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III. Die Bamberger Führertagung

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Am 22. November 1925 wurde nach Hitlers Genehmigung die „Arbeitsgemeinschaft Nord-West“ nunmehr auch offiziell gegründet. Die Mitglieder dieser beauftragten unter anderem Kaufmann119 und Goebbels, den die Umgestaltung des Parteiprogramms bereits beschäftigt hatte, bis Mitte Dezember einen Entwurf für ein neues Parteiprogramm vorzulegen.120 Zwar ist das von Goebbels entworfene Programm nicht überliefert, sicherlich kamen aber hierbei seine sozialistischen Ideen zum Ausdruck. In der Außenpolitik plädierte er wohl für eine Annäherung an Russland.121

Am 24. Januar 1926 kamen in Hannover die norddeutschen Gauleiter zusammen, um über das zukünftige Parteiprogramm zu diskutieren. Das, was in Hannover schließlich verabschiedet wurde, deklarierte man als Material für eine in Aussicht genommene Revision des 25-Punkte-Programms. Die Versammlung beschloss des Weiteren einstimmig, die für Juni geplante Volksabstimmung über die entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürsten zu unterstützen – eine Entscheidung, die den Ansichten in München vollkommen widersprach, bemühte sich Hitler doch um Bürgertum und Wirtschaft.122

Die Versammlung in Hannover richtete sich jedoch keineswegs gegen Hitler. Die „Arbeitsgemeinschaft“ beabsichtigte nicht, sich von der NSDAP abzuspalten.123 Goebbels fühlte sich keinesfalls als Teil einer Anti-Hitler-Front, die ja auch nicht existierte. Vielmehr hoffte er seinen „Führer“ für den Sozialismus zu gewinnen. Er wollte ihn vom Einfluss seiner falschen Berater befreien. Obwohl er Anfang Februar feststellte, dass Hitler wütend wegen des Programms sei, wartete er voller Zuversicht auf die „Entscheidung“ von Bamberg.124 Dorthin hatte Hitler am 14. Februar 1926 eine Führertagung einberufen, um einige „wichtige Fragen“ zu besprechen. Tatsächlich sah er in einem neuen Programm eine Bedrohung für seine Autorität.125 Davon nichts ahnend, notierte Goebbels in seinem Tagebuch: „Wir werden in Bamberg die spröde Schöne sein und Hitler auf unser Terrain locken. In allen Städten bemerke ich mit heller Freude, daß unser, d.h. der sozialistische Geist marschiert. Kein Mensch glaubt mehr an München. Elberfeld soll das Mekka des deutschen Sozialismus werden.“126

Allzu bald wurde Goebbels, der am 13. Februar in Bamberg mit Strasser zusammentraf, aus seiner „Traumwelt“ herausgerissen. Das Bild, das er sich von Hitler zurechtgelegt hatte, entsprach keinesfalls der Realität. Goebbels war von Hitlers Rede auf der Tagung schockiert:

„Ich bin wie geschlagen. Welch ein Hitler? Ein Reaktionär? Fabelhaft ungeschickt und unsicher. Russische Frage: vollkommen daneben. Italien und England naturgegebene Bundesgenossen. Grauenhaft! Unsere Aufgabe ist die Zertrümmerung des Bolschewismus. Bolschewismus ist jüdische Mache! Wir müssen Rußland beerben! 180 Millionen!!! Fürstenabfindung! Recht muß Recht bleiben. Auch den Fürsten. Frage des Privateigentums nicht erschüttern! (sic!) Grauenvoll! Programm genügt! Zufrieden damit. Feder nickt. Ley nickt. Streicher nickt. Esser nickt. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich Dich in der Gesellschaft seh!!! Kurze Diskussion. Strasser spricht. Stockend, zitternd, ungeschickt, der gute, ehrliche Strasser, ach Gott, wie wenig sind wir diesen Schweinen da unten gewachsen! (…) Wohl eine der größten Enttäuschungen meines Lebens. Ich glaube nicht mehr restlos an Hitler. Das ist das Furchtbare: mir ist der innere Halt genommen. Ich bin nur noch halb.“127

Während Strasser den Mut aufbrachte, das Wort zu ergreifen, schwieg Goebbels zum Entsetzen der Norddeutschen. Der Versuch der „Arbeitsgemeinschaft“, einen sozialistischen Kurs in der NSDAP einzuschlagen, war am Führerprinzip gescheitert. Obwohl Goebbels das Erlebte zur „größten Enttäuschung seines Lebens“ hochstilisierte, war sein Glaube an Hitler und dessen historische Mission weitaus stärker als seine sozialistischen Anschauungen. Sein Gefühl, „nicht mehr restlos“ an Hitler zu glauben, legte sich bald wieder. Er war bereit, seine politischen Ideen zu opfern, niemals aber seinen „Führer“.128 Goebbels konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Hitlers Meinung seiner eigenen so grundlegend widersprach und flüchtete sich daher in die alten Erklärungsmuster: „Dann Mittwoch zu Strasser. Vorschlag: Kaufmann, Strasser und ich gehen zu Hitler, um eindringlichst mit ihm zu reden. Er darf sich von den Lumpen unten nicht binden lassen.“129 Immer noch hoffte er, Hitler in der programmatischen Auseinandersetzung auf die eigene Seite herüberziehen zu können. Wenige Tage später sollte er eines Besseren belehrt werden: Nach einem Gespräch mit Hitler bat Strasser am 5. März alle Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft“, jegliche Exemplare des Programmentwurfs an ihn zurückzusenden.130

Goebbels schien seinen ganzen Unmut auch bald wieder vergessen zu haben: „Lektüre: Adolf Hitler "die Südtiroler Frage und das deutsche Bündnisproblem". Eine fabelhaft klare und großzügige Broschüre. Er ist schon ein Kerl,…der Chef! Er hat mir wieder manchen Zweifel zerstört!“131

Die Bamberger Führertagung vom Februar 1926 war für die weitere Entwicklung der NSDAP von enormer Bedeutung. Hitler behauptete seine uneingeschränkte Autorität. Die Partei sollte sich ihrem Führer und nicht einem Programm unterordnen. Hitler konnte es verhindern, dass man ihn an ein Programm band und hatte nun eine unantastbare Position an der Spitze der Bewegung erreicht. „Idee“ und „Führer“ wurden deckungsgleich.132



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