Читать книгу Mission Adam - Michael Gallo - Страница 8

5.

Оглавление

Es wäre ein Albtraum für jeden Klaustrophopiker gewesen. Herumgeschüttelt zu werden in dieser Konservendose und stehend, eingepfercht mit den restlichen „Passagieren“ das man fast keine Luft bekam. Und das alles ohne Licht, es war stockdunkel. Von der Decke hingen Haltegriffe, an denen sich die Arbeiter mit einer Hand festhielten, was aber keine Rolle spielte, denn so eng beieinander wäre es sowieso keinem der Insassen möglich gewesen umzufallen. Diese 25 Minuten Flugzeit kamen Eva wie eine Ewigkeit vor. Und wenn dann noch einer ihrer unmittelbaren Nachbarn den Mund öffnete um nach Luft zu schnappen, denn der Sauerstoff hier drinnen wurde immer weniger, schwappte ihr eine Welle vom Geruch verfaulter Zähne entgegen. Sie hatte wirklich ihre Mühe, und kämpfte permanent mit den Tränen, weil sie sich das alles nicht erklären konnte, und inständig darum betete aus diesem Traum aufzuwachen.

Der einzige Lichtblick war dieser mysteriöse Stein den sie in ihren Händen hielt, es war als wäre er der Auslöser dafür gewesen, das sie aus so einer Art Koma erwacht war. Sie versuchte sich auf den Stein zu konzentrieren, um sich von dem was sie umgab etwas abzulenken. Aber was hatte es mit den vielen anderen Evas für eine Bewandtnis die wie Roboter, absolut emotionslos an ihr vorbeigingen. O mein Gott, sie konnte sich erinnern, an einen Fernsehbericht, darüber das man es in England geschafft hatte vor kurzem ein Schaf zu klonen. Eine identische Kopie eines Lebewesens zu schaffen. Wenn wir das mit Schafen können wozu sind dann Außerirdische fähig die Raumfahrt betreiben. So musste es sein, es war die einzig logische Erklärung. Man hatte sie von der Erde entführt. Sie ihrem geliebten Mann und ihrem Kind entrissen, und mussten sie als sie noch betäubt war x-fach geklont haben, oder so. Ja, so musste das gewesen sein.

Aber nicht mit einer Mendez, da hatten sie sich die Falsche ausgesucht. Nicht umsonst waren alle Männer der letzten drei Generationen, väterlicherseits, entweder Freiheitskämpfer oder beim Militär. Nur ihr Vater hatte es nicht geschafft einen Sohn in die Welt zu setzen, dass jedenfalls musste er sich immer wieder von seinem Vater über sich ergehen lassen. Zwei Geschwister. Drei Frauen. Eva als Älteste hatte schon in der Pubertät noch im Elternhaus lebend den Stempel des ältesten Sohnes aufgedrückt bekommen. Den Zustand verstärkte auch noch der Umstand das Evas Vater, als sie gerade mal zwölf Jahre alt war, an akutem Nierenversagen das Zeitliche segnete, und sie, nach ihrer Mutter, die älteste im Haus war. Mit unter ein Grund, warum sich die Familie Mendez, ohne Mann im Haus den Luxus einer teuren Schulausbildung nicht leisten konnte, und Eva schon in jungen Jahren ihrer Mutter helfen musste das Geld zum Überleben nach Hause zu bringen. Evas Kindheit war relativ kurz, und sie war schon mit fünfzehn Jahren erwachsener, als manch andere mit zwanzig. Wenn jemand mit so einer Situation fertig wird dann eine Mendez. Eva musste sich nur wieder etwas fangen. Dazu hatte sie jetzt Gelegenheit, denn die Reise war zu Ende und die großen Containerschiffe rasteten in die Verankerungsbolzen des Mutterschiffes ein. Ein letztes heftiges durchschütteln, und dann war Stille. Die Hydraulik zischte und die Türen öffneten sich. Der Anblick der sich Eva jetzt bot, gepaart mit dieser Welle des Gestankes aus Fäkalien und Erbrochenem, holte sie sehr schnell wieder in die Realität zurück. Sie fühlte sich in ein Arbeitslager der Nazis des zweiten Weltkrieges versetzt, nur das hier niemand schrie oder weinte. Diese ferngesteuerten Geschöpfe nahmen alles hin. Was sind das für Tiere, die jemanden so etwas antun, unter diesen Umständen leben zu müssen. Klone hin oder her. Evas Kampfgeist war wieder zurück, und der Zorn in ihr stieg ins Unermessliche.

Sie konnte es kaum erwarten einem von dieser „Herrenrasse“ gegenüberzustehen. Langsam bewegten sich die Menschentrauben aus allen Containern geordnet und strukturiert in Zehnerreihen in, durch aus dem Boden in die Höhe gefahrene, Desinfektion Schleusen. Dort verharrten sie bis ein kurzes Piepen den Reinigungsvorgang einleitete. Es war eine hocheffiziente Art der Gammastrahlung die jeden Keim oder Virus unschädlich machte. Es ging nämlich darum nichts Fremdes von einem Außenposten auf das Schiff mit einzuschleppen. Nach knapp fünf Sekunden war die Reinigung beendet und der zweite Piep Ton signalisierte, sich zu ihren Schlafplätzen zu bewegen. Nach etwa zwanzig Minuten hatten alle, auch Eva, ihre Strahlungsdusche erhalten. Eva fand ihren Schlafplatz recht schnell, es war nämlich der Einzige der in ihrer Reihe noch unbesetzt war. Mittlerweile atmete sie nur noch durch den Mund, das half ein wenig den Gestank erträglicher zu machen. Nach weiteren fünf Minuten war die Prozedur beendet, alle waren auf ihrem Platz und die Schiebetüren der angedockten Schiffe schlossen sich wieder. Niemand bewegte sich, als schienen sie auf etwas zu warten. Da war es auch schon. Ein kurzer eindringlicher Pfeifton und über zweitausend Hände gingen in die Höhe. Jetzt hatte Eva ein Problem. Wohin mit dem Stein? Reflexartig fuhr sie mit der rechten Hand in die Höhe und an ihrem Mund vorbei und schnell verschwand der Kristall aus ihren Händen in ihrer Mundhöhle. Was sollte dieses ganze Prozedere? Wie zur Antwort erklang der zweite Pfeifton, und sie hörte hinter sich das Surren von etwas Unbekanntem, mechanischem.

Etwa einen halben Meter über ihren Köpfen schwebten zwei rotierende Kugeln durch die Reihen, begleitet von einem roten, alles erfassenden Laserstrahl. Es waren Scan-roboter die alles und jeden in diesem Raum erfassten bis sie am Ende des Raumes im Dunkel verschwanden. Es war eine Standeskontrolle ob auch alle ihre „Schäfchen“ noch da waren oder ob ihnen ein Arbeiter auf dem Planeten abhanden gekommen war.

Da hatte Eva die Erleuchtung. Wenn die hier ihre Arbeiter zählen, dann kann die Kontrolle auf dem Arbeitsplaneten und in den Stollen nicht so genau sein. Sollte sich hier am Schiff nichts zur Flucht ergeben, dann war dieser Außendienst Evas Chance. Der nächste Pfeifton riss sie aus ihren Gedanken.

Alle Hände senkten sich wieder. Eva war gespannt was wohl als nächstes kommen würde. Kleine elektrisch betriebene quadratische Gullideckel schoben sich zur Seite. nur das diese sich nicht am Boden sondern an der Decke befanden. Exakt jeweils über diesen Futtertrögen, an denen Eva auf dem Weg zu ihrer Schlafkoje vorbeigekommen war, und sie hoffte das sie nicht diesem Zweck dienten nach dem es aussah. Sie hatte falsch gehofft. Lange, zwanzig Zentimeter breite Schläuche wurden jetzt durch die Öffnungen an der Decke etwa einen halben Meter über den Trögen abgesenkt. Eva vernahm das Gurgeln das aus diesen Öffnungen an der Decke kam und immer lauter wurde. Plötzlich ergoss sich aus all diesen Schläuchen ein weißer schleimiger Brei in die Behälter. Nach weiteren drei Minuten war angerichtet und die Bassins voll mit diesem was auch immer. Langsam wurden die Schläuche wieder nach oben gezogen und verschwanden in der Decke bevor sich die Luken wieder schlossen. Dieses Mal war es ein tiefer Hup Ton der diese Kreaturen zum Abendessen aufforderte. Geordnet und immer auf den Vordermann wartend, bis er sich eingereiht hatte, stapften alle in Richtung des weißen Breis.

Dort Angekommen fuhren die Hände der Klone in diese Matsche und wie kleine Baggerschaufeln fanden sie ihr Ziel in den Mündern. Jeweils zwei Hände voll pro Arbeiter. Niemand nahm mehr, denn das waren mittlerweile feste Konstanten, die sie von Geburt an mitbekommen hatten, ähnlich den Kenntnissen ihrer späteren Arbeitsaufgaben. Alles war genetisch steuerbar. Laut patschend war dass eine Horrorszene für Eva. Breiverschmierte, bleiche Gesichter und Hände mit ihren rot entzündeten Augen, standen apathisch um die Tröge und wurden stetig weitergeschoben von den Nächsten in der Reihe, so das jeder etwas von dem Essen erwischte und das ganze zügig voran ging. Die Vergangenheit hatte nämlich gezeigt, dass selbst die Befriedigung der Grundbedürfnisse, den Klonen selbst zu überlassen, ein Problem darstellte.

Denn Klone lernten nicht durch Erfahrung wenn, wenn man ihre natürliche Entwicklung auf dem Stand eines fünfjährigen genetisch stoppte, auch wenn sie stetig dasselbe machten. Und nach unzähligem sich übergeben müssen, weil sie ihr Sättigungsgefühl nicht beachteten, mussten die Alvarer die Essensausgabe ebenso wie das Reinigungsritual durch fest verankerte Signaltöne einleiten und begrenzen, damit dieser wertvolle Aminosäuren-Vitamin Brei in ihrem Körper blieb. So kam jeder dran, nicht wie in den ersten Monaten, zu Beginn der Klonexperimente, als alle Klone noch sehr jung und unerfahren, ihrem Körper betreffend, waren. Sich sogar selber vor Heißhunger und Hektik ab und zu die Zungen abbissen oder bei „Bettnachbarn“ die im Schlaf gestorben waren, anfingen an den Gliedmaßen herum zuknabbern da sie auf den süßlichen Geschmack des Blutes gekommen waren. Damals wurden die Toten aber von Reinigungsklone entsorgt, während die Arbeiter auf den jeweiligen Planeten waren, damit das Ganze nicht in einer Epidemie ausartete, oder Nachahmer zur Folge hatte. Sicher war Sicher. Das gehörte aber mittlerweile schon lange der Vergangenheit an. Die Alvarer hatten dazugelernt und auch mittlerweile in der neunzehnten Klongeneration die Mägen der Arbeiter genetisch verkleinert. So das sie genug Energie aufnahmen, und gleichzeitig sich aber nicht überfressen konnten. Eva wusste nur eines ganz sicher.

Ihr Abendessen würde heute ausfallen. Dieser gesamte widerliche Zustand auf diesem Schiff half ihr auch, das ein Hungergefühl bei ihr auch gar nicht so richtig aufkam. Jetzt erst merkte sie dass sie den Stein immer noch im Mund hatte. Blitzschnell ließ sie ihn wieder in ihrer Hand verschwinden und mischte sich zumindest auch unter die Menschentraube damit es nicht auffiel das sie die einzige war die dem Abendessen fern blieb. Nach ungefähr einer halben Stunde war das „Buffet“ beendet. Ein neuerlicher dumpfer Signalton läutete die Wasseraufnahme und die Abendtoilette ein. Etliche hatten sich nun um die Wasserschläuche versammelt um zu trinken, unmittelbar neben anderen die ihre Notdurft in den dafür abgetrennten Zellen verrichteten. Sie wurden zusätzlich von sogenannten Reinigungsklone, erkennbar in roten Overalls gesäubert. Die sich neben den Toilettenkabinen postiert hatten oder sitzend auf einer Art schwebenden Staubsaugern die Gänge zwischen den Schlafplätzen recht passabel reinigten. Bei dem einen oder anderen der Arbeiter, bei denen etwas „daneben“ ging und Not am Mann war, wurde von der Putzkolonne neue Kleidung verteilt, nachdem sie von den Reinigungsmannschaften mit einem chemischen Trockenpulver gesäubert wurden. Genau diese alltägliche Abendreinigung passierte jetzt. Eva beobachtete die Szenerie sehr aufmerksam damit ihr ja nichts entging was sie eventuell zur Flucht nutzen konnte. Aber Fehlanzeige. Nach knapp einer Stunde war auch dieses Prozedere beendet, jedoch nicht einmal die Reinigungsklone auf ihren schwebenden Staubsaugern vermochten diesen Gestank zu eliminieren der sich über einen sehr langen Zeitraum in jedem Zentimeter des Bodens und der Wände festgefressen hatte. Die letzte Befehlsausgabe war der Zapfenstreich, dieser alles durchdringende Heulton, der den Arbeitern signalisierte sich hinzulegen und zu schlafen. Eva tat es ihnen gleich. Als alle regungslos auf ihren Matten lagen, drehte Eva noch einmal den Kopf zur Seite, zu ihrer unmittelbaren Schlafnachbarin und schaute sich wieder selber in die Augen und in ihr eigenes Gesicht. Es war Gespenstisch. Sie fasste sich selber noch einmal an den Kopf, als wollte sie es nicht wahrhaben das man ihr auch eine Glatze verpasst hatte, und das Wasser stieg ihr erneut in die Augen. Als der Heulton abrupt endete, knallten die Relais und synchron gingen die Lichter in dieser riesigen Halle aus, und die rote Blink-orgie der Notfallbeleuchtung startete ihren fünfstündigen Nachtdienst.

Eva würde heute sowieso kein Auge zu machen, zu sehr war sie damit beschäftigt den Ablauf ihrer Flucht zu planen, denn eins war sicher noch eine Nacht würde sie hier nicht mehr verbringen. Der Geist war willig doch der Körper forderte seinen Preis. Irgendwann musste Eva kurz vor dem Morgenapell eingeschlafen sein. So hatte sie zumindest soviel Schlaf erwischt damit sie den bevorstehenden Tag überstehen würde. Denn er würde anstrengend werden, dessen war sie sich sicher. Die Nacht verlief ruhig. Die Klone schliefen als hätte man einfach einen Stecker gezogen.

Als die rote Lichterkette wie jeden Morgen erlosch und die Sirene zum Morgenapell ertönte fuhr Eva gleich in die Höhe vor Schreck, wie all ihre Leidgenossen. Aufrecht sitzend mit all den übrigen kahlen Köpfen vor, hinter und neben ihr.

Das Problem der Körperbehaarung hatten die Alvarer ganz einfach dadurch gelöst, das diesen Klonen, genetisch, einfach keine Haare mehr wuchsen. Körperbehaarung war nämlich nichts weiter als ein störender Hygienefaktor, und der außerdem einen unnützen Zeitaufwand erforderlich gemacht hätte, nämlich über eintausend Arbeitern die Haare zu schneiden. So billig war die Klonproduktion dann auch wieder nicht, dass man die Gefahr einer Hygiene bedingten Massenverseuchung einging. Eine Gensequenz entfernt und der Haarwuchs gehörte der Vergangenheit an.

Eva erschrak, wo war der Stein? Hektisch tastete sie mit der Hand ihre Schlafunterlage ab, er war jedoch nirgends. Was sollte sie tun wenn sie ihn nicht mehr wiederfand, er war es doch offensichtlich der dieses „Erwachen“ in ihr ausgelöste hatte. Plötzlich war sie wieder da, die Erinnerung. Eva schnaufte schwer durch vor Erleichterung. Sie hatte den Stein ja gut versteckt, im Dunkeln, wärend alles schlief. Jetzt konnte sie ihn auch wieder spüren wenn sie sich langsam bewegte. Er war in ihrem After. Das war das einzige Versteck das wirklich sicher war, vor allen Dingen wenn sie Heute flüchten würde bräuchte sie sicher beide Hände, und im Mund war die Gefahr zu groß ihn aus irgendwelchen hektischen Bewegungen heraus womöglich noch zu verschlucken. Sie hatte sich in der beinahe schlaflosen Nacht an die vielen Geschichten ihres Großvaters erinnert, wenn er zu Besuch war und mit den alten Kriegsgeschichten anfing. Wozu Menschen in Extremsituationen getrieben werden, wenn es zum Beispiel darum ging in militärischer Gefangenschaft Dinge zu verstecken die der Feind nicht finden sollte. Eva beschloss in der Nacht dass genau dies eine Extremsituation sei. Definitiv. Mittlerweile standen alle Klone neben ihren Matten. Eva tat es ihnen gleich, und erhob sich. Irgendwie war es schon faszinierend, das eine so große Menge an Menschen in einem Raum, sich beinahe geräuschlos bewegte. Der übliche Signalton erklang, und Eva reihte sich in die Parade ein, auf den Weg in Richtung, zu den Containerschiffen.

Sie wunderte sich noch dass es kein Frühstück für die Arbeiter gab, merkte aber erst jetzt, und das war nur dem Stein zu verdanken, dass sie selber immer noch kein großes Hungergefühl hatte. Der allabendliche Essensbrei war nämlich, so eklig er auch aussah, genauso wertvoll - an allem was man benötigte um wirklich vierundzwanzig Stunden konzentrierte Dauerleistung zu erbringen.

Als alle in den Schiffen ihren Platz gefunden hatten, surrten die Motoren – die Türen schlossen sich, und es ging wieder in Richtung Denebs Oberfläche. Kaum hatten die Transportschiffe ihre menschliche Fracht ausgespuckt, holte Eva tief Luft. Ein kühler Morgen empfing die Klone auf Deneb, und es schien ein wunderschöner Tag zu werden, denn keine Wolke war am rosaroten Firmament zu sehen. Auch die Sonne kratzte schon auf der andern Seite des Gebirges an den Gipfeln. Vermutlich würde sie in den nächsten fünf Minuten aufgehen. Auch die Wächter waren prompt zur Stelle, und hatten sich neben den Ausgängen der Shuttles postiert. Sie beobachteten regungslos das alltägliche Ritual. Alle steuerten zu ihren Arbeitsplätzen, die Frauen hauptsächlich an die Transportbänder, bei denen auch Eva mühelos ihren gestrigen Platz wieder fand. Die Männer wurden, einer nach dem anderen, mit ihren Werkzeugen vom Berg verschluckt. Evas Augen gingen wie eine Achterbahn, sie sondierte alles ab, die Wächter, die Bewaffnung, die Anzahl der Versorgungsroboter die schwebend bei den Tunneleingängen, noch bewegungslos verharrten und wie weit sie wohl laufen müsste bis sie die rettende Waldlichtung zu ihrer linken Seite erreichen würde. Nach ungefähr zehn Minuten starteten die Förderbänder und eine endlose Schlange aus Steinen und Geröll kam aus dem Dunkel des Berges ans Licht. Die Arbeit begann, und Eva begann zu sortieren und zu verladen. Sie hatte während der nächsten Stunden genug Zeit sich einen Plan zurechtzulegen. Der beste Zeitpunkt dürfte sein wenn die Versorgungsroboter zur Halbzeit auftauchen, um die Arbeiter mit Wasser zu versorgen. Bei dieser Wasserpause war nämlich alles ziemlich ungeordnet, nicht hektisch aber unübersichtlich genug sich aus dem Staub zu machen. Sie musste nur noch kurz etwas testen, um sich zu vergewissern wie aufmerksam die Wachen wirklich waren, wenn es darauf ankam. Eva griff nach einem mittleren Stein vom Förderband, der gut in ihre Hand passte, wartete ab bis sie niemand im Blickfeld hatte und warf den Stein in Richtung Tunnel. Er polterte laut zu Boden nachdem er an der Wand, neben dem Eingang, aufgeschlagen war.

Die Reaktion der Wächter war erstaunlich. Von der Regungslosigkeit einer Statue gleich, fuhren sie blitzschnell herum, die Mündungen ihrer Waffen auf den Tunneleingang gerichtet wo sie das Geräusch geortet hatten. Und wieder verharrten sie kurz, die Situation abwartend woher das Geräusch gekommen war, und ob sich etwas verdächtiges bewegte. Es rieselten noch ein paar Steine die flache Wand herunter, dort wo Evas Geschoss einschlug.

Die Wächter gaben Entwarnung. Die Schwarzbehelmten drehten sich wieder langsam in ihre Ausganspositionen, nachdem die Ursache für die Störung entdeckt war. Leicht würde es nicht werden, das war Eva jetzt klar. Aber sie nahm es in Kauf lieber hier und heute zu sterben, als noch einmal da rauf zufliegen. Sie wusste nämlich nicht wie lange ihr Verstand da noch mitspielte. Das sie hier nicht auf der Erde war, war Eva am gestrigen Tag schon klar geworden. Aber als zwei Vögel von den Bergen kommend über ihre Köpfe hinwegzogen, war das für Eva nur noch eine zusätzliche Bestätigung gewesen. Bemerkt hatte sie sie nur durch die kurzen abgehackten Schreie, die diese Tiere ausstießen. Sie erinnerten Eva an große federlose Flugsaurier, wie man sie aus Dinosaurierbüchern kennt. Langsam kamen doch leichte Zweifel auf was sie hier wohl noch alles erwarten würde, wenn sie erst mal auf sich allein gestellt wäre. Wie sollte sie ohne Proviant oder Waffen in so einer Wildnis überleben, von der sie rein gar nichts wusste. Auch die Sonne war irgendwie anders. Sie wirkte etwas kleiner als auf der Erde, obwohl sie im gleichen goldgelb strahlte, und die ganze Temperatur war auch etwas kühler als zuhause. Na gut, New Mexico war ja auch kein Maßstab für Durchschnittstemperaturen auf der Erde. Da sie sich in einem Talkessel befanden der ringsum von einer einzigen Gebirgskette umzäunt war, war die Breite leicht grünliche Lichtung Talausgang der einzig logische Fluchtweg. Was aber wenn sie es nicht schaffte, die Wächter waren wirklich schnell wenn es drauf ankam. Zumindest hatte sie ja knapp zehn Minuten Zeit, so lange dauerte so weit sie sich erinnern konnte die Wasser-Mittagspause. Das musste einfach reichen. Sich in den Höhlen zu verstecken bis es dunkel wäre, war Eva auch in den Sinn gekommen, nur kannte sie sich darin nicht aus und die Dunkelheit war das nächste Problem. Zu riskant. Nach einer Stunde vernahm sie das Surren der Roboter, die der Gravitation strotzend sich beinahe lautlos den Arbeitern näherten. Das war das Zeichen für die Mittagspause.

Eva war als erste bei den Wasserschläuchen, nachdem die Förderbänder zum Stillstand kamen. Sie musste diese Gelegenheit noch nutzen, wer weiß wann sie das nächste mal wieder die Möglichkeit hatte an Wasser zu kommen. Bis Eva genug von dem Nass aufgenommen hatte, bildete sich schon eine Menschentraube um sie und den Roboter der lautlos auf der Stelle schwebte. Sie ertappte sich noch bei dem Gedanken, wo wohl das ganze Wasser herkam, den so groß waren diese fliegenden Wasserkanister nun auch wieder nicht. Egal. Langsam drückte Eva sich mit dem Rücken durch den Pulk nach hinten. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen dass die Wächter ihre Blicke auf die Wasserversorgung gerichtet hatten. Das war ein guter Zeitpunkt. Jetzt oder nie. Mit einem Satz hechtete Eva so lautlos es ging, im Schutz einiger Klone die ebenfalls darauf warteten trinken zu können, hinter das erste Transportschiff, das auch das ihrige war, mit dem sie hierher befördert wurde. Im Schatten auf der Rückseite des Shuttles, verharrte sie tief schnaufend, flachgepresst gegen die Bordwand. Dieser Zeitpunkt war wirklich der einzig mögliche um zu flüchten, denn die Versorgungsroboter, die ja ebenfalls mit Überwachungskameras ausgestattet waren, waren regelrecht von allen Seiten von den Arbeitern belagert, und hatten somit eine Sicht von gleich Null. Es waren also nur die Wächter auf die Eva sich konzentrieren musste. Nach zwanzig Sekunden wusste sie dass sie niemand bemerkt hatte. Ihr nächstes Ziel war ein, Ein Meter großer Felsbrocken etwa acht Meter hinter dem Schiff. Wenn sie den erreichte, hatte sie einen besseren Überblick über den Platz.

Sie spähte langsam mit einem Auge hinter der linken Seite des Schiffes in Richtung des Platzes, wo sie den zweiten Wächter in Erinnerung hatte. Perfekt, er stand mit dem Rücken zu Eva. Sie rannte los, so leise es ging, sie wusste wie schnell die Wächter reagierten wenn es nötig war. Als sie im Schatten des Felsens auf der Rückseite in die Hocke ging, wäre ihr beinahe der Stein aus ihrem Hinterteil entglitten. Dem Schließmuskel sei Dank, konnte sie ihn noch zurückhalten. Zur Sicherheit presste sie noch eine Hand gegen ihren Hintern. Zum Glück – alles war im grünen Bereich. Wie Eva vermutete, hatte sie hier wirklich einen guten Überblick, und konnte die drei Wächter die ihr am nächsten waren und die ihr gefährlich werden konnten, gleichzeitig überblicken. Sie verharrte noch etwa drei Minuten hinter dem Felsen, bis endlich der letzte der drei Wächter ihr den Rücken zugewandt hatte, und Eva startete los. Anfangs noch etwas leise aber je mehr sie sich entfernte und sicher war das man sie nicht mehr hören konnte, sprintete sie los das die Steine unter ihren Füßen zur Seite spritzten. Leben oder Tod, leben oder Tod - hämmerte es in Evas Gehirn. Niemals hätte sie es gewagt sich jetzt umzudrehen um die Lage zu checken. Zu gefährlich – keine Zeit, und sie hätte auch stürzen können. Sie hatte ohnehin schon zu viel Zeit hinter dem Felsen verloren bis sie endlich losstarten konnte. Der Untergrund wechselte langsam von staubigem Geröll in ein leichtes Grün. Und der Boden wurde auch weicher. Farne und Moose bedeckten den Boden. Die Lichtung war jetzt zum Greifen nah.

Als sie nur mehr einige Meter vom ersten größeren Baum entfernt war, schossen ihr die Tränen in die Augen und laut weinend torkelte sie wie eine Betrunkene hinter den rettenden Stamm und ließ sich fallen. „Geschafft, ich hab´s geschafft.“

Sie war noch nicht richtig zu Atem gekommen, da ertönten die Alarmsirenen im Tal unter ihr. Aha, Mittagspause zu Ende und ihr Fehlen am Förderband wurde jetzt auch bemerkt. Es war Zeit, Eva kämpfte sich in die Höhe, sie musste weiter, sie war noch nicht in Sicherheit, und das war ihr auch bewusst. Nach weiteren zwanzig Schritten tauchte Eva vollends in den Wald ein und eine neue, fremde Welt erwartete sie.


Mission Adam

Подняться наверх