Читать книгу Sieben Kerle, sieben Storys – ein Finale - Meli Telmann - Страница 1
Kurt und der Nicht-Prinz
ОглавлениеManchmal wiederholt das Leben einen Film. Selten zwei Filme. Überaus rar ist die unmittelbare Verknüpfung der Realität mit virtuellen Welten. Oder?
Vor zwei Wochen hatte Kerstin sich im Dating-Portal angemeldet; heute fand das erste Treffen statt. Mit Kurt, 52, 1,67, geschieden. Auf dem Profilfoto stellte er sich sportlich dar – mit Rennrad, passendem Dress und Schutzhelm. Dadurch strahlte er Dynamik aus, ohne wirklich sichtbar und erkennbar zu sein. Was nicht nur Kurts Auftritt begünstigte, sondern auch Kerstin entgegenkam – ließ sie sich doch oft abschrecken von Männern auf Fotos, die ihr so gar nicht gefielen. Wobei sich tatsächlich die Frage ergab, was passte ihr nicht? Der Mann oder das Foto? Im wahren Leben war sie ja ab und an mit weniger attraktiven Männern zusammen gewesen, die zum Ausgleich eine gewinnende Art hatten. Sei es eine besondere Dynamik und Forschheit oder eine überzeugende Zugewandtheit. Allerdings fand Kerstin auch entschuldigende Worte für ihre Ablehnung im Portal: auf den ersten Blick hatte sie sich von den unattraktiven oder besser gesagt wenig gutaussehenden Männern im wahren Leben, um es mal so zu nennen, nie angezogen gefühlt – gewinnend fand sie diejenigen dennoch irgendwann.
Was den sportlichen Profilauftritt des Mannes anging: Irgendwann hörte sie später aus dem Mund einer Prominenten, die Kerstin hier nicht diffamieren will, zu der sie sich aber des Öfteren bereits derart geäußert hatte, dass sie nicht die allergeringste Sympathie für sie hege; was wohl noch einer Beschönigung gleichkam. Aus dem Munde dieser Besagten also hörte sie die Worte, dass Männer in Dating-Portalen zu neunzig Prozent sportlich aufträten. Ein Fakt, den Kerstin nach einer Weile auf der Plattform durchaus bestätigen konnte, nicht zu hundert Prozent, also die neunzig Prozent nicht zu hundert Prozent bestätigen konnte, doch gut die Hälfte waren es durchaus. Dem maß sie allerdings kein großes Gewicht bei. Im Munde der erwähnten prominenten Persönlichkeit hatte die Äußerung von dem sportiven Auftreten der Männer in Dating-Portalen jedoch einen Unterton, nein, nicht einen Unterton, sondern einen betonten Ton von schwanzlos, hirnlos, seelenlos.
Bei Kurt passte das sportliche Auftreten, wer hätte das gedacht, zu seinem forschen Verhalten: Kaum war Kerstin fünf Minuten im Portal, als Kurt nachfragte, ob sie sich mit ihm treffen wollte. Was, auch das wusste Kerstin in den Anfängen ihrer Portal-Präsenz noch nicht, auf den Plattformen eher selten war. Und wenn es vorkam, dass sich ein Mann einem, bildlich gesprochen, direkt an den Hals warf, so kam meist ein oder zwei Tage später von der Administration die Meldung, dass genau derjenige aus dem Portal entfernt worden sei, wegen ungebührlichen Auftretens.
Doch Kurts Forschheit war keiner bösen Absicht geschuldet.
Die Entschlossenheit gefiel Kerstin und stimmte sie gegenüber seinem Konterfei milde. Ein Mann, der weiß, was er will. Der weiß, was er hier in der gefilterten und aufbereiteten virtuellen Welt möchte. Daher gab sie ihm auch recht schnell ihre Handynummer. Zum Whatsappen. Das bereute Kerstin recht schnell. Nicht aus Sicherheitsgründen, sondern aus Gründen des guten Geschmacks.
Denn sie erhielt von ihm stehenden Fußes und fortan jeden Morgen und jeden Abend einen ausgeschmückten Liebesgruß. Mann und Frau umarmen sich vor untergehender Sonne. Sinnsprüche aus der Reihe Liebe ist …, zum Beispiel Liebe ist Mut und Mut tut gut. Videos und Animationen, die Liebesszenen zeigten. Nein, keine pornografischen. – Zwei Äffchen, inniglich umarmt, Buchseiten in Herzform, die im Raum schwebten, zwei Schäfchen Arm in Arm am Sternenhimmel.
Wie auch immmer, sie verabredete sich mit Kurt.