinen Erlebnissen auch andere Menschen wiederfinden, die schwere Zeiten durchmachen mussten. Ich wollte auf ganz ehrliche Art und Weise schildern, wie es ist, wenn einem der eigene Körper in einem Alter, da eigentlich alle Türen offenstehen sollten, plötzlich all diese Türen mit voller Wucht vor der Nase zuknallt. Darum habe ich ganz bewusst auch die Emotionen und Gedanken nicht ausgelassen, für die man sich im Nachhinein schämt oder die man zutiefst bereut.

Möglicherweise bringe ich so den einen oder anderen dazu, sich über sich selbst, sein Leben, seine echten Ziele und Träume Gedanken zu machen. Und zwar idealerweise nicht erst, wenn ihn eine schwere Erkrankung dazu zwingt.

Vielleicht habt ihr jetzt doch noch Lust bekommen, ein kleines bisschen weiter zu lesen. Wenn ja, freue ich mich über euer Feedback zum Buch, wenn nein, freue ich mich ebenso über eure Begründung: meike.mittmeyer@gmail.com. Natürlich bin ich auch für neue, spannende Forschungsansätze, Erfahrungsberichte anderer Betroffener und viel mehr dankbar.

Meike Mittmeyer-Riehl im April 2016

Der Spalt: Wie mich – 24, schlank, sportlich, Nichtraucherin – der Schlag traf.

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