Читать книгу Ethnobombe - Michael Exner - Страница 13
ОглавлениеDelgado Enterprises
Guatemala
„So, weiter:“ Delgado war wieder ernst. „Wieso habt ihr O'Hara nicht gefunden?“
„Die Einheimischen wussten nur, dass der Arzt ihn mitgenommen hatte. Als unsere Leute bei dem Doc ankamen, lag er schon im Fieber und hat dämliches Zeug gequatscht. Am nächsten Morgen war er tot. Wir haben einfach die Spur verloren. Konnte doch keiner ahnen, dass dieser Landarzt so pfiffig war. Er hat offensichtlich erkannt, dass O'Hara an etwas Neuartigem gestorben war und ihn dem Bezirksarzt übergeben, der die Leiche mit nach Atar genommen hat. Wieso ist das wichtig, der Idiot ist tot, was soll‘s?“ Ulan zuckte die Schultern.
„Weil er das ursprüngliche Virus in sich trägt, das uns aus der Anlage entwischt ist. So, wie mir das unsere Eierköpfe erklärt haben, könnte das die Gruppe auf der 'Maaru' einen entscheidenden Schritt weiter bringen.“
„Warum schmeißen wir nicht einfach eine Bombe auf das Schiff? Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben!“ Jan Ulan nippte an seinem Whisky.
„Was denkst du, wie viele Leute sich darüber den Kopf zerbrechen?“ Delgado war schon wieder kurz vor dem Explodieren. „Die beste Chance hatten wir mit Dokgo. Er sollte das Patrouillenboot abschießen und dann den Rest seiner Minitorpedos auf die 'Maaru' abfeuern. Die hätten genug Schaden angerichtet, um die Eierköpfe zu zwingen, auf ein anderes Schiff umzusteigen. Das wäre unsere Chance gewesen, irgendetwas oder irgendwen mit an Bord zu schmuggeln.
Aber nachdem der Koreaner das erste Torpedo abgesetzt hatte, musste er neu ausrichten, um auf das Schiff zu schießen. Die paar Sekunden haben den Russen gereicht, um ihren Störsonar und -radar einzuschalten. Die Torpedos sind sonst wohin getrudelt, nur nicht Richtung Ziel. Dokgo hat Glück gehabt, dass ihn seine eigenen Geschosse nicht getroffen haben.“
Delgado setzte sich.
„Wir kommen einfach nicht ran. Die 'Maaru' kreuzt weit entfernt von jeder Küste auf offener See, der Luftraum ist durch die ‚Oriskany‘ komplett dicht und unten lauern die Russen. Wir können ihnen nicht mal unser Baby schicken, den Virus. Jedes Gepäckstück wird bestrahlt, jede Person durchläuft eine Quarantäne, bevor sie an Bord kommt. Also, falls jemand eine Idee hat, raus damit!“
Alle starrten vor sich hin.
„Man müsste eine Mininuke…“ begann Kuschin unvorsichtig.
„Blödmann“, knurrte Delgado. „Es geht darum, wie wir an sie herankommen, nicht darum, was wir ihnen auf den Kopf schmeißen. Wir können sie nicht mal mit Raketen beschießen. Die „Oriskany“ hat das neueste satellitengestützte Raketenabwehrsystem an Bord. Die holen alles herunter, was sich der ‚Maaru‘ aus der Luft nähert. Außerdem würden die Abschussbasen registriert werden. Und rate mal, was die Jäger des Flugzeugträgers mit denen machen! Oder falls wir von einem Schiff oder U-Boot aus angreifen würden – was ließen die Kanew- Kreuzer von denen wohl übrig außer ein paar öligen Luftblasen und Blechfetzen? Wenn wir irgendeine Möglichkeit finden, könnte der Fettsack mal seine Lager aufmachen.“
„Wir verfolgen doch die ganze Zeit den Kurs der 'Maaru'. Die sind, seit sie Barbados verlassen haben, ununterbrochen unterwegs…“ Ulan meldete sich. Delgado war sofort hellwach. Wenn Jan sprach, hatte er was zu sagen, im Gegensatz zu Kuschin. Der plapperte nur.
„Ja, wir zeichnen alles auf, per Satellit, jeden Meter.“
„Wer hat die Aufzeichnungen?“
„Ich glaube Dana, die müsste im Büro sein.“
Ulan griff zum Telefon: „Dana, Jan hier, ihr zeichnet doch den Kurs der 'Maaru' auf, richtig? Gut, kommst du an die Daten der – sagen wir mal – letzten vier Wochen heran? Dann analysiere mal, ich brauche eine Aussage, ob sich ein Muster ergibt; ob es vorhersehbar ist, wann sie in etwa wieder einen bestimmten Punkt in Küstennähe erreicht. Wie lange brauchst du? So schnell? Dann melde dich sofort, wenn du es hast.“
Delgado war enttäuscht, „Da bin ich auch schon selbst drauf gekommen. Du meinst, wir deponieren ein nettes Feuerwerk auf dem Meeresgrund und wenn die 'Maaru' drüber fährt, ist Silvester. Leider hat sie immer mindestens 800 Meter Wasser unter dem Kiel. Das heißt, man kann nicht einfach ein großes Ei explodieren lassen. Das würde die ‚Maaru‘ nicht behelligen. Da müsste man schon eine Abschussvorrichtung installieren, um das Schiff wegzuputzen. Und so etwas finden sie garantiert. Die scannen den Meeresgrund jedes Mal, bevor sie drüber fahren. Eines sind sie garantiert nicht, nämlich blöde.“
Ulan schüttelte nur den Kopf.
„Nicht? Was dann?“
„Warte es ab, mir spukt da was im Kopf herum. Vielleicht können wir es nutzen, dass sie nur auf offener See unterwegs sind.“
Delgado wusste, dass Jan erst sprechen würde, wenn er etwas Konkretes hatte. Also schwieg er. Dann schnitt er ein anderes Thema an. Mehr zu sich selbst fragte er: „Wieso treiben die so einen Riesenspuk? Der Aufwand ist gigantisch, um diese paar Hanseln auf dem Schiff zu schützen. Die scheinen nicht wirklich was zu wissen, aber dadurch, dass sie einen fast undurchdringlichen Schutzschild geschaffen haben, kommen wir einfach nicht ran. Ich habe mir mal eingebildet, ich könnte jede Person innerhalb kürzester Zeit umlegen lassen auf diesem Planeten. Aber im Moment fällt mir nicht wirklich was ein, um an den Kahn heranzukommen.“
„Ich denke, das ist in erster Linie die Kampa von der UN. Wenn die sich was in den Kopf gesetzt hat, zieht die das durch.“ Kuschin sagte das fast bewundernd. Er sollte lieber den Mund halten, er hatte heute schon den Unmut Delgados auf sich gezogen. Aber er nuckelte inzwischen schon an seinem vierten Whisky und er vertrug nicht viel. So bemerkte er nicht den wütenden Blick Delgados.
„Ich kann den Namen nicht mehr hören. Schon als EU-Ratspräsidentin ist sie mir auf den Geist gegangen. Und jetzt umso mehr.“
Kuschins Instinkte waren noch wach. Er witterte Gefahr und hielt von jetzt ab den Mund.
Ulan dachte: 'Je älter, desto cholerischer wird Ramon. Irgendwann richtet sich seine Wut auch gegen mich. Dann muss ich verschwunden sein. Oder noch besser, er ist tot.'
Sein Handy meldete sich. „Dana, ja leg es hier auf den Schirm und komm her.“
Eine hochgewachsene Brünette kam herein. Sie strahlte ein Selbstbewusstsein aus, das an Arroganz grenzte. 'Sie weiß, wie gut sie aussieht.' dachte Delgado. 'Und ich habe sie immer noch nicht flachgelegt.'
Sie nickte kurz in Richtung Delgado und schaltete den Monitor ein. Eine Karte erschien. Dana hatte sogar eine kleine Präsentation vorbereitet. Zunächst erschien ein Miniaturschiff und fuhr auf scheinbar chaotischen Linien auf dem Atlantik entlang. „Sie kreuzen immer östlich entlang der Kleinen Antillen bis zu der Insel Hispaniola. Fünfzig Meilen davor wenden sie und fahren wieder zurück bis auf die Höhe von Barbados.
Es gibt keine feste Route und offensichtlich keinen Zeitplan, aber es gibt zwei Punkte in Küstennähe, die sie in unregelmäßigen Abständen immer wieder passieren.“ Die meisten Linien verschwanden. „ Das ist einmal vor Saint Lucia und dann Anguilla. Beide Inseln haben sie bisher drei Mal östlich passiert, Saint Lucia übermorgen wahrscheinlich das vierte Mal. Sie nähern sich allerdings nie mehr als fünfzig Meilen. Die Annäherung ist immer gleich, plus minus eine Meile. Zeitpunkte lassen sich nur vage vorhersagen. Noch Fragen?“
„Danke, Dana, das war’s.“
Die Brünette stöckelte mit wiegenden Hüften davon.
'Jede Wette, dass sie weiß, dass wir alle drei auf ihren sensationellen Hintern starren.' Kuschin war seit Jahren Single und die gelegentlichen Puffbesuche halfen da wenig.
„So, Jan, jetzt raus damit“
„Es ist nur so eine Idee, wir müssen das für diese Gegend prüfen lassen.“
Er dachte nach. „Anders gefragt, was meinst du, wäre es möglich, statt einer großen Bombe viele kleine Sprengkörper weit verteilt auf dem Meeresgrund zu streuen und sie gleichzeitig explodieren zu lassen?“
„Klein, was ist klein?“
„Sagen wir, maximal ein bis zwei Kilogramm, davon aber mehrere Hundert in Abständen von etwa 30 bis 50 Metern. Würde man die orten können?“
„Ich kenne die Empfindlichkeit der Scanner nicht, die sie einsetzen. Aber selbst wenn, würde das nicht weiter auffallen, es liegt genug Dreck da unten. Es dürfte nur kein Muster erkennbar sein.“
„Hmm, genau das könnte allerdings ein Problem werden.“
„Was hast du vor?“
„Soweit ich weiß, ist der Meeresgrund auf der Atlantikseite des Antillen-Meeresrücken ziemlich steil abfallend. Wenn wir ein paar Quadratmeilen auf die beschriebene Weise verminen, könnten wir einen großen Teil des Hanges zum Abrutschen bringen.“
„Du willst einen Tsunami auslösen? Der wäre erstens zu klein und würde zweitens die 'Maaru' nicht ernsthaft gefährden. Soviel ich weiß, können Tsunamis Schiffe nicht in Gefahr bringen, die weit draußen auf den Ozeanen sind. So ein großer Pott würde nicht mal ernsthaft ins Schaukeln kommen, wenn die Welle durchläuft.“
„Der Tsunami interessiert mich nicht. Ich will einen riesigen Methan-BlowOut auslösen. Wenn der groß genug ist, geht jedes Schiff unter wie ein Stein.“
„Du meinst, da gibt es dieses Eis? Wieso kennst du dich damit aus?“
„Ich habe vor ein paar Wochen einen Bericht gesehen, da ging es zwar um den Puerto-Rico-Graben, aber das ist nicht so weit weg. Jedenfalls sagten die, dass in der ganzen Region in den letzten Jahren riesige Vorkommen an Methaneis gefunden wurden, und dass das eine einzige Zeitbombe wäre. Durch die Erwärmung der Meere in den letzten Jahrzehnten ist dieses Zeug so instabil geworden, dass es nur nicht zerfällt, weil es unter Druck unter dem Meeresboden liegt. Ein entsprechend großes Seebeben könnte irgendwo großflächig einen Hang zum Abrutschen bringen und damit das Eis freilegen, was wieder eine Kettenreaktion auslöst.“
„Und die riesigen Gasblasen könnten so ein Kreuzfahrtschiff umschmeißen?“ Delgado zweifelte.
„Eher nicht, das geht einfach unter. Ich habe es auch nicht ganz begriffen. Vielleicht sollten wir Meyer fragen, der kennt sich bei so was aus.“
Delgado griff wieder zum Telefon: „Ist Meyer noch im Haus? Soll die Tasche noch mal weg stellen und herkommen…. Dann bringt er sie eben mit. Er kann von hier aus nach Hause gehen…. Ja, höchstens zehn Minuten.“
Meyer kam herein gehetzt. „Sorry, wenn ich gewusst hätte, dass Sie…“
Delgado unterbrach: „Meyer, Sie sind Physiker, erklären Sie normal Sterblichen, wie es funktioniert, dass ein BlowOut ein Schiff zum Sinken bringt!“
„Ein BlowOut - ein Schiff, also:“ Meyer stotterte. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit, dass er dem Chef der Firma einen physikalischen Vortrag halten sollte.
„Das ist eigentlich ganz einfach. Das Schiff schwimmt nur, weil es mehr Wasser verdrängt als es wiegt. Das nennt man Auftrieb. Wenn jetzt unter dem Schiff große Mengen Gas freiwerden, steigt dieses Gas nach oben. Das Schiff schwimmt jetzt nicht mehr im Wasser, sondern in einem Gas-Wasser-Gemisch. Das hat eine sehr viel geringere Dichte als reines Wasser. Das Schiff verdrängt nicht mehr genug Masse, um sich an der Oberfläche zu halten und fällt einfach in dieses Gemisch. Das hat man in entsprechenden Experimenten nachgewiesen. Man vermutet sogar, dass viele verschwundene Schiffe im Bermudadreieck von Blow-Outs auf den Meeresgrund…“
„Ja, gut, reicht!“
„Kann ich?“ Meyer zeigte Richtung Tür.
„Ja“
Meyer hetzte mit rotem Kopf hinaus. Wenn das seine Kollegen gehört hätten. Aber er sollte ja vereinfachen, damit 'normal Sterbliche' das verstehen.
„So, wie weiter?“ Delgado war interessiert.
„Tja, jetzt brauchten wir einen Meeresgeologen oder so etwas in der Art. Jemanden der sich in der Region und mit Methaneis-Vorkommen auskennt. Hast du eine Idee?“
Delgado begann zu telefonieren. Ulan goss sich noch einen Whisky ein. Er wollte Kuschin auch noch einen einschenken, ließ es aber, als er seine glasigen Augen sah.
Nach einer halben Stunde hatte Delgado etwas erreicht. „Heute wird nichts mehr. Übermorgen früh kommt ein Geologe, der soll sich im Atlantik gut auskennen. Außerdem schickt uns die Firma, die dort in der Gegend nach abbaubaren Methaneis-Vorkommen sucht, jemand mit den Ergebnissen vorbei. War nicht billig, die hatten Angst, ich wäre von der Konkurrenz vorgeschickt worden.“
Eine Stunde später war die zweite Flasche Whisky leer und alle drei Männer einigermaßen besoffen. Das heißt, Delgado und Ulan waren einigermaßen besoffen, Kuschin war rund wie ein Buslenker. Er kicherte vor sich hin und erzählte irgendeinen Unsinn.
„Was plapperst du da?“ fragte Delgado mit schwerer Zunge.
„Wir wollen uns auch amüsieren.“
Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Frage Kuschins vernebeltes Gehirn erreichte.
„Ich frage mich gerade, wie dieser berühmte Schlager hieß und wer ihn gesungen hat?“
„Hä?“ Delgado und Ulan guckten sich ratlos an.
„Na ich meine ‚Kann denn Dummheit Sünde sein?‘ War das jetzt Vicky Leander oder Zarah Leandros?“ Kuschin schien so etwas wie einen Kicheranfall zu haben.
Irgendwann fiel dann endgültig der Vorhang für alle drei.