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EINLEITUNG:
WIE LITERATUR, ESSEN
UND KUNST ZUSAMMENFINDEN

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Beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb im Jahr 2009 hat der österreichische Schriftsteller Philipp Weiss am Ende seiner Lesung das eigene Manuskript coram publico mit großem Appetit verspeist. Diese Einverleibung sei, so erklärte der Dichter hinterher, wesentlicher Teil seines Textes gewesen. Waren bis zu diesem Zeitpunkt der literarischen Welt die Redeweisen vom Lesehunger und Bücherverschlingen ein Begriff, so sorgte die offenbar auch als Provokation gedachte literarische Mahlzeit des schriftstellernden Wieners selbst unter abgeklärten Literaturliebhabern für Überraschung. Geistige Nahrung? Ja. Bücher aufessen? Nein.

Jedoch, genau für diesen Umgang mit dem Kulturgut Nummer Eins steht der Bücherwurm. Er materialisiert den Geist, indem er ihn sich schmecken lässt. Literatur ist nicht mehr (nur) der Inbegriff des Schönen, Guten, Wahren, sondern wird auch als schmackhaftes Material wahr- und aufgenommen. Das betrifft schon die Spezies, der wir die Metapher zu verdanken haben: Seit es Bücher gibt, haben sich Tierchen verschiedener Art diese als Lebensraum auserkoren und machen sich daran, sie zu verspeisen. Diese Bücherwürmchen sind eine fleisch- und chitingewordene Umweltkatastrophe: Sie verzehren gerade die Umwelt, in der sie leben. Kommt schon das bekannt vor, ist der Schritt zum menschlichen Bücherwurm nicht weit. Wenn von menschlichen »Bücherwürmern« die Rede ist, gehen die Metaphern spazieren. All die Redeweisen von den lesehungrigen Bücherverschlingern lehren uns vor allem eines: Essen und Dichten, Kunst und Kochen sind keine Gegensatzpaare, sondern ergänzen sich, befruchten sich, bereichern sich gegenseitig. Diesem Gedanken möchte ich an dieser Stelle ein wenig nachgehen und der Metaphorologie des Bücherwurms einen kleinen historischen Ausflug voranstellen.

Der Bücherwurm

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