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Kapitel 4


Kent

Ich konnte es kaum glauben. Die ganze Zeit hatten wir Beth nicht ernst genommen. Wir hatten gedacht, es wäre nur ihre Eifersucht, die sie dazu brachte, ihre Cousine zu hassen. Doch nach dem, was in der Mädchenumkleide geschehen war, konnten wir die Tatsachen nicht länger ignorieren. Abby war nicht, was wir gedacht hatten. Sie war alles andere als unschuldig. Ich hätte es ja in Betracht gezogen, dass Beth versuchen würde, ihre Rivalin falscher Tatsachen zu beschuldigen, doch nicht nur hatte Beth drei Zeugen, sie würde auch niemals ihr eigenes Gesicht mit einem Messer verunstalten. Dazu war sie viel zu eitel. Vielleicht hätte sie sich ein blaues Auge oder so verpasst, was wieder abklingen würde. Doch sich das Gesicht aufzuschneiden? Wenn dies bedeutete, dass sie eine Narbe davon tragen würde? Das war mehr als unwahrscheinlich. Unmöglich.

„Ihr habt mir nicht glauben wollen“, schluchzte Beth dramatisch und hielt sich die Wange, die jetzt mit Gaze und Pflaster bedeckt war. „Jetzt seht, was diese Irre mir angetan hat. Ich werde eine verdammte Narbe davon zurückbehalten.“

„Beth hat recht“, sagte Nate finster. „Wir haben den Fehler gemacht, ihre Worte nicht ernst zu nehmen, und jetzt hat sie dafür bezahlen müssen. Abby ist für zwei Wochen suspendiert und wird sich vor Gericht verantworten müssen, doch das ist nicht genug. Das Jugendgericht wird ihr wahrscheinlich ein paar Stunden gemeinnütziger Arbeit aufbrummen. Das ist keine Strafe. Wir müssen das in die Hand nehmen.“

„Was schlägst du vor?“, fragte Ian. „Ihr auch das Gesicht aufschneiden?“

Mir gefiel das sadistische Glitzern in Ians Augen nicht. Ja, Abby musste bestraft werden. Doch die Idee, ihr die Wange aufzuschlitzen, saß mir schwer im Magen. Ian war normalerweise der Netteste der KINGS. Ich hätte seine Worte als Scherz aufgefasst, wäre da nicht der Ausdruck in seinen Augen. Ich sah Nate an. Der schüttelte den Kopf.

„Nein, wir haben zwar mehr oder weniger Narrenfreiheit an der Schule, doch wenn wir das tun, werden wir nur in Schwierigkeiten geraten. – Nein, sie wird anders leiden.“ Sein Blick ging zu mir. „Du wirst das übernehmen, Kent. Sie ist dein. Dein, zu terrorisieren. Dein, zu bestrafen. Nur zwei Regeln. Regel eins: Du wirst ihr nichts antun, was uns in Schwierigkeiten bringt, also keine Wunden, keine Brüche. Regel zwei: Du wirst sie nicht ficken. Lass deinen Schwanz in der Hose. Ist das klar?“

„Keine Sorge“, knurrte ich. „Ich hab nicht vor, meinen Schwanz in ihr Loch zu stecken. Wahrscheinlich hat sie Zähne an ihrer Möse.“

Gregory lachte, und wir anderen – abgesehen von Beth – fielen in das Lachen mit ein. Nates Worte registrierten in meinem Kopf. Mein Lachen verstummte und ließ mich mit einem Grinsen zurück. Abby war mein. Mein, zu terrorisieren. Mein, zu bestrafen. Ich rieb meine Hände zusammen und meine Augen funkelten mit Begeisterung. Ich erhob mich vom Tisch und warf einen Blick in die Runde.

„Wir sehen uns“, sagte ich. „Ich hab Rachepläne zu schmieden.“

Abby

Mein erster Tag zurück an der Schule war genauso schrecklich, wie ich es mir ausgemalt hatte. Überall begegneten mir hasserfüllte Blicke und gehässiges Geflüster. Ich hatte mich zuerst im Büro der Schulleitung melden müssen und der Schulleiter hatte mir eine lange Rede gehalten. Mir klingelten noch immer die Ohren. Ich hatte nicht einmal mehr versucht, mich zu verteidigen. Niemand glaubte mir. Ich würde mir ja selbst nicht glauben. Die Vorstellung, dass Beth sich selbst entstellen könnte, war einfach zu abwegig, um glaubhaft zu sein. Und doch war es die Wahrheit. So unwahrscheinlich wie das klang.

Ich atmete tief durch, ehe ich die Tür vom Büro öffnete und in den Korridor trat. Der Flur war leer. Der Unterricht hatte bereits angefangen und ich hatte einen Zettel von Mr. Godwin, dem Schulleiter, der mein zu spät kommen entschuldigte. Ich ging schnellen Schrittes den Gang entlang auf dem Weg zu meiner ersten Unterrichtsstunde: amerikanische Geschichte. Meine Schritte hallten laut im verlassenen Gang wider. Als ich um die Ecke bog, landete plötzlich ein dunkler Sack über meinem Kopf. Ich schrie, doch eine Hand legte sich über dem Sack auf meinen Mund. Ein starker Arm hielt mich fest, sodass meine Arme nutzlos an meinem Oberkörper eingeklemmt waren. Mein Angreifer zerrte mich mit sich und ich versuchte mit aller Macht, mich zu befreien, doch vergeblich. Mein Herz schlug panisch in meiner Brust und mir war übel vor Angst. Wer war mein Angreifer? Was hatte er mit mir vor? Ich musste mir wegen dem Warum keine Gedanken machen. Ich wusste, warum. Wegen dem, was ich angeblich getan hatte. War es Nate, der mich gewaltsam mit sich schleifte? Wahrscheinlich. Er war immerhin Beth’ Freund. Es war anzunehmen, dass er die Rache für seine Freundin persönlich ausüben wollte. Ich wurde gegen eine Wand gepresst und ich hörte das Quietschen einer Tür, die geöffnet wurde. Dann zerrte mein Angreifer mich weiter. Diesmal ging es Stufen hinab. Blind wie ich war, und nicht in der Lage, mein Tempo selbst zu bestimmen, strauchelte ich. Nur der Griff meines Entführers bewahrte mich davor, die Treppe hinab zu fallen. Er zerrte mich einfach weiter. Meine Füße und Knöchel schlugen gegen die harten Betonstufen und Schmerz ließ mich aufschreien. Nicht, dass mich jemand hören könnte. Die Hand meines Angreifers war noch immer fest auf meinen Mund gepresst. Endlich waren wir unten angekommen und ich schaffte es, mehr oder weniger neben meinem Entführer her zu stolpern. Erneut wurde eine Tür geöffnet und ich wurde in den Raum geschubst. Ich ging schreiend zu Boden. Meine Knie trafen hart auf den nackten Betonboden und obwohl ich Jeans trug, schürften meine Knie auf. Ebenso meine Handflächen, als ich versuchte zu verhindern, dass ich mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlug.

„Viel Spaß im Dunkeln, Abbygirl“, sagte eine bekannte Stimme. Kent. Mein Entführer war Kent. Zweifellos handelte er im Auftrag von Nate.

„NEEEIIIIN!“, schrie ich, als ich hörte, wie die Tür zu fiel. Ich riss mir den Sack vom Kopf. Dunkelheit umgab mich. Es war absolut stockfinster. Ich wusste, dass ich mich irgendwo im Keller der Schule befand, doch in diesem verdammten Raum schien es kein Fenster zu geben. Panik schnürte mir die Kehle zu. Ich hasste Dunkelheit. Ich konnte spüren, wie sie von allen Seiten auf mich ein presste. Mein Puls jagte in schwindelerregende Höhe. „Lass mich raus! HIIIIIILFEEEEEE!“

Ich hörte ein Lachen von der anderen Seite der Tür. Kent war also noch immer da. Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht wollte er mir nur einen Schrecken einjagen und würde mich nach ein paar Minuten wieder raus lassen.

„Bitteeee!“, schrie ich flehentlich. „Lass mich raus! Bitte, Kent! Bitte, bitte! Lass mich hier raus!“

Erneut lachte er. Der Bastard genoss es, mir Angst einzujagen. Ich wünschte, ich wäre stärker, doch Dunkelheit war etwas, was ich einfach nicht ertragen konnte. Ich wollte nicht betteln. Wollte Kent nicht die Genugtuung geben, und doch tat ich genau das. Ich bettelte und flehte, nur um mehr Lachen dafür zu ernten. Meine Stimme wurde heiser von meinen Schreien. Meine Nase war verstopft von den Tränen, die ich vergoss.

„Bye, bye, Abbygirl“, sagte Kent mit höhnischer Freude in seiner Stimme. Dann hörte ich nichts mehr. Nichts, außer meinem Schluchzen und meiner eigenen panischen Atmung. Er war fort. Er hatte mich tatsächlich hier allein in der Dunkelheit gelassen. Doch war ich wirklich allein? Die Vorstellung, was sich außer mir noch in der Dunkelheit befinden könnte, machte mich schwindelig vor Angst. Ratten. Spinnen. Krabbeltiere. Fledermäuse. Die Möglichkeiten waren viele und mir brach der Angstschweiß aus. Ich schrie erneut. Ich schrie noch immer, als kein Laut mehr über meine Lippen kam. Meine Kehle rau und wund. Die dunklen Wolken in meinem Inneren brachen über mich herein. Meine Narben juckten. Mein Herz raste viel zu schnell und ich konnte nicht atmen. Die Panikattacke hatte mich fest im Griff. In diesem Moment war ich mir sicher, dass ich hier in der Dunkelheit sterben würde.

Kent

Die Idee, Abby in den Keller zu sperren, war genial gewesen. Die meisten Weiber hatten Angst vor der Dunkelheit und vor allem, wenn sie sich vorstellten, was alles in der Dunkelheit auf sie lauern könnte. Spinnen. Krabbeltiere. Ratten und Mäuse. Ja, ich hatte einen guten Start für den Rachefeldzug an Abby gewählt. Ihre panischen Schreie fütterten das sadistische Monster in meinem Inneren. Sie bettelte und flehte, dass ich sie befreite, doch ich hatte nicht vor, ihr den Gefallen zu tun. Sie würde die Nacht hier verbringen. Das würde ihr eine Lehre sein. Ich hatte dafür gesorgt, dass das Licht in dem Raum nicht funktionierte. Selbst wenn sie also den Lichtschalter finden sollte, würde es ihr nichts nutzen. Und es war kalt hier unten. Nachts würde es noch kälter sein. Ja, ich war mir sicher, dass Abby eine höchst ungemütliche, traumatische Nacht bevorstand. Ich grinste zufrieden.

„Bye, bye, Abbygirl“, sagte ich und wandte mich ab, um sie allein zu lassen. Ihre Schreie folgten mir, als ich mich durch den Keller zur Treppe begab. Als ich langsam die Treppe hinaus stieg, verstummten ihre Schreie. Oder sie war zu weit weg, als dass ich sie noch hören konnte. Egal. Sie hatte ihre erste Strafe erhalten. Und Weitere würden folgen. Wenn ich mit Abigail Baker fertig war, dann würde sie reif für die Klapse sein.


Die anderen saßen schon am Tisch, als ich in der Lunchpause in die Kantine kam. Alle sahen mich erwartungsvoll an. Besonders Beth, deren Augen vor sadistischer Aufregung funkelten.

„Nun, was hast du getan?“, wollte sie wissen, noch ehe ich mich gesetzt hatte. „Erzähl. Sie ist nach ihrem Gespräch mit Mr. Godwin nicht im Unterricht aufgetaucht. Ich wette, sie ist heulend aus der Schule gerannt. Ich wünschte nur, ich hätte es sehen können.“

„Sie ist noch in der Schule“, sagte ich, nachdem ich mich gesetzt hatte. Ein Grinsen spielte um meine Mundwinkel, als ich mir vorstellte, wie es ihr jetzt, nach mehreren Stunden allein in der Dunkelheit, gehen mochte.

„Was?“, schrie Beth. „Wo ist sie? Und was hast du mit ihr gemacht? Ich hoffe, du nimmst deinen Job ernst und lässt dich nicht von ihren Unschuldsaugen erweichen. Wenn du...“

„Ruhe!“, fiel Nate ihr ins Wort. „Kent wird sich nicht von ihr erweichen lassen. Er wird seinen Job tun. Doch wenn du nonstop redest, kann der arme Mann ja nicht zu Wort kommen.“

Beth funkelte Nate wütend an, doch sie verbiss sich jeden Kommentar. Gut. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Nate sich noch lange ihre Eskapaden gefallen lassen würde. Er mochte sie rächen für das, was Abby getan hatte, doch ich kannte meinen Freund. Er hatte schon lange das Interesse an Beth verloren. Es war wahrscheinlich nur noch Gewohnheit, dass er mit ihr zusammen war.

„Danke, Nate“, sagte ich, mich an ihn wendend. „Bevor ich sage, was ich mit Abby getan habe und wo sie ist, will ich klarstellen, dass niemand ihre derzeitige Lage ausnutzt, um sich zu rächen. Besonders nicht Bethany. Abby ist mein, wie du gesagt hast.“

„Was? Die Schlange hat MEIN Gesicht ruiniert. Warum sollte ich nicht ein wenig Rache an ihr...“

„Schluss!“, knurrte Nate, sie hart beim Arm packend. „Kent hat recht. Niemand wird sie anfassen. Es ist sein Job, Rache an Abby zu üben. Wenn du dem Mädchen auch nur ein Haar krümmst, wirst du dich vor mir verantworten. – IST! DAS! KLAR?“

Beth schäumte vor Wut, doch sie nickte. Sie wusste wie jeder andere an dieser Schule, dass man Nate besser nicht gegen sich aufbringen wollte. Sie würde es bitter bereuen. Und damit meinte ich nicht nur, dass er mit ihr Schluss machen würde, oder dass sie aus dem Zirkel ausgeschlossen werden würde. Nate würde ihr das Leben zur Hölle machen. Sie würde von Queen B zu einem Niemand degradiert werden und niemand würde mehr etwas mit ihr zu tun haben wollen. Nicht einmal ihre engsten Freundinnen. Jeder würde sie fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Und sie würde es sich abschminken können, für die Homecoming Queen zu kandidieren.

„Also“, sagte Nate, sich an mich wendend. „Erzähl.“

Ich berichtete, was ich getan hatte und dass Abby bis morgen früh im Keller bleiben würde. Nates Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen und selbst Beth schien zufrieden zu sein. Ihre Augen funkelten und ihr Mund war zu einem gemeinen Grinsen verzogen, als sie mir lauschte.

„Exzellent, Kent“, lobte Nate. „Ich wusste, du bist der Beste für den Job. Deine sadistische Fantasie kennt keine Grenzen. Bleib dran und halte uns auf dem Laufenden.“

„Das werde ich“, erwiderte ich.

Abby

Die Zeit in der Dunkelheit schien sich endlos hinzuziehen. Ich hatte absolut keine Ahnung, wie lange ich schon hier war. Ich war müde und erschöpft, doch meine Angst war zu groß, um in den Schlaf zu fallen. Meine Kehle schmerzte von meinen Schreien. Meine Nase und Augen brannten von stundenlangem Schluchzen. Jeder Knochen in meinem Leib schmerzte. Es war bitterkalt und mein Körper war vor Angst und Kälte angespannt. Ich hatte mich in der ganzen Zeit nicht vom Fleck gerührt. Ich hatte zu viel Angst davor, mit meinen Händen herum zu fühlen. Wer wusste, auf was meine Hände treffen würden. Ich hoffte, dass Kent irgendwann zurückkommen würde, um mich heraus zu lassen. Er würde mich doch sicher nicht hier unten sterben lassen. Oder? Ich wollte daran glauben, dass er nicht so böse sein konnte, meinen Tod zu wollen. Doch ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, zu was er fähig war.

Nein, nein, nein! Denk nicht an so etwas. Dazu ist selbst er nicht fähig.

Bist du dir da so sicher?

Er wird kommen. Er wird kommen. Er MUSS kommen.

Du kannst drei bis vier Tage ohne Wasser überleben. Er könnte dich so lange hier unten halten.

Das würde er nicht tun.

Wirklich?

Hör auf! Verdammt noch mal! Hör auf. Er wird kommen! Er muss kommen. Er WIRD. ER WIRD! ER WIRD!

Ich hatte die Arme um meine Knie geschlungen und wiegte mich hin und her. Meine Narben juckten wie verrückt. Der Drang, Flucht in Schmerz zu finden, war überwältigend. Meine Zähne klapperten, als ich stetig vor und zurück schaukelte. Alles, was ich spürte, war blanker Terror. Und Schuld. Schon wieder diese Schuld, wenn ich nicht einmal wusste, warum. Ich hatte nichts getan. Ich war das Opfer, nicht der Täter. All die negativen Gefühle und Gedanken, die mich quälten, drohten mir den Verstand zu rauben. Vielleicht hatten sie das bereits. Ich fühlte mich außer Kontrolle. Stetig hin und her schaukelnd, murmelte ich vor mich hin, ohne mir bewusst zu sein, was ich sagte. Alles, was ich hörte, waren die Stimmen in meinem Kopf.

Du wirst hier sterben.

Sie werden deine Überreste hier unten finden.

Die Ratten werden sich an deinem Kadaver laben.

Käfer und Maden werden auf dir herum krabbeln.

Niemand gibt einen Scheiß darauf, was mit dir geschieht.

Du bist nur ein weiteres totes Mädchen in der Statistik.

Du bist ein Nichts.

Du bist ein Niemand.

Du wirst sterben.

Du verdienst zu sterben.

Nein! Was soll das? Wieso denke ich so etwas? Ich verdiene nicht zu sterben.

Oh, doch, du tust. Hast du vergessen?

Vergessen? – Was?

Killer! Killer! Killer!

Nein! Hör auf! HÖR AUF!

Killer! Du verdienst es zu sterben. Killer! Killer! Killer!

NEEEEIIIIIN! HÖR AUF! HÖR AUF! HÖR AUF!

Kent

Jeder der KINGS hatte einen Schlüssel für die Schule. Deswegen konnte ich das Gebäude betreten, eine Stunde bevor der Hausmeister die Türen öffnen würde. Ich wanderte durch die nur mit Notbeleuchtung illuminierten Gänge bis zur Tür, die in den Keller führte. Alles war gespenstisch still. Abby schlief oder hatte sich heiser geschrien. Ich stieg die Stufen hinab und den langen Gang entlang bis zu der Tür, hinter der sich mein Opfer befand. Eine sadistische Freude erfüllte mich bei dem Gedanken, wie sie die Nacht verbracht hatte. Ich drehte den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die Tür. Es war so dunkel im Raum, dass ich nur die Umrisse der Gestalt erkennen konnte, die auf dem Boden kauerte. Sie befand sich noch immer auf der gleichen Stelle wie gestern. Hatte sie sich all die Zeit nicht vom Fleck gerührt? Sie bewegte sich leicht hin und her, machte jedoch keine Anstalten, auf mein Eintreffen irgendwie zu reagieren. Aus irgendeinem Grund beunruhigte mich das. Ich fummelte mein Handy aus der Tasche und schaltete die Taschenlampe ein, dann leuchtete ich Abbys Richtung. Obwohl das Licht sie direkt anstrahlte, reagierte sie noch immer nicht. Sie hatte die Arme um ihre Knie geschlungen und schaukelte endlos vor und zurück. Ihre Lippen bewegten sich nonstop, doch ich konnte keine Worte verstehen.

„ABBY!“

Keine Reaktion. Scheiße! Das war nicht gut. Ich trat langsam auf sie zu, doch sie schien mich nicht zu bemerken. Sie fuhr einfach fort, hin und her zu wiegen und vor sich hin zu murmeln. Hatte sie etwa schon den Verstand verloren? Ich war mir bewusst gewesen, dass eine Nacht in der Dunkelheit ihr Angst einjagen würde und das es unbequem für sie sein musste, doch ich hatte nicht erwartet, dass es sie so brechen würde. Ein Anflug von schlechtem Gewissen verursachte ein ungutes Gefühl in meinem Magen. Fuck! Fuck! Fuck! Was sollte ich tun?

„Abby. Du kannst jetzt raus kommen“, versuchte ich, sie zu erreichen, doch noch immer reagierte sie nicht.

„Fuck!“, sagte ich laut und beugte mich zu ihr hinab, um sie aufzuheben.

Im selben Moment, wo meine Finger sie berührten, erwachte sie aus ihrer Trance. Sie schrie. Alarmiert sprang ich zurück, unschlüssig, was ich tun sollte. Wie ich reagieren sollte. Sie schrie, auch wenn ihre Stimme heiser klang. Dann verstummte sie plötzlich und ihr Kopf drehte sich mir zu. Ihre Augen waren zuerst abwesend, dann kam eine Klarheit, die zuerst Schock, dann Hass kommunizierte. Langsam erhob sie sich. Sie schwankte auf ihren Beinen. Ich wollte nach ihr greifen, um sie zu stabilisieren, doch sie schlug meine Hand aus dem Weg.

„FASS! MICH! NICHT! AN!“, sagte sie mit so viel Hass, dass jedes Wort wie ein Messer durch meinen Brustkorb fuhr. Sie blickte mich seltsam ruhig an. „Selbst, wenn ich getan hätte, wessen ihr mich beschuldigt, dies geht zu weit. Selbst für Arschlöcher wie ihr.“

Mein Schock wandelte sich zu Wut.

„Wessen wir dich beschuldigen?“, fragte ich. „Willst du es etwa immer noch abstreiten? Ich hab Neuigkeiten für dich, Abbygirl. Die Fingerabdrücke auf dem Messer stimmen mit deinen überein. Und es waren die einzigen Fingerabdrücke. Drei Mädchen haben gesehen, was du getan hast. Und Beth ist viel zu sehr auf ihr Aufsehen bedacht, um sich selbst eine permanente Narbe zuzufügen!“

„Ja, sie war wirklich clever mit diesem Stunt!“, zischte Abby. „Sie wusste genau, dass niemand glauben würde, dass sie so etwas tun würde. Und das ist genau, warum sie es getan hat. Ihre Zeugen?“ Abby lachte höhnisch. „Ihre treusten Anhänger, die alles bestätigen würden, was ihre Queen B sagt. – Fingerabdrücke? Sie hat Handschuhe getragen. Dann haben sie das Messer in meine Hand gezwungen, um meine Abdrücke darauf zu bekommen. DAS ist, was WIRKLICH geschehen ist!“

„Fantastische Geschichte“, erwiderte ich ätzend. „Doch ich glaube dir kein Wort!“

Doch auch wenn ich es vor ihr nicht zugab, so hatten ihre Worte einen Funken von Zweifel in mir erweckt. Was, wenn sie nicht log? Dass Beth eine Schlange war, die alles tun würde, um zu bekommen, was sie wollte, wusste ich. Der Vorfall war passiert, nachdem wir Beth gesagt hatten, dass wir nichts unternehmen würden, solange Abby ihr nichts antat. Und was die Zeugenaussagen anbelangte, so hatte Abby recht. Diese Mädchen würden alles bestätigen, was ihre Königin sagte. Sie würden für Beth lügen, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich würde weiter in meinen Racheplänen mit Abby fortfahren, doch ich würde es ein wenig runter fahren. Keine Nächte in Kellern mehr. Stattdessen würde ich auf altbewährtes Mobbing zurückgreifen. Und ich würde auch ein wenig recherchieren, ob das Ganze nicht eine clever ausgeklügelte Lüge von unserer Queen B war.

Beautiful Mess

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