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Vorwort

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Lieber Reisender,

ein Geständnis zu Beginn. Grado ist meine Geliebte. Als solche teile ich sie nur ungern. Außer der Saison – und das heißt Ende September bis Ende Mai – gehört sie oft mir (obwohl auch das, wie bei den meisten Geliebten, eine Illusion ist). Doch gibt es etwas, das stärker ist als die von meiner Schönen geweckte Eifersucht, und das ist mein Stolz auf sie.

Es wäre falsch, Grado als östliches Ende einer Reihe von Touristenorten an der oberen Adria zu denken. Sie* ist vielmehr der westliche Anfang einer Küste der Poesie, die nach Miramar und Triest führt (beide mit freiem Auge zu sehen), und schon nach wenigen Kurven oder einer halben Bootsstunde in das Zauberreich von Duino. Die Poesie hört in den paar Wochen (mehr sind es nicht) des touristischen Ansturmes nicht auf, sie lebt im Gesicht des Fischers, der dir bei der sardelada seinen Fang zubereitet, im Sonnenaufgang, im Sternenhimmel, im Lagunengras, wo immer du bereit bist, sie zu finden.

Es war ein aufregender Entschluss für mich, meine Geliebte herzuzeigen, zu beschreiben und meine bislang eher stille Passion der Welt zu öffnen. Außerdem hatte ich mir so einen offiziellen Grund verschafft, sie zu besuchen. Und: Gravo – so der Name des Orts im lokalen Dialekt – war, als Ausgleich zu meiner wortreichen Tätigkeit, immer so etwas wie meine Küste des Schweigens. Doch nun frischte ich mein Italienisch auf, das in den Jahren meines glückvollen Russischlernens verwelkt war, und tat etwas, das meinen Gradoreisen einen bislang unbekannten Aspekt gab: Ich kam ins Gespräch. Und die Gradeser öffneten mir ihr Herz und ihre Insel.


Spiaggia azzurra

Es sind gnadenlos persönliche Aufzeichnungen. Als Schauspieler wie als Schriftsteller wie als Mensch sehe ich das Leben als ein buntes Spektakel – und Grado als unendlich vielfältiges, täglich neu sich abspielendes Insel- und Welttheater. Ein Fischer, erzählte mir Adriano, einer meiner Lieblingsdarsteller im Buch, entscheidet im allerletzten Moment, ob die Fahrt geschieht – und wo sie hingeht.

Machen Sie es auch so! Halten Sie Ihre Nase in den Wind. Werden Sie eine Möwe! Die stets vielfachen Möglichkeiten, in Grado von hier nach dort zu kommen, haben eines gemeinsam: Sie sind immer schön. Eine Spezialität, die ich sonst nur von Grados „Tochter“, der weltbekannten Kurtisane namens Venedig kenne.

Gute Reise!

* Ich übernehme die Gepflogenheit des Italienischen, in dem Städtenamen stets weiblich sind. „Grado ist schön!“ = „Grado è bellA!“

Grado abseits der Pfade

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