Читать книгу Das skurrile Leben der Myriam Sanders - Melanie Müller - Страница 10
ОглавлениеNeue Erfahrungen
Schon am vorhergehenden Abend hatte Myriam sich hingesetzt und begonnen, einen Roman zu schreiben. Mit dem Titel ‚Das Voodoo Halsband‘ wollte sie alle ihre verrückten Gedanken zu Papier bringen. Basierend auf ihre Erfahrung mit Noemi schmückte sie es aus, und heute beschreibt sie genüsslich und ausführlich erotische SM-Szenen in dem Haus in Haiti. Die Sätze entstehen fast von selbst, fließen förmlich in den Computer und auch Dialoge, die sie schon lange zuvor im Kopf hatte, geben der Geschichte eine Aktualität, als wäre sie wirklich dabei gewesen.
Ein paar Tage sind wieder vergangen, der Roman ist gewachsen und heute will Myriam neue Erfahrungen für die Geschichte machen und einen besonderen Fetischclub besuchen. Sie nimmt Bea mit und sie machen sich auf den Weg zum «Insomnia Erotic Nightclub». Vor dem BDSM Club angekommen, drückt Myriam auf eine Klingel. Die Tür öffnet sich. Ein freundlicher Mann im Anzug begutachtet auch hier die Outfits und bittet sie rein. Eine stilvolle Atmosphäre und angenehmes Licht bringen sie in die richtige Stimmung. Ähnlich wie im KitKat Club können sich die Gäste im Eingangsbereich neben der Kasse umziehen. Eine kurze Treppe führt hinunter zur Garderobe und eine weitere, längere Treppe hoch in den Hauptbereich des Clubs auf eine große Tanzfläche. Gleich daneben befindet sich die Bar, hinter der vier große, beleuchtete Spiegel angebracht sind. Zwischen den Spiegeln stehen drei riesige, goldene Statuen. Für den kleinen Hunger zwischendurch ist am Ende der Bar ein kleiner Obstkorb platziert, der immer wieder frisch aufgefüllt wird.
Myriam springt sofort eine große Leinwand ins Auge, auf der Pornofilme gezeigt werden. Bea und Myriam durchstreifen die Räume und schauen sich weiter um. Einige Paare unterhalten sich entspannt, andere verführen sich regelrecht gegenseitig auf der Tanzfläche. Viele kleine Extra-Räume, durch dicke Vorhänge abgetrennt, sind mit Liebesschaukeln, Betten und jeder Menge Sextoys ausgestattet. Hinter dem DJ-Pult hängt ein schwerer Samtvorhang. Dahinter liegen zwei weitere Räume, die sehr stimmungsvoll hergerichtet sind. Das sogenannte «Klinikzimmer», mit Gynäkologenstuhl und einem großem, roten Bett, wirkt auf den ersten Blick etwas abschreckend. Für die entsprechende Atmosphäre sind rote Kreuze an die Wand gemalt.
Im Sanitärbereich, in dem es einen Whirlpool und Duschen gibt, vergnügt sich gerade ein Pärchen. Sobald sie den Pool verlassen haben, säubert das Personal alles gründlich. Ob Aschenbecher, leere Gläser oder unansehnliche Flecken, die freundlichen Angestellten beseitigen alle Unstimmigkeiten schnell und diskret. Auf besonderen Wunsch gibt es neues Wasser inklusive Bedienung am Pool für rund 30 Euro.
Oben auf der Empore, zu der ebenfalls eine Treppe führt, haben nur Paare Zutritt. Ein riesiges, rot-schwarzes Himmelbett mit großen Kissen und viele kleine Betten laden die Partygäste zu gemeinsamen Spielereien ein. Neben jedem Bett steht ein Nachttisch mit Kondomen und Taschentüchern bereit. Keine fünf Minuten nachdem die Galerie geöffnet wurde, sind bereits sechs Paare auf allen fünf Betten zu Gange. Von der Tanzfläche aus hat Myriam einen guten Blick auf das lange Geländer auf der Empore, an dem es den ganzen Abend über tatkräftig zur Sache geht. Sie fühlt sich zunächst etwas beschämt, kann aber auch irgendwie nicht wegsehen.
Myriam fällt auf, dass sie sich im Insomnia nach einiger Zeit wesentlich wohler fühlt, als im «Kitty». Die Gäste lassen ihnen ihren Freiraum, wodurch insgesamt eine angenehmere Atmosphäre entsteht. Die Wahl der Outfits fällt auch hier sehr freizügig aus. Jedoch wirken sie unaufdringlicher und stilvoller – viele Korsetts, Strapse, lange schwarze Kleider, dunkle Leder- und Latexanzüge sowie viele Ketten.
«Das Insomnia will verführen, provozieren, anregen und damit eine Lücke in der Hauptstadtszene schließen», erklärt Bea.
«Und woher weiß Frau Neunmalschlau das?»
«Oh, das habe ich im Internet gelesen. Ich habe mich schlau gemacht, nachdem ich deine Einladung bekommen habe.»
«So, so, du hast dich also schlau gemacht!», grinst Myriam.
Sie tanzen noch sehr viel an diesem Abend, trinken eine Menge und naschen an den Kleinigkeiten, die an der Bar feilgeboten werden. Sie küssen und lieben sich in einer Ecke, ohne sich an all den anderen Gästen zu stören. Sie beobachten belustigt, wie eine in einem schwarzen Lederkostüm gekleidete Frau eine halbnackte jüngere Frau an einer Kette und Halsband hinter sich herzieht. Myriam fragt sich, was das für ein Gefühl für die jüngere Frau sein muss, von einer Domina an der Kette geführt zu werden. Aber Bea ist nicht die Dominante, denkt Myriam. Sie ist eher die liebe, brave.
Es ist schon ziemlich spät, nein, eher sehr früh am Morgen, als Bea und Myriam den Heimweg antreten, beide ziemlich betrunken. Sie lachen und albern herum und suchen sich ein Taxi, um nach Hause zu fahren.
«Du warst echt Klasse, war echt geil mit dir!»
«Mit dir aber auch!» Bea grinst und schiebt Myriam ins Taxi.