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Jared - Blindgänger

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»Fuck«, fluchte ich heute schon zum x-ten Mal. Meine flache Hand schlug dabei so heftig auf den kleinen Tisch, dass die Kaffeetasse, die darauf ihr Dasein fristete, die braune Flüssigkeit über die halbe Tischplatte verteilte. »Fuck Böblingen!«, stieß ich erneut aus.

Nur weil mein Dad, Command Sergeant Major Roger Thomas, meinte, ein Auslandsaufenthalt würde meinem Lebenslauf ganz gut stehen, hatte ich mich vor sechs Monaten nach Deutschland versetzen lassen. Aber fucking Böblingen war der weitaus beschissenste Ort, an dem ich mich befinden konnte. Ich war Soldat der US Army und saß hier in einem Kaff sondergleichen fest.

Miles steckte seinen kurzgeschorenen Kopf zur Tür herein. »Hey, Torture, kommst du voran?« Müde schaute ich auf die Uhr, die links von mir an der Wand hing. Schief. Weil ich während einer kurzen psychischen Indiskrepanz ein Duell mit selbiger gehabt hatte.

»Joar, geht schon«, gähnte ich gänzlich ohne Manieren und begutachtete den Stapel Akten, der sich immer noch vor mir türmte.

»Ich mach Schluss für heute. Hab morgen früh die neuen Kadetten zur Einweisung.«

»Ich weiß, ich hab die hier grad alle auf dem Tisch liegen. Ein unfassbarer Haufen … also Kadetten, nicht Akten«, schnaufte ich und winkte mit einer lapidaren Handbewegung hinter meinem Kollegen her. Sergeant Liam Miles und ich waren hier von Anfang an für die Kadettenausbildung zuständig. Wir hatten damals ein paar Startschwierigkeiten. Wahrscheinlich weil wir beide Kampfhähne sind, die immer besser sein wollen, als der jeweils andere. Aber ich hatte ihm schnell klar gemacht, dass ich meinen Spitznamen ›The Torture‹ nicht von ungefähr hatte. Seitdem hielt er zu mir und die Fresse, wenn es Unstimmigkeiten gab. Die gab es selten, denn ich hatte ohnehin immer recht, auch wenn wir vom Dienstgrad her auf einer Ebene standen. Liam war das so ziemlich egal. Nationalstolz und Ehre hin oder her, er war mit Leib und Seele Soldat, aber wenn sein Dienst vorbei war, ging er zu seiner Frau und seinem Sohn, die ein wenig außerhalb des Stützpunktes wohnten. Da konnte er dann wieder den Boss spielen.

Vor ein paar Stunden war Staff Sergeant John Moore, mein direkter Vorgesetzter, in mein Büro gerauscht, um einen Stapel Akten fallen zu lassen. »Dies sind die Unterlagen der neuen Kadetten, die morgen früh um sieben hier antreten. Machen Sie sich mit denen vertraut, damit Sie wissen, wer oder was auf Sie zukommt.« Bevor er ging, führte er standesgemäß die rechte Hand leicht schräg an seine Schläfe. »Sergeant Thomas«, nickte er und drehte mir wieder den Rücken zu. Mein Salutieren sah er nicht mehr. Aber es war mir schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass mich das nicht interessierte. Ich salutierte einfach.

Nachdem ich mir einen neuen Kaffee aus der Filtermaschine eingeschenkt hatte, machte ich es mir wieder an dem kleinen Tisch gemütlich. Sofern man von gemütlich in dem Büro eines US Army Soldaten, der weder Frau noch Kinder vorzuweisen hatte, sprechen konnte. Alles war ziemlich karg. Mit den Pflanzen führte ich gerade ein Experiment durch, wie lange sie wohl ohne Wasser über die Runden kämen. Ich war ohnehin lieber draußen auf dem Übungsplatz.

Stöhnend griff ich mir die nächste Akte und schon beim Öffnen konnte ich einen leichten Würgereiz kaum unterdrücken. Wer zur Hölle ließ solche Spackos zur Armyausbildung zu? Dürr wie eine Bohnenstange, blass wie eine Packung Reiswaffeln und der Blick ... na ja ... mit dem würde ich garantiert meinen Spaß haben. Steve, den Namen musste ich mir für später merken.

Die nächsten Unterlagen wurden nicht besser. Dafür wurde ich immer müder. Was sich jedoch schlagartig änderte, als ich eine für meine Begriffe zu dünne Akte zur Hand nahm. Ich stutzte, als ich die ersten Blätter umschlug und zu einem Foto kam, auf dem mich keiner dieser Weichplinsen anglotzte. Sondern ein Mädchen. What the fuck? Wann war die Army zu einem Spielplatz geworden? Plötzlich konnten hier Mädchen reinspazieren und ein bisschen mit Gewehren rumballern?

Ich liebte Frauen, weiß Gott, ich liebte sie sehr. Aber nicht in der Army, zumindest nicht in einer aktiven Truppe oder an einer Waffe. In der Verwaltung maximal. Am liebsten aber waren mir Frauen auf meinem Schoß oder in meinem Bett oder mit ihren Lippen um meinen …

»Shit!« Ohne es zu merken, hatte ich mir den Kaffee, der eigentlich in meinen Mund landen sollte, über die Uniform geschüttet. Nur weil da so ein verschissenes Foto auftauchte, verlor ich jegliche Beherrschung. Schnell wischte ich mir die nasse Flüssigkeit vom Hemd. Noch während ich versuchte, den Schaden zu begrenzen, wendete ich mich wieder dem Bild zu. Eigentlich waren biometrische Passfotos Voraussetzung für eine Bewerbung. Das hier hatte damit jedoch so viel zu tun, wie ein Marienkäfer mit Architekturfotografie. Das Mädchen grinste mir entgegen, ihre langen, dunkelroten Haare fielen offen über ihre Schultern. Von Demut oder dem Willen, sich hier unterzuordnen, konnte ich nicht viel erkennen. Halleluja, das konnte ja heiter werden … Ihr Name ließ darauf schließen, dass sie Amerikanerin war, zumindest eine doppelte Staatsbürgerschaft hatte sie. Wenigstens ein Kriterium, dass sie bedingungslos und auch nachweislich, wie sich einige Seiten später herausstellte, erfüllte. Madison Summer. Na hoffentlich war der Name Programm und sie war so heiß, wie der Sommer, den sie im Namen trug. Ein bisschen Abwechslung konnte nicht schaden. Ich blätterte mich länger als nötig durch ihre Papiere und als ich zu dem Punkt kam, an dem sie in ihrer Bewerbung begründen musste, warum sie zur Army wollte, prustete ich so stark, dass ich den Kaffee an die Wand spuckte. »Holy Shit«, entfuhr es mir. Sie wollte also schon immer wissen, wie eine Kadettenausbildung so läuft. Das kannst du kriegen, Häschen, dachte ich mir und schloss die Akte.

Es war fast Mitternacht, als ich mit den Papieren soweit durch war, dass ich alle Namen kannte und die Gesichter zumindest halbwegs zuordnen konnte.

***

Mit Verlaub gesagt, hatte ich beschissen geschlafen und rieb mir immer noch die Augen, als ich am nächsten Morgen wieder an meinem Schreibtisch saß. Es war gerade mal halb sieben und hier war schon der Teufel los. Nebenan bearbeitete Liam gerade einen der neu gestrandeten Kadetten und ich musste feixen, als ich ihn brüllen hörte. Erfahrungsgemäß verabschiedeten sich zehn der zwanzig Schwächlinge nach den ersten zwei Wochen freiwillig. Am Ende blieb immer nur eine Hand voll übrig, die das hier wirklich wollten. Miles würde die Neuankömmlinge in der Baracke einweisen und dafür sorgen, dass sie pünktlich um sieben stramm standen, wenn wir zu einer ersten Begutachtung auftauchten. Man könnte meinen, für einen Drill Instructor sei das aufregend, in regelmäßigen Abständen junge Menschen an ihre eigenen Abgründe zu führen. Aber für Aufregung war ich zu abgebrüht. Dennoch war es heute anders. Zum ersten Mal würde ich eine Frau in der Ausbildung haben und war gespannt, wie sie sich schlagen würde.

Ein paar Minuten später stand Miles grinsend vor mir. »Die sind alle so arschaufgeregt, das wird ein Spaß«, feixte er dreckig und wir setzten uns in Bewegung.

Punkt sieben sorgte ich dafür, dass die schwere Stahltür der Baracke mit einem lauten Knall aufflog. Zwanzig Kadetten standen vor ihren Etagenbetten und schlotterten mit den Knien. Eine Augenweide für mich und Liam. Wir salutierten in gewohnter Manier.

»Kadetten, stillgestanden!«, brüllte Miles, dass selbst mir die Ohren abflogen. Alter, der hatte ein Organ und eine feuchte Aussprache, da wurde auch der Letzte nass beim Reden. »Das hier ist Ihr Ausbilder, Sergeant Jared Thomas. Er und meine Wenigkeit werden Sie in den nächsten neun Wochen hart trainieren, damit Sie dem Leben in der Army gewachsen sind. Der organisatorische Teil beginnt«, er sah kurz auf die Uhr, »in einer Stunde. Punkt Achthundert finden Sie sich im Klassenraum zwei im Verwaltungsgebäude ein.«

Während Liam seinen Text runterratterte, schaute ich mir die Weicheier an, die hier vor uns standen und Soldaten werden wollten. Nicht zu glauben, wer sich alles dazu berufen fühlte. Aber aus dem einen oder anderen könnte gewiss etwas werden.

Ein großer Koffer fiel mir auf. Er war so groß, dass die dazugehörige Kadettin es nicht geschafft hatte, ihn unter ihrem Bett zu verstauen. Wahrscheinlich hatte sie all ihren Tussikram von zu Hause mitgebracht, den sie hier gar nicht brauchen würde. Make-up und Schmuck waren nicht erlaubt. Es gab nur eine Sache, die für Mädchen hier zugelassen war und das war ihre Monatshygiene. Bevor ich angewidert mein Gesicht verzog, widmete ich mich lieber dem der Kadettin. Sie war hübsch und hatte ebenmäßige Gesichtszüge. Ihre langen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Braves Mädchen. Sie blickte starr geradeaus und selbst von hier aus konnte ich sehen, dass sich ihr Brustkorb schnell hob und wieder senkte. Boobs … Ach du Scheiße, reiß dich zusammen, rief ich mich selbst zur Räson, bevor ich mit meinen Augen überhaupt in die Nähe ihrer Oberweite kam.

»Sie da, das Mädchen«, langsam schritt ich an den Neulingen vorbei und blieb genau vor der Lady stehen. »Genau Sie.« Aufmüpfig reckte sie mir ihr Kinn entgegen, traute sich jedoch nicht, mir direkt in die Augen zu sehen. »Ziehen Sie sich was an, damit Sie den Frischlingen nicht die Stielaugen verdrehen.« Ich fixierte sie mit meinem durchdringenden Blick und lüpfte mit meinem Zeigefinger den Träger ihres Tops.

»Okay«, sagte sie und verschränkte automatisch die Arme vor ihrer Brust, um selbige zu verbergen. Hatte sie gerade wirklich Okay gesagt?

»Wie bitte?« Ich beugte mich vor und flüsterte bedrohlich. »Sie wollten sicher Jawohl, Sergeant Thomas sagen, oder!?« Ihr Blick senkte sich. Armes kleines Mäuschen, dachte ich mir, du wirst dir wünschen, deine Bewerbung nie abgeschickt zu haben.

»Jawohl, Sergeant Thomas«, flüsterte sie.

»Lauter, Kadettin Summer. Niemand kann Sie hören. Oder? Kann jemand hier im Raum hören, was die Dame gesagt hat?« Fragend schaute ich mich im Raum um und erntete verängstigte Blicke und das ein oder andere Kopfschütteln. »Also, noch mal und so, dass es auch die Kakerlake in der letzten Ecke hören kann.«

Ihr hübsches Gesicht war hochrot, ihre Lippen zitterten. Fuck, sie hatte … schöne Lippen … »Jawohl, Sergeant Thomas«, spie sie mir entgegen und entlockte mir damit ein schiefes Grinsen.

»Gentleman«, ich blickte erneut in die Runde, »und Lady, Ihnen bleiben noch 30 Minuten bis zum Beginn der Orgaeinheit.«

Kill den Drill: make love not war

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