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Der Fischer am Rheinfall.

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Es war einmal ein junger Fischer, der wohnte bei Schaffhausen, der schönen Stadt am Rheinfall.

Eines Abends, als die blaue Dämmerung aus den Wäldern herausquoll und am leise ziehenden Rheinstrom die Nebelfrauen durch die überhängenden Weiden und Erlen huschten, fuhr der junge Fischer mitten in den Fluss hinaus, um sich von den klingenden Wellen gemächlich nach Hause treiben zu lassen. Er hatte seinen Fischkasten voll von feinen Fischen und durfte mit dem Tag wohl zufrieden sein. So legte er sich denn in seinem Kahn nieder und liess sich von dem immer dunkler werdenden Wasser ruhig davontragen. Nicht weit ob dem Rheinfall stand seine Hütte, an der er bald zu landen gedachte.

Wie er nun so dahintrieb und an allerlei sann, ward er schläfrig; auf einmal fielen ihm die Augen zu, und er schlief ein.

Da überkamen ihn denn allerlei Träume. Erst träumte er von seiner Geliebten. Ihm war, sie trete eben aus den Bäumen hervor, deren Rauschen er immer deutlicher zu hören vermeinte. Dann aber war ihm, er vernehme ein fernes Knurren, wie das Knurren eines Stieres. Und nach und nach ward daraus etwas wie ein fernes Donnern, und jetzt träumte ihm, ein fürchterliches Gewitter fahre daher, ein orkanartiger Sturm peitsche ihm die wolkenbruchmässig herabfallenden Wasser des Himmels, ins Gesicht, und die ganze Welt sei nur noch eine unaufhörlich brausende Donnerorgel.

Auf einmal fuhr er aus dem Schlafe auf und sah mit Entsetzen eben seinen Kahn von den ungeheuren Wassermassen des Rheinfalles gepackt und in die grauenhafte Tiefe gerissen. „Hilf Gott, der Rheinfall!“ schrie er noch. Dann ging’s mit ihm rundum. Ein Brüllen, Stäuben und Brausen um ihn. Er krampfte sich an den tanzenden Kahn mit beiden Händen, mit Leib und Seele an, dann vergingen ihm die Sinne.

Als er wieder zu sich kam, wurde sein Kahn von den zischenden Wogen eben ans Ufer geschleudert. Noch halbtot vor Schrecken, blieb er lange am Ufer liegen und staunte zu dem donnernden Rheinfall hinauf, den der aufgehende Mond eben geisterhaft beleuchtete. Es war, als stürzten unzählige Wildbäche flüssigen Silbers übereinander und miteinander in die grausige Tiefe, in der es kochte, stäubte und rauchte.

Aber als eine vorüberrollende Woge mit einem feinen Wassersprudel über ihn kam, schoss er auf, zog den Kahn vollends ans sichere Bord, lud ihn auf und machte sich dann damit so schnell als tunlich nach Hause. Dort legte er sich hurtig und schweigsam zu Bett. Im Schlafe noch donnerte ihm der Rheinfall schrecklich in die Träume.

Am Mittag des andern Tages sass der junge Fischer wohlgemut im Wirtshause unter anderem Fischervolk und erzählte prahlend seine grausige Fahrt über den Rheinfall. Die Fischer wollten es nicht glauben oder taten doch so, bis er, vom Weine betrunken, ausrief, es würde ihm nichts machen, auch wenn er die Fahrt ein zweites Mal zu unternehmen hätte. Da schwiegen alle und schauten ihn schier erschrocken an, denn zu einer solch tollen Tat wollten sie ihn nicht treiben. Doch an einem eigenen Tische in der Wirtschaft sass ein fremder Mann mit unheimlichen Augen. Dieser erhob sich, lachte schrill auf und rief: „Fischer, ich gebe dir hundert Gulden, wenn du die Fahrt ein zweites Mal wagst!“ Und gleich rief der junge Fischer in frevelhaftem Übermut: „Gut, es gilt, ich tu’s zum zweitenmal!“ Zu einem alten Manne aber, der ihn warnte und ihm zuredete, er solle Gott danken, dass er das erste Mal so gnädig davongekommen sei, sagte er lachend: „Ich wag’s dennoch. Was mir im Schlafe gelang, muss mir im wachen Zustande, wenn ich doch das Steuer lenken kann, erst recht gelingen.“

Jetzt fuhr er auf, und alle Leute, die in der Wirtschaft waren, voraus der unheimliche Fremdling, verliessen das Haus und folgten dem Fischer ans Rheinufer. Bevor ihn jemand zurückzuhalten vermochte, sprang er in seinen schwanken Kahn und stiess in toller Vermessenheit vom Bord ab, dem nahen Rheinfall zu, den man gar wohl donnern hörte. Mit lähmendem Entsetzen schaute ihm alles nach, nur der Fremde grinste seltsam.

Erst ruderte er, um das Schiffchen noch rascher vorwärts zu treiben. Aber auf einmal sprang er ans Steuer, denn unversehens begann sein Kahn zu tanzen und schneller dahinzutreiben. Es dauerte keine Vaterunserlänge, da fing er an zu hüpfen und zu eilen, als gälte es einen Hasen einzuholen. Immer näher kam er dem schrecklichen Fall. Das Steuer wollte dem kräftigen Fischer kaum noch gehorchen, und auf einmal fing der Kahn davonzuschiessen an wie rasend, und fürchterlich glucksten die Wirbel und Wellen um ihn herum.

Wie nun der junge Fischer plötzlich nichts mehr um sich sah als ein reissendes Wildwasser, packte ihn auf einmal eine entsetzliche Todesangst. Es war ihm, der Rhein habe sich in ein wildes Pferd verwandelt, das ihn mit Pfeilschnelle der tiefsten Hölle zutrage. Er versuchte mit der Kraft der Verzweiflung das springende Schifflein zu wenden, doch das Steuer gehorchte ihm nicht mehr. Er jagte an die Ruder, aber die rasende Flut schleuderte sie weg, und jetzt sah er vor sich den Rheinfelsen mitten aus dem Strom auftauchen. Ein jämmerlicher Aufschrei gellte ins Donnern der Wasser, und dann glitt der Kahn, schneller als ein gefällter Baum durchs Holzgeleit von der Bergwand, in die flatternden Wirbel des Wasserfalles hinein.

Wohl eilten jetzt die schreckensbleich zuschauenden Fischer hinunter an den Strom, wo der Rheinfall verkocht und ausschäumt. Sie schauten und schauten und harrten, aber weder Fischer noch Kahn tauchte jemals wieder aus der brausenden Flut. Und als sie sich nun zornig nach dem Fremden umsahen, der den trunkenen Fischerjungen zu der schrecklichen Todesfahrt aufgestachelt hatte, fanden sie ihn nicht mehr. Wie sie auch später das Land nach ihm absuchten, niemand ausser ihnen wollte ihn jemals gesehen haben. Da bekreuzten sie sich und dachten sich ihre Sache.

Seither sieht man in mondhellen Nächten oft ein nebelhaftes Schifflein mit einem Fährmann zwischen dem Doppelriff des Rheinfalls hinabgleiten und in den milchweissen, überschäumenden Wasserstürzen verschwinden.

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