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3.
ОглавлениеDer Flug dauerte 23 Minuten, vom Mutterschiff bis zur Oberfläche des Planeten. Relativ unsanft setzten die Shuttles auf dem staubig, steinigen Boden des Talkessels auf. Es war ein offenes Fabrikgelände, provisorisch errichtet. Mit großen grauen Containern in der Mitte, die an Schlafbaracken erinnerten. Das ganze Areal war von einer hohen majestätisch anmutenden Gebirgskette umgeben, an der sich Tal auswärts langgezogene Wiesen und dichte Wälder erstreckten. Die Atmosphäre auf Deneb war ideal für die menschliche Rasse – der Erde gleich. Es unterschied sich nur in einer etwas kleineren Sonne und einem leicht rosafarbenem Firmament, dessen Färbung mit der Dichte der Atmosphäre zu tun hatte. Am Fuß des Berges führten mannsgroße Löcher in den Fels. Hier wurde Bergbau betrieben. Das konnte man auch an den vielen Beförderungs-loren erkennen, die aufgereiht neben den Tunneleingängen auf ihren Einsatz warteten. Im gleichen Moment in dem mit lautem Surren die elektrischen Schiebetüren der Shuttles ihre menschliche Fracht freigaben, hatten sich aus den grauen Containern, die zur Unterbringung der Wacheinheiten dienten, in der Mitte des Geländes jeweils Zwei Wachklone links und rechts eines jeden Shuttles postiert.
Schwarz behelmt, schwarze Overalls und schwarze Schnellfeuerwaffen, abgerundet von schwarzen Stiefeln waren diese Wächter eigentlich mehr dekorativ als nützlich, denn seit die Alvarer ihre Suche nach Kursit mit Klonarbeitern betrieben, gab es noch nie einen außergewöhnlichen Zwischenfall. Wie auch.
Alles eine Frage der richtigen genetischen Programmierung des Gehirns.
Auch die Wachsoldaten waren, ihrer Aufgabe entsprechend, perfekt genetisch manipuliert worden. Erst jetzt im Sonnenlicht konnte man erkennen wie weiß die Haut der Klonarbeiter wirklich war, und aus ihren dunkelumrandeten Augenhöhlen starrten rot entzündete Augen ins Leere. Wieder bewegte sich diese Gespensterarmee wortlos zu ihren ihnen zugeordneten Arbeitsgerätschaften, die aus Schremmhämmern, fahrbaren Kernbohrern, Pickeln, Schaufeln und Brecheisen bestanden. Für modernere Gerätschaften waren die Klonarbeiter leider nicht geeignet.
Die Unfallgefahr war einfach zu hoch. Die uniformierten, behelmten Wachen schritten still an der Seite der Arbeiter mit in Richtung der Stolleneingänge. Plötzlich strauchelte einer der Arbeiter, wahrscheinlich zu schwach weil seine Lebenszeit schon beim Ablaufen war, als er seine Füße nicht genug bei diesem wortlosen Marsch anhob und über einen größeren Stein stolperte. Er kippte vornüber und fiel wie ein Brett ohne schützend seine Hände zu benutzen, auf den steinig staubigen Boden. Augenblicklich lief das Blut aus seiner Nase die er sich aufgeschlagen hatte und der rote Lebenssaft versickerte vor seinen Augen im staubigen Boden unter ihm. Wo es sich mit dem sandigen Untergrund zu einem tief rot farbenem Klumpen vermischte. Die Arbeiterkolonne stoppte, und der vorderste senkte langsam seinen Blick auf den vor ihm liegenden Leidensgenossen. Für ihn war das nur ein Hindernis das umgangen werden musste, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Er trat einen Schritt nach links um den liegenden Körper herum, und die Karawane setzte sich wieder in Bewegung. Um diesen menschlichen Abfall, sofern er nicht mehr von alleine auf die Beine kam um seine Arbeit zu verrichten, würden sich die mechanischen Versorgungsroboter kümmern, die abgesehen von der Wasserversorgung auch dafür zuständig waren, das der „Arbeitsplatz“ sauber blieb. Dafür waren sie mit zwei Greifarmen ausgestattet, um liegengebliebene Arbeiter zu entsorgen. Es waren zylinderförmige mannshohe Droiden, die mit einem Gravitationsantrieb ausgestattet waren. Sie zogen auch, schwebend, wärend der Arbeitsschichten in den Stollen ihre Runden um den Alvarern im Kommandoschiff stetig Livebilder vom aktuellen Stand des Erzabbaus zu liefern. So mussten sich die Alvarer ihre Finger nicht schmutzig machen und nicht selbst auf der Oberfläche ständig präsent sein. Abgesehen von der Generalinspektion die alle fünf Tage stattfand. Dann kam ein Shuttle zum Abbaugebiet und machte sich vor Ort ein Bild vom Stand der Dinge. Außer einer kleinen Gruppe von Frauen, die an der Oberfläche für die Sortierung und Verladung des Kursits verantwortlich war, verschwand der Rest der Arbeiter im tiefen Schwarz des Berges. Arbeiterin 688, postierte sich wie jeden Tag an dem ihr zugewiesenen Arbeitsplatz am Förderband vor Tunneleingang Nummer Vier, und starrte seelenlos auf das noch leere Förderband.
Heute sollte der wichtigste Tag ihres Lebens werden!
Die Produktion lief an diesem Tag auf Hochtouren, man war auf eine große Kursitader gestoßen, die zuvor vom Kommandoschiff in der Umlaufbahn mittels Geoscan geortet wurde. Wenn dieses Vorkommen vollends abgebaut und raffiniert war, war der Wohlstand der Alvarer für einen langen Zeitraum wieder gesichert. Es war etwa nach Vier Stunden Arbeitszeit, als Arbeiterin 688 gerade ihren siebten Transportcontainer mit Kursiterz zum Weitertransport in die Umlaufbahn fertig beladen hatte, als auf dem langsam fahrenden Förderband zwischen dem Geröll und den dunklen Kursiterzbrocken ein dunkler eiförmiger Kristall unter dem Schutt auftauchte. Laut ihrer genetischen Programmierung, das sie nur für Sortierung und Verpackung zuständig war, vermittelte ihr ihr Gehirn, das durch die auffallend dunkle Färbung dieser Kristall Kursiterz sein müsste. Sie nahm ihn in die Hand.
Wie ein Blitzschlag von Hunderttausend Volt fuhr es ihr durch Mark und Bein, und vor allen Dingen ins Gehirn. Sie hatte Mühe nicht vornüber zusammenzusacken, das Förderband rettete sie davor, indem sie sich mit beiden Händen abstützte, und trotzdem den Kristall nicht aus den Händen verlor, da sich die Hand wie bei einem Stromschlag verkrampfte. Sie sah sich vorsichtig um, keiner der Wächter hatte etwas bemerkt. Kein Wunder sie waren ja auch auf aggressive Ausnahmezustände programmiert, und nicht darauf dass ein Klonarbeiter während der Arbeit zusammenbricht. Das geschah sowieso täglich. denn die durchschnittliche Lebensdauer der Klone war mit 36 Monaten schon eher hoch angesetzt.
„Wo bin ich?“ Der erste Gedanke im Leben von Arbeiterin 688.
Langsam besserte sich ihr Zustand wieder, und sie richtete sich auf, vor dem Förderband stehend das sich langsam vor ihr in eine Richtung bewegte. Wie aus einem Reflex heraus griff sie nach den dunklen Kursitsteinen, drehte sich zur Seite und legte sie in Container Nummer Acht für den Weitertransport. Diese automatisierte Bewegung rettete ihr wahrscheinlich das Leben, denn einer der Wächter hatte seinen Kopf in ihre Richtung gedreht und die eingebaute Helmkamera die Echtzeitbilder an die Überwachungszentrale im Kommandoschiff übermittelten, sahen natürlich auf ihren Monitoren keine auffälligen Begebenheiten. Der Schwächeanfall von vorhin wurde gar nicht war genommen, da ihn keine Kamera der Wächter oder die der Versorgungsroboter aufgezeichnet hatten. Und selbst wenn, hätte man dem Vorfall weiter keine große Beachtung geschenkt, denn das geschah sowieso häufiger wenn Klone in die Tage kamen, und Nummer 688 hatte ja schließlich auch schon 26 Monate auf dem Buckel, und der nächste Klon der ihren Platz einnehmen sollte wartete ohnehin schon in der Zuchtstation von Wissenschaftsschiff Nummer Neun, wo permanent 800 Klone auf Abruf bereitstanden. 688 wusste nicht warum sie das tat was sie da tat, aber eine innere Stimme sagte ihr, „Um keinen Preis jetzt auffallen“, und mit diesen Gedanken nahm sie die nächsten Gesteinsbrocken vom Förderband. Ihr fiel auf je länger sie diesen Kristall in ihren Händen hielt umso mehr besserte sich ihr Zustand.
Um nichts in der Welt würde sie diesen Stein wieder loslassen.
Die Erinnerung kam langsam zurück, wo sie war und was sie hier tat. Sie wusste das sie ein Mensch war – von der Erde – sie hatte ein Leben gehabt. Dunkel tauchten immer mehr einzelne Bildfetzen vor ihrem geistigen Auge auf. Sie sah ein Haus, ein kleines Baby im Gitterbett, einen groß gewachsenen, braungebrannten Mann der behutsam das Baby aus dem kleinen Bettchen hochhob und sanft in ihre Richtung lächelte.
In diesem Moment schossen ihr die Tränen in ihre rot entzündeten Augen, und es brannte wie Feuer. Eva Mendez, das war ihr Name, Eva Mendez aus New Mexico. Ehefrau, Mutter und Kellnerin in Teilzeit.
Und sie war ein Entführungsopfer ! von – oh mein Gott – UFOs !
„Beruhige dich, beruhige dich“, die Worte hallten in ihrem Kopf. „ Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, alles wird gut, alles wird gut.“ Als erstes versuchte sich Eva zu orientieren. Sie war ein Arbeiter, nein … ein Sklave. Man hatte sie verschleppt. Sie stand an einem Förderband und sortierte Steine. Das ganze unter bewaffneter Aufsicht. Ihr Blick schwenkte vorsichtig zu dem ihr am nächsten stehenden Wächter, der in seiner schwarzen Adjustierung für Eva wirklich bedrohlich wirkte. Eva konnte gerade, so weit sie sich psychisch erholt hatte, nicht ganz folgen.
„Ich werde von Ufos entführt, um Steine zu sortieren? Was um Gottes Willen?“ Kaum gedacht schwenkten ihre rastlosen Augen weiter. Sie sah die Stollen, die in dreißig Meter Abständen ihre großen schwarzen Münder öffneten, um den Weg in den Berg freizugeben. Eva zählte neun von ihnen, und ebenso viele Förderbänder die aus den Stollen herausführten die unablässig Schutt und Geröll ans Tageslicht beförderten. Vor jedem Förderband stand ebenfalls ein Sklave der monoton seine Arbeit verrichtete, die aber zu weit entfernt waren um ihre Gesichter zu erkennen. So viel war nur sicher. Es waren auch Menschen, wie Eva. Alle Stolleneingänge wurden von je zwei Wächtern bewacht, die jeweils links und rechts neben den Eingängen postiert waren. Auffällig war nur das die Wächter unablässig, beinahe synchron, langsam ihre Köpfe immer von links nach rechts bewegten und wieder zurück, sodass sie eine Bewegung von 180 Grad ausführten, um den größt möglichsten Radius zu überwachen. Was Eva nicht wusste war, das das mit ihrer genetischen Programmierung zusammenhing, denn im Kommandoschiff das sich im Orbit befand, wollte man keine Überwachungsstandbilder übermittelt bekommen, sondern jeweils eine komplette Panorama Rundumsicht der Helmkamera, um immer und zu jeder Zeit alles im Blickfeld zu haben. Als Evas Blick weiter seine Runden zog, fielen ihr die Unterbringungsbaracken in der Mitte des kleinen Talkessels auf, die wie sie richtig schlussfolgerte, für die Wächter errichtet waren. Ansonsten befand sich da unten außer Geröll und den Containern gar nichts. Alles in Allem war es ein trister Ort. Schotter, Geröll und Sand. Lediglich die Bergspitzen des vor ihnen liegenden Gebirges, die verschneit waren, leuchteten in allen blau, weiß und Gold Tönen der aufsteigenden Vormittagssonne in dem rosafarbenen Firmament, die merklich kleiner und in einem dunklerem Farbton als auf der Erde schien. Sie konnte zwar das satte Grün der Bäume am Ende der Schneegrenze erkennen, jedoch war es viel zu weit entfernt um einzelne Bäume auszumachen. Eva konnte nur an der Entfernung abschätzen, dass diese Pflanzen wirklich sehr groß sein mussten. Spätestens jetzt war ihr klar dass sie sich nicht auf der Erde befand. Nachdem sie vorsichtig, denn sie vermied sicherheitshalber schnelle Bewegungen, ihren Kopf Talausgang drehte, erkannte sie dass es dort in einer breiten Ebene auseinander ging. Je weiter ihr Blick schweifte, desto grüner wurde der Untergrund, der dann schätzungsweise in zwei Kilometer Entfernung in einer durchgehenden Waldlichtung endete. Da Eva im Hintergrund keine Berge oder Hügel ausmachen konnte, ging sie davon aus das es sich um eine Große bewaldete Ebene handeln musste. Als sie mit ihrem Rundumblick fertig war, indem sie weiter brav Steine sortierte und vom Förderband holte, die die entsprechende Färbung aufwiesen, blieben ihre Augen auf dem sich stetig bewegenden Band hängen das unablässig Schutt ans Tageslicht beförderte, und sie konnte sich immer besser daran erinnern wer sie war. Eva versuchte sich krampfhaft an das Letzte zu erinnern was sie noch von ihrem alten Leben wusste. Plötzlich kam auch die Erinnerung wieder, überfallsartig, und genauso warm wurde in demselben Moment der seltsame Stein in ihrer Hand.
Es war 6 Uhr 30 als der Radiowecker mit seinem widerlichen, unablässigen Piep ton Eva und Antonio Mendez aus dem Schlaf beförderte. Evas Hand klatschte in Richtung der nervigen Störquelle, verfehlte aber den Wecker und schlug auf dem Nachtkästchen auf, während ihr Gesicht noch nach unten im Kopfpolster vergraben war. Der zweite Schlag traf sein Ziel. Evas Arm der aber um diese Zeit noch so weich wie Pudding war, glitt am Wecker entlang nach unten um über die Bettkante hängend den Boden zu berühren. Soweit kam es aber heute nicht, denn die herabgleitende Hand beförderte den Radiowecker auf den lauten Steinboden, der scheppernd seinen Geist aufgab, in dem die Digitalanzeigen der Uhrzeit plötzlich verschwanden. „Pendejo!“, kam es laut aus Evas Mund indem sie gleichzeitig vom Bett hochfuhr und mit einem Satz auf der Bettkante saß. „Was um alles in der Welt machst du da?“ Es war Antonios Stimme, der von dem lauten Geschepper nun endgültig wach geworden war. „Ah, dieser blöde Radiowecker, ist vom Nachtkästchen gefallen“. Eva betrachtete die kläglichen Überreste des Gerätes die auf dem Terra-cotta farbenem Steinboden verteilt waren. Die Verblendung des Radios war abgebrochen und lag halb unter dem Nachtkästchen. Das Teil lag auf dem Rücken und Eva konnte sehen das es keine Uhrzeit mehr anzeigte. Das einzige was sie noch lesen konnte war der weiße Aufkleber an der Unterseite, auf dem stand „Made in Taiwan“, als plötzlich ihr zweiter „Wecker „ mit heulendem Geschrei sich zu Wort meldete. Es war Emily, Evas und Antonios neun Monate alte Tochter, die in ihrem Gitterbett das im Nebenzimmer stand von dem lauten Geräusch aufgewacht war. Eva schnaufte einmal tief durch und schwang sich von der Bettkante um mit einem großen Satz nicht auf die Überreste dieser asiatischen Technik zu treten und sich womöglich noch zu verletzen. Das wäre das letzte gewesen das Eva heute noch gebraucht hätte, nach diesem Munterwerden. Mit drei Schritten war sie bei der Zimmertür und drückte behutsam die Klinke um sie zu öffnen. Antonio saß mittlerweile auch auf dem Bettrand und fuhr sich mit beiden Händen durch seine Haare. Eva betrat das rosa tapezierte Kinderzimmer und der typische süß säuerliche Geruch der in der Luft lag kündigte bereits an, was Emily als erstes dringend brauchte.
„Mi Corazon, Emily mein Schatz, guten Morgen wie geht es dir?“ Blöde Frage dachte Eva, wie würds dir wohl gehen wenn du in deiner eigenen Kacke aufwachst. Eva schüttelte den Kopf und musste dennoch schmunzeln über die eigenartigen Gedankengänge die sie hatte. Das musste wohl daran liegen das sie seit neun Monaten kaum aus dem Haus kam und abgesehen von Baby Brei, vollen Windeln und das sie die meiste Zeit des Tages in Babysprache mit ihrem Schatz kommunizierte, nicht viel von der Welt mitbekam. „Na dann wollen wir mal, komm zu Mama du kleine Stinkerin“. Behutsam hob Eva Emily aus dem Bettchen, die in einem zart rosafarbenen Nachtkleidchen steckte, und gab ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Nach fünf Minuten war Emily sauber und frisch gewickelt. Antonio, der sich mittlerweile gewaschen und angezogen hatte klopfte an die offene Tür mit einer Babyflasche in der Hand. „Na wo ist denn meine kleine Principessa, adudududu“. Mit der Flasche in der Hand wedelnd kam Antonio ins Zimmer und ging mit offenen Armen auf Eva und seine Tochter zu, die sie bereits in den Armen hielt. „ Du bist der beste, danke Schatz“. Eva wollte schon Antonio die Flasche abnehmen, der aber zog sie zurück.
„Lass mich machen, ich muss heut erst eine Stunde später anfangen, denn die Bauleute sind leicht im Verzug. Geh dich ruhig frischmachen, Schatz.“ Eva liebte Antonio, denn solche Männer wuchsen nicht auf Bäumen, und nebenbei war er auch noch attraktiv. 38 Jahre alt, schlank, braungebrannt mit einem drei Tage Bart in einem markant männlichen Gesicht und kurzen braunen Haaren. Mittlerweile waren sie seit drei Jahren verheiratet, und Eva hatte noch keinen einzigen Tag mit ihrem Mann bereut.
„Danke, ich beeil mich“, und Eva drückte Antonio Emily in die Arme, der sich bereits auf einen Stuhl gesetzt hatte um seine Tochter zu füttern. Mit einem, ich liebe dich, und einem Kuss auf die Stirn verschwand Eva im Bad. Als sie vor dem Spiegel stand, blickte sie eine Mitte dreißig jährige Halb- Mexikanerin mit sinnlichen Lippen, dunklen Augen und mit schwarzen schulterlangen zerzausten Haaren an. „Oh mein Gott, ich kenn dich zwar nicht aber ich wasch dich trotzdem“, war das Zwiegespräch das sie mit ihrem noch etwas zerknautschten Spiegelbild führte, und legte los indem sie sich einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht klatschte.
Eine halbe Stunde später saß Familie Mendez gemeinsam beim Frühstück in der Küche, und unterhielt sich über den Ablauf des angebrochenen Tages. Antonio war Zimmermann und hatte klein als eine Ein-Mann-Firma angefangen, nachdem die Job Lage und vor allen Dingen die Bezahlung in Portales, eine Kleinstadt, zweihundert Kilometer Nordöstlich von Rosswell, nicht unbedingt die rosigste war. Eine Zeitlang sah es gar nicht gut aus, und sie befürchteten sogar das Haus verkaufen zu müssen, das Antonio von seiner Mutter geerbt hatte. Doch dann kam das Schicksal in Form eines Auftrages, der von der Stadt finanziert wurde, den Mendez zu Hilfe.
Es ging um eine Wohnhaussiedlung und die Auftragsvergabe von 25 Dachstühlen mit Innenausbau an eine hiesige Zimmermannsfirma. Zwei Monate zuvor hatte Antonio bei Mr. Parks, einem Funktionär des Stadtrates eine Gartenhütte im Blockhausstil errichtet, und einen guten Eindruck hinterlassen. Dieser bescherte im den Auftrag, mit der Zusicherung von Mr. Mendez, das er mindestens vier zusätzliche Arbeiter anstellen würde um in dem von der Stadt vorgeschriebenen Zeitplan zu bleiben. Die Fertigstellung der Siedlung neigte sich bereits dem Ende zu, und durch Antonios gewissenhafte Arbeitsleistung hatte er sich bereits einen Namen in der Stadt gemacht, und so wie es aussah musste er nicht einmal seine Angestellten kündigen, denn die weitere Auftragslage bescherte ihm mehr als genug Arbeit für die nächsten Monate. „Also, wie es aussieht wird es heute später werden. Wir sind kurz vor der Fertigstellung der Siedlung, und du weißt doch was für ein Sprungbrett dieser Auftrag der Stadt war. Ich will mir gerade am Ende keine Fehler erlauben, oder eine schlechte Nachrede.“
„Ich weiß mein Schatz, ist schon gut. Ich werde heute nur mal kurz in die Stadt fahren, schließlich brauchen wir ja einen neuen Wecker. Ansonsten gibt´s nichts großartiges, außer den Rechnungen.“ Die Eva bereits gebündelt und mit Datum versehen hatte, um sie bei der Bank zur Einzahlung zu bringen. Seit Antonios Geschäft so gut ging, hatte er Eva halbtags in seiner Firma eingestellt um den ganzen Büro Kram zu erledigen. Das war auch perfekt zu organisieren, von zu Hause aus, wenn man ein Kind hatte. Bis auf ein bis zwei Bankbesuche im Monat um die wichtigsten Überweisungen zu tätigen. Nachdem das Frühstück beendet war, räumten sie gemeinsam den Tisch ab, und als Eva vor der Spüle stand gab Antonio ihr einen Klaps auf ihren Hintern, der so wie er immer sagte zum Hineinbeißen war. Emily die auf dem Hochstuhl gegenüber saß, und ihren Papa dabei beobachtete fing laut zu zappeln und lachen an, als wollte sie Antonio anfeuern es noch einmal zu tun. Dazu kam er aber nicht denn Eva hatte sich bereits umgedreht und Antonio zu sich herangezogen.
„Mr. Mendez, was soll denn das, ich bin eine verheiratete Frau. Vorsicht Mr.“ „Ich liebe dich Eva“, es folgte ein Kuss und gleichzeitig griff Antonio nach seiner noch halbvollen Kaffeetasse die neben der Spüle stand. „Ich muss jetzt los, es ist schon spät.“ „ Ich weiß, Bye, ich wünsch dir einen schönen Tag“. Ein letzter Kuss und Antonio griff sich die Schlüssel für seinen Pick-up, die Kaffeetasse die er immer halbvoll mit auf die Fahrt zur Arbeit mitnahm und seine Weste. Er drückte beim Rausgehen Emily einen dicken Schmatzer auf die Stirn, die vor Freude zu Quietschen anfing und verließ das Haus. Eine Minute später startete der Pick-up mit einer schwarzen Rußwolke und fuhr die Auffahrt hinunter. Bevor er auf die Hauptstraße einbog hupte er noch zweimal, das soviel bedeutete wie, ich liebe euch zwei. Dann war Eva mit Emily allein im Haus. Es war gegen zehn Uhr vormittags als Emily ihren Vormittagsschlaf hielt und Eva beschlossen hatte die Besorgungen auf den Nachmittag zu verlegen, denn die Wäsche türmte sich bereits im Keller, als es an der Türe läutete. Als sie die Haustüre öffnete stand ein dürrer großer Mann auf der Veranda, mit der Uniform eines Paketdienstes. Er hatte eine für diese sonnige Gegend untypisch blasse Haut die schon eher ins gräuliche ging, und Eva fragte sich, ob er Mann schon gesund sei. Unter seinem rechten Arm hatte er ein Paket eingeklemmt und in der linken hielt er ein Lesegerät zur Empfangsbestätigung.
„Mr. und Mrz. Mendez?“ „Ja, da sind sie richtig“. „Ich habe eine Lieferung für Mr. Mendez“, wobei der Bote auf das Paket unter seinem Arm deutete. Das war nichts ungewöhnliches, denn Antonio bekam öfter Sendungen direkt nach Hause, da es ja auch gleichzeitig ihr Geschäftsbüro war. „Wo muss ich unterschreiben?“ „Bitte, da unten“ der Bote deutete auf das leere Display und hielt Eva einen Touch-Pen entgegen um zu signieren. Als sie fertig war überreichte ihr der Mann das Paket, das auffällig leicht war, Eva verabschiedete sich und wollte schon die Türe schließen als der hagere Mann sich noch kurz räusperte und den Finger hob. „Verzeihung Ma´am, wäre es wohl möglich ein Glas Wasser zu bekommen, heute ist es sehr heiß und ich habe meine Verpflegung im Lager vergessen, ich weiß, dumm von mir.“
„Kein Problem, kommen sie kurz rein ich geh´ schnell in die Küche und hol ihnen eines.“ Als der Paketbote eintrat, sah Eva sein Namensschild das direkt in die Uniform eingenäht war. Mr. Anderson. „Mr. Anderson nehmen sie kurz Platz, ich bin gleich wieder da.“ Eva deutete auf die Sitzgruppe in der Mitte des Raumes. Mr. Anderson nickte lächelnd und wischte sich mit einem weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. New Mexico im Hochsommer konnte wirklich unangenehm sein, und heute war einer der heißesten Tage im Juli. Als Eva in der Küche stand und ein leeres Glas unter das fließende Wasser der Spülbeckenarmatur hielt, merkte sich nicht das sie nicht mehr allein in der Küche war. Als sie sich mit dem Glas Wasser in der Hand umdrehte ließ sie es vor Schreck fallen, und schrie kurz auf, denn Mr. Anderson stand bereits hinter ihr. Sie war zu keiner Reaktion mehr fähig denn dieser mysteriöse Mann hielt ihr in der gleichen Sekunde ein chromfarbenes Ding das die Ähnlichkeit einer Füllfeder hatte an die rechte Schläfe.
Dann ein greller Blitz und darauf folgte die Schwärze.
Wie aus einer Trance gerissen fuhr vor ihr einer der vielen Versorgungsroboter in die Höhe und riss Eva aus ihrer letzten Erinnerung die sie von ihrem alten Leben noch hatte. Die schwebenden Wasserspender, mit drei Schläuchen an jeder Seite, an denen man sich mit Wasser versorgen konnte, absolvierten täglich dieselbe Route zur Mittagszeit. Wie kleine Kälber die an den Zitzen ihrer Mutter saugten, standen die Klonarbeiter nun um die Droiden herum, und das köstliche Nass befeuchtete ihre Kehlen. Es war der einzige Zeitpunkt des Tages, an dem die Klone für zehn Minuten ihren Arbeitsplatz verlassen durften. Eva, der die eigenartige Szenerie nicht entgangen war, tat instinktiv dasselbe, und versuchte mit ihren mittlerweile verweinten Augen so ausdruckslos wie möglich zu schauen. Sie war ebenfalls nicht in der Lage den anderen Arbeitern ins Gesicht zu blicken, sondern hielt ihren Kopf gesenkt um ja nicht aufzufallen. Darum entging ihr vorerst auch ein wichtiges Detail, das sie vermutlich vor Entsetzen erstarrt hätte. In ihr kam eine Emotion hoch die sie schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Angst.
Das Auftauchen der Wasserspender war immer das Zeichen für die Halbzeit des Arbeitstages. Vier Stunden später nach weiteren fünf gefüllten Containern mit Kursiterz, kamen urplötzlich die Förderbänder zum Stillstand. Dem Himmel sei Dank, dachte Eva, denn sie war kurz davor vor Erschöpfung zusammenzubrechen. Ihr mentaler Zustand hatte sich in den letzten Stunden hingegen erheblich verbessert. und eigenartigerweise half dieses monotone Steine sortieren, sich immer mehr Details ihrer Vergangenheit ins Leben zu rufen. Jetzt kamen mit langsamen Schritten, es waren auch Frauen, die Arbeiter, wie schon zur Mittagszeit, von den anderen Förderbändern in Evas Richtung, da sie am ersten Förderband unmittelbar neben den Transportshuttles, dem Sammelplatz für den Rückflug, am nächsten war.
Kaum gedacht das sie etwas erleichtert war, das sie hier nicht die einzige Zwangsrekrutierte sei, und sie sich nun fähig fühlte ihren Leidensgenossinnen ins Gesicht zu blicken, gefror ihr das Blut in den Adern, als die Arbeiterinnen auf Sichthöhe kamen und Eva sich etwa zwanzig mal selber in die Augen schauen konnte. Wie konnte ihr das nur bei der gemeinsamen Mittagspause entgangen sein? Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht, und sie kämpfte mit der Ohnmacht. Jedoch spürte sie dass der Kristall in ihrer Hand das verhinderte. Und der Stein war es auch der ihr, ihr Bewusstsein wieder gab, das von Minute zu Minute stärker wurde.
Ihr Magen rebellierte und so sehr sie auch versuchte es zurückzuhalten, es ging nicht mehr. Eva musste sich übergeben. Auch das wurde von Niemandem als wichtig registriert. Klone mussten sie häufiger übergeben, bis sich der Magen-Darmtrakt über die ersten Wochen an die feste Nahrung gewöhnt hatte. Ähnlich wie bei Babys in den ersten Monaten. Als Eva sich wieder aufrichtete, kam sie gar nicht weiter einen Gedanken zu fassen, denn aus allen Tunneleingängen kamen nun Hunderte von männlichen Klone. Auf und über mit Dreck und Staub bedeckt, stellten sie ihre Arbeitsgeräte in den Seitenwänden ab und steuerten im typischen Zombiegang auf den Sammelplatz zu. Hunderte von identischen Kopien, Eva war froh dass sie sich eben übergeben hatte, das rettete sie vermutlich jetzt davor endgültig in Ohnmacht zu fallen.
Sie beobachtete was die ihr unmittelbar Nächsten als nächstes taten und reihte sich mit ein, es ging zum Ersten der Shuttles. Langsam füllte sich der Transporter und als Eva als Letzte einstieg und sich umdrehte, war das letzte was sie mit ihren feuchten, rotentzündeten Augen sah, die untergehende Sonne einer fremden Welt. Dann surrten die Motoren und die Schiebetüren schlossen sich. Die Shuttles brachen den Rückflug an.