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Der helle Schein des Vollmondes fiel durch das große Dachfenster auf den frisch polierten Edelstahl, ließ die silbernen Flächen hell aufleuchten und warf mattes Licht in die mitternächtliche Dunkelheit.

Es war fast unerträglich heiß in dem kleinen Nebenraum des großen Gebäudes, in dem sich trotz der geöffneten Fenster die Hitze hielt wie in einer alten Nachtspeicherheizung. Die sommerlichen Rekordtemperaturen hatten Süddeutschland seit ein paar Tagen fest im Griff. Selbst jetzt – Stunden nach dem Sonnenuntergang – war kaum Abkühlung zu spüren.

Hier im Sudhaus der Brauerei, in dem den ganzen Tag über die kochenden Kessel den Bereich in eine Sauna verwandelt hatten, war es besonders schlimm. Der Schweiß lief einem in Rinnsalen von der Stirn, obwohl man sich kaum bewegte. Es nützte überhaupt nichts, sich das feuchte Gesicht mit den Unterarmen abzuwischen. Auch der Rest des Körpers war schweißnass. Die Haare tropften, als wäre man frisch aus der Dusche gekommen. Das T-Shirt klebte am Oberkörper wie eine zweite Haut. Eine Haut, die unangenehm war und aus der man schnell herauswollte.

Die Brauerei lief seit Jahren hervorragend. Von Beginn an konnten der Bierabsatz und die Gewinne stetig und deutlich gesteigert werden. Der kleine Betrieb hatte sich durch besondere und ausgefallene Biere sowie jährliche Brauereifeste in der Region mehr und mehr einen Namen gemacht und sich unter all den größeren und viel älteren Traditionsbetrieben immer besser behauptet. Die Nische, die er inzwischen wirtschaftlich füllte, reichte, um sich zu vergrößern. Aus diesem Grund war der Betrieb vor einem guten Jahr umgezogen. Hier, in dem viel größeren Gebäude, konnte nicht nur die Bierproduktion, sondern auch der Absatzmarkt gesteigert werden. Die Umgebung mit den vielen Gastwirtschaften im nahen Umkreis bot die Chance, noch erfolgreicher zu werden.

Die Brauerei befand sich jetzt in dem ehemaligen Stallgebäude eines alten Bauernhofes in der Nähe der Starzlachklamm im touristisch sehr beliebten Oberallgäu. Sonthofen, Hindelang, Rettenberg und Blaichach waren nur wenige Kilometer entfernt. Der Grünten, der Wächter des Allgäus, der direkt hinter der Brauerei in den Himmel ragte, war wie die umliegenden Orte selbst ein beliebtes Ausflugsziel.

In diesem neuen und funktionalen Betrieb war alles hochmodern. Alle Sud- und Reinigungsprogramme liefen computergesteuert, die Buchhaltung war dank der Software um einiges leichter und mit viel weniger Personal zu bewerkstelligen.

Aus diesem Grund müsste heute eigentlich niemand im Betrieb sein, obwohl der große Sud für das Sommerfest in drei Wochen anstand.

Das zehnjährige Brauereijubiläum in diesem Jahr sollte mit einem ganz besonderen Bier gefeiert werden. Mit einem Bier gebraut zur Sommersonnenwende, und die war heute. Dass außerdem auch der Vollmond am Himmel stand, machte das Bier noch edler. Mit diesen Argumenten würde jede einzelne Flasche zu etwas Ausgefallenem werden und mit Sicherheit reißenden Absatz finden. Die ersten Vorbestellungen waren schon vor Wochen eingegangen. Vor zwei Tagen kamen die Etiketten für diese spezielle Abfüllung von der Druckerei. Jetzt musste nur noch der Sud gelingen, aber da würde es sicher keine Schwierigkeiten geben. Auch der heutige Vorfall würde dem Erfolg dieses Bieres nicht im Wege stehen. Im Gegenteil. Alles lief bisher perfekt, dank der elektronischen Programmierung.

Obwohl alle Prozesse von Maschinen gesteuert wurden und ein Computerprogramm den gesamten Sud ausführte, musste man dennoch manchmal manuell in die Bierherstellung eingreifen. Zum Beispiel dann, wenn dem fast fertigen Gebräu ganz besondere Zutaten beigegeben werden sollten, die das Bier noch ein Quäntchen besser und wertvoller machten.

Der Mann in dem dunkelblauen T-Shirt, das ein Logo der Brauerei auf Brust und Rücken zierte, öffnete das Mannloch am Sudkessel, klappte den runden Deckel weit zur Seite und trat einen Schritt zurück, als heiße Dampfschwaden aus der Öffnung strömten und den Raum in einen nebligen und noch heißeren Hexenkessel verwandelten. Dann hob er den schweren nackten Körper an, der vor seinen Füßen lag, schob ihn Kopf voraus über die Kante und ließ ihn hineingleiten in die warme Maische. Das rotierende Rührwerk und die zischenden Heizkessel im Nebenraum übertönten das platschende Gluckern, als der Körper in die breiige Flüssigkeit tauchte. Lautes Rufen oder Hilfeschreie wären vermutlich ebenfalls in den Umgebungsgeräuschen untergegangen. Doch dazu war es gar nicht gekommen. Er hatte das Überraschungsmoment ausgenutzt, hatte einfach von hinten zugeschlagen, und sein Gegner war umgefallen wie ein schwerer Malzsack.

Da alte Schmutzwäsche nicht in ein frisches Bier gehörte, hatte er sein Opfer entkleidet. Das war unangenehm, aber notwendig.

Ob er letztendlich einen toten oder nur einen bewusstlosen Mann in die Maischepfanne geworfen hatte, wusste er nicht. Doch das machte keinen Unterschied. Jetzt war er auf jeden Fall tot. Und in ein paar Stunden würde er auch noch gut durchgegart sein, wenn der Treber ausgesiebt und die 80 Grad heiße Würze in diesem Gefäß zwei Stunden gekocht hatte.

Was wohl von einem menschlichen Körper übrig bleibt nach dem Kochvorgang und der anschließenden Reinigung mit hochprozentiger heißer Lauge?

Vermutlich nicht sehr viel.

Er schloss zufrieden lächelnd die Luke, drehte den großen Schraubverschluss am Mannloch fest zu und sah noch einmal durch die Glasscheibe in die heiße Maische. Dampfschwaden stiegen auf und bildeten einen dichten, undurchdringbaren Nebel im Gefäß.

Schade. Der Körper war nicht zu sehen.

Vielleicht war er inzwischen untergegangen, vielleicht war er bereits ins Rührwerk geraten. Wer konnte das wissen.

Also hob er die Eisenstange auf, an der Blut und Haare klebten, warf sie zu den anderen Edelstahlteilen in die große, mit Desinfektionsmittel gefüllte Wanne neben der Tür zum Kesselraum und verschüttete großzügig einen laugehaltigen Reiniger auf dem gesamten Boden des Sudhauses. Griffe, Hebel und Glasscheibe polierte er mit einem feuchten Tuch. Dann kontrollierte er zum letzten Mal den Verlauf des Sudprozesses am Computer, quittierte die Störmeldung weg, die sein manueller Eingriff in den Brauprozess ausgelöst hatte, schnappte sich die Kleidung seines Opfers und verließ schließlich zufrieden lächelnd die Brauerei.

Jetzt würde endlich alles besser werden.

Jetzt brach eine andere Zeit an.

Jetzt hatte er endlich das Leben, das ihm schon immer zustand.

Alles lief wieder in geordneten Bahnen.

Mordsklamm

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