Читать книгу Schweizer Sagen und Heldengeschichten - Meinrad Lienert - Страница 24

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Der überlistete Teufel.

1. Die Teufelsbrücke in Uri.

Wer heute nach dem sonnigen Süden reisen will, nach Italien, „wo still die Myrte und hoch der Lorbeer steht,“ wie der Dichter so schön singt, der setzt sich einfach in die Eisenbahn und fährt im Hui durch das Gotthardgebirge hindurch, und wie er zum langen Tunnel hinauskommt, grüsst ihn schon das erste welsche Dörflein Airolo.

In alter Zeit ging’s aber nicht so rasch. Da mussten die Säumer und Italienfahrer, Pilger und Krieger, über den hohen, oft tiefverschneiten Gotthardberg steigen. Und in gar alten Zeiten konnten sie auch das nicht, denn in der grausen Schlucht der Schöllenen, durch die die Gletscherwasser der Reuss toben und schäumen, hörte jeder Weg auf. Der Wildstrom versperrte den Weg ins Welschland. Zwar baute man später einen elenden Steg den Felsabstürzen nach, den die Leute den stiebenden Steg nannten, aber das war ein gar gefährlicher, schwindliger und schmaler Übergang, den oft Wind und Wetter ungangbar machten.

Das verdross und bekümmerte besonders die Urner, die gar zu gern hin und wieder aus ihren rauhen Bergtälern ins schöne Land Italien hinuntergestiegen wären, um sich an dem dickroten süssen Wein und den andern guten Früchten und schönen Sachen zu erfreuen. Zudem ging über den Gotthard ihr einziger Weg nach Rom zum Heiligen Vater. Sie wünschten sich daher eine rechte Brücke, über die man auch nötigenfalls mit Ross und Wagen hinüberkommen könnte. Aber alle Mühe und aller Schweiss war umsonst; der wilde Bergstrom riss immer wieder alle Brückensätze weg, die sie ihm aufzwingen wollten.

Da rief man die Landsgemeinde zusammen, um diese Brückennot zu beraten. Jedoch niemand fand einen Ausweg. Endlich erhob sich der Landammann und sagte: „Zwar ist’s gefährlich, sich mit dem Bösen einzulassen, allein Not bricht Eisen, und kommt Zeit, kommt Rat. Meine Meinung ist, man solle mit dem Teufel einen Vertrag machen, dass er uns die Brücke erstelle.“

Erst erschraken die Landleute, und es war ihnen bei ihres Landammanns Rat nicht recht wohl. Aber der Landammann wusste ihnen den roten Wein im Welschland also zu zuckern, dass sie die Lippen danach leckten. Als daher der verwegene Landammann den Antrag zur Abstimmung brachte, siegte er mit einer ansehnlichen Mehrheit. Aber als es sich fragte, wer nun mit dem Teufel den Handel einfädeln sollte, wollte niemand die Hand aufheben. So musste der Landammann die Unterhandlung mit ihm besorgen, denn, sagten die Urner, er kenne sich bei den grossen Herren besser aus als bei den Bauern. Wie der Landammann das dann machte, hat nie jemand vernommen, denn es ist nicht protokolliert worden. Kurzum, der Teufel liess sich berichten und schloss mit dem Landammann das Geschäft ab, dahin lautend, dass die Brücke über Nacht fertig erstellt und mit Steinwerk wohlbefestigt sein müsse, dass jedoch der Erste, der sie überschreite, des Teufels sein solle.

„ Beim nächsten Tagesgrauen

Ging man dort nachzuschauen,

Und über Stromeswogen

Wölbt sich der Brücke Bogen.

Doch an der Brück’ auch schon

Passt Satan auf den Lohn.“

Am andern Morgen sahen also die Urner mit freudigem Staunen eine feste Steinbrücke über die wilde Reuss liegen, die ihre schäumenden Wasser wütend daran emporschlug. Doch verminderte sich ihr Jubel schnell, als sie an dem Brückenausgang gegenüber den Teufel gewahrten, der mit stechenden, grasgrünen Augen auf seinen Lohn wartete. Da erschien der beherzte Landammann, der den Vertrag mit dem Bösen abgeschlossen hatte, und rief diesem zu: „Hast deine Sache brav gemacht!“

Der Teufel nickte schmunzelnd mit dem gehörnten Kopf. In diesem Augenblick liess der Landammann einen bereitgehaltenen unbändigen Ziegenbock los, und als dieser nun den Teufel am andern Ufer gewahrte, hielt er ihn ebenfalls für einen Ziegenbock. Sogleich stürmte er wütend über die Brücke und fuhr auf den Teufel los. Da wurde dieser über die schlauen Urner also rasend, dass er den Ziegenbock packte und ihn in hundert Fetzen zerriss. Die Urner aber lachten eins heraus. Das machte den Teufel noch wilder. Er tanzte vor Wut, und dann fuhr er schnurstracks abwärts bis unterhalb Göschenen, wo gewaltige Felsblöcke in den Bergweiden herumlagen. Den grössten von allen packte er, lud ihn auf und keuchte damit wieder aufwärts, um die schöne, neue Brücke zu zerschmettern.

Als er nun mit seiner ungeheuren Last, schwer schnaufend, bergan ging, kam ein altes Mütterchen daher. Da setzte sich der Teufel eben ein wenig und legte den Felsblock nebenher. Er wollte etwas verschnaufen.

Wie aber das Mütterchen seinen Bocksfuss ersah, machte sie schnell das Kreuzzeichen über sich und auch gegen den Stein, der auf einmal im Rasen stecken blieb und trotz allem Reissen sich vom Teufel nicht mehr vom Fleck bringen liess. Nun merkte er, dass mit den Urnern bös handeln sei, und fuhr beschämt zur Hölle.

Seither heisst die Brücke in den Schöllenen die Teufelsbrücke und der riesige Stein in den Weiden am Weg unterhalb Göschenen der Teufelsstein.

2. Der schlaue Peterli.

Einmal waren zu Peist im Graubündnerland in einem Wirtshause viele junge Burschen zusammengekommen, die sich mit Spielen und Schmausen unterhielten und sich eine gar lustige Nacht zu machen wussten. Es mag etwas zu übermütig hergegangen sein. Als sie am lautesten und ausgelassensten taten, ging, wie von einem Windstoss aufgeblasen, lautlos die Stubentüre auf, und herein trat ein grüngekleideter Fremder, der um Herberge nachsuchte, die ihm die Wirtsleute auch bereitwillig gewährten.

Danach setzte sich der Grüne unter die übermütige Gesellschaft der Jungburschen und begann, es selber also toll zu treiben mit Spielen und Spässen, dass sie an ihm ihre heillose Freude hatten. Immer vertrauter wurde er mit ihnen, und zuletzt, als ihnen die Augenlider vom Weine schwer und der Sinn stumpf wurde, anerbot er sich lachend, die ganze grosse Zeche zu zahlen, wenn ihm der Letzte, der die Stube verlasse, künftig mit Leib und Seele dienen wolle. Er sei auch gerne bereit, diesem daraufhin so viel Geld zu geben, dass er sein Lebtag genug habe.

Jetzt wurde es den ausgelassenen Jungen doch etwas seltsam. Sie glotzten einander erst stumpfsinnig an, und dann ward es mit einemmal Tag in ihren Köpfen. Sie merkten nun, wer ihnen die Zeche zahlen wollte, und verwünschten den Augenblick, in dem der unheimliche Fremde zu ihnen in die Stube gekommen war. Aber nun kamen sie ihm nicht mehr aus, denn gutwillig wollte er nicht gehen, und ihn dazu zu zwingen, wagte keiner der vorher so tollen Burschen. Er sah bös aus, und alle zitterten für Leib und Seele.

Jedoch unter den Burschen war einer, dem immer noch etwas einfiel, wenn die andern nicht mehr wussten, wo aus und ein. Man hiess ihn nur den kleinen Peterli. Dieser erholte sich von seinem ersten Schrecken und dachte darüber nach, wie er der geängstigten Gesellschaft aus der Klemme helfen und dem Teufel, denn das war der Grüne, ein Schnippchen schlagen könnte. Auf einmal rief er, nachdem der Fremde die grosse Zeche bezahlt hatte, fröhlich lachend aus: „Du, Grüner, das ist leicht, aber dabei kommst du gewiss zu Schaden! Also das Licht gelöscht, und der Letzte, der die Stube verlässt, muss mit dir, basta!“

Jetzt wurde das Licht ausgelöscht, der Grüne stellte sich hart neben die Stubentüre, damit er den Letzten, der ihm gehören sollte, flugs packen könnte.

Schier taghell schien der Mond in die Stube. Es war eine herrliche Nacht. Aber die jungen Burschen zitterten und dachten, die Sache werde wohl ein böses Ende nehmen. Nun mussten sie, ob sie wollten oder nicht, zur Stube hinaus. Weil aber keiner der Letzte sein wollte, so losten sie um den Vortritt. Der kleine Peterli wusste es, ohne dass der Böse es merkte, einzurichten, dass das Los, die Stube zuletzt zu verlassen, ihn traf.

Einer um den andern verliess nun hochklopfenden Herzens die Stube. Schon war der Zweitletzte draussen, da kam noch der kleine Peterli gegen die Türe als der Letzte. Hohnlachend wollte sich der Teufel über ihn herstürzen, doch Peterli sagte: „Nur schön langsam, dort kommt noch mein Hintermann!“ Und damit zeigte er auf seinen Schatten an der Wand. Rasch liess der Satan von ihm ab und warf sich gierig auf den Schatten an der Wand. Aber als er den Betrug merkte, war der kleine Peterli schon draussen, und mit Blitz und Donner fuhr der dumme Teufel ab.

3. Die St. Jodernglocke.

Einst lebte in der kleinen Walliser Hauptstadt Sitten auf seinem hochgelegenen Schloss Turbillon ein heiligmässiger Bischof, der St. Jodern (Theodor) hiess. In einer Nacht nun hatte der Bischof einen seltsamen Traum. Es wurde ihm darin kund getan, dass der Heilige Vater in Rom in grosser Gefahr schwebe, falls er nicht sofort gewarnt würde. In Schweiss gebadet und in schweren Ängsten erwachte der Bischof. Sogleich sann er angestrengt darüber nach, wie er dem Heiligen Vater wohl die Warnung zu wissen tun könnte. Er stand auf, trat ans Fenster und starrte sorgenvoll in die stille Nacht hinaus.

Da sah er nicht weit von seinem bischöflichen Palaste weg einen seltsamen, ungewöhnlich hellen Schein, den sonst ringsum die Dunkelheit umschloss. Und wie er verwundert genauer hinschaute, sah er drei Teufel, die fröhlich mit ihren Pferdefüssen auf dem hellen Schein, wie auf einem Teppich, tanzten. Der Bischof rief sie an, und sie eilten sogleich gehorsam herbei.

„Wer von euch ist der Geschwindeste?“ fragte der Bischof.

„Ich,“ sagte der erste Teufel, ich bin geschwind wie der Wind.“

„Nein,“ rief der zweite, „ich fliege so geschwind wie die Kugel aus dem Rohr.“

„Das ist was Rechtes,“ höhnte der dritte, „ich durcheile die Welt wie ein Weibergedanke.“

„Du bist mein Mann,“ sagte erfreut der heilige Jodern. Und nun machten sie aus, der Bischof müsse dem dritten Teufel seine Seele zum Lohn geben, wenn er ihn in der Nacht nach Rom trage und auch noch zurück, bevor die Hähne den Tag beschrieen.

Zufrieden ging der Teufel den Handel ein. Flugs holte er einen schwarzen Hahn und setzte ihn als Wächter auf die Stadtmauer. Der heilige Bischof jedoch holte heimlich einen weissen Hahn und setzte ihn zuoberst auf die Kirchturmspitze. Jetzt lud der Teufel den Heiligen auf den Buckel und trug ihn über alle Berge im Hui nach Rom, der ewigen Stadt. Dort warnte der Bischof den Heiligen Vater. Dieser schenkte nun dem heiligen Jodern als Belohnung eine schöne Glocke, die der Bischof sogleich dem Teufel aufbürdete. Obwohl das für den Bösen eine gar schwere Last war, ging’s doch wieder im Flug heimwärts gen Sitten, also dass es noch finster war, als sie am Fusse des Bischofssitzes ankamen. Schon frohlockte der Satan, aber zu früh, denn noch bevor er den heiligen Bischof abzusetzen vermochte, fing der weisse Hahn auf der Kirchturmspitze aus Leibeskräften zu krähen an. Er hatte auf dem Turmspitz einen gar üblen Platz gehabt und immer wachbleiben müssen, um nicht herunterzufallen. Der schwarze Hahn dagegen, der es auf der breiten Stadtmauer gut hatte, war eingeschlafen. Aber wie er nun den weissen Hahn krähen hörte, wachte auch er auf und krähte mit. Der Böse schäumte vor Wut. Aber der Bischof war sogleich, wie er den Hahnenschrei gehört hatte, von des Teufels Rücken gesprungen und auf die Kniee gefallen. Da packte der Satan die Glocke und warf sie rasend vor Wut nach dem Heiligen, und zwar mit solcher Gewalt, dass sie neben dem Bischof neun Klaftern tief in die Erde hineinfuhr, dann machte er sich wie das böse Wetter davon. Der gerettete Bischof aber streckte die Arme aus und rief: „Dona, Dona läut!“ Und da fing die Glocke im Boden zu läuten an und stieg läutend empor bis zuhöchst in den Kirchturm, wo sie im Glockenstuhl hängen blieb.

Die St. Jodernglocke wird heute noch geläutet, wenn ein Ungewitter logbricht. Auf der Glocke aber ist der Heilige Bischof abgebildet, wie er neben dem Satan steht, der die Glocke auf dem Buckel trägt.

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