Читать книгу Satisfaction - Ein Rebell vor dem Herrn - Melanie Weber-Tilse, Alisha Mc Shaw - Страница 4

Schade um den Kuchen

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Sanft drückte ich die Hand der alten Dame, die mit strahlendem Blick zu mir aufsah. »Möge Gott dich segnen dafür, Deliah«, sagte sie leise. »Ich werde Pfarrer Wright bei der Sonntagsmesse sagen, wie sehr du dich wieder um mich bemüht hast, Kind!«

Ich lächelte sanft, ehe ich Mrs. Donovans Hand in ihren Schoß legte und sie mit dem Rollstuhl ins Innere des Hauses zurückbrachte. »Das mache ich wirklich gern, Enid! Es macht mir Freude, dir zuzuhören, wenn du aus den alten Zeiten erzählst«, versicherte ich.

»Wie geht es dem Pfarrer denn zur Zeit?«, erkundigte sich die alte Dame, nachdem wir in ihrem kleinen, aber gemütlichen Wohnzimmer angekommen waren.

Kurz huschte ein Schatten über mein Gesicht. Seit einigen Wochen half ich bei allem, was in der Kirche so anfiel, denn mit der Gesundheit von Pfarrer Wright stand es nicht zum Besten. Die ganze Gemeinde machte sich Sorgen um ihn. Als mein Vater ihn vor einigen Wochen dabei ertappt hatte, wie er auf einer wackligen Leiter stehend versuchte, das Kirchendach zu reparieren, war er nicht nur äußerst erbost dazwischengegangen, sondern hatte auch ein lautes Machtwort gesprochen und ihn von der Leiter heruntergeholt. Das stand ihm als Vorsteher unserer Gemeinde durchaus zu, auch wenn der Pfarrer das kirchliche Oberhaupt war.

Leider war das Kirchdach so marode, dass es wirklich dringend repariert werden musste, weshalb mein Vater dafür sorgte, dass ein paar der jungen Männer aus unserem Dorf es zumindest provisorisch abdeckten, während dem Pfarrer ausdrücklich verboten wurde, mehr zu tun, als für das Gelingen des Dachdeckens zu beten. Das musste nun reichen, bis eine Lösung gefunden war, die auch bezahlt werden konnte. An jenem Tag war ich Mrs. Wright zur Hand gegangen und verpflegte mit ihr die Jungs, die das Dach flickten.

Seitdem waren wir zu einer stillschweigenden Übereinkunft gekommen und ich half ihr, so oft ich konnte – schließlich hatte mein Vater mich früh gelehrt, das Geben seliger war als nehmen. Ich besuchte die alten Damen, machte Besorgungen für sie oder saß einfach nur bei ihnen, um zuzuhören. Das war manchmal alles, was es brauchte, um eine der Frauen glücklich zu machen.

Als ich zwanzig Minuten später das Haus meiner Eltern betrat, wehte mir schon im Flur der herrliche Duft von Apfelkuchen entgegen, welcher mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Ich blieb in der Tür stehen und ging in Gedanken erschrocken alle Geburtstage durch. Hatte ich jemanden vergessen? Kuchen gab es nur zu besonderen Anlässen, und gerade am heiligen Sonntag backte Mom nur, wenn es eben einen solchen gab. Aber mir fiel niemand ein, an den ich nicht gedacht haben könnte und so machte ich mich auf den Weg in die Küche. »Gott zum Gruße!«

»Dir zum Segen, Deliah ... hast du schon alles erledigt?« Meine Mutter drehte sich mit dem dampfenden Blech zu mir um und lächelte.

Ich nickte und sah abwartend zwischen ihr und dem Blech hin und her. Wenn ich wirklich einen Ehrentag übersehen hatte, würde ich es jetzt erfahren. Sie folgte meinem Blick und dann lachte sie leise. Das war gut, denn offensichtlich irrte ich mich.

»Während du unterwegs warst, erhielt ich einen Anruf von Mrs. Wright. Sie teilte mir mit, dass ihr Sohn ab heute wieder in Chearfield leben und die Werkstatt vom alten Mr. Parker übernehmen wird. Und da dachte ich ...«

Mrs. Wrights Sohn? »Und was ist mit ihren eigenen Gemeinden?«

Meine Mutter sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Nicht die Söhne, Deliah ... der andere

Der seltsame Unterton, den sie in ihre Aussage gelegt hatte, ließ mich innehalten. Der andere? Es gab Nathaniel, der die Gemeinde Eastwick gleich nebenan leitete, und Gabriel, der mit seiner Frau einige Meilen entfernt in Quickbrown lebte. Und dann gab es noch den Sohn, der vor vielen Jahren ... ich hielt inne. »Oh. Der andere!« Ich tippte mir mit dem Finger gegen das Kinn und versuchte, mir alles ins Gedächtnis zu rufen, was ich wusste.

Doch besonders viel war das nicht, denn ich war erst ungefähr acht Jahre gewesen, als Samuel Wright das Dorf in Schimpf und Schande verlassen hatte, wie meine Mutter meinem Vater damals entrüstet berichtete. Offenbar hatte er so schlimme Dinge getan, dass sie sich nicht einmal wagte, sie auszusprechen. Ich bekreuzigte mich hastig.

Aber ... »Warum kommt er dann jetzt zurück?«

Mom seufzte leise.

Ich verstand schlagartig. »Es sieht wirklich nicht gut aus mit Mr. Wright, habe ich recht?«

»Er ist alt, Deliah ... und der Gemeinde fehlt Geld, um all das zu stemmen, was in Ordnung gebracht werden müsste. Aber immerhin scheint Samuel seine Eltern wenigstens noch so weit ehren zu wollen, dass er zurückkehrt und die Werkstatt wiedereröffnen wird. Das wird uns allen helfen!«

Ein schweres Band aus Trauer legte sich um mein Herz. Mr. Wright war schon Pfarrer in Chearfield gewesen, als ich noch nicht auf der Welt war. Es war unmöglich, mir das Dorf ohne ihn vorzustellen. Wenn der verlorene Sohn wieder aufgenommen wurde, musste es schlimmer stehen, als ich glaubte.

»Und der Kuchen ...«, ich schluckte.

»Soll ein Zeichen sein, dass wir ihn trotz all seiner Verfehlungen herzlich willkommen heißen. Ich möchte, dass du gleich rüber zur Werkstatt läufst und ihm den Kuchen mit Gottes Segen von uns überbringst.« Meine Mutter lächelte.

Ich öffnete den Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Wenn meine Eltern bereit waren zu verzeihen, dann sollte ich das wohl auch tun. Noch dazu, wo ich nicht einmal wusste, weshalb Samuel damals unser Dorf verlassen hatte. Ich erinnerte mich schwach an einen schlaksigen, großgewachsenen Kerl, der eigentlich sogar ziemlich beliebt gewesen war.

»In Ordnung.« Energisch zog ich mir die Sonntagsschürze von der Hüfte. »Ich wasche mir nur schnell die Hände, und dann werde ich mich auf den Weg machen.«

Neben dem alten Kirschbaum mit der Schaukel, auf der ich als Kind schon geschaukelt hatte, stand ein Auto, dass ich keinem Bewohner Chearfields zuordnen konnte. Das musste also Samuel Wrights Wagen sein. Ich wechselte meine Handtasche in die Hand, die das Kuchenblech hielt und berührte mit der anderen das verwitterte Holz. Ein Lächeln glitt über mein Gesicht.

Der alte Mr. Parker war ein netter Mann und auch ihn hatte ich heute Morgen besucht. Nachdem er die Werkstatt aufgegeben hatte, war er zu seiner Schwester gezogen und die beiden alten Menschen lebten in einem kleinen Häuschen im Dorf. Für einen Moment stand ich in Gedanken versunken, schubste die Schaukel sachte mit der Hand an und sah ihr beim Schwingen zu.

Dann gab ich mir einen Ruck und betrat den Hof. Überall konnte man die Überreste der alten Geschäftigkeit sehen, die einst hier geherrscht hatte und welche Mr. Wrights Sohn nun zurück nach Chearfield bringen sollte. Ich war zugegebenermaßen neugierig, wie Samuel nun aussah. In langsamen Schritten überquerte ich den Hof und öffnete die Tür, hinter der sich die Treppe nach oben verbarg.

Vorsichtig stieg ich die ausgetretenen Stufen hinauf, damit ich nicht stolperte. Aus der Küche drangen Geräusche zu mir herab, der verlorene Sohn schien sich also bereits häuslich einzurichten. Ich räusperte mich laut, damit er sich nicht erschrak, wenn ich plötzlich im Zimmer stand.

In der nächsten Sekunde blieb ich wie angewurzelt stehen. Der neue Bewohner war in der Tat dabei, sich ähm ... einzurichten. Nackt, wie Gott ihn schuf, stand Samuel Wright neben dem Küchentisch und hielt sein ... Ding ... fest mit der Hand umschlossen. Doch er war mitnichten bewegungslos, denn die Handbewegung, die er vollführte, war eindeutig.

Entsetzt hielt ich die Luft an und bekreuzigte mich hastig. Leider führte das dazu, dass meine Hand, die nicht nur das schwere Blech, sondern auch meine Tasche hielt, ihre Kraft endgültig verließ. Diese fiel polternd zu Boden und Samuel fuhr zu mir herum. Sein Blick traf den meinen, er keuchte auf. Aber nicht, wie ich für den Bruchteil einer Sekunde glaubte, vor Entsetzen. Die Lust, die sich auf seinem Gesicht abmalte, sprach eine eindeutige Sprache. Sein - Oh mein Gott! - pulsierte und dann schoss in festen Schüben der Samen aus seiner Spitze und ... »Der Kuchen!«, kreischte ich auf und wich zurück.

Ich wäre vermutlich rücklings die Treppe hinabgestürzt, wenn nicht Samuel trotz seiner ... Lage ... so geistesgegenwärtig reagiert und mich mit einem Griff am Arm vor dem Fallen bewahrt hätte, sodass nur das Kuchenblech polternd die Stufen herunterfiel.

Diese Geistesgegenwärtigkeit führte jedoch nicht nur dazu, dass ich nicht stürzte, sondern auch dazu, dass ich mich dicht an Samuel, den nackten Samuel!, gepresst wiederfand und der Beweis seiner Manneskraft sich fest an meinen Unterkörper drückte.

»Na, das nenne ich mal eine nette Begrüßung!«, erklang es rau, aber eindeutig amüsiert an meinem Ohr und ich keuchte auf.

Empört stemmte ich meine Hände gegen seine Brust und versuchte, mich von ihm wegzustoßen. »Loslassen!«, forderte ich.

»Sicher? Dann fällst du aber doch noch die Treppe runter!« Lachend vollführte Samuel eine halbe Drehung mit mir, ehe er mich freigab und ich gegen den Küchentisch stolperte.

Hastig umrundete ich den Tisch und brachte ihn als Sicherheit zwischen ihn und mich, ehe ich mich mit gesenktem Blick erneut bekreuzigte. »Könnten Sie sich vielleicht etwas anziehen?«, flüsterte ich dann.

»Könnte ich ...«, erklang es von der Tür her. »Aber das ist mein Haus, und wenn ich mich nicht irre, bist du hier eingedrungen!«

Mein Kopf ruckte hoch und – sorgsam darauf bedacht, nur in sein Gesicht zu sehen – ich funkelte ihn an. »Auch in meinem eigenen Haus renne ich nicht einfach nackt durch die Küche!«

»Nicht?« Samuel lachte und erwiderte meinen Blick mit spöttischem Grinsen. »Das ist wirklich schade! Waren nicht auch Adam und Eva nackt, als Gott sie schuf?«

Meine Kinnlade fiel herab. Das war Blasphemie! »Sie ... Sie ...«, stammelte ich.

»Arsch? Gotteslästerer? Teufelsanbeter?«, schlug Samuel vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Dann machte er einige Schritte auf mich zu und Panik ergriff mich. Was ...?

Suchend blickte ich mich um, aber bis auf eine leere Kaffeetasse konnte ich nichts erblicken, dass ich als Waffe hätte nutzen können. Mit einem leisen Aufschrei lief ich links am Tisch vorbei auf die Treppe zu.

»Willst du etwa schon gehen?«, rief Samuel mir nach. »Wir hatten doch noch gar keinen Kuchen! Ich könnte noch für etwas Sahne sorgen?«

Ich hastete die Stufen hinab, verfolgt von seinem Lachen. Schweratmend blieb ich am Fuß der Treppe stehen und starrte auf den zerstörten Kuchen hinab. Das Entsetzen, das mich gepackt hatte, wich der Frustration und ich ging aufschluchzend in die Knie. Zitternd versuchte ich, die Überreste des Kuchens wieder auf dem Blech zu sammeln, während wahre Sturzbäche an Tränen meine Wangen hinunterliefen. »Vater unser, der du bist im Himmel ...«, betete ich leise vor mich her.

»Na, der wird dir jetzt aber auch nicht helfen«, erklang es mürrisch neben mir und eine Hand tauchte vor meinem Gesicht auf. In dieser - ein blütenweißes Taschentuch.

Ich ignorierte die Geste, die ja eigentlich sogar ganz nett war und fuhr damit fort, den Kuchen aufzustapeln. »Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele«, murmelte ich und rief mir alle Gebete, die ich jemals gelernt hatte, vor Augen.

»Heilige Scheiße, ich bin noch nicht ganz angekommen und schon werde ich mit diesem Kram vollgelabert. Das ist doch nicht zum Aushalten!«, stöhnte Samuel neben mir auf und die Hand mit dem Taschentuch verschwand.

Das laute Poltern auf der Treppe verriet mir, dass ich ihn erfolgreich in die Flucht geschlagen hatte. Ich seufzte erleichtert auf und griff nach dem Blech, bevor ich mich aufrichtete. Der schöne Kuchen war jetzt vollkommen ungenießbar. Zumindest für ihn. Entschlossen verließ ich das Haus und marschierte auf den Rand des Hofs zu. Dort zerbröckelte ich den Kuchen noch etwas mehr und verteilte ihn dann im Gebüsch. So würden wenigstens die Vögel noch etwas davon haben. Ich drehte das Blech und entfernte auch die letzten Krümel.

Noch immer pochte mein Herz laut in der Brust und die Bilder dessen, was ich gesehen hatte, drehten sich wie in einem Karussell vor meinem inneren Auge. Wo war der schmächtige Junge, den ich im Gedächtnis hatte, geblieben und was konnte ihm widerfahren sein, dass ihn so hatte werden lassen? Trotz allem, was er mir angetan hatte, stand für mich fest, dass ich für sein Seelenheil beten musste. Es war niemals zu spät für Reue.

Die leise Stimme, die mir zuflüsterte, dass dieser Sünder nicht einmal ansatzweise den Anschein erweckt hatte, als gäbe es für ihn etwas zu bereuen, ignorierte ich geflissentlich. Auch ein schwarzes Schaf sollte einen Platz haben, an dem es willkommen geheißen wurde! Ich richtete mich auf, drehte mich herum und wäre fast erneut in Samuel hineingerannt, der, diesmal wenigstens angezogen, hinter mir stand.

»Es tut mir leid ...«, setzte er an und ich wollte gerade schon freundlich lächeln, als er »um den Kuchen!«, hinzufügte.

Ich schnaubte und schüttelte den Kopf, bevor ich an ihm vorbeiging.

»Wie heißt du eigentlich?«

Ich würde ihn einfach ignorieren. Nein, eigentlich wollte ich mich umdrehen und ihm die Zunge herausstrecken, aber das erschien mir dann doch zu albern, also seufzte ich nur auf und blieb stehen. »Deliah«, entgegnete ich.

»Deliah«, wiederholte er und obwohl ich ihn nicht sehen konnte, erschien vor mir das Bild seines Gesichts, auf dem sich ein süffisantes Grinsen breitgemacht hatte. Er sprach meinen Namen, als sei ich ein Stück Sahnetorte! »Willst du nicht vielleicht«, ich versteifte mich unwillkürlich, »deine Handtasche mitnehmen?«

Wortlos streckte ich die Hand aus, ohne mich umzudrehen. Anstandslos bekam ich meine Tasche zurück. Mit der anderen Hand raffte ich meinen Rock und dann flüchtete ich vom Hof, begleitet von Samuels Lachen.

Satisfaction - Ein Rebell vor dem Herrn

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