Читать книгу Without Borders - Grenzenloses Verlangen: - Melanie Weber-Tilse - Страница 4
ОглавлениеClarissa
»Oooh nein!«, rief ich voller Entsetzen und starrte Norah mit großen Augen an. Schon als ich den Umschlag geöffnet hatte, beschlich mich ein seltsames Gefühl und … Nein, es käme überhaupt nicht in Frage, dass ich ihr Geschenk – so nannte sie es – annehmen würde. »Da kannst du schön alleine hingehen.« Kopfschüttelnd hielt ich ihr das Papier vor die Nase, doch Norah, die schon während der Schulzeit vor Selbstbewusstsein strotzte, hatte ihre Arme vor der Brust zusammengeschlagen, und grinste mich süffisant an und sagte … nichts, außer »Es ist doch nur eine Wohltätigkeitsveranstaltung.«
Wie bitte? Welche Wohltätigkeitsvereine druckten ihre Einladungen auf kohlrabenschwarzes, samtig mattes Papier, das mit bronzefarbenen Buch-staben bedruckt war? Welche Wohltätigkeitsorganisation buchte für eine Veranstaltung eine Location namens Without Borders?
»Also, Clarissa, wirst du hingehen?«
»Nein«, stieß ich empört aus. »Natürlich nicht!«
»Gut, dann treffe ich dich kurz vor 20 Uhr am Eingang, Süße«, lachte sie und warf ihre langen Locken über die Schulter. »Ach und, zieh dir was Hübsches an. Die Devise lautet: Weniger ist mehr.« Augenzwinkernd erhob sie sich, drückte mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange und verschwand aus dem Café.
Immer noch baff über ihre Idee, mich für wohltätige Zwecke zu versteigern, saß ich nun hier. Alleine und mit glühenden Wangen. Die Einladung hielt ich immer noch in der Hand und betrachtete sie ein ums andere Mal. Fuhr mit meinen Fingerspitzen über die samtige Oberfläche und die Prägung der Schrift, die auf der Vorderseite war. Auf der Rückseite standen lediglich die Uhrzeit und eine Adresse und irgendetwas in mir sagte mir, dass es keine Location war, in der ich mich aufzuhalten pflegte. Meine Gedanken drifteten ab … Man hörte viel. Las noch mehr und die Medien waren voll von Berichten über diverse … Clubs mit speziellen Extras. Keine zehn Pferde würden mich da hinein bekommen. Während ich meinen Latte Macchiato austrank, steckte ich das Papier empört vor mich hinmurmelnd in meine Tasche.
Zu Hause schloss ich leise die Tür hinter mir. Lärm gab es früher oft genug und das Gefühl, das durch das Knallen zuschlagender Türen in mir erzeugt wurde, konnte ich nicht mehr ertragen. Seufzend sank ich an den Schreibtisch, auf dem sich mindestens drei Bücher stapelten und diverse Notizen befanden. Alles wohl geordnet und mit Lesezeichen versehen, denn Chaos konnte ich noch weniger ausstehen als Lärm.
Ich studierte Rechtswissenschaften in Harvard und war eine der besten meines Jahrganges, was ich meinem Ehrgeiz und dem Hang zum Perfektionismus, den ich nicht abstreiten konnte, zu verdanken hatte. Um mir mein Studium zu finanzieren, arbeitete ich in einer der renommiertesten Rechtsanwaltskanzleien der Stadt. Zeit für eine Beziehung hatte ich nicht oder besser gesagt, ich nahm sie mir nicht. Seit ich vor zwei Jahren mit dem Studium begonnen hatte, war ich Single. Dabei war es nicht so, dass es mir an Avancen mangelte. Es war viel mehr die Tatsache, dass ich wusste, wie sehr Sex die Sinne vernebelte und die Liebe sowieso. Bis jetzt war ich ganz gut damit gefahren, mich von beidem fernzuhalten, während ich mich aufs Lernen konzentrierte.
»Weniger ist mehr.« Norahs Worte hallten in meinem Kopf wider, als ich am Abend vor meinem Kleiderschrank stand und wahllos ein paar Teile über meine Schulter aufs Bett warf. Eigentlich gar nicht meine Art, aber ich würde sie gleich sortieren.
Den gesamten Nachmittag über war es mir nicht gelungen, diese Einladung ins Altpapier zu befördern. Wie fremdgesteuert fuhren meine Finger immer wieder über die matte, edle Oberfläche, zeichneten die Buchstaben nach. Immer wieder überlegte ich, wie so eine Versteigerung wohl aussehen könnte. Vielleicht wurde man von Männern gekauft, die dann mit der jeweiligen Frau zum Essen gingen. Der Erlös wurde, wenn ich es richtig verstanden hatte, einer Stiftung für AIDS-kranke Menschen zugesprochen. Eine gute Sache, von der ich beschlossen hatte, sie zu unterstützen. Und der einzige Grund, warum ich überhaupt den Gedanken in Erwägung zog, mitzumachen.
Unsicher, welches Outfit das richtige wäre, schickte ich meiner Freundin, die bei so was weitaus selbstsicherer war, Fotos von den ausgewählten Stücken und wartete ungeduldig auf ihre Antwort. Währenddessen machte sich Aufregung in mir breit, mein Magen flatterte immer mehr und der Blick in den Spiegel ließ mich aufkeuchen. Mein Spiegelbild hatte glühend rote Wangen und ihre Augen leuchteten bis ins All. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen?
»Es ist nur ein Abendessen«, murmelte ich, dass es fast schon wie ein Mantra klang, und atmete erleichtert auf, als endlich Norahs erlösende Nachricht kam.
Kühle Luft umspielte die nackte Haut meiner Beine und ich spürte die Gänsehaut, die sich auf meinem Körper ausbreitete. Innerlich fluchte ich, mich auf diesen Outfit-Vorschlag meiner Freundin eingelassen zu haben. Seide. Pah. Darunter sah man jedes … alles einfach. Ihren Zusatz, ich sollte alles auch am besten weglassen, hatte ich mir zwar verrückterweise zu Herzen genommen, bereute ihn im Moment aber zutiefst. Was für eine irre Idee! Allein der Gedanke daran, dass ich nichts unter dem Kleid trug, überzog mein Gesicht mit Schamesröte. Noch nie war ich ohne Unterwäsche …
Während ich mich elegant aus dem Taxi, das mich an ein altes Fabrikgebäude am Rande der Stadt gebracht hatte, gleiten ließ, zog ich den knöchellangen Mantel enger zusammen. Somit konnte niemand sehen, wie sehr ich in diesem roten und zugegebenermaßen sexy aussehendem Kleid fror. Die Kälte fuhr in meinen Schritt und sorgte dafür, dass sich alles in mir zusammenzog. Meine Nippel bohrten sich so fest in den Stoff, dass ich am liebsten wieder eingestiegen wäre.
»Liebes, da bist du ja. Du siehst umwerfend aus, genau richtig«, raunte mir meine Freundin zu, die siegessicher an mir vorbeischwebte und mich dabei mit sich zur Treppe zog.
Während sie bereits das Entré stürmte, verharrte ich einen Moment. So naiv war ich eigentlich nicht. Im Gegenteil. Aber der Reiz, zu erfahren, was bei dieser Veranstaltung vor sich ging, und das Kribbeln, das impulsartig durch meinen Körper schoss, waren stärker als jeglicher Vernunft nachzugeben.
Ich spürte diese immense Präsenz in meinem Rücken schon, bevor ich seine Stimme hörte.
»Dein erstes Mal?«, knurrte er so tief direkt in mein Ohr, dass mein Körper vibrierte und ich stocksteif stehen blieb. »Sieh nach vorn«, befahl er mir knapp.
Ich war versucht, meinen Kopf zu drehen, um zu sehen, wer mich angesprochen hatte. Zu groß war die Neugier, der Stimme, die mir direkt zwischen die Schenkel fuhr, ein Gesicht zuordnen zu können. Aber ich hatte das Gefühl, dass es keine so gute Idee wäre und nickte stattdessen zaghaft, während seine Nase sich in meinem Haar, das in großen Locken über meine Schultern fiel, vergraben hatte. Was zur Hölle? … Herrgott, die Berührung seiner Lippen an meinem Hals löste ein Erdbeben in mir aus, mein Unterleib zog sich verlangend zusammen und ich zwang mich, nicht in Ohnmacht zufallen. »Du siehst bezaubernd aus. Ich schätze, ich werde auf dich bieten.« Seine Hand, die sich bestimmt auf meinen unteren Rücken legte, setzte die Haut darunter in Brand. Langsam führte er mich die Treppe hinauf zum Eingang, an dem sich bereits ein paar andere Leute angeregt unterhielten. Ich sah, wie einige der Frauen Augenbinden aus Seide oder Spitze umgelegt bekamen, und blieb stehen, bevor mein Magen rebellieren würde. Norah hatte mich angelogen. Eiskalt angelogen. Von wegen Wohltätigkeitsveranstaltung. Ich war in einem dieser perversen Bumsclubs gelandet und kurz davor, mich angewidert über das Treppengeländer zu übergeben. Wäre da nicht … diese Hand auf meinem Rücken gewesen, die zu diesem Mann gehörte, dessen Gesicht ich nicht sah, aber dessen Stimme mich schon in der ersten Sekunde eingehüllt hatte, wie ein Kokon aus Seide.
Widerwillig und doch angezogen von Vorstellungen, was da drin vor sich gehen mochte, ließ ich mich von ihm die Treppe hinauf zum Eingang geleiten, wo er mich auf die Seite schob, auf der den Frauen die Augen verbunden wurden. »Ich bekomme übrigens immer, was ich will.« Ein letztes Mal berührten seine Lippen meine Wange und dann wurde mir der Mantel abgenommen und ich meiner Sicht beraubt. Meine Gedanken surrten wie flackerndes Licht und ich schlug die Arme vor der Brust zusammen, drehte hektisch meinen Kopf hin und her, in der Hoffnung, auch nur irgendeine Kleinigkeit sehen zu können. Aber der Stoff war zu dicht.
»Schsch, Kätzchen, das ist hier nicht so gern gesehen.« Hände machten sich an meinen Armen zu schaffen und zogen sie hinter meinem Rücken zusammen. »Das erste Mal ist immer das aufregendste, aber du siehst gut aus. Du wirst deinen Meister finden.«
Meister? What? Hatte der Typ da eben wirklich Meister gesagt? In meiner Aufregung begann ich zu kichern und bekam nicht mit, dass ich weitergeschoben wurde. Vermutlich direkt ins Haus Gryffindor, wo ich von einem großen Meister das Zaubern lernen sollte.
Das Stimmengemurmel um mich herum wurde leiser und verstummte schließlich, nachdem man mich irgendwo positioniert hatte. Mein Körper war bis zur letzten Faser angespannt und das Flirren, das in der Luft lag, erregte mich auf eine abstruse Art und Weise.
Jemand klatschte laut in die Hände und rief voller Euphorie: »Ladies und Gentlemen, mögen die Spiele beginnen.« Gleich darauf wurde es wieder lauter. Stimmen direkt neben mir. Vor mir, hinter mir … überall um mich herum … Hier und da konnte ich ein leises Stöhnen hören und dann … zuckte ich zusammen, weil ich Hände spürte, die meine Beine hinauf fuhren und langsam den Saum meines Kleides nach oben schoben. Ich schnappte nach Luft, wollte mir diese bescheuerte Maske von den Augen reißen, als jemand meine Hände auf dem Rücken fixierte, als hätte er vorhergesehen, was ich vorhatte.
»Lass sie gewähren.« Ich war inzwischen so erregt, dass ich, wenn auch widerwillig, gehorchte. Seine Stimme erkannte ich unter Tausenden und sie fuhr mir direkt in den Unterleib. »Am Ende des Abends wirst du ohnehin mir gehören.« Seine Zähne machten sich an meinem Nacken zu schaffen, während andere Hände sich unermüdlich an meinem Körper entlangtasteten und ich zu wimmern begann. Jede meiner Hautzellen war sensibler als je zuvor. Einen Ausweg gab es nicht.
Ich spürte, wie der Saum meines Kleides angehoben wurde. Fingerkuppen tasteten sich mal sanft, mal grob über meinen Körper, glitten zwischen meine Beine, dass mir die Luft wegblieb. »Aaah«, stieß ich aus, weil mir jemand in die Brustwarzen kniff und eine Welle aus Schmerz und Lust durch mich hindurch peitschte. Hämisches Lachen drang in mein Ohr. Wehrlos und bis unter die Haarspitzen erregt wand ich mich im Griff des Unbekannten, während – ich hatte keine Ahnung, wie viele es waren – mehrere Männer meinen Körper erkundeten.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber ich hatte mich meinem Schicksal ergeben. Mit Norah würde ich nie wieder ein Wort reden, das stand fest. Alles andere würde ich ertragen, aber ihr konnte und wollte ich nie wieder in die Augen sehen. Ein glucksendes Lachen, vermischt mit meinem schweren Atem, verließ meine Lippen, bei dem Gedanken daran, dass ich gerade niemandem in die Augen sehen konnte, weil ich immer noch diese Maske trug.
»Die Lose haben entschieden«, tönte wieder die Stimme, die dieses Spiel begonnen hatte. »Ladys und Gentlemen, vielen Dank für Ihre Spenden und viel Spaß mit Ihren Auserwählten.«
War es vorbei? Was kam jetzt? Und noch während ich überlegte, gab mir eine Hand auf meinem Hintern die Antwort … Moment … auf meinem Hintern?
»Komm«, raunte er mir ins Ohr.