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Der Koffer

Spätnachmittags erscheint Bettina in Myriams Büro. In der Hand trägt sie einem dicken Aktenkoffer.

«Hallo, Myriam.»

«Hi, Bettina. Was führt dich zu mir?»

«Ich habe einen neuen Auftrag für dich», ruft sie aus, als sie sich stöhnend in den Sessel vorm Schreibtisch fallen lässt.

«Oh, das hört sich gut an», lacht Myriam.

«Also, die Scheidung läuft. Er tobt. Wir wissen es von seinem Anwalt. Dabei habe ich gewisse Befürchtungen. Hermann hat sehr viel enge Freunde und es könnte sein, dass er seine Freunde aus der Untersuchungshaft heraus beauftragt, mich zu drangsalieren. Gestern Abend trieben sich ein paar dunkle Gestalten vor unserem Grundstück herum. Recht auffällig. Hier in diesem Aktenkoffer habe ich einige sehr persönliche Unterlagen und Dokumente gepackt und bitte dich, den Koffer in Verwahrung zu nehmen.»

«Ja, natürlich, Bettina. Das kann ich machen. Ist ein großer Aktenkoffer, fast wie ein Pilotenkoffer. Hier ist er sicher.»

«Ja. Es ist ein Pilotenkoffer. Ich hatte ihn mal in Hong Kong gekauft. Du darfst niemanden von dem Koffer erzählen und dass er von mir ist. Niemand weiß davon. Es ist besser so. Verstaue ihn gut. Er hat Zahlenschlösser, die ein unbeabsichtigtes Öffnen verhindern. Es ist gut, wenn niemand weiß, was in dem Koffer ist und von wem er ist.»

«Mein Büro ist sicher. Dieses Haus hat mehrere Büros vermietet und einen Sicherheitsservice. Ich habe Spezialschlösser in der Stahltüre einbauen lassen. Kannst dich auf mich verlassen.»

«Ich zahl dir auch Miete.»

«Quatsch. Das brauchst du nicht.»

«Ach. Du kannst es doch gebrauchen.» Sie zieht zwei Hundert-Euroscheine aus dem Portmonee. «Nimm es. Bitte.»

«Na gut. Du bist eine echte Freundin.»

«Ich habe auch einige gute Freundinnen, denen ich dich empfehlen werde. Die eine oder andere kann deine Hilfe vielleicht gut gebrauchen.»

«Danke. Möchtest du etwas trinken?»

«Nein, Danke. Ich muss zu einer Sitzung des Aufsichtsrats. Ich melde mich demnächst, dann kommst du zu mir zum Essen und dann können wir uns danach einmal gemütlich aussprechen. Ich denke, du hast keine Angst vor einer Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Ich glaube, wir beide könnten uns gut verstehen.»

«Das glaube ich auch. Na, dann. Alles Gute.»

«Es wird gut. Ich bin dabei, einiges auch privat zu bereinigen. Werde mein Leben umkrempeln.»

Bettina kommt um den Schreibtisch herum und gibt Myriam einen Kuss.

Der Koffer ist schwer, als Myriam ihn in den unteren Teil des Aktenschranks schiebt und die untere Rolltüre herunterzieht und abschließt. Da ist er sicher, da geht keiner dran, sagt sie sich.

Diese Frau ist interessant, denkt Myriam. Sie ist zwar einiges älter als ich, aber ich bin sicher, sie hat Feuer und mit ihr werde ich im Bett landen.

Myriam bekommt von Annie zusammengestellte Unterlagen und Ausdrucke über den Frauenladen und beschließt, einfach loszufahren und sich den Laden anzusehen.

Das skurrile Leben der Myriam Sanders

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