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Madison - Blindbewerbung

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Ich hielt den Briefumschlag in meinen Händen und konnte es nicht fassen. Eigentlich hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, dass sie mir überhaupt antworteten würden. Mit zittrigen Fingern riss ich das Papier auf und zog den gefalteten Brief hervor.

Kurz schloss ich die Augen und atmete tief durch. Beim Auseinanderfalten raschelte das Papier und nach den ersten Sätzen segelte es lautlos zu Boden.

Sie nahmen mich. Sie nahmen mich wirklich. Rasch hob ich den Zettel wieder auf und las ihn zu Ende. Dann schaute ich panisch auf das mitgeteilte Datum und verfiel in Schnappatmung. Ich hatte weder mit einer Nachricht, noch mit einer Zusage gerechnet, aber dass ich morgen … Oh! Mein! Gott! … dort auftauchen sollte, zog mir gerade den Boden unter den Füßen weg.

Ich hatte meinen Eltern, vor allen Dingen meinem Vater, eins auswischen wollen. Eigentlich war es gar nicht so ernst gemeint. Aber nun war es bitterer Ernst. Denn ich hatte keine Ahnung, was passierte, wenn ich morgen dort nicht erschien, oder gar heute meinte, per Telefon abzusagen. Mir war schleierhaft, wie ich es geschafft hatte, dass die Army mich nahm, aber sie tat es. Ich hatte durch meine Eltern zwar zwei Staatsbürgerschaften, aber ich war nicht davon ausgegangen, dass sie eine Halbamerikanerin in Deutschland auf einen ihrer Stützpunkte aufnahmen. Ich hatte ja noch nicht einmal gewusst, dass die Army hier in Deutschland ausbildete und mich blind bei ihnen beworben.

Madison, ganz ruhig, rief ich mich zur Räson und sammelte mich. Als Erstes schaute ich nach, was ich alles mitzubringen hatte … Personalausweise, Impfausweis, Sozialversicherungsnummer, Krankenkassenkarte, Lohnsteuerkarte, sollte ich schon eine besitzen, und natürlich meine eigenen privaten Sachen. Da mir von der Army Kleidung gestellt wurde, teilte man mir höflich mit, dass ich nicht so viele eigene Klamotten brauchte. Während der Grundausbildung würde ich meine Wochenenden in der Kaserne verbringen, was mir ganz recht war. Denn wenn ich dort wirklich hinging, würden mich meine Eltern, besser gesagt mein Vater, eigenhändig erwürgen.

Obwohl ich schon 24 Jahre alt war, meinte mein Vater immer noch, über mich bestimmen zu müssen. Ganz schlimm war es geworden, als ich das Studium zur Betriebswirtin abgebrochen hatte und er meinte, da ich ja von seinem Geld lebte, müsste ich mich seinen Regeln beugen. Und Moneten hatte er. Mein Vater war Inhaber der Summer Hotelkette, dessen Standard er aus Amerika nach Deutschland gebracht hatte. Als er meine Mutter bei seinen vielen Reisen hierher kennengelernt und dann geheiratet hatte, blieb er irgendwann ganz in Deutschland. Natürlich war sein Plan, dass ich in seine Fußstapfen trat. Aber das wollte ich nicht. Besonders schlimm war es geworden, als ein neuer potentieller Geschäftspartner aufgetaucht war: Dirk Bender. Dieser Mann sah vielleicht nicht so aus, aber er betrieb eines der erfolgreichsten Modelabels. Der Zusammenschluss von seinen exklusiven Boutiquen, die es dann in den Hotels meines Vaters geben würde, würde die beiden hoch hinaus katapultieren. Allerdings schien sich Bender in den Kopf gesetzt zu haben, mich ehelichen zu wollen. Daher hatte ich mich verzweifelt bei der Army beworben.

Entschlossen holte ich meinen Hartschalenkoffer hervor und begann ihn zu befüllen. Unterwäsche, Socken, Hosen, Shirts, Pullover, Kleider und Röcke … der Koffer wurde immer voller. Und dabei mussten noch die Toilettenartikel, mein Laptop und einiges an Proviant – wer wusste schon, was ich da für Essen vorgesetzt bekam, oder auch nicht – eingepackt werden. Also holte ich noch den Trolley hervor und hatte im Nu, beide Teile fertig und randvoll gepackt.

Danach begab ich mich an meinen PC und checkte die Verbindungen und wurde blass. Ich konnte nicht einfach mal morgen früh mit dem Zug fahren, sondern, wenn ich rechtzeitig um sieben Uhr morgens in der Kaserne sein wollte, musste ich die Nacht über fahren. Da ich sicherlich nicht das gesponserte Auto von meinen Eltern nehmen würde, suchte ich mir die in Frage kommenden Bahnverbindungen heraus und stöhnte. Ich musste die Abfahrt noch heute Abend wählen und da kamen nur zwei Züge in Frage. Entweder war ich nur knapp fünf Stunden unterwegs und würde die Nacht in Böblingen eintreffen, oder ich wählte die Verbindung, die zehn Stunden dauerte, wo ich zweimal umsteigen musste und dann irgendwann um sechs Uhr am Bahnhof ankam. Ich hatte die Wahl zwischen Cholera und Pest.

Ich würde einfach während der Zugfahrt ein Zimmer buchen, in das ich nach meiner Ankunft die Nacht verbringen konnte. Meinen Eltern schrieb ich einen kurzen Zettel, dass ich mich dazu entschlossen hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, und mich bei ihnen melden würde. Demonstrativ legte ich die Kreditkarte und den Autoschlüssel neben den Zettel. Zuvor hatte ich mein Sparschwein geplündert, was ich trotz meines nicht mehr jugendlichen Alters besaß und würde damit schon einige Zeit über die Runden kommen. Außerdem würde ich hoffentlich bald mein eigenes Geld verdienen.

Knapp sechs Stunden später, mitten in der Nacht, musste ich an dem verlassenen Bahnhof feststellen, dass es kein freies Zimmer auf die Schnelle zu buchen gab. Ich war fassungslos. Ich überlegte hin und her und entschied mich dann, ein Taxi zu ordern, was mich zur Kaserne brachte. Die würden mich sicherlich nicht vor den Toren stehen lassen, wenn ich die Nacht schon ankam und einen Platz zum Schlafen suchte.

Nein, sie ließen mich wirklich nicht stehen, dennoch gab es für mich keinen Platz zum Schlafen. Stattdessen befand ich mich in einem … Verhörraum, gab es das heute überhaupt noch? Und ich wurde immer und immer wieder gefragt, wer ich war und was ich hier wollte.

»Herr ..«

»Sergeant Miles«, verbesserte mich der Kerl sofort.

»Genau, also Sergeant Miles«, begann ich von Neuem. »Wenn Sie in meinem Trolley nachschauen, da finden Sie das Schreiben, dass ich hier angenommen wurde. Das hab ich aber Ihrem Kollegen auch schon erzählt, und dem davor und …«

»Miss Summer«, begann er und diesmal unterbrach ich ihn.

»Frau Summer, bitte.«

Er stützte sich auf dem Tisch vor mir ab und seine Gesichtsfarbe nahm einen ungesunden Rotton an. »Miss Summer, Sie befinden sich hier auf amerikanischem Boden in einer amerikanischen Einrichtung. Bei der Sie, wenn man Ihnen Glauben schenken darf, heute in einer Stunde als Kadett anfangen werden. Also heißt das ab sofort, weder Frau, noch Miss, sondern nur noch Kadett Summer, haben wir uns verstanden?«

Ich nickte hektisch und war froh, als er sich wieder erhob und nicht mehr so nah mit seinem Gesicht an meinem war. Dank seiner Zeitangabe wusste ich nun, dass ich seit fast sechs Stunden hier saß, mir alle Knochen wehtaten und ich vor Müdigkeit fast umfiel.

Die Tür ging auf und der Sergeant wurde hinausgewunken. Wenn ich nicht bald einen Kaffee bekam, würde mein Kopf vornüber fallen und ich schlief augenblicklich ein.

Als die Tür aufgerissen wurde, zuckte ich zusammen. Noch mehr zuckte ich allerdings beim nun folgenden barschen Ton zusammen. »Kadett Summer, aufstehen und folgen.«

Meine Knochen protestierten, aber ich stemmte mich langsam hoch.

»Geht das nicht schneller?«, spie Miles aus und Spuckefäden flogen wie Geschosse auf mich zu. Fast, wenn ich nicht so steif gewesen wäre, hätte ich mich auf den Boden fallen lassen. So musste ich hilflos mit ansehen, wie sie auf meiner Jacke landeten und ich verzog angewidert das Gesicht. Trotzdem beeilte ich mich, hinter Miles herzukommen, der mir draußen meine Koffer in die Hand drückte. Ich ächzte und wollte gerade die Vorrichtung zum Ziehen der Gepäckstücke herausholen, als ich schon wieder angebrüllt wurde. »Kadett, Sie tragen gefälligst die Koffer per Hand! Wer meint, so ne Scheiße hier mitbringen zu müssen, soll sie auch schleppen.«

»Okay«, gab ich kleinlaut zurück.

»Kadett! Wie heißt das korrekt?«

Verdammt, warum schrie er die ganze Zeit?

»Äh, okay, Sir?«

Er trat wieder ganz dich an mich heran und beugte sich zu mir herab. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast und trotzdem schrie er. »Das heißt: Jawohl, Sergeant!«

»Jawohl, Sergeant!«, brachte ich mit fester Stimme hervor, und er schien endlich zufrieden zu sein. Ich dagegen bereute gerade zutiefst, mich hier überhaupt beworben zu haben.

Ich wusste nicht, wie lange ich ihm über das Gelände der Kaserne folgen musste, aber als wir endlich an der Baracke ankamen, die wohl ab sofort mein Zuhause sein würde, war ich nassgeschwitzt und fix und fertig. Schweratmend ließ ich die Koffer in dem mir zugewiesenen Zimmer fallen. Immerhin schien es ein Einzelzimmer zu sein.

»Kadett Summer. Stillgestanden!«

Stöhnend richtete ich mich gerade auf und starrte den Sergeant an.

»Sie haben eine halbe Stunde zum Auspacken, sich einzukleiden und vor das Bett zu treten. Dort warten Sie, bis ihr Ausbilder Sie abholt.« Er wollte gerade gehen und ich die Schulter sinken lassen, zog sie aber sofort wieder hoch, als er sich noch einmal zu mir umdrehte. »Ach und Summer«, nun war ein fieses Grinsen zu erkennen, »spätestens morgen, werden Sie bittend und bettelnd auf den Brustwarzen hier herausgekrochen kommen. Wir brauchen Kadetten, keine Pussys. Verstanden, Pussy Summer?«

»Jawohl, Sergeant«, brüllte ich und er zuckte leicht zusammen. Mein Kampfgeist war geweckt!

Kill den Drill: make love not war

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