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Die Ruhe vor dem Sturm

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Sehr enttäuschend war die Feststellung, dass die Kontaktlinsen zu nichts nütze waren. Ich hatte sie sofort nach Ankunft des Päckchens im Bad ausprobiert und war ziemlich euphorisch gewesen. Meine überdimensionalen Hoffnungen wurden in nur einer Sekunde wie ein mottenzerfressener Stoff zerrissen. Zum einen, weil die werten braunen Linsen meine roten Augen kaum abschirmen konnten, es war mehr ein Schleier durch den das intensive Rot wie Gift hindurch schimmerte; zum anderen behielten sie nur so lange ihre Konsistenz, bis ich meinen Empfindungen freien Lauf ließ. Mit Absicht hatte ich mich unangebracht vor dem Spiegel aufgeregt und die Linsen waren wie Butter unter den lodernden Flammen geschmolzen. Selbst wenn man meine seltsame Augenfarbe übersehen würde, war ich nicht gerade mit einer Natur gesegnet worden, die sich gut beherrschen konnte.

Ich wusch mir gerade das Gesicht, um die restlichen Linsenstücke zu entfernen und seufzte schweren Herzens. Aus die Hoffnung, es ein bisschen leichter zu haben. Dabei war die Idee so genial wie einfach gewesen!

››Ist doch scheiße!‹‹, kreischte ich hysterisch los und stampfte unkontrolliert auf den weißen Fließen herum. Ein Knacken erfüllte den Raum und ich hielt abrupt inne. Der Anblick sagte mir zwar, dass die Kacheln unversehrt geblieben waren, doch blieb mir die Sicht auf den Untergrund darunter verwehrt.

››Was ist denn los?‹‹, fragte Alex und öffnete die Tür. Er linste kurz durch den offenen Schlitz ins Bad hinein und bemerkte sofort meine innere, negative Unruhe. Schnell stand er hinter mir und streichelte über meine Schultern.

››Ich hab mir farbige Kontaktlinsen gekauft‹‹, gab ich zu und hielt die Verpackung zu ihm hin, ››aber die funktionieren nicht. Dabei hatte ich das so sehr gehofft. … Wäre eine richtige Erleichterung gewesen.‹‹ Wieder seufzte ich ergreifend und schaute in den Spiegel vor mir. Meine Haare waren zerzaust und standen zu allen Seiten ab. Ich hatte mich so aufgeregt, dass ich wie eine Furie durch sie hindurch gewühlt hatte.

Alex begann zu kichern, als er sich die Verpackung nahm und sie mit einem breiten Schmunzeln betrachtete. ››Das Geld hättest du dir sparen können. Meinst du nicht, dass wir nicht auch schon drauf gekommen sind!? … Warum hast du nicht einfach gefragt?‹‹

››Ich dachte, ich könnte euch überraschen‹‹, grummelte ich lügend und biss mir brutal auf die Unterlippe. Es war schon ein extremer Zwang ihn so knallhart anzulügen, denn ich hatte sicher nie vorgehabt, ihn darüber in Kenntnis zu setzten. Ich wollte sie benutzen, wenn ich auf die Jagd nach Carlos ging; so war der Plan. Doch nun blieb es bei den allzeit bewerten dunklen Gläsern, die ich langsam aber sicher schon nicht mehr sehen konnte.

››War ja nur dein Geld‹‹, merkte ich an und grinste in den Spiegel, sodass er es genau sehen konnte. In dem Augenblick schmiss er die Packung gekonnt in den weit entfernten Mülleimer.

Für den Möbelkauf und andere Eventualitäten hatten er mir seine Kontovollmacht gegeben und sogar eine Kreditkarte. Am Anfang war ich geschockt gewesen, als mir die etlichen Stellen vor dem Komma aufgefallen waren, aber mittlerweile gehörte es schon zur Normalität. So wie Josy erzählt hatte, war das Konto von Li weitaus umfangreicher, da er noch mehr Sparzeit gehabt hatte. Ihres im Gegenteil war etwas kleiner, ihr Kleiderschrank daher allerdings umso größer! Man brauchte also nur eins und eins zusammen zu zählen, in was sie das Geld gewinnbringend angelegt hatte.

››Sag mal‹‹, begann er einen Satz zu formen und strich sanft mit einer Fingerspitze über meine Kehle, ››willst du nicht langsam mal etwas trinken? Morgen ist die Geburtstagsfeier, wir wollen doch nicht, dass du Marie anfällst!‹‹

In den letzten Tagen hatte ich in völliger Abstinenz gelebt. Krampfhaft versuchte ich meinen Durst unter Kontrolle zu wissen. Es war eine weitere Vorbereitung auf meinen wahrscheinlich baldigen Aufbruch. Ich wollte so lange ohne Nahrung auskommen, wie nur möglich. Denn Niemand – allem vorweg ich nicht – konnte wissen, was mir dann bevor stand und ich wollte wenigstens ein kleines bisschen vorbereitet sein.

››Morgen werde ich natürlich etwas zu mir nehmen, versprochen. Ich möchte nur ausprobieren, wann mich mein Körper einzuschränken beginnt.‹‹

Er drückte seine Lippen in mein Haar und roch instinktiv. ››Du hellst dich aber ziemlich wacker, fast als wenn du dich auf eine lange Durststrecke einstellen würdest.‹‹

Ich passte genaustens auf, das alle Körperteile regungslos blieben. Mit einer geschmeidigen Bewegung drehte ich mich zu ihm herum, schlang die Arme um seinen Hals und sagte lässig: ››Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und ich denke, ich sollte diesbezüglich genau Bescheid wissen. Bisher geht es mir aber noch sehr gut.‹‹

››Du bist ja auch kein Frischling mehr‹‹, erinnerte er mich. Jahr für Jahr würde ich längere Zeit ohne Nahrung verbringen können, wenn ich es denn wollte und mich zu beherrschen wusste. Zwar war ich die letzte Woche nicht einmal aus dem Haus gegangen, um mich nicht unnötig auf die Probe zustellen, aber trotzdem hatte ich den umwerfenden Geruch der Packer vernommen, die unsere neuen Möbel in das Zimmer getragen hatten. Es war brennender Schmerz, der mich verrückt gemacht hatte. Ja, sogar fast innerlich in zwei Teile zerrissen hatte. Ein Verlangen und ein Instinkt des Tötens, der so tief verankert war, dass es weh tat. Trotz allem war ich eisern geblieben und war extrem stolz darauf. Allerdings hatte an diesem Tag eine weitere Fensterbank aus Marmor dran glauben müssen. Auf dem Flur vor unserer Zimmertür befand sich ein großes, langes Fenster. Ich hatte mich gewaltsam, als der Drang am Schlimmsten gewesen war, an der Platte festgehalten. Natürlich war meine körperliche Anspannung viel zu ruckartig gewesen, als mich eine dieser genüsslichen Düfte durch die Luft erreicht hatte und mit einem gewaltigen Knacken war die Fensterbank ein Teil der Geschichte des Hauses gewesen. Es war schon ziemlich makaber, dass ich immer wieder meine Gefühle an diesen teuren Marmorplatten auslassen musste. Die Packer vor allem hatten große Augen bekommen und Alexander, der ihnen geholfen hatte, mich aus entsetzten Augen angeschaut.

››Huch‹‹, hatte ich versucht mich rauszureden, ››die hatte schon immer einen Knacks gehabt!‹‹

Heute konnte ich darüber lachen, Alex jedoch überhaupt nicht. Er hatte mir riesengroße Vorwürfe gemacht und tat es immer noch.

Kurz darauf saßen wir im Auto und fuhren die Golden Gate Bridge von San Francisco entlang. Es gab noch eine Menge für die morgige Geburtstagsfeier einzukaufen und Josy in die Einkaufsmetropole zu schicken war reine Zeitverschwendung. Vermutlich hätte sie sämtliche Bekleidungsläden abgeklappert, aber sicherlich nicht die Sachen auf der Liste eingekauft, die dringend benötigt wurden!

Ich öffnete das Fenster der Beifahrerseite und ließ mir den Fahrtwind ins blonde Haar wehen. Die rote Brücke zog sich unendlich weit in die Ferne. Früher, als ich noch ein Mensch gewesen war, hatte ich sie nur aus dem Fernsehen oder von Bildern gekannt. Selbst da war sie schon ein atemberaubendes Kunstwerk gewesen. Hier und jetzt bot sie einen Anblick von unglaublicher Werksarbeit.

Meine Mundwinkel verzogen sich genervt. Der Verkehr wurde Meter um Meter dichter und das Gemüt der Fahrer schien darunter sehr zu leiden. Viele waren hektisch, brutal oder einfach nur dreist. Jeder war sich selbst der Nächste und die Fahrt glich eher einem Kampf, als einem Spaziergang.

Alex blieb erstaunlicher Weise sehr ruhig. Vermutlich wäre ich schon an meine Grenzen gekommen und hätte wilde Flüche ausgesprochen. Doch er blieb regungslos und lässig, als wenn er dies zum hundertsten Mal erlebte.

Am liebsten wäre ich dem ganzen Tumult aus dem Wege gegangen und auf den geschwungenen Halteseilen bis zur anderen Seite gerannt. Wenn ich eine Maske und Lederklamotten gehabt hätte, wäre ich vielleicht sogar als Catwoman durchgegangen. Bei der bloßen Vorstellung musste ich grinsen, war sie doch so süß wie Honig und so real!

Neben uns schlängelte sich ein Motorrad vorbei und ich fixierte den frechen Fahrer. In wilden Linien drängelte er sich durch die Fahrzeuge und gewann stetig mehr an Distanz.

››Mit meinem zu fahren, hätte uns nicht viel gebracht. Wir brauchen ja leider Stauraum‹‹, sagte Alex, als er meinem Blick bemerkte.

Als ich erneut einatmete und meinem Frust in einem tiefen Seufzer verwandelte, gewann etwas meine Aufmerksamkeit. Eine Begierde brodelte in mir empor wie Lava aus einem Vulkan. Klebrig und heiß griff sie nach allem, was sich ihr bot und ich stutzte. Nein! Nicht gerade jetzt! Der Motorradfahrer zog einen duftenden Faden hinter sich hier. Widerwillig stemmte ich mich wie ein Fels in der Brandung dagegen und kämpft um meine Fassung. Ich schluckte den Speichel hinunter und verbarg meine Verwirrung vor Alex. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen heute zum Einkauf mitzukommen. Ich hätte ihm eine Liste machen und zu Hause bleiben sollen. Aber nein, ich dachte – nein, ich war davon überzeugt – mich nicht von menschlichem Blut beeinträchtigen zu lassen.

Meine rechte Hand ballte sich zur Faust und ich biss die Zähne zusammen. Auf keinen Fall durfte ich aufgeben! Dann glaubte ich von etwas sanftem berührt zu werden. Ein Streicheln ganz tief aus meinem Inneren, was an mich herantrat und mir Ruhe vorgaukelte. Meine Spannung verpuffte und ich dankte ihr.

Doch leider blieb mein Vorfall nicht ohne Folgen. Mehrere Male blinzelte ich und wollte ihn vertreiben; nichts half. Der rote Schleier hatte die Oberhand über meine Augen wieder erlangt und würde so lange Standhaft sein, bis ich mich dem Durst ergab. Leicht verärgert war ich doch stolz auf mich, so lange durchgehalten zu haben. Ich wusste, dass ich morgen nachgeben musste und somit war es nicht allzu schlimm im Sehvermögen eingeschränkt zu sein. Ich hoffte sehr, dass Alexander von all dem nichts mitbekommen hatte, denn er war seit dem Packervorfall nicht wirklich gut darauf zu sprechen.

Gelangweilt begann ich zu seufzten, als er abermals abbremsen musste und legte abwesend, als wäre nichts gewesen, den Kopf auf meinen Arm, der im offenen Fenster der Autotür ruhte. Dies würde wohl ein sehr langer Einkaufsbummel werden, so dachte ich jedenfalls in diesem Augenblick. Denn der Verkehr verdichtete sich stetig mehr und der Qualm der Abgase verpestete nicht nur die Luft und zog eine dicke, klebrige Suppe durch die Straßen, er kitzelte auch meine empfindliche Nase.

Dann war es schließlich so weit, der Samstagmorgen war angebrochen und Flora war mit Marie zum Shoppen in der Stadt verabredetet gewesen.

Wir hatten Marie vor ein paar Tagen abgefangen als Flora auf die Toilette gegangen war. Sie wurde zu unserer Komplizin und sollte dafür sorgen, dass ihre Freundin nicht an dem besagten Tag zu Hause war.

Anfangs war sie total erstaunt warum Flora ihr nichts von ihrem Geburtstag gesagt hatte, doch gelang sie schnell zu einer falschen Schlussfolgerung, die wir ihr auch nicht ausreden wollten.

Als Flora neu in ihre Klasse kam und sich die beiden angefreundet hatten, hatte Marie sie gelöchert, warum sie mitten im Schuljahr begonnen hatte und natürlich wo sie herkam. Ihr war ziemlich schnell aufgefallen, dass ihr Englisch nicht einwandfrei klang. Anstatt sich etwas Einfallsreiches auszudenken, war Flora nichts besseres eingefallen, als zu behaupten, dass ihre eigentliche Familie verarmt war und ihr aus diesem Grund auch keine großen Perspektiven offen standen. So hatten sie sie dann angeblich zu ihrer entfernten Verwandten Celest geschickt.

Es hätte so viele andere Möglichkeiten geben können: Wir wären zum Beispiel einfach umgezogen. Da uns in dieser großen Stadt schließlich niemand wirklich kannte, mal abgesehen von den ortsgebundenen Vampiren. Oder vielleicht, dass sie eine Waise gewesen wäre und wurde adoptiert. Aber nein! War ihr sicher alles zu einfach gewesen. Wobei man gestehen muss, dass wir uns alle keinen Kopf darum gemacht hatten. Diese Fragen waren uns in keinster Weise in den Sinn gekommen… Warum Flora also Vorwürfe machen?

Marie schlussfolgerte also, dass Flora sich nie etwas aus ihrem Geburtstag gemacht hatte, weil ihre richtige Familie wahrscheinlich nicht das nötige Kleingeld aufbot. Sollte sie das für ihren Teil glauben. So brauchten wir uns nicht rechtfertigen, dass der heutige Tag der Inbegriff von Zufall war. Auch wenn dieses Datum auf ihrem Personalausweis vermerkt war, schenkte Flora ihm keine Beachtung. Das Einzige, was ich hoffte war jedoch, dass Flora richtig reagierte. Sie würde nicht nur uns verraten, wenn sie alles in Frage stellte, sondern auch Marie damit eine weitere Möglichkeit bieten noch mehr zum Grübeln anzuregen. Ich war sowieso der Meinung, dass man einem Menschen, der oft in unserer Nähe war, nicht wirklich alles verheimlichen konnte. Genau genommen, waren wir recht auffällig mit unserer zwanghaften Art auf keinen Fall auffallen zu wollen.

Energisch schüttelte ich die Gedanken aus meinem Kopf und machte mich wieder an der Girlande zu schaffen. Mit kleinen Klebestreifen befestigten wir sie an den Wänden des Wohnzimmers. Der rote Schleier legte sich leider über alles und versuchte mir mit alle Macht die Sinne zu rauben, doch ich wusste, dass er bald ein Ende finden würde.

Alle packten mit an, als wir begannen den Raum festlich zu schmücken. Na ja, alle bis auf Marc, der wieder mit seiner monströsen Lautstärke über unseren Köpfen seine Präsenz äußerte. Für jemanden in Floras Alter wurde die gesamte Aufmachung sicherlich als kitschig und extrem übertrieben abgegolten, doch wenn man bedachte, dass diese Person jahrelang keinen Geburtstag hatte feiern können, fand ich es schon wieder angemessen.

Li koppelte meine schlichte, weiße Girlande mit einer bunten Lichterkette. Denn wer, wenn nicht er, sollte sich für die Elektronik kümmern?

Celest stellte etliche Blumengestecke und befüllte Vasen auf. Liebevoll zupfte sie hier und da, um alles in das rechte Licht zu rücken. Der Duft ihrer Pflanzen erfüllte den Raum mit Lebendigkeit, was sonst keiner von uns ihm wirklich einverleiben konnte.

Dann hüpfte Josy mit riesigen Silbertabletts den Flur entlang. Celest hatte einen Partyservice mit dem Essen beauftragt, doch meines Erachtens war es viel zu viel. Außer Flora und Marie, die die einzigen Menschen auf dieser Feier sein würden, interessierte sich niemand mehr für einen Bissen.

Als Josy die Tabletts auf den Wohnzimmertisch vor dem langen Sofa abstellte, drang schon das laute, unkontrollierte Tapsen kleiner Pfoten an mein Ohr heran. Ungestüm nahmen sie die Treppenstufen und rangen nach Gleichgewicht und Halt. Einer fiel auf seine Schnauze und begann kläglich zu jaulen. Mit einem Satz war Shila an seiner Seite und stupste ihn behutsam an. Auch wenn sie sich abgefedert hatte, glaubte ich einem Erdbeben beigewohnt zu haben. Sie musste die Treppe mit einem Sprung genommen haben.

Die Welpen waren bereits in dieser kurzen Zeitspanne gewachsen und hatten ihre Augen geöffnet. Wie alle Welpen waren sie tollpatschig und übermütig, aber nahmen ihre Umgebung bereits mit intensiver Schärfe war. So hatte es mir jedenfalls Josy erklärt. Zusätzlich hatten sie bereits angefangen mit ihr zu sprechen, worüber sie total stolz und zugleich erstaunt war. Sie fand es so niedlich wenn die Kleinen nach Worten suchten und den Gegenstand schließlich dann doch falsch benannten.

Alex versuchte die kleinen Fellbündel zusammen zu treiben und wollte gerade ihre Mutter anweisen, dass sie sie auf dem schnellsten Wege zurück in Josys Zimmer bringen sollte, als ich einlenkte: ››Lass sie doch hier. Nachher müssen sie sowieso wieder eingesperrt werden. Die freuen sich doch, wenn sie bei uns sein können.‹‹

Shila legte den Kopf schief, als wenn sie mich verstanden hätte und schnaubte siegessicher. Sanft streichelte ich über ihr weiches Fell.

Als wenn sie Alexander ihre Meinung kund tun wollte, knurrte sie ihn kurz an und stolzierte anschließen erhaben durch den Raum.

So wie ich ihrem Anblick folgte, fiel mir Li wieder auf. Er zog gerade einige Kabel in seinen Keller und schien bereits die große Musikanlage angeschlossen zu haben. Mit einem triumphierenden grinsten verschwand er im Türrahmen.

Kurz darauf schrie er zu uns herauf: ››Darf ich die Anlage mal testen?‹‹

››Aber sicher‹‹, antwortete Celest und strich durch ihr Haar während ein gewaltiger Jubelschrei ertönte.

Josy jedoch zog ihre Augenbrauen grübelnd zusammen und trat einige Meter von den großen Lautsprechern zurück. Irgendwie schien sie ihrem Mann nicht wirklich zu trauen und erschütterte ihre Aura mit Skepsis.

Neben mir angekommen flüsterte sie mir ins Ohr: ››Ich weiß nicht warum, aber irgendwie sagt mir mein weiblicher Instinkt, dass es gleich gewaltigen Zoff gibt.‹‹

Gerade als ich zu einer Frage auf das Warum ansetzten wollte, begriff ich prompt was ihre innere Unruhe ihr zu sagen versuchte.

Die Beleuchtung sprang an und flackerte einige Sekunden. Bunte Lichter zauberten ein Farbenspiel von tanzenden Schatten in das Wohnzimmer. Die Girlande wurde zwar angestrahlt, aber verlor irgendwie ihre Wirkung. Sie wurde regelrecht von einer Elektronikflut erdrückt, was ich sehr schade fand.

Kurz darauf sprang die Anlange mit einem Klicken an. Der Regler für die Lautstärke drehte sich unaufhörlich weiter und ich starrte ihn aus entsetzten Augen an. Der Boden unter meinen Fußsohlen begann zu vibrieren. Der Schauer durchfuhr mich von den Zehenspitzen bis zum Haaransatz des Kopfes. Das Silbertablett auf dem Tisch begann zu klappern, die Bücher im Regal hüpften und die kleinen Welpen wimmerten kläglich. Schützend vergruben sie sich um Fell ihrer Mutter, die sich um sie geschlängelt hatte.

Das gesamte Haus schien einem gewaltigen Erdbeben zu erliegen.

Gequält hielt ich mir die Ohren zu und schaute durch die Augenschlitze zu den anderen herüber. Alex, Josy, Celest und Elest taten es mir gleich. Ihre Gesichter zeugten von Schmerz und Zorn. Nur einer lachte über das Spektakel. Zwar vermochte sein Gelächter nicht den Lärm zu durchdringen, aber sein Abbild zeugte davon. Garyson wusste genau warum Li die Anlage extrem auslastete. Er wollte Marc ärgern und ihm einmal genau den selben Gefühlen aussetzen, die er stets bei uns hervorrief. Wo Marc mit seinem Fanatismus begonnen hatte, führte Li in diesem Augenblick das Spiel fort. Wo sollte das noch hinführen?

Bald trat Li wieder durch den Türrahmen und klopfte sich siegessicher auf die Schulter, fast so als hätte er gerade die Welt gerettet. Der Anblick der beiden war unfassbar. Wie schafften sie es nur den Ton einfach zu ignorieren?

Als Shila jedoch mit einem gewaltigen Knurren die laute Musik wie ein Dinosaurier durchbrach, übersetzte Josy schnell und hoffte damit unserem Elend ein Ende zu setzen: ››Wenn du nicht sofort leiser stellst, zerlege ich dieses Teil!‹‹

Mit einem schnellen Satz stand Li schützend neben seiner geliebten, neu gekauften Stereoanlage und fixierte die Vampirwolfmutter böswillig.

››Das Baby war teuer!‹‹, schrie er ihr entgegen und streichelte über die schwarzen Konturen der Anlage. Shila ließ sich jedoch nicht von seiner Verliebtheit beeindrucken, sie knurrte erneut und ihr kehliger Ton war umso drohender geworden. Ihre kleinen Schützlinge krümmten sich und schienen unglaubliche Schmerzen zu empfinden. Das Gehör von Neugeborenen soll viel ausgeprägter sein. Für ihr Gehör musste es einer regelrechten Folter gleichkommen und das ging nun wirklich zu weit!

Li schweifte mit seinem Blick einmal durch die Runde und verzog das Gesicht. Die Runde fixierte ihn wie einen Schandfleck und niemand wagte es auch nur einen Sekundenbruchteil die Hände von den Ohren zu nehmen. Grummelnd gab er sich geschlagen.

››Schade, ich hatte gehofft Marc würde noch länger bei seinem Spiel gestört werden‹‹, maulte Gray und zog einen Schmollmund, als Li den Regler drehte.

››Keine Sorge, ich hab nicht den Strom von meinem Computer genommen‹‹, konterte Li und verschränkte die Arme vor der Brust, ››leider musste ich den Stromkreis aus seinem Zimmer abzweigen.‹‹

Ein schallendes Gelächter drang aus den beiden Kehlen der Männer. ››Tja, ich weiß auch nicht, aus irgendeinem Grund ging es nicht anders‹‹, warf Li ironisch ein.

Als hätte Marc das mitbekommen, sprang er die Treppe herunter und fixierte Li mit einem böswilligen Funkelblick. Seine Narbe, die sich über die Seite des rechten Auges zog, schien dabei wie eine unausgesprochene Drohung zu wirken. Er kaute zornig auf seinem Zigarettenstängel. Doch ehe er zu etwas ansetzten konnte, stampfte Celest auf ihn zu und zog im die Zigarette aus dem Mund.

››Wage es ja nicht auch nur einen Ton zu sagen‹‹, erhob sie ihre majestätischen Befehlsstimme und unterdrückte ihn in nur einer Sekunde. ››Heute ist Floras Geburtstag und ich werde es nicht dulden wenn du lieber deiner süchtigen Freizeitbeschäftigung nachgehst, als hier anwesend zu sein!‹‹ Bei der dominanten Aussage fing Gray an zu kichern. Er versuchte zwar sichtlich es zu unterdrücken, schaffte es jedoch in keinster Weise. Aber auch hier schien Celest keinen Spaß zu kennen. Auch sie wünschte sich eine harmonische Familienidylle für Flora. Bereits ein kurzer Blick von ihr genügte, das Grayson prompt verstummte und so tat, als wenn das verräterische Kichern nicht aus seinem Hals gedrungen war.

Drohend zielte Celest mit dem Zigarettenstummel auf Marc und kam einen weiteren Schritt näher. Energisch presste er die Lippen aufeinander und starrte auf den glühenden Stängel, der immer weiter auf seine Brust zusteuerte.

››Und noch was‹‹, begann Celest, ››sollte ich noch mal dieses widerlich, stinkende Teil in meinem wundervollen Wohnzimmer auffinden, drücke ich sie auf deiner Haut aus!‹‹ Marc schluckte bei der Drohung, denn auf Feuer war er alles andere, als scharf. Wie ein scharfes Schwert führte sie die Zigarette und scheuchte ihn zur Treppe. Dann drehte sie die Zigarette elegant um und Marc schnappte gierig danach.

››Und zieh dir was Anständiges an!‹‹

Mit einem leisen Brummeln verschwand er und hinterließ eine Stimmung, der keiner widerstehen konnte. Lauthals lachten wir los. Der sonst so taffe Marc hatte sich ganz einfach in die Flucht schlagen lassen. Noch dazu von einer Frau, die um so vieles dünner und zerbrechlicher war, als er.

Celest war wohl der Meinung, dass er sich allmählich außer Hörweite befand und sprach mit veränderter sanfter Stimme weiter: ››Wäre ja noch schöner, wenn ich mir von so einem Grünschnabel auf der Nase herumtanzen lasse!‹‹ Sie stemmte die Hände in die Hüften und lachte. Damit war die einst angespannte Stimmung dahin und ich war mir sicher, dass Marc es nicht wagen würde heute Abend zu fehlen.

Ich hob einen kleinen Welpen hoch und legte ihn in meine, zu einer Wiege geformten, Arme. Er wimmerte glücklich, als ich in das schadenfrohe Gelächter meiner Familie mit einstimmte. Selbst das kleine Bündel schien bereits erkannt zu haben, wie unsere Familie agierte. Wenige Stunden später war das Wohnzimmer zu einem Festsaal geworden. Die Lichter wechselten sich in regelmäßigen Abständen ab und waren die einzige Lichtquelle im Raum. Lediglich die Kerzen, die auf der Torte schimmerten, versuchten gegen das Licht aus der Steckdose anzukommen und legten ihren flackernden Schein auf die beiden silbernen Tabletts. Eigentlich hätte der Zuckerguss zu einer neunzehn geformt werden müssen, doch nun kennzeichnete eine Lüge die Schokoladenbombe. Irgendwann in der Zeit meiner Gefangenschaft musste sie achtzehn geworden sein. Oder aber siebzehn, bevor ich zu den Maguire gekommen war. Niemand wusste es genau, aber hier spielte es auch keine wirkliche Rolle. Auf dieser Torte und in der Schule wurde sie für siebzehn gehalten, beziehungsweise wurde siebzehn. Die Musik hatte mittlerweile einen erträglichen Pegel, wenn man mal davon absah, dass er für Menschen gerade richtig und für Vampir bereits die Schallgrenze von Gut und Böse war.

Neben der Torte und den Tabletts türmten sich die Geschenke, die nur darauf warteten geöffnet zu werden. Im Schein der Kerzen und der mechanischen Lichter nahmen sie den Part des Geheimnisvollen ein, denn auch ich wusste nicht, was sich in jedem von den bunten Päckchen befand. Draußen hatte sich bereits die Dämmerung eingefunden und wir warteten gespannt auf das Geburtstagskind und ihre Begleitung. In diesem Moment blieb uns noch genügend Zeit um uns auf Marie und Flora vorzubereiten. Josy kam gerade den Flur entlang und trug ein großes Tablett mit Gläsern und Weinkaraffe.

Der Duft war so umwerfend, dass ich an mich halten musste, sie nicht anzugreifen. Auch die Vorfreude endlich den blutigen Schleier abzulegen, tat sein übriges dazu bei. Ich fühlte die Glut in meinen Augenhöhlen und lechzte nach Nahrung. Josy war viel zu langsam für meinen Geschmack. Der Körper zitterte vor Verlangen und wollte mir nicht mehr gehörchen. Ich brauchte es! Jetzt sofort! Ohne es zu wollen sprang ich nach vorn und gierte die Glaskaraffe an. Hastig griff ich nach dem Tablett und versenkte meine scharfen Krallen darin. Josy taumelte, da sie nicht damit gerechnet hatte und fluchte: ››Scheiße! Pass doch auf!‹‹

Wie ein Tier, was seine Beute bereits ausgemacht hatte, fixierte ich das Glas mit der wertvollen Fracht. Sie schwappte hin und her. Der Speichel rann wie ein Wasserfall meine Kehle hinunter und ich keuchte und leckte mir genussvoll die Lippen.

››Wie lange, sagtest du, hatte sie kein Blut getrunken?‹‹, hörte ich Li aus dem Hintergrund sagen.

››Eindeutig zu lange!‹‹, knurrte Alex.

››Also das hätte jetzt auch Marie sein können‹‹, sagte Celest sehr traurig und rüttelte mich damit wach.

Ruckartig ließ ich das Tablett frei und starrte in Josys schüttelndes Gesicht. Voller Vorwurf schaute sie mich an und ich wollte am liebsten im Boden versinken. Ich senkte mein Haupt und führte die zitternde Hand zum Mund.

››Oh mein Gott … das … es … tut mir leid.‹‹ Und das war die Wahrheit. Es war mit mir durchgegangen. Wer weiß was passiert wäre, wenn Marie und Flora eher nach Hause gekommen wären. Nicht auszudenken!

Plötzlich war es unerträglich still geworden und Alexander trat an meine Seite. Er schnappte sich ein Glas und befüllte es. Kurz darauf hielt er es mir hin und brummte: ››Ich will hoffen, dass dir das eine Lehre war!‹‹ Gerade als ich nach dem Glas greifen wollte, zog er es noch einmal zurück und seine Augen formten sich zu schlitzen. ››Das erste Mal, als die Packer unsere Möbel gebracht haben, war ich schon sauer. Das zweite Mal, als gestern ein Motorradfahrer an uns vorbeifuhr und du ihm fast aus dem offenen Fenster nachgesprungen wärst, das war schon eine Nummer zu hoch. Aber das hier übertrumpft alles! Wir leben hier gut, du brauchst nicht austesten wie lange du in Abstinenz leben kannst. Ich hoffe, du siehst ein, dass das wirklich naiv war!‹‹

››Ja‹‹, war das Einzige, was ich aufbringen konnte. Ich traute mich nicht ihm in die Augen zu sehen, so sehr schämte ich mich. Ja, er hatte recht und wahrscheinlich würde er mich noch viel mehr tadeln, wenn er wüsste warum ich diese Dummheit begangen hatte.

Dieser Vorwurf sollte jedoch der Einzige bleiben. Niemand trat erneut an mich heran. Sie ließen die Tat im Raume stehen und das kam mir schlimmer vor, als wenn man mit mir darüber gesprochen hätte. Jeder trank sein Glas und es hielt eine ungewohnte Stille in das Wohnzimmer ein, die ich verfluchte.

Nach und nach blinzelte ich durch die Runde und betrachtete die Festagskleidung, in die sich jeder von uns geworfen hatte. Zwar fanden die Männer es unangebracht einen Anzug zu tragen, aber ihre eleganten Hemden passten perfekt zu den schwarzen Stoffhosen. Josy tanzte mal wieder etwas aus der Reihe und trug ein tiefrotes Abendkleid, was ihre rötlichen Strähnen richtig gut zur Geltung kommen ließ. Celest trug ein schlichtes, schwarzes Cocktailkleid, genauso wie ich. Allerdings unterlag ich einem gewissen Zwang meine Hände mit passenden Stoffhandschuhen zu schützen. Alexander hatte ich beim umziehen intensiv fixiert, da er mir immer noch ein neues Abendkleid schuldete und ich mir nun dieses von Josy hatte borgen müssen.

Elest war da doch sehr konservativ, sie hatte sich für eine gewöhnliche Jeans und eine Bluse entschieden.

Unsere Katzenaugen verbargen wir unter dunklen Sonnenbrillen. Dieses Gefühl stieß mir sauer auf, denn bei dieser Tageszeit war es mehr als unangebracht.

Geistesabwesend schwenkte ich das Glas und versank in der Leere meines Verstandes. Noch immer konnte ich das eben erlebte nicht vergessen oder unterdrücken. Ich schämte mich nicht nur, ich war wütend auf mich selbst. Unzählige Fragen kamen mir in den Sinn: War Carlos es wirklich wert? War er es wert, dass ich mich derart aufgab? Vernebelte mich die Rache gar den Verstand?

Ich wusste es nicht und vielleicht wollte ich es auch nicht wissen. Die Zukunft würde meinen Entschluss prägen. Nach diesem Erlebnis haderte ich nämlich schwer mit mir.

Nachdem jeder sein Gefäß wieder auf das Tablett gestellt hatte, brachte Josy es zurück in die Küche.

Mein Kopf war noch immer demütig gesenkt und tastete den Boden ab. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte; wie ich den Vorhang des Schweigens durchdringen sollte. Doch dann umfassten mich starke Arme und schenkten mir ein Wohlgefühl. Ruhig passte ich meinen Herzschlag dem seinen an. Sanft küsste er mein Haar.

››Lass es gut sein.‹‹

Die Worte waren wie Balsam für mich. Schnell verbreitete er sich in all den Winkeln meines Körpers und sorgten für Ruhe. Er gab mir wieder einen Grund zur Freude.

In diesem Moment hörten wir den bekannten Motor von Floras Wagen und schreckten auf. Stocksteif positionierten wir uns neben dem Tisch. Li drückte auf eine Fernbedienung und stellte die Musik und die Beleuchtung aus, um den Überraschungseffekt nicht zu zerstören.

Die Dunkelheit brach über uns herein. Lediglich die kleinen Kerzen wiegten sich im Luftzug, der durch den Raum wanderte.

››Oh, ich bin so aufgeregt!‹‹, kicherte Josy neben mir und konnte gar nicht stillstehen. Sie wackelte hin und her und war extrem gespannt auf Floras Reaktion.

Ich hörte wie sie den Schlüssel ins Schloss steckte und leise auf Marie einredete, als sie den Flur entlang schritten: ››Irgendwie ist es so still hier.‹‹

››Ja, sonst hört man immer so viel Geballer und Spielgeräusche‹‹, wehrte Marie ab.

Gray grinste zu Marc herüber und fand diese Aussage natürlich optimal. Verlegen kratzte sich dieser am Kopf und begann seine Wangen schmollend auf zu blasen. Auf der einen Seite tat er mir schon etwas leid. Immer wurde auf ihm rumgetrampelt, aber in gewisser Weise hatte er es auch verdient.

››Aber die Autos sind alle da‹‹, gab Flora von sich und ich lauschte ihrer verlockenden Stimme. Auch ich war angespannt wie die Sehne eines Bogens. Nie hatte ich eine Überraschungsparty für jemanden veranstaltet und hoffte, dass sie total aus dem Häuschen sein würde.

››Lass mal im Wohnzimmer nachschauen, da müsste doch eigentlich jemand zu finden sein.‹‹ Marie war eine perfekte Schauspielerin. Sie verriet sich in keinster Weise. Selbst ihre Stimme war so unauffällig, dass niemand darauf schließen konnte, das sie Bescheid wusste. Gekonnt führte sie Flora an der Nase herum. Es war wirklich eine sehr gute Idee gewesen, sie zu involvieren.

Flora trat in den fast dunklen Raum. Mit ihren vielen Taschen in der Hand drehte sie sich und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Der Schein des beleuchteten Flures zog sich in das Wohnzimmer und Flora rieb sich die Augen. Für sie war es wesentlich schwerer sich an einen Lichtunterschied zu gewöhnen, als für uns. Dennoch dauerte es nicht lange, bis sie die schimmernden Kerzen auf der Torte erfasste und fragend den Kopf schief legte.

Prompt betätigte Li seine Fernbedienung und plötzlich erwachten Stereoanlage und Lichterkette zum Leben. Die Flut von Lärm und Licht brach über sie herein wie eine Lawine. Sie zuckte zusammen und ihre Augen schienen zum Bersten aufgerissen. Das Kinn sackte hinunter.

››Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!‹‹ Wie aus einem Mund schrien wir ihr entgegen. Josy blies eine Luftschlange in ihre Richtung und wir klatschten freudig.

Flora schüttelte den Kopf und stotterte los: ››Äh … wie … ich hab doch gar ni…‹‹

Ehe sie aussprechen konnte, tänzelte ich auf sie zu und unterbrach sie prompt: ››Ja, wir wissen doch, dass du früher kein Geld hattest diesen wundervollen Tag zu feiern. Heute wird es aber anders sein!‹‹ So das Marie mein Gesicht nicht sehen konnte, zwinkerte ich Flora zu und mir viel ein Stein vom Herzen, weil ich glaubte, dass sie mich verstanden hatte.

Sie kombinierte schnell und feixte ihre Freundin an: ››Ich glaub, ich spinne! Du hast mich die ganze Zeit nur abgelenkt!?‹‹

Daraufhin lachte Marie verräterisch los.

Leicht tippte ich gegen ihre vielen bunten Taschen und grinste breit. ››Wie ich sehe hast du das Geschenk von Alexander und mir bereits in vollen Zügen ausgekostet.‹‹

Flora lief rot an, denn zuvor hatte Alex ihr viel Geld für den heutigen Einkaufsbummel mitgegeben. Es störte mich etwas, dass es eigentlich nicht mein Geld war und ich mich somit nicht wirklich an unserem Geschenk beteiligt hatte. Allerdings war ich die entscheidende Kraft für diese ganze Party gewesen und es stimmte mich somit etwas milder.

››Ich … ich glaub das nicht‹‹, versuchte Flora zu begreifen und schüttelte den Kopf. Sie versuchte mit den Schultern zu zucken und wusste gar nicht wo sie als erstes hinschauen sollte. Alles schien hier neu für sie zu sein. Ein Raum, den sie noch nie betreten hatte, obwohl sie schon so unzählige Male ihre Zeit hier verbracht hatte. Ihre Taschen prallten immer wieder gegen ihre Beine, da sie alles fassungslos betrachtete und sich ständig im Kreis drehte. Flora musste sich wie Alice im Wunderland fühlen. So nahm ich ihr die Taschen ab und nickte zum gedeckten Tisch. Das Glück in ihren Augen war alles was ich mir in diesem Augenblick wünschte. Es war wie der langersehnte Regen nach einer Dürreperiode, die sie durchlebt hatte. Die damit verbundene Freude, die sich in meinem inneren aufbaute, war beinahe unerträglich. Jemanden etwas Gutes zu tun, war eines der schönsten Gefühle der Welt!

››Kerzen ausblasen!‹‹, merkte Josy überschwänglich an und hüpfte erwartungsvoll wie ein Känguru. Bei ihrem Anblick verdrehte ich die Augen, denn mir war klar warum sie so schnell zur Sache kommen wollte. Ihr Geschenk war ziemlich übertrieben, genauso wie ihr Auftritt. Vermutlich zählte sie schon die Sekunden und wollte den Part einfach verkürzen.

Ich war so von Josy abgelenkt, dass ich nicht einmal aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Flora sich zu mir umdrehte. Überschwänglich und mit einer Kraft, die ich überhaupt nicht für möglich geachtet hatte, umarmte und drückte sie mich. Leicht überrumpelt musste ich aufpassen ihr nicht die Einkaufstaschen in die Seite zu schlagen. Die Kraft, die Floras Gefühle in ihr auslösten waren unglaublich.

››Vielen Dank‹‹, brachte sie unter Freudentränen hervor. Celest lächelte so breit, dass man sofort erkannte, wie ihr Mutterinstinkt sie gepackt zu haben schien.

Ich stellte die Taschen in einer Ecke ab und folgte den beiden Freundinnen zum Tisch.

Marie zog aus ihrer kleinen Handtasche ein Päckchen und stellte es zu den anderen Geschenken.

Als Flora sie verwundert musterte, sagte sie: ››Erst die Kerzen, dann die Geschenke!‹‹ Dann zwinkerte sie ihr liebevoll zu.

Flora blies die vielen Kerzen in einem Atemzug aus und wir klatschten bejubelnd.

››Das hat noch niemand für mich getan‹‹, sagte sie überglücklich und ich hörte wie ein Schlucken durch ihre Kehle drang.

››Los, auspacken!‹‹, drängte Josy sie und drückte ihr regelrecht das Geschenk vor die Brust. Ein lang gezogenes Bündel von blauem Papier, welches begutachtet wurde, als wäre es der wertvollste Schatz der ganzen Welt.

Behutsam begann Flora die Verpackung zu öffnen und versuchte dabei das Papier in einmal ansatzweise zu beschädigen. Alles hier schien ihr viel zu kostbar, als dass sie auch nur den kleinsten Riss zu ließ. Josy wurde von Sekunde zu Sekunde nur noch unruhiger. Für sie war das Warten eine Qual, denn die Verpackung würde sowieso in den Müll wandern.

Dann glitt das Papier mit einem Mal an dem Geschenk herunter und es rollte sich aus wie ein Teppich. Flora wusste nicht wie ihr geschah. Ohne eine Regung starrte sie es an und ihr Unterkiefer entglitt jeder Fassung.

Triumphierend über ihren erstaunten und begeisterten Gesichtsausdruck verschränkte Josy die Arme vor ihrer Brust und nickte zufrieden. Sie schien den Effekt hervorgerufen zu haben, den sie beabsichtigt hatte.

››Du kennst sie ja‹‹, begann Li und zuckte mit den Schultern, ››Sie hat dieses Kleid bei einem teuren Designer in Auftrag gegeben.‹‹

Kopfschüttelnd hielt Flora den Bügel mit der einen Hand fest und mit der anderen strich sie über das samtige Stück. Ich musste zugeben, dass schwarze Kleid war atemberaubend. Überall war es mit kleinen Swarovskisteinen besetzt. Der Wasserfallausschnitt würde ihr ein wunderbares Dekoltee zaubern und die Vermutung lang nahe, wenn sie dieses Kleid einmal auf einen Schulball tragen würde dass wir bald männlichen Besuch bekommen würden.

››Es ist von Li und mir zusammen‹‹, sagte Josy. ››Lass es uns gleich mal anprobieren. Bei diesem schönen Anlass kannst du es doch schließlich sofort tragen.‹‹

Bevor auch nur einer Einspruch erheben konnte, entführte sie Flora und ließ uns in dem Raum zurück.

››War eigentlich klar, erst sie und nach ihr die Sinnflut!‹‹, maulte Gray missmutig und schaute auf die restlichen Geschenke, die genauso wie wir wartend im Raume verharren mussten. Manchmal, aber nur manchmal, war Josy extrem selbstsüchtig!

Als die beiden wieder ins Wohnzimmer kamen, hatten wir uns bereits gesetzt. Flora sah in ihrem Kleid wunderschön aus. Ihre blonden, kurzen Haare und der Pony, der ihr über das Auge fiel, standen im perfekten Einklang mit dem schwarzen Stoff, der sich nun an ihren Körper schmiegte.

››Sieht toll aus‹‹, sagte ich und alle stimmten mir zu.

››Mit so etwas kann ich nicht aufwarten‹‹, gab Marie leicht traurig von sich.

››Das ist doch egal! Ich bin so glücklich, dass mir dieser Abend überhaupt möglich gemacht wurde.‹‹ Flora tänzelte zu uns herüber und setzte sich auf einen der Sessel. Gezielt griff sie nach Maries Geschenk und zwinkerte ihr zu. Marie lächelte verlegen.

Doch als Flora ihr ausgepacktes Geschenk betrachtete, erstarrte ich zu einer Statue. Ich dachte nicht einmal daran zu blinzeln oder gar zu atmen. Alex suchte reflexartig nach meiner Hand, denn ihm blieb meine Reaktion nicht verborgen. Schnell versuchte ich meine Beherrschung wieder zu finden und starrte auf den Terminplaner. Es kam mir vor wie ein Stich ins Herz, als Flora durch die noch unbeschrieben Seiten blätterte. Ein Bild wie damals, was ich selbst es getan hatte. Wie ein Film, wo ich einst die Hauptperson gespielt hatte und ihn nun selbst zum ersten Mal auf der Leinwand sehen konnte. Keiner, und ich glaubte auch nicht Alex, wussten dass ich damals selbst von meiner besten Freundin ein solches Geschenk bekommen hatte. Sicherlich war es passend bei jemanden, der in dieser Familie alles zu haben schien und noch zur Schule ging, aber mir tat es enorm weh. Es wühlte meine Gedanken auf und ich fühlte wie mein Verstand den Atem wieder anregte. Ich brauchte Luft, so schnell wie möglich. Doch ich keuchte wie einem Marathon erlegen und suchte nach einem gesunden Maß, das weniger Aufsehen erregte. Auch wenn ich mehrere fragende Blicke von Alexander erntete und seine Sorge bereits durch die Handberührung spürte, sagte ich nichts und versuchte es hinunter zu schlucken.

Mit einem Mal war ich abwesend und nur noch körperlich vorhanden. Ich schaute ihr zu, wie sie die Geschenk öffnete und sich über jedes freute. Sie umarmte selbst Marc, der damit so gar nichts anfangen konnte und dessen Arme lange in der Luft verharrten. Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, drückte er Flora schließlich doch an sich.

Von Celest hatte sie eine Seltenheit geschenkt bekommen, die sie selbst begonnen hatte zu züchten. Es dauerte Jahre eine schwarze Rose selbst zu kreieren und Flora bekam ihre aller erste Vollendung.

Elest hatte ihr ein Gemälde von der Golden Gate Bridge und der dahinter liegenden Stadt San Francisco gemalt. Ich war immer noch beeindruckt über ihre exakten Farbgebungen und den lebendigen Pinselstrichen. Es lag sogar ein kleines bisschen Neid darin, da ich diese Gabe als wunderschön empfand und sie selbst gerne erlernen würde. Allerdings kennzeichnete sich dieser Gedanke nur mit einem ekligem Geschmack auf der Zunge.

Von Marc und Grayson hatte sie zwei Musicalkarten geschenkt bekommen. Auch wenn die beiden sich allen Anschein nach nicht wirklich verstanden, waren sie ein Herz und eine Seele. Da lag es nicht fern, dass sie Flora etwas gemeinsam schenkten. Sie selbst hatte Wochen zuvor bereits von diesem Musical geschwärmt und wollte es unbedingt sehen. Nun, wo sie die Chance hatte, lud sie Marie ein, sie an dem gebuchten Tag zu begleiten. Ihre Freundin war fassungslos und bedankte sich mehrere Male bei ihr.

Mein Puls überschlug sich nicht mehr, aber es fiel mir schwer in diesem Zimmer zu sein. Zu oft starrte ich den Terminplaner an und ertrank in Fragen, derer ich nicht Herr wurde. Es tat mir leid ihr in diesen Stunden etwas vorzumachen und eine Maske aus Freude und Glück aufzusetzen, aber ich durfte ihr diesen Tag nicht nehmen.

Zu allem Übel sollte sich noch etwas anderes zu meinem Magengeschwür gesellen. Es war Li, der mir in diesen Stunden ein Bild abgab, was mir mehr als klar machte, dass etwas nicht stimmte!

Zusammen verwandelten wir die Nacht zum Tag. Marie schlief bei Flora im Zimmer und blieb bis zum nächsten Morgen. Dabei waren wir wirklich froh, dass es Marie überhaupt nicht auffiel, das wir nichts gegessen hatten.

Bereits auf der Party war mir aufgefallen, dass Li ungewöhnlich oft in seinem Keller verschwunden war. Immer wenn er wieder zu uns stieß, lag sein Gesicht in tiefe, nachdenkliche Falten und es machte mich extrem misstrauisch.

Meine Vermutung wurde bestätigt, als Li seinen Kopf durch den offenen Schlitz der Küchentür schob und Alex um ein Gespräch bat. Wir beide hatten uns zu Flora und Marie begeben, um ihnen noch etwas Gesellschaft zu leisten, bevor Flora sie wieder nach Hause brachte.

Abrupt war der Chinese für ihn geworden und mit schnellen Schritten folgte Alexander ihm.

Jetzt befand ich mich in einer sehr misslichen Lage. Ich konnte nicht einfach die Küche verlassen, das wäre zu auffällig gewesen. Vielleicht hätten die beiden Mädchen es auch irgendwann einmal erwähnt und mich somit verraten, bevor mein Entschluss in die Tat umgesetzt werden konnte. Wenn ich das denn wirklich noch wollte, oder aber konnte. Man ließ mich wieder einmal im Ungewissen, was sich in den Grenzgebieten wirklich regte!

Schritt um Schritt entfernten sich die Männer ohne ein Wort. Beide vermieden eine Konversation und es schien glasklar, das sie etwas vor mir geheim hielten!

Ich hörte den beiden Freundinnen gar nicht mehr zu. Mein Unterbewusstsein war so aufgewühlt, als wenn es durch einen Mixer gedreht wurde. Schwindel überkam mich und ich glaubte jede Sekunde des Wartens vom Stuhl zu fallen. Verdammt! Es musste wichtig sein! Was passierte da? Was hatte Li für Neuigkeiten?

Flora fuchtelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum und versuchte fest zustellen, ob ich noch lebte. Ruckartig zuckte ich zusammen und grinste breit. Trotzdem schienen sie aufzuhören mich im Gespräch mit ein zubinden.

Voller Erwartungen rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Immer wieder sandte ich mein empfindliches Gehör aus, um vielleicht wenigstens Bruchstücke des Gesprächs von Alex und Li aufzufangen. Aber nichts erfasste meine scharfen Sinne. Sie mussten sich wieder im Keller befinden und von hier aus war es unmöglich der dicken Tür auch nur einen Ton abzuringen. Man könnt nur lauschen, wenn man sich direkt davor befand.

Plötzlich stand Flora auf und Marie verabschiedete sich. Ohne es zu wollen rissen sie mich aus meiner Starre und brachten mich zu den Lebenden zurück.

Schnell huschte ich die Treppe hinunter und war heilfroh dass mich niemand bemerkte. Lässig setzte ich mich auf die Lehne des Sofas. Wenn jemand ins Zimmer kam, würde es nicht sofort auffallen, dass ich lauschte.

Natürlich hatte ich die gesamte vorherige Unterhaltung nicht mitbekommen und war teilweise über die Sätze verwirrt.

››Ich traue ihnen nicht‹‹, sagte Alex nachdenklich und ich glaubte ihn leise grummeln zu hören.

››Ich finde es übertrieben zu glauben, dass sie sie auf ihre Seite ziehen wollen‹‹, lenkte Li ruhig ein. ››Betrachte es mal von der Seite, dass wir immer viel weiter von ihnen entfernt waren und ihre Fehde viel intensiver auf die Maguire beschränkt wird.‹‹

Aha, also ging es wirklich im das Thema! Zugegeben, irgendwie hatte ich es mir gewünscht. Fehlte nur noch der alles entscheidende Name in diesem Spiel. Gab es auch neues von ihm?

Nach einer langen Pause erhob Li abermals das Wort: ››Findest du das nicht etwas zu weit hergeholt? Der Hass zu den Davenports ist nicht so groß, wie der zu den Maguire. Ich kann und will mir auch nicht vorstellen, dass sie die Werwölfe auf ihre Seite ziehen. Eher würden die sich gegenseitig zerquetschen. Wer war es denn, der die Waffenruhen gebrochen hat?‹‹

››Jedenfalls nicht wir.‹‹

››Richtig, wir haben uns immer aus dem ganzen Gemetzel raus gehalten und auch dafür gesorgt, dass alle Vampir in Amerika es uns gleichtaten. Warum sollten sie also auf einmal einen Krieg gegen uns beginnen?‹‹

››Weil wir den Waffenstillstand gebrochen haben und da ist kein Zweifel dran, wir waren vor Carlos und seiner Bande in ihrem Revier.‹‹

Sein Name brachte so viele Empfindungen mit sich, dass ich zerrissen wurde. Zerrissen in zwei Teile aus Rachelust und Ablehnung. Egal, was mich in diesem Augenblick mehr beherrschte, ich musste schlucken. Mein Körper begann zu zittern. Schnell biss ich mir auf die Unterlippe und schloss die Augen. Ich wusste, dass es nicht leicht für mich werden würde, doch die Neugier war zu groß gewesen und nun fragte ich mich erneut, ob es wirklich gut war hier zu sitzen. Noch gab es die Möglichkeit zu gehen und alles hinter mir zu lassen. Vielleicht würde das Tier in mir irgendwann zur Ruhe kommen, wenn es nichts mehr von ihm oder den Maguire erfahren würde. Aber egal welche Variante sich mich auch erschloss, ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht bewegen. Dabei wusste ich noch nicht einmal, ob mein zweites Ich mich daran hinderte, oder ob ich mir selbst im Weg stand.

››Das Thema hatten wir schon zur Genüge, Alex‹‹, knurrte Li leicht genervt.

››Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass Carlos sich laut deinem Informanten in Tibet befindet. Was glaubst du, wie lange er dort überleben würde? Carlos ist nicht dumm, er geht keine Risiken ein! Er würde nie sein Leben aufs Spiel setzten! Er weiß haargenau wie er vorgehen muss und würde nicht in ihr Revier eindringen, wenn es nicht erforderlich ist. Erst recht nicht würde er sich in Hoheitsgebiet aufhalten!‹‹ Drohend und extrem laut war sein Ton und ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Carlos in Tibet? Was machte dieser Widerling verdammt noch mal in Tibet?

››Komm mal wieder runter, oder soll die ganze Familie davon erfahren?‹‹

Die Person, die eigentlich am wenigsten davon wissen sollte, hatte es bereits erfahren. Sie war wie besessen davon gewesen Neuigkeiten zu hören, die ihr alles andere als gut taten. Ich war süchtig geworden, das wurde mir in dieser Sekunde bewusst. Ich erlag einer Sucht der Rache und Vergeltung, die alles in mir zu einem Kampf aufraffte. Ohne es zu wollen zergingen die Fragen wie süße Schokolade auf meiner Zunge.

Warum war Carlos in Tibet, im Gebiet der Königsfamilie der Werwölfe? Das ergab keinen Sinn, es sei denn, Alexander hatte wirklich Recht mit seiner Vermutung. Sie klang gar nicht mehr so abwegig, wie Li sie darstellte. Doch genau dieser Gedanke war erschreckend. Sollten sich wirklich diese beiden Parteien gegen unsere verbünden, würde es extrem düster aussehen. Hatte ich einen Krieg entfacht, der so lange nun auf Eis gelegt war?

››Auch meine Leute haben ihre Lücken‹‹, unterbrach Li meine Gedanken.

››Mag sein, aber ich nehme es ernst. Ich kenne ihn von euch am besten und …‹‹

››Darum beneidet dich auch keiner‹‹, setzte Li den Satz fort und seufzte. ››Was wenn er sich dort befindet, weil man ihn zur Rechenschaft ziehen will? Vielleicht haben die Maguire ihn ausgeliefert, denn so wichtig ist er nun auch wieder nicht. Sie haben noch zwei weitere Sucher. Wer weiß, vielleicht haben auch die Maguire keine Lust auf einen erneuten Krieg.‹‹

Da begann Alex lauthals aus voller Kehle zu lachen. ››Im Gegenteil sie würden es begrüßen! Nein, es muss etwas anderes sein. Sie schicken einen ihrer besten Leute nicht umsonst dorthin, dass kann ich mir einfach nicht vorstellen.‹‹

Ich bemerkte, dass sich die Konversation langsam aber sicher nur noch im Kreis drehte und nichts Wichtiges mehr dabei heraus kam. So entschloss ich mich am Strand spazieren zu gehen und meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Nachdem ich all diese Dinge gehört hatte, konnte ich nicht anders, da sie mich nicht in Ruhe lassen würden. Schwerfällig erhob ich mich von der Sessellehne und glaubte in mich zusammenzusacken wie ein nasser Sack. Aber nichts geschah! Tagelang war alles so selbstverständlich gewesen. Alles in mir war auf Kampf und Jagd gebürstet, doch nun … Nun öffnete ich geräuschlos die Verandatür und mein letzter Blick galt der Kellertür. Standhaft und ohne Vorwurf stand sie da.

Traurigkeit überkam mich, denn ich hatte das Gefühl ihn verlassen zu müssen. Der Stich ins Herz war kurz, aber extrem schmerzhaft und ich wusste, dass ich mich beeilen musste. Wenn ich jetzt nicht rannte, würde mich ein lautes Schluchzen verraten. Hastig schoss ich die Tür und fegte der Brandung entgegen.

Also war es soweit. Ich wusste nicht viel und das war es wohl auch, was mir ein wenig Angst bereitete.

Aber wir wissen genug!

Knurrend erhob sich die Stimme meines zweiten Ichs und ich schauderte. Versuchte ihren aufgebauten Druck auf meiner Brust abzuschütteln, doch es gelang mir nicht. Drohend und markant blieb er bestehen und erinnerte mich Sekunde um Sekunde an einen Entschluss, vor dem ich selber einen leichten Hauch von Angst und Respekt hatte. Wenn es nach ihr ginge, sollte ich sofort auf die Jagd gehen, doch mein Verstand hielt mich weitgehend davon ab.

Es war nicht nur gefährliches Wolfsrevier, auf das ich mich schließlich begeben müsste, es war das Hoheitsgebiet selbst! Das Gebiet, was wir damals bei meiner Flucht erst durchqueren wollten und wo Josy unseren Tod prophezeit hatte, wenn wir diesem Plan weiterverfolgt hätten. Letzten Endes hatten wir das Gebirge doch umfahren und sie war darüber sichtlich erleichtert gewesen. Und genau das ließ meine Alarmsirenen klingeln! Kein Vampir sollte es je überlebt haben in diesen Gefilden umhergeirrt zu sein; jedenfalls so weit man weiß. Es war nie einer zurückgekommen. Warum also gerade Carlos? Wieso war er dort? Was trieb ihn dazu auf diese gefährliche Reise zu gehen? War es wirklich so, wie Alexander dachte? War es dann nicht meine alleinige Aufgabe es heraus zu finden? Schließlich hatte meine Flucht unsere Route geprägt und es war allein mir zu verdanken, dass die Werwölfe nun glaubten, wir hätten die Ruhe gebrochen!

Es wären zwei Fliegen mit einer Klappe, Carlos und vielleicht eine Darlegung meiner Beweggründe ihr Territorium betreten zu haben. Nun gut, vielleicht würden sie mich auf der Stelle töten, bevor ich meine Ursachen überhaupt vorlegen konnte, doch es war einen Versuch wert. Außerdem war der gute Nebeneffekt, dass ich vielleicht genau diese ganzen Fragen aufklären könnte. Dazu kam der Gedanke endlich meiner Rache Freiraum zu gewähren. Mein angestauter Jagdtrieb kitzelte, seit dem Tag an dem ich das erste Mal wieder von Carlos gehört hatte, jede Zelle meines Körpers und er würde mich nicht mehr loslassen. Und selbst wenn mein Verstand diese Missgeburt begrub, weil so viel Naivität in diesem Handeln lag, würde mein zweites Ich es noch lange nicht tun! Es war verlockend; einfach viel zu verlockend!

Selbst der salzige Meereswind konnte meine brodelnden Gedankenschwaden nicht auf den Schwingen seiner Lüfte davontragen. Sie waren allgegenwärtig und gruben sich so tief in mich hinein, das jeder Kampf zwecklos war.

Werwolfsgeheul

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