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Soulman

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Kerstin ist ein Kniff eingefallen, der vielleicht funktionieren könnte. Mittlerweile schreibt sie ja Männer im Portal an. Sie schaut auf die Angaben zur Lieblingslektüre oder den favorisierten Film. Manchmal ist auch ein origineller Einstieg dabei. Einmal hat der Profilname sie motiviert: Hiob. Nicht dringend ein gefälliger Name. Aber Kerstin hat er berührt, wie jemandem ein todtrauriger, aber hochspannender Film gefällt. Außerdem sah Hiob gut aus, das Foto sah gut aus, der Mann auf dem Foto sah gut aus. Jünger als das angegebene Alter 52. Sie schrieb ihm:

„Hallo Fremder. Bei der Hiobsgeschichte sind mir die Klugscheißer auf den Geist gegangen, die sich immer wieder zu Wort melden. Die wussten schon von vorneherein, dass Hiobs Pech gottgewollt, also rechtens, gerecht war, dass das Unglück Sinn machte, ihm eine Lehre sein sollte.“

Ausführlicher zu schreiben, dafür war kein Platz.

Hiob antwortete, dass er religiös sei, was sie ihn auch gefragt hatte. Und ja, auch ihm gehe es so, dass er die Besserwisser in der Geschichte nicht möge.

Solch ein ambitionierter Mann war allerdings selten. Kennengelernt hatten sie sich nicht.

Kerstin nahm also ein Thema des Profils auf, schrieb und wenn eine Antwort kam, so reagierte sie, nach einer angemessenen Zeit, und stellte wiederum eine Frage. So wie eben Kommunikation fortschreitet.

Nun hatte sie eine neue Idee. Der letzte Mann, den sie kontaktiert hatte, sprach in seinem Profiltext oder auch bei der Lieblingslektüre von Kugelmenschen. Der Begriff war ihr fremd. Sie dachte dabei an Science-Fiction, an alte expressionistische Filme. Auf jeden Fall fragte sie als Einstieg, was sie auch hätte googeln können:

„Was sind Kugelmenschen?“

Nach ein paar Tagen kam eine Antwort:

„Sind aus der Mythologie. Die beiden Hälften der Kugel müssen zusammenpassen, zwei Menschen vereinen sich zu einer Kugel.“

Wieder ein paar Tage später, das selbstauferlegte Intervall von, na ja, halt ein paar Tagen, beachtend, bedankte sich Kerstin für die Info und wies darauf hin, dass sie dadurch eine Bildungslücke geschlossen habe. Sie wünschte ihm einen schönen Sonntag.

Während sie antwortete, beim Zweitkontakt stand funktional mehr Platz zur Verfügung, dachte sie noch: eigentlich müsste ich nun die Anschlusskommunikation in die Wege leiten, sprich eine weitere Frage stellen. Aber sie war an diesem Tag maul- und schreibfaul. Und beließ es dabei.

Nun rechnete sie auch nicht damit, von ihm, der halben Kugel, wieder etwas zu hören. Gleichzeitig, ganz unterschwellig, schlich sich das Gefühl ein, dass dies weniger entgegenkommende Verhalten vielleicht einen besonderen Reiz ausmache.

Und tatsächlich, ein paar Tage später kam wiederum eine Replik. Sein Interesse war geweckt.

Und diesen Kniff wollte sie nun weiter anwenden: Kontaktieren, im Falle einer Antwort reagieren, aber keine Frage mehr stellen. Übrigens, geantwortet hatte der halbe Kugelmensch:

„So schlimm ist das nicht, dass du das nicht wusstest. Nicht wirklich eine schwerwiegende Bildungslücke. Was treibst du sonst denn so? Liebe Grüße, Werner“

Nicht zu jedem passte die Vorgehensweise, auf wen sie passte, das hatte Kerstin bisher noch nicht definiert. Auf wen es nicht zutraf, wusste sie bereits: Soulman.

Sieben Kerle, sieben Storys – ein Finale

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