Читать книгу Revolution der Kinder - Men N. Coni - Страница 9

Keine ehrliche Auseinandersetzung der Eltern mit der eigenen Kindheit, keine Selbstreflektion des eigenen Lebens

Оглавление

Unvollständige oder gar keine Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit ist ein Grund, warum wir Eltern unsere Kinder nicht gut erziehen. Wir mögen uns nicht so gerne sagen lassen, dass wir auch Fehler machen. Noch weniger, dass man glaubt, wir wären überfordert.


Eltern als Kinder und Erwachsene, Analyse der eigenen Kindheit


Was wir Eltern in unserer eigenen Kindheit erfahren haben, beeinflusst die Erziehung unserer Kinder, da wir dazu tendieren, weiterzugeben, was wir selbst erfahren haben, ob gut oder schlecht.

Eltern, die Gewalt erfahren haben, neigen dazu, ihre Kinder auch mit Gewalt zu erziehen. Zum Beispiel zeigen Studien, dass viele Menschen, die als Kind missbraucht wurden, später ihre eigenen Kinder missbrauchen. Umgekehrt trifft das auch zu: Eltern, die als Kind liebe- und respektvoll erzogen wurden tendieren dazu, ihre Kinder mit Liebe und Respekt zu erziehen.

Wir glauben, dass wir uns, weil wir erwachsen sind und über uns selbstbestimmen können, automatisch von unserer Kindheit und von unseren Eltern abgenabelt haben. Bewusst mag das zutreffen bzw. fühlt es sich für uns so an, aber unbewusst sind wir doch sehr mit den Erlebnissen und Erfahrungen unserer Kindheit und der Zeit des Heranwachsens verbunden und an sie gebunden.

Unsere Kindheit spielt eine große Rolle bei der Art, wie wir selbst unsere Kinder erziehen. Deswegen ist es sehr wichtig zu filtern, was wir weitergeben wollen und was nicht. Das geht nur, wenn wir es ohne Wenn und Aber schaffen, uns mit unserer Kindheit auseinanderzusetzen. Leider tun wir es aus verschiedenen Gründen nicht.

Es gibt überall Tipps und Tricks, es wird von Geheimnissen von glücklichen Kindern erzählt, aber man vergisst dabei, dass alles bei den Eltern selbst anfängt. Es wird so getan, als ob die Kinder eine spontane Generation sind, ohne Vorgeschichte.

Nein, ob Kinder glücklich werden bzw. glücklich erzogen werden, das hängt auch stark von der Kindheit der Eltern, ihren Erlebnissen und ihrer momentanen seelischen und körperlichen Verfassung ab.

Nur wer sich selbst liebt, glücklich istund das auch auslebt, kann seine Kinderglücklich erziehen und Liebe geben,indem er Glücklichsein vorlebtund nicht nur darüber spricht.


Die Eltern müssen knallhart ihre Kindheit unter die Lupe nehmen und den Mut haben, einiges in Frage zu stellen.

Aber viele Eltern stellen sich selbst selten in Frage. Sie stellen ihre Erziehungsmodelle selten in Frage und schaffen es nicht oder trauen sich nicht, sich mit ihrer eigenen Kindheit auseinanderzusetzen, das heißt mit ihrer Vergangenheit.

Es ist sehr wichtig, sich mit seiner eigenen Kindheit auseinanderzusetzen, ohne den Eltern Vorwürfe zu machen. Aber manche Dinge müssen raus und aufgeräumt werden, bevor es weitergehen kann. Nur so können wir uns entwickeln und uns entfalten.

Was war schön, worüber habe ich mich gefreut und was war nicht schön? Was will ich meinen Kindern weitergeben oder auch nicht weitergeben? Das sind einige der Fragen, die wir uns als Eltern stellen sollten, bevor wir unsere Kinder erziehen.

Ich habe vier Typen von Eltern ermittelt. Ja, nur vier Typen, um die Sache zu vereinfachen. Es könnten noch mehr sein, aber die relevanten Aspekte, die uns helfen, Dinge zu verstehen, kann man meiner Meinung nach in vier Kategorien aufteilen:

Typ 1: Eltern, die nicht-distanziert und unreflektiert ihren Kindern weitergeben, was sie in ihrer Kindheit mitbekommen und gelernt haben. Sie waren nicht ganz zufrieden mit ihrer Kindheit oder gar nicht zufrieden, aber sie setzen sich aus verschiedenen Gründen nicht mit ihrer Kindheit auseinander. Sie haben Angst, ihre Eltern zu verletzen. Sie denken, dass sich auseinandersetzen und die Kindheit sortieren eine Ablehnung der Eltern bedeutet, dass es die Eltern in Fragen stellt. Sie geben ihren Kindern unreflektiert fast 100% das weiter, was sie als Kind erlebt und erfahren haben.

War zum Beispiel der Vater dominant, wird der Sohn auch sehr dominant sein. War die Mutter die Dominante, wird die Frau in ihrer Beziehung auch das tun, was ihre Mama getan hat.

Typ 2: Eltern, denen schon bewusst ist, dass sie keine schöne Kindheit hatten, die sie auch bewusst ablehnen. Sie distanzieren sich scharf von ihrer eigenen Erziehung und sind entschieden, alles anders zu machen, ihre Kinder anders zu erziehen. Oft sind sie auch sehr unreflektiert und radikal. Sie geben dem Kind einfach das Gegenteil von dem weiter, was sie in ihrer Kindheit erlebt haben. Sie werfen ihren Eltern alles Mögliche vor und sind der Meinung, ihre Kindheit war nichts wert.

Typ 3: Eltern, die abwägen, differenzieren und empathisch sind. Sie haben eine schöne oder weniger schöne Kindheit gehabt, aber es gibt Punkte, die sie aus Erwachsenensicht gerne anders gehabt hätten. Sie setzen sich fair mir ihrer eigenen Kindheit auseinander und geben das weiter, was sie damals gut fanden und auch heute noch gut finden. Sie distanzieren sich von dem, was nicht gut war und machen niemandem Vorwürfe.

Typ 4: Eltern, die in keine Kategorie passen. Sie machen sich überhaupt gar keine Sorgen und wissen gar nicht, dass ihre eigene Kindheit einen Einfluss auf sie hat.



Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit ergibt Sinn. Das habe ich am eigenen Leib erfahren.

In meiner Erziehung in Afrika waren Schläge eine erfolgreiche Erziehungsmethode. Es ging darum, die Kinder dazu zu bringen, respektvoll zu sein, sich an Regeln zu halten, das zu tun, was von ihnen erwartet wurde usw. Ja, am Ende haben wir all das tatsächlich getan, aber die Schläge taten sehr weh und waren nicht gut für mich, auch wenn die Eltern dadurch bekamen, was sie wollten.

Als ich selbst Vater wurde, habe ich nachgedacht, wie ich als Vater meinen Sohn erziehen möchte. Ich schrieb alles auf, was mir in meiner Kindheit gefallen hatte und was nicht.

Beim Thema Schlagen musste ich wirklich sehr hart mit mir hin und her kämpfen. So hartnäckig war die Programmierung in meinem Kopf, dass Schläge dazu da sind, das Kind gut zu erziehen. Warum sollte ich auf dieses nützliche Mittel verzichten? Als ich bei anderen Paaren sah, wie frech, respektlos und egoistisch ihre Kinder waren, als ich sah, wie manche ihre Eltern beschimpften oder sogar schlugen und die Macht über ihre Eltern hatten, gewann die Erziehungsart meiner Eltern nochmal an Gewicht.

„Seht ihr, wenn ihr die Kinder so erzieht, ohne ihnen an den Ohren zu ziehen, werden sie immer ungezogen bleiben“, warf ich einem deutschen Paar vor.

„Wir stehen nicht auf Schläge als Erziehungsmethode, das wäre Gewalt und außerdem ist es gesetzlich verboten“, sagte das Paar.

„Und ihr glaubt, dass das, was ihr mit euren Kindern tut, keine Gewalt ist? Für mich ist es schlimmer als körperliche Gewalt. Ihr bestraft eure Kinder mit Worten und übt psychischen Druck auf sie aus, mit Liebesentzug, Hausverbot, Fernsehverbot, Redeverbot, oder noch schlimmer: Mit diesen langen Gesprächen mit den Kindern, damit sie ihre Fehler und ihre Schuld einsehen. Ihr redet mit Kindern über Dinge, die sie wegen ihres Alters noch gar nicht verstehen können. Ihr bittet kleine Kinder darum, Versprechen abzugeben, wenn man doch weiß, dass sie es morgen wieder tun werden. Ihr werdet dann wiederkommen und reden und den Kindern erzählen, dass sie das Versprechen gebrochen haben. Das finde ich schlimm, Kindern schon so früh Schuldgefühle zu vermitteln (ich bin schlecht, ich habe mein Versprechen nicht angehalten). Ich glaube, dass diese Methode den Kindern später seelisch mehr schadet, als meine Schläge“, so ungefähr argumentierte ich.

Ich war entschieden, die Erziehungsmethoden meiner Eltern fortzuführen und das tat ich auch einmal. Ich gab meinem Sohn einen kleinen Klaps. Es war wirklich eher so ein festes Drücken auf den Po, als ein Klaps. Ich glaube, mein Sohn war erschrocken und weinte. In diesem Moment erinnerte ich mich an meine eigenen Schmerzen als Kind und auf der Stelle entschied ich mich, so etwas nie wieder zu tun. Ich würde weder die lasche, europäische Methode benutzen, noch diese harte, afrikanische, aber ich würde auf meinen guten Werten bestehen, die ich meinem Sohn vermitteln wollte.

Ich musste deswegen eine andere Methode suchen, die Gewalt jeglicher Art ausschloss, einen Weg ohne Gewalt, mit dem ich am Ende das gleiche Ziel erreichte.

Ich entschied mich, das Schlechte an den Erziehungsmethoden meiner Eltern meinen Kindern nicht weiterzugeben.

Hätte ich mich nicht mit meiner Kindheit auseinandergesetzt, hätte ich das nicht gesehen, weil meine Kindheit eigentlich super war, aber wie man weiß, der Teufel liegt im Detail. Ich tat dies, auch ohne meine Eltern in Frage zu stellen.

Ein anderes Bespiel ist die Strenge. Unsere Mütter waren sehr streng, unser Vater weniger. Meine Mütter waren verbal sehr aktiv und auch mal hart. Mein Vater war verbal sehr sanft, dennoch hatten wir mehr Respekt vor ihm, als vor den Personen, von denen mehr Drohungen kamen. Das war der Beweis dafür, dass vieles Schimpfen mit den Kindern und ständiges auf sie Einhämmern nicht unbedingt zu dem führt, was man erwartet.

Diese Kindheitsanalyse brachte mich dazu, zu beschließen, niemals ein falsches Wort, ein Schimpfwort, ein Fluchwort an meine Kinder zu richten und diese auch in ihrer Anwesenheit nie zu benutzen. Wie wir wissen, Worte können schlimmer sein als Schläge, weil sie sich in unserem Unterbewusstsein abspeichern und unsere Handlung unbewusst prägen.

Das Schlimme fängt schon im Fundament an und nicht erst, wenn man es sieht. Aber leider versuchen wir Menschen oft nur das wegzuwischen, was wir sehen, anstatt am Fundament anzusetzen.

„Burn-in“ ist der gesäte Schimmel im Fundament und „Burn-out“ ist nur das was herauskommt.

Nur wer in seinem eigenen Elternhaus gelernt hat, glücklich zu sein,kann dies erfolgreich seinen Kindernbeibringen und seine eigenen Kinderglücklich erziehen. Wer das nicht hatteoder immer noch nicht hat, muss sichumerziehen und lernen, sich von seinerunglücklichen Kindheit zu distanzieren.


Meine eigene Erfahrung ist ein Beispiel dafür, wie alte Kindheitsgewohnheiten weitergegeben werden.

Ich erinnere mich immer noch daran, wie mein Vater – obwohl er als Politiker in der Aufbauphase Kameruns nach der Befreiung und dem Sieg über Frankreich mehr als 16 Stunden am Tag arbeitete – doch immer Zeit fand, uns, mehr als 20 Kindern, wertevolle Geschichten zu erzählen, Lieder zu singen, mit uns zu spielen, usw. Ja, das hat meine Kindheit geprägt.

Als ich dann selbst Vater wurde, habe ich das gleiche mit meinen Kindern gemacht, weil es mir in meiner Kindheit gutgetan hat.

Obwohl ich sehr beschäftigt bin, tue ich alles, um bei meinen Kindern präsent zu sein, ihnen Geschichten zu erzählen, mit ihnen zu spielen usw. Genauso, wie mein Vater es damals mit mir gemacht hat. Wir geben weiter, was wir in unserer Kindheit mitbekommen haben. Deswegen müssen wir sehr selektiv sein, das bedeutet, wir müssen unsere Kindheit unter die Lupe nehmen, ohne unsere Eltern zu verdammen, auch wenn wir Fehler finden.

Revolution der Kinder

Подняться наверх