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IV. Verführung in München

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Hitler, dessen Taktik, Goebbels aus dem Strasser-Flügel herauszulösen, in Bamberg bereits einen ersten Erfolg gezeigt hatte, bemühte sich nach der Führertagung, ihn auch in den inhaltlichen Fragen ganz auf die eigene Seite herüberzuziehen. Er lud ihn und Kaufmann daher nach München ein.133 Beide leiteten seit Anfang März 1926 gleichberechtigt den aus den Gauen Rheinland-Nord und Westfalen entstandenen Großgau Ruhr. Nach dem Triumph in Bamberg hatte sich Hitler großzügig gezeigt und keinen Einspruch gegen die Schaffung eines stark vergrößerten Gaus im Ruhrgebiet erhoben.

Hitler wusste, dass Goebbels aufgrund seines geschmälerten Selbstwertgefühls sehr anfällig war für Schmeicheleien und Hervorhebungen und diese ließ er ihm nun in München angedeihen. Die Inszenierung nahm bereits am Hauptbahnhof ihren Anfang. Die Männer wurden mit Hitlers Mercedes abgeholt. Wie erwartet, zeigte sich Goebbels beeindruckt: „Welch ein nobler Empfang!“134 Ihm sprangen sofort die „riesengroße Plakate“ ins Auge, die für seinen Auftritt im Bürgerbräu warben. Die Spannung auf ein Wiedersehen bei Goebbels geschickt aufbauend, kam Hitler erst am nächsten Morgen, um die Männer zu begrüßen: „In einer Viertelstunde ist er da. Groß, gesund, voll Leben. Ich hab ihn gern. Er ist beschämend gut zu uns.“135 Erneut stellte Hitler ihnen seinen Wagen zur Verfügung, um sie zum Starnberger See zu bringen. Am Abend nach Goebbels Rede im Bürgerbräu umarmte ihn Hitler mit Tränen in den Augen. Goebbels notierte: „Ich bin so etwas wie glücklich.“136 Anschließend ließ Hitler ihm seine ganze Aufmerksamkeit ungeteilt zukommen und aß ganz allein mit ihm zu Abend. Es folgte ein Konzertbesuch. Hitler wich Goebbels nicht von der Seite.137 Er umwarb ihn.

Nachdem Hitler gut vorgearbeitet hatte, indem er Goebbels wieder vollständig für sich eingenommen hatte und sich dessen sicher war, erfolgte am nächsten Tag eine Standpauke für die in der „Arbeitsgemeinschaft“ und im Ruhr-Gau gespielte Rolle:

„Und dann ein ganzes Sammelsurium von Anklagen. Nobel und nett vorgebracht. Hitler ist auch da ein Kerl. Dr. Ley und Bauschen haben intriguiert. Straßer und ich kommen übel weg. Jedes unbedachte Wort wird aufgewärmt. Herrgott, diese Schweine! A.G., Gau Ruhr, alles kommt aufs Tapet. Am Schluß folgt die Einigkeit. Hitler ist groß. Er gibt uns allen herzlich die Hand. Schwamm drüber!“138

Hitlers Berechnung war aufgegangen. Goebbels war seinem „Chef“ so stark verfallen, dass er ihm die Strafpredigt keinesfalls übel nahm. Da den Norddeutschen alles verziehen wurde, schien ihm Hitlers Großzügigkeit vielmehr imponiert zu haben. Als Hitler anschließend seine programmatischen Vorstellungen erläuterte, zeigte sich Goebbels, die eigenen Prinzipien total vernachlässigend, begeistert: „Er spricht drei Stunden. Glänzend. Könnte einen irre machen. Italien und England unsere Bundesgenossen. Rußland will uns fressen. (…) Wir fragen. Er antwortet glänzend. Ich liebe ihn.“139 Bei der sozialen Frage passte sich Hitler Goebbels an, ohne es aber tatsächlich ernst zu meinen.140 Goebbels war hingerissen. Er war der Redegewalt und hypnotischen Wirkung seines „Führers“ vollkommen erlegen:

„Soziale Frage. Ganz neue Einblicke. Er hat alles durchdacht. Sein Ideal: Gemischter Kollektivismus und Individualismus. Boden, was drauf und drunter dem Volke. Produktion, da schaffend, individualistisch. Konzerne, Truste, Fertigproduktion, Verkehr etc. sozialisiert. Darüber läßt sich reden. Er hat alles durchdacht. Ich bin bei ihm in allem beruhigt. Er ist ein Mann, nehmt alles nur in allem. So ein Brausekopf kann mein Führer sein. Ich beuge mich dem Größeren, dem politischen Genie!“141

In den folgenden Tagen trafen sich Goebbels und Hitler mehrmals. Sie gingen zusammen essen und besprachen erneut die zukünftige Außenpolitik Deutschlands. Nun schien Goebbels wieder eigenständig zu denken und äußerte leichten Zweifel, wobei er alles in allem ziemlich verunsichert war: „Seine Beweisführung ist zwingend. Aber ich glaube, er hat das Problem Rußland noch nicht ganz erkannt. Auch ich muß manches neu überdenken.“142 Eine andere Meinung zu haben als sein „Führer“, fiel ihm schwer.

Schließlich begaben sich beide zusammen nach Stuttgart, um dort zu sprechen. Weiterhin umhegte Hitler den ihn bewundernden Goebbels, der bereits eine besondere Verbindung zu seinem „Chef“ mutmaßte: „Hitler umarmt mich, als er mich sieht. Er sagt mir viel Lob. Ich glaube, er hat mich wie keinen ins Herz geschlossen.“143 Sichtlich ergriffen kommentierte Goebbels Hitlers Geburtstagsfeier, an der er zum ersten Mal teilnahm: „Adolf Hitler, ich liebe Dich, weil Du groß und einfach zugleich bist. Das, was man Genie nennt.“144

Die intensive Annäherung zwischen Hitler und Goebbels wurde in Norddeutschland kritisch beäugt. Es war nicht zu übersehen, dass Goebbels immer weniger versuchte, Hitler für die sozialistischen Anschauungen zu gewinnen. Auch missgönnte man ihm die Zuwendung, die er von Hitler erhielt. So kam es zunächst zum Bruch mit Kaufmann. Die Beziehung zu Strasser kühlte ebenfalls spürbar ab.145

Hitlers Kalkül dagegen war aufgegangen. Er konnte sich Goebbels` Gefolgschaftstreue sicher sein. Dem Strasser-Flügel war die ideologische Spitze genommen. Die Position der norddeutschen Nationalsozialisten wurde geschwächt. War im Zuge der Bamberger Führertagung der Schritt zum Führerprinzip vollzogen worden, so hatte Hitler in Goebbels nun den eifrigsten Verfechter desselben gefunden. Goebbels unterwarf sich seinem „Führer“.146 Die eigenen politischen Ideen begann er unter Hitlers Einfluss zu überdenken.



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