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Biographischer Hintergrund

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Wissenschaftliche Errungenschaften und Vermächtnisse sind – wie die meisten schöpferischen Leistungen der Menschheit – nicht nur auf dem Hintergrund des Zeitgeistes zu sehen, sondern auch vor dem Hintergrund der persönlichen Biographie ihrer Schöpfer. Vergegenwärtigen wir uns deshalb zunächst Freuds Lebenssituation zu der Zeit, in der er seine Traumdeutung schrieb ( Tab. 1).

Tab. 1: Lebensdaten von Sigmund Freud bis zum Erscheinen der Traumdeutung


Sigmund Freud (1856–1939) hatte sich als Mediziner zunächst der Neurophysiologie zugewandt und war 1885 Privatdozent der Neuropathologie an der Wiener Universität geworden, wo er ursprünglich eine akademische Laufbahn anstrebte. Während eines viermonatigen Stipendiats an der Salpétiêre, dem Armenkrankenhaus in Paris, lernte er bei Jean Martin Charcot (1825–1893), der die Abgrenzung zwischen epileptischen und hysterischen Anfällen entdeckt und begonnen hatte, Hysterikerinnen in Hypnose zu behandeln. Charcot gilt als bedeutender Neurologe des 19. Jahrhunderts. Er vertrat als Erster die Auffassung, dass Neurosen durch unbewusste »fixe Ideen« hervorgerufen werden können.

Diese Idee entwickelte Freud weiter, nachdem er nach seiner Rückkehr – vor allem aus wirtschaftlichen Gründen – eine Privatpraxis in Wien eröffnete. Anfangs behandelte er neurotische Patientinnen und Patienten mit Elektrotherapie und Hypnose. Später entwickelte er die Methode der freien Assoziation, die ihn zu der Auffassung gelangen ließ, dass verdrängte sexuelle Motive eine bedeutende Ursache der Hysterie darstellen.

Es gab zwei Freundschaften, die in dieser Zeit sehr wichtig für ihn waren. Die eine war die Freundschaft zu Joseph Breuer (1842–1925), der deutlich älter und beruflich erfahrener war als er und den man als seinen Mentor bezeichnen kann. Breuers Hauptinteresse galt der Physiologie und der Frage, welchen Zweck biologische Vorgänge haben. Damit wandte er sich gegen das einseitig mechanistische Denken der Medizin der damaligen Zeit. Auf diese Weise erkannte er in der Behandlung der »Anna O.«, dass hysterische Symptome durch Kränkungen motiviert sein und durch »kathartische« Abreaktion der aufgestauten Gefühle günstig beeinflusst werden können.

Von Breuer erhielt Freud entscheidende Anregungen für die Behandlung seiner hysterischen Patientinnen. Einige behandelten sie sogar gemeinsam. Ihre Erfahrungen legten sie 1895 in dem gemeinsamen Buch »Studien über Hysterie« nieder. Es beschreibt die Verdrängung traumatischer Erfahrungen als Grundlage für die Entstehung hysterischer Krankheitssymptome und markiert als wichtigstes Buch vor der Traumdeutung den Beginn der Psychoanalyse. Doch die Freundschaft ging bald darauf auseinander, weil Breuer sich der Radikalität und Ausschließlichkeit nicht anzuschließen vermochte, die Freuds damals der Sexualität für die Entstehung seelischer Krankheiten zuerkannte – eine Auffassung, mit der er 1896 bei seinem Vortrag vor dem Wiener Verein für Psychiatrie und Neurologie heftige Ablehnung hervorgerufen hatte.8

Die andere Freundschaft war die sehr enge, man möchte sagen liebevolle Beziehung zu Wilhelm Fließ (1858–1928), der über lange Zeit Freuds persönlicher und wissenschaftlicher Vertrauter war und in Berlin als HNO-Arzt arbeitete. Sie standen in einem langjährigen Briefwechsel9 miteinander, der die verschiedenen Stufen von Freuds Selbst-Analyse und seiner Ideen zur Traumdeutung – ja zur Psychoanalyse überhaupt – dokumentiert. Freud schenkte ihm Anfang November 1899 zum 50. Geburtstag das erste Vorausexemplar seiner Traumdeutung. Bei diesem Anlass spekulierte


Abb. 2: Freud und der Berliner HNO-Arzt Wilhelm Fließ, der Vertraute, Freund und Berater während der Entstehung der Traumdeutung (© akg-images).

er, von der Bedeutung seiner Ideen überzeugt, ob man nicht irgendwann an dem Hause, in dem er seinerzeit den berühmten Traum von Irmas Injektion hatte, eine Tafel mit dem Text anbringen würde: »Hier enthüllte sich am 24. Juli 189510 dem Dr. Sigm. Freud das Geheimnis des Traums.« Tatsächlich wurde diese Tafel mehr als ein dreiviertel Jahrhundert später dort angebracht: Das war im Jahr 1977 in dem kleinen Vorort am Kahlenberg bei Wien.

Freud hatte nach seiner Rückkehr aus Paris im September 1886 die Hamburger Kaufmannstochter Martha Bernays (1861–1951) geheiratet. In den darauffolgenden Jahren bekamen sie sechs Kinder. Das älteste, Mathilde, wurde 1887, das jüngste, Anna, 1895 geboren. 1891 bezog die Familie die Wohnung in der Wiener Berggasse, in der Freud bis zu seiner Emigration im Jahre 1938 wohnte und praktizierte. Sie ist heute als Museum zu besichtigen.

Eine Zäsur in seiner inneren Entwicklung war der Tod seines Vaters im Jahre 1896. »Der Tod eines Vaters ist das wichtigste Ereignis im Leben eines Mannes«, schrieb er später dazu in der Traumdeutung. Dieses »wichtigste« Ereignis bewirkte, dass er anfing sich intensiv mit seinen seelischen Prozessen zu befassen. Dazu dienten ihm vornehmlich seine Träume und er begann sie systematisch zu analysieren. Diese Beschäftigung mündete in eine Selbst-Analyse – die erste »Lehranalyse« der Geschichte.

Träume und Träumen

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