Читать книгу Mordsklamm - Mia C. Brunner - Страница 9
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ОглавлениеDie Landschaft war atemberaubend.
Das satte Grün der Wiesen leuchtete mit dem strahlenden Blau des Himmels um die Wette. Keine einzige Wolke war zu sehen und die Sonne stand so hoch, dass nicht einmal der imposante Grünten, der sich direkt vor ihnen erhob, viel Schatten auf die malerische Landschaft werfen konnte. Es war das perfekte Wetter für einen Biergartenbesuch, und schon von Weitem konnte man die Blaskapelle und das Lachen der Gäste hören, die am Brauereifest teilnahmen.
Der Weg zum Brauereigelände war einspurig asphaltiert und führte stetig bergauf. Unten hatten die Veranstalter eine Straßensperre und einen kleinen Parkplatz errichtet, um die Gäste davon abzuhalten, mit ihrem Auto direkt zur Brauerei hochzufahren, denn auf dem Brauereiparkplatz neben dem Gebäude waren Bierbänke und Sonnenschirme aufgestellt. Eine Bühne für die Kapelle und ein Bierausschank standen direkt an der Hauswand.
Doch der kleine Parkplatz auf der frisch gemähten Wiese neben der Absperrung war total überfüllt gewesen, als Florian und Jessica ankamen. Sie und Jessicas Freundin Paula mitsamt ihrem neuen Freund hatten aber neben der Burgberger Pfarrkirche noch eine Lücke fürs Auto gefunden. Zum Glück, denn ansonsten hätten sie auf einen der zusätzlich eingerichteten Pendelparkplätze in Blaichach oder Sonthofen ausweichen und auf den Bus warten müssen.
»Warum siehst du mich immer so komisch an?« Jessica zupfte etwas unsicher am Ausschnitt ihres Dirndls herum und blickte verstohlen zu Paula, die es mit ihrem eigenen Dirndl wieder sehr übertrieben hatte. Manchmal dachte Jessica, Paula könnte gleich nackt herumlaufen, das machte kaum einen Unterschied. Obwohl sie selbst in ihrem Dirndl lange nicht so viel Haut und Brust zeigte wie Paula, fühlte sie sich unwohl, auch weil Florian sie nicht aus den Augen ließ.
»Du hast keine Ahnung, wie sexy du aussiehst«, flüsterte Florian ihr ins Ohr, drehte sie zu sich herum und sah ihr tief in die Augen. »Meinetwegen kannst du öfter Dirndl tragen.«
»Ich komme mir darin total verkleidet vor«, gab Jessica zu. »In Norddeutschland sind die Trachtenkleider wesentlich sittsamer. Hochgeschlossen und lang.« Sie wies mit ihrer Hand zuerst auf ihren Hals, um kurz darauf auf ihre Füße zu zeigen. »Richtig lang, fast bis zum Boden.«
»Im Norden gibt es Tracht?«, fragte er, schien aber nicht wirklich interessiert, denn jetzt zog er seine Freundin ganz nah an sich und legte seine Hände auf ihren Hintern. »Herr im Himmel, du siehst nicht nur verdammt heiß aus, du fühlst dich auch gut an. Und du riechst sehr verführerisch.«
»Da drüben wird ein Tisch frei«, hörte er Paula rufen. »Schnell, sonst schnappt sich den ein anderer.« Paula griff nach der Hand ihres Begleiters und lief los, so schnell es in ihren Sandalen mit den hohen Absätzen ging.
Jemand tippte Florian von hinten auf die Schulter.
»Florian? Du hier? Das ist eine Überraschung.« Ein junger Mann in einem dunkelblauen Poloshirt mit dem Logo der Brauerei baute sich grinsend neben Florian auf, der sichtlich genervt von der Störung ein etwas mürrisches Gesicht zog und sich ärgerlich zu dem Störenfried umdrehte. Doch seine Miene änderte sich schlagartig, als er ihn erkannte.
»Hubi? Markus Hubertus? Dich habe ich ja ewig nicht gesehen! Arbeitest du hier?« Florian ließ Jessica los, gab dem Mann seine Hand und klopfte ihm gleichzeitig mit der Linken auf seinen rechten Oberarm. »Wie lange ist das her? Fast 20 Jahre?«
»Mindestens. Wir haben zusammen Abitur gemacht, vor einer halben Ewigkeit«, wandte sich der Brauereimitarbeiter jetzt an Jessica und streckte ihr seine Hand entgegen. »Markus Hubertus«, stellte er sich vor. »Willkommen im Baschtl-Bräu! Ich bin hier der Braumeister.«
»Freut mich. Jessica Grothe.« Jessica nahm Hubertus’ Hand und lächelte herausfordernd. »Wenn man schon einmal einen Braumeister persönlich trifft, kann man dann vielleicht einen Blick in die Brauerei werfen? Das würde mich durchaus interessieren.«
»Klar. Gern. Nur gehen wir dann am besten hinten rein. Die offiziellen Führungen beginnen erst am Nachmittag. Nicht, dass plötzlich jeder Gast jetzt schon eine haben möchte.« Florians alter Schulfreund legte seinen Arm wie selbstverständlich um die Schultern von Jessica und schob Florian mit der freien Hand an dessen Rücken vor sich her und um das große Stallgebäude herum, an dessen Front in großen Lettern der Name der Brauerei angebracht war.
»Das Baschtl-Bräu ist erst vor gut einem Jahr hierher umgezogen«, erklärte er, während er den Nebeneingang, der sich genau gegenüber der Festgesellschaft auf der anderen Seite des Gebäudes befand, aufschloss und seine Gäste schnell hineinschob. »Vorher waren wir neun Jahre in einem kleinen Hinterhof einer alten Gastwirtschaft bei Immenstadt beheimatet.«
»Wow«, platzte Jessica heraus, als Markus das Licht einschaltete und der riesige, fensterlose Raum plötzlich erstrahlte. »Diese Dinger sind ja gigantisch groß. Ist da das Bier drin?«
»Das sind unsere ZKTs – zylindrokonische Tanks«, erklärte Markus und lachte. »Dort gärt und reift das Bier, bevor es später abgefüllt wird. Dort hinten ist die Fass- und die Flaschenabfüllung.« Er zeigte auf eine Maschine am anderen Ende der Halle. »Und da sagt Mann immer, es komme Frauen nicht auf die Größe an. ›Gigantisch groß‹«, wiederholte er Jessicas Worte, allerdings sehr leise und nur an Florian gerichtet. Jessica bekam von dem Gespräch nichts mit, und Florian sah den Braumeister so bitterböse an, dass dieser erneut heftig lachen musste.
»Und wo wird das Bier gemacht?« Jessica wirkte aufgeregt. »Ich habe mal gehört, dass man Bier in großen Kupferkesseln kocht, weil Kupfer Eigenschaften hat, die für die Bierherstellung von Vorteil sind.«
»Diese Behauptung ist nach heutigem Stand der Wissenschaft so nicht mehr tragbar«, erklärte der Braumeister, der sich sichtlich geschmeichelt fühlte, dass Jessica Interesse an seiner Arbeit zeigte. Er legte erneut den Arm um ihre Schultern und ging mit ihr zwischen den meterhohen, silber glänzenden Tanks umher. »Heutzutage nimmt man Kessel aus Edelstahl. Die sind leichter zu reinigen und deshalb hygienischer. Außerdem haben sie die gleichen positiven Eigenschaften wie Kupfer. Die negativen entfallen sogar, zum Beispiel –«
»Ich bin eigentlich hier, um Bier zu trinken«, fiel Florian seinem alten Schulfreund ins Wort. »Und von meiner Freundin lässt du die Finger. Du hast dich in der Hinsicht wohl nicht geändert. Schon damals in der Schule hast du uns allen reihenweise die Mädels ausgespannt.«
Der Braumeister hob ertappt beide Hände in die Luft und grinste. »Wenn du hier im Allgäu mit einer solchen exotischen Schönheit ankommst, darfst du dich nicht wundern, Flo. Wo bist du denn her?«, wandte er sich erneut an Jessica. »Ich mag es, wie du sprichst.«
»Ich komme aus Hamburg und ich spreche hochdeutsch«, lachte Jessica. »Nichts Besonderes also.«
»Hier schon. Vor allem hier auf dem Land«, behauptete Markus. »Eine kühle Norddeutsche also.« Er grinste breit. »Dann trinkst du vermutlich lieber Pils als gutes Allgäuer Bier. Aber möglicherweise kann ich dich mit unserem Sommersonnenwend-Sud vom Gegenteil und von meinen ganz persönlichen Fähigkeiten überzeugen.«
»Sehr witzig, Markus«, grummelte Florian gereizt. »Sind wir hier fertig? Unsere Freunde warten draußen.«
»Die Sudkessel, Florian. Wir müssen uns noch die Sudkessel aus Edelstahl ansehen«, erinnerte ihn Jessica und sah erwartungsvoll zum Braumeister.
»Auf jeden Fall«, stimmte Markus Hubertus ihr zu und ließ Florians Freundin nicht eine Sekunde aus den Augen. »Das Sudhaus ist dort hinter der Tür.«