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V. Die neue Aufgabe

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Am 22. Mai 1926 begegneten sich beide in München auf der NSDAP-Mitgliederversammlung. Hier wurde Hitler erneut einstimmig zum Parteivorsitzenden gewählt. Die 25 Punkte vom 24. Februar 1920 wurden bestätigt.147 Von Hitlers Rede war Goebbels diesmal nicht überzeugt: „Hitler gibt Rechenschaft. 2 Stunden lang. Nicht ganz auf der Höhe. Mich lobt er vor der Öffentlichkeit über den grünen Klee.“ 148 Tatsächlich übertrieb Goebbels mit dem Letzteren, um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Die offiziellen Berichte geben darüber Auskunft, dass Hitler ihn in seiner zweistündigen Ansprache nur einmal kurz erwähnte.149

Im Juni 1926 beschäftigte Goebbels die eigene Stellung im Gau. Er war unzufrieden. Sein Wunsch, den Gauleiterposten im Ruhrgebiet zu übernehmen, schien nicht in Erfüllung zu gehen. Er zeigte sich verärgert: „Gestern den ganzen Tag herumdebattiert. Um den neuen Gauführer. (…) Über mich redet man überhaupt nicht. Als wenn ich nie einen Schlag getan hätte. Dank vom Hause Österreich!“150 Goebbels` Unmut über Hitler legte sich schnell, eröffneten sich ihm doch bald ganz neue Möglichkeiten. In der Münchner Parteileitung wurde nämlich darüber nachgedacht, ihn nach Berlin als Gauführer oder gar nach München als Generalsekretär zu berufen.151 Goebbels tendierte eher nach München: „Ich möchte schon, daß Hitler mich nach München beriefe. Dann wär ich aus all dem Dreck heraus. Nun hängt alles von seiner Entscheidung ab. Will er mich?“152 Er hoffte, Mitte Juni Näheres von seinem „Führer“ zu erfahren, der im Rahmen der von Goebbels organisierten „Hitlerwoche“153 ins Ruhrgebiet kommen sollte. Voller Ungeduld erwartete er das Wiedersehen: „Ich freue mich so sehr auf Hitler. Ich verehre und liebe ihn.“154

Obwohl während Hitlers Aufenthalt lediglich Kaufmann zum neuen Gauleiter des Ruhrgebiets bestimmt wurde,155 Goebbels zukünftige Position in der NSDAP jedoch ungeklärt blieb, kannte die Verehrung des Letzteren für den „Chef“ wieder mal keine Grenzen. Goebbels betete Hitler an:

„Hitler der alte, liebe Kamerad. Man muß ihn als Mensch schon gerne haben. Und dazu diese überragende geistige Persönlichkeit. Man lernt nie bei diesem eigenwilligen Kopf aus. Als Redner ein wundervoller Dreiklang zwischen Geste, Mimik und Wort. Der geborene Aufpeitscher! Mit dem Mann kann man die Welt erobern. Laßet ihn los, und er bringt die korrupte Republik ins Wanken.“156

Während sich die Weimarer Republik in einer Phase der relativen Stabilisierung befand157 und die NSDAP keinen Machtfaktor bildete, traute Goebbels dem „Genie“ Hitler ein enormes Machtpotential zu. So schrieb er auch wenig später: „So ein Kerl kann eine Welt umkrempeln. (…) "Hitler wird uns führen einst aus dieser Not!"“158

Am 3./4. Juli fand in Weimar der zweite Reichsparteitag statt. Dieser demonstrierte die Einigkeit hinter dem Führer. Die anwesenden SA-Männer schworen einen persönlichen Treueid auf Hitler.159 Goebbels hielt fest: „Hitler spricht. Von Politik, Idee und Organisation. Tief und mystisch. Fast wie ein Evangelium. Schaudernd geht man mit ihm an den Abgründen des Seins vorbei. Das Letzte wird gesagt. Ich danke dem Schicksal, daß es uns diesen Mann gab.“160

Goebbels verbrachte Ende Juli 1926 eine Woche seines Urlaubs mit Hitler auf dem Obersalzberg. Dem von Hitler Umworbenen aus dem Rheinland schwanden hier die letzten Zweifel,161 wobei fraglich ist, ob er überhaupt noch Bedenken gehabt hatte. Goebbels zeigte sich gewillt, sein Leben in Hitlers Hände zu legen: „Ja, diesem Mann kann man dienen. So sieht der Schöpfer des dritten Reiches aus.“162 Hatte er Hitler bereits zum neuen Messias verklärt, so brachte er ihn nun auch mit Wundern und Naturerscheinungen in Verbindung:

„Er ist ein Genie. Das selbstverständlich schaffende Instrument eines göttlichen Schicksals. Ich stehe vor ihm erschüttert. So ist er: wie ein Kind, lieb, gut, barmherzig. Wie eine Katze, listig, klug und gewandt, wie ein Löwe, brüllend – groß und gigantisch. Ein Kerl, ein Mann. Vom Staate spricht er. Nachmittags von der Gewinnung des Staates und dem Sinn der politischen Revolution. Gedanken, wie ich sie wohl schon dachte, aber noch nicht sprach. Nach dem Abendessen sitzen wir noch lange im Garten des Marineheims, und er predigt den neuen Staat und wie wir ihn erkämpfen. Wie Prophetie klingt das. Droben am Himmel formt sich eine weiße Wolke zum Hakenkreuz. Ein flimmerndes Licht steht am Himmel, das kein Stern sein kann. – Ein Zeichen des Schicksals?“163

Die besondere Zuwendung, die Hitler während des Urlaubs Goebbels angedeihen ließ, hatte einen bestimmten Grund. Er wollte ihm den Gauleiterposten in Berlin übertragen. Der dortige Gauführer Ernst Schlange hatte sein Amt niedergelegt, da Parteileitung und SA-Führung hoffnungslos miteinander zerstritten waren. Hitlers Ziel war es nun, dass der ihm ergebene Goebbels die Partei in Berlin, die weniger als 500 Mitglieder zählte, reorganisierte und damit die Sache der nationalsozialistischen Bewegung voranbrachte. Hitler sah Goebbels als besonders geeignet an, da er seine intellektuellen Fähigkeiten schätzte und wusste, dass er ihm bedingungslos folgen würde. Goebbels` sozialistische Anschauungen passten gut ins „rote Berlin“. Er sollte dort außerdem ein Gegengewicht zum Strasser-Clan bilden.164 Gregor Strasser übte vor allem durch den Aufbau der nordwestdeutschen Partei, aber auch durch die Publikationen seines mit seinem Bruder Otto165 gegründeten „Kampf-Verlags“ einen großen Einfluss auf die Bewegung aus.

Das sich kontinuierlich verschlechternde Klima in der Elberfelder Geschäftsstelle bereitete Goebbels nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub Kopfzerbrechen. Es wurde für ihn immer schwieriger, hier zu arbeiten, warf man ihm doch vor, sich vor Hitler und München gebeugt und die sozialistischen Ideen verraten zu haben.166 Trotzdem war Goebbels zunächst noch unschlüssig, ob er den Gauleiterposten in Berlin übernehmen sollte. Ende August notierte er sogar: „Nach München wegen Berlin halbe Absage. Ich will mich nicht in Dreck hineinknien.“167

Die anfängliche Abneigung und Skepsis wichen dann aber dem inneren Bedürfnis, dem Wunsch des „Führers“ zu entsprechen. Mitte Oktober stand fest: „Am 1. November geht`s nun endgültig nach Berlin. Berlin ist doch die Zentrale.“168 Einige Tage später notierte Goebbels im Tagebuch: „Dort liegt ein Brief von Hitler: Berlin ist perfekt. Hurra!“169 Nachdem Hitler entsprechende Vollmachten unterschrieben hatte,170 begab sich der neue Gauleiter von Berlin-Brandenburg schließlich am 7. November 1926 in die Reichshauptstadt.171 Hitler hatte ihn dazu ermächtigt, die Berliner Partei zu säubern, ohne – wie in den Statuten vorgeschrieben – den Untersuchungs- und Schlichtungsausschuss anrufen zu müssen. Goebbels war seinem „Chef“ unmittelbar und direkt unterstellt.172

Die Gebrüder Strasser waren von Goebbels` Ankunft in Berlin wenig begeistert, da er nun in ihrem Wirkungsbereich tätig werden sollte. Aufgrund der ihm von Hitler erteilten Vollmachten versuchten sie sich aber mit ihm zu arrangieren. So empfing Otto Strasser den Neuankömmling auf dem Bahnhof und verschaffte ihm die erste Unterkunft.173

Nachdem Goebbels am 9. November sein Debüt auf einer Gedenkfeier für den fehlgeschlagenen Putsch gegeben hatte, traf er bereits konkrete Anordnungen, die dem Streit zwischen der SA und der Gruppierung um die Gebrüder Strasser ein Ende setzen sollten. Hierbei war der proletarische Aktivismus seitens der SA zunehmend in Widerstreit mit den auf Überzeugungsarbeit setzenden Anhängern der Gebrüder Strasser geraten. Goebbels verbot jede weitere Debatte über den Streit und drohte bei Nichtbeachtung mit dem Parteiausschluss. Zum Ärger der Strassers ernannte er zugleich Kurt Daluege, den Berliner SA-Führer, zu seinem Stellvertreter174 und schwor somit die SA auf sich ein. Tatsächlich tendierte Goebbels auch mehr zum hemmungslosen Aktivismus und hielt weniger von der „Überzeugungsarbeit“ der Strassers. Aktivismus setzte er gleich mit Propaganda. Das Ziel war es, um jeden Preis aufzufallen und das konnte nur auf der Straße, sichtbar für alle, passieren.175 Goebbels wollte die Straßen und damit die Massen erobern. Da der erste Propaganda-Marsch durch Neukölln am 14. November für Goebbels unerfreulich verlief - viele seiner Parteigenossen wurden von den Kommunisten zusammengeschlagen - entschied er, die noch wenigen Anhänger zunächst ideologisch zu schulen und damit den Zusammenhalt zu festigen. Seine große rednerische Begabung kam ihm hierbei zu Hilfe. In den nächsten Wochen sprach er unermüdlich auf verschiedenen Versammlungen zu seinen Anhängern und brachte ihnen die nationalsozialistische „Idee“ näher.176 Goebbels reorganisierte und konsolidierte die Partei und wollte erst dann mit ihr nach außen hin wieder in Erscheinung treten.177

Hitler schien währenddessen mit Goebbels Arbeit in Berlin zufrieden gewesen zu sein. Kurz nach dem Eintreffen des neuen Gauleiters begab er sich ebenfalls in die Hauptstadt. Am 10. November traf er sich mit Goebbels zum Essen: „Der Chef war d[a] und sehr nett zu mir. Nach dem Essen waren wir ein paar Stunden für uns, er erzählte vom 9. November 1923, und ich erkannte die ganze gewaltige Tragik dieses Mannes. Er ist ein schöpferischer Kopf, der geschichtlichen Rang beansprucht.“178 Wenige Tage später besuchte er Goebbels sogar Zuhause: „Der Chef war sehr nett. Alle begeistert. Er ist so rührend gut zu mir. Wenn er spri[cht], dann schweigen alle. Er versteht es, jedem Ding ein eigenes Licht aufzusetzen. Ich habe ihn aus tiefstem Herzen gern.“179 Die Tagebuchnotizen geben keinerlei Aufschluss darüber, dass Hitler mit Goebbels die parteiinternen Spannungen vor Ort besprochen hätte. Bei seinem „Kontrollbesuch“ musste Hitler, so scheint es, nicht in die in der Partei vorherrschende Kontroverse eingreifen. Goebbels konnte somit seinen ersten Erfolg in Berlin verbuchen.

Ende November trafen Goebbels und Hitler in Essen erneut aufeinander. Verzückt äußerte sich Goebbels über seinen „Chef“: „Er war wieder der Führer, unter dem zu kämpfen eine helle Freude ist.“ 180 Zwei Wochen später notierte er in München: „Ich glaube, er mag mich gerne leiden. Ich bin begeistert von ihm.“181 Fast macht es den Eindruck, als wollte sich Goebbels durch die ständige Wiederholung, wie gern ihn Hitler habe, immer wieder selbst vergewissern, dass es so sei. Hitlers Zuneigung war für ihn die Anerkennung, nach der er sich sehnte. Damit kompensierte er seine Minderwertigkeitsgefühle. Er wähnte sich in einer exklusiven Partnerschaft mit seinem Idol. Sein „homoerotisches Verfallensein“ Hitler gegenüber und die Unterwürfigkeit, mit der er seinem „Chef“ begegnete, waren darauf zurückzuführen, dass er in Hitler seinen einzigen Halt und die Gewähr für seine Existenz sah. In ihm hatte er den Glaubensgrund gefunden, nach dem er so lange gesucht hatte.182

Ende des Jahres beschäftigte sich Goebbels mit dem zweiten Band von Mein Kampf. Er war hingerissen: „Ich möchte manchmal schreien vor Freude. Er ist ein Kerl!“183 Das Buch machte ihn „maßlos glücklich“.184 Unter dem Eindruck dieser Lektüre schrieb er schließlich am 31. Dezember: „Ein Mann wurde mir endgültig Führer und Wegweiser: Adolf Hitler. An ihn glaube ich, wie ich an die Zukunft glaube.“185 Die Grundlage für Goebbels` unerschütterliche Treue gegenüber Hitler war gelegt.



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