Читать книгу Das Teufelskraut - Michael Hamberger - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеLayla erinnerte sich, dass auch das junge Mädchen, das immer noch in ihrer unterwürfigen Geste auf dem Boden kniete, sie auch so genannt hatte. Sie musste dieser Prinzessin Amalia wirklich ähnlich sehen. War das ihre Chance? Layla nahm ihre Sonnenbrille ab. Die drei Soldaten, die noch auf ihren Pferden saßen, versteiften. Auch der Bär machte einen erschreckten, fast schon erschütternden Gesichtsausdruck. Layla bemerkte, wie er sich sofort aus ihrem Bewusstsein zurückzog. Er sah Layla noch einmal drohend an, dann drehte er sich um und ging einfach davon. Für ihn war die Sache damit offenbar erledigt. Layla sah ihm noch hinterher, bis er im Wald verschwunden war. Was waren diese Bären für Kreaturen? Es waren nicht nur machtvolle und geschickte Kämpfer, wie sie schon am eigenen Leib zu spüren bekommen hat, sondern waren auch noch sehr intelligent, offenbar mindesten genauso intelligent wie ein Mensch. Das konnte doch einfach nicht sein! Gut, auch einen Werwolf konnte es eigentlich nicht geben, aber doch war Layla einer. Sie hatte gelernt, dass es wesentlich mehr Dingen zwischen Himmel und Erde gab, als sie sich auch nur annähernd vorstellen konnte, doch machte es ihr trotzdem noch riesige Probleme, dies zu akzeptieren.
Layla sah die Soldaten an, die sie fast schon besorgt ansahen. Offenbar hatten sie doch Angst vor den Konsequenzen. Doch Layla wusste genau, dass sie sich auf sehr brüchigem Eis bewegte. Sie war eben nicht diese Prinzessin Amalia. Das würde nur all zu schnell herauskommen. Deshalb musste sie diese Soldaten so schnell als möglich wieder loswerden, um dann irgendwie unterzutauchen. Auch durfte sie das arme Mädchen, das sie höchst wahrscheinlich in große Bedrängnis gebracht hatte, nicht einfach so zurücklassen.
Layla nahm das Schwert herunter und sah den Anführer der Soldaten herausfordernd an. Dabei versuchte sie, wie eine Prinzessin zu schauen, deren Maskerade gerade durchschaut worden war. Leider hatte sie gar keine Ahnung, wer diese Prinzessin Amalia war. Doch der Soldat grüßte nur zackig, dann steckte er sein Schwert wieder in die Scheide und ging zu seinem Pferd zurück. Dabei ließ er den verletzten Kameraden, dem Layla das Schwert abgenommen hatte, ohne Hilfe zurück. Layla wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Offenbar wurde von ihr erwartet, irgendetwas mit dem Soldaten zu tun. Das konnte kritisch werden. Wenn sie jetzt etwas Falsches tat, dann war sie in ganz großen Problemen.
Doch die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als sich der Soldat mühsam erhob. Seinem matten Blick nach war er nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren. Layla vermutete, dass er wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung davon getragen hatte. Er konnte sich kaum auf dem Beinen halten, als er vor Layla stand. Da fiel Layla ein, dass sie immer noch sein Schwert in den Händen hielt. Layla bemühte sich um einen möglichst arroganten Blick, als sie ihm das Schwert reichte. Mit schwenkenden Schritten ging der Soldat zu seinem Pferd zurück. Und zu Laylas Erstaunen gelang es ihm in seinem Zustand doch, sich ohne Hilfe auf den Rücken des Tieres zu ziehen, was offenbar nur durch jahrelange Erfahrung möglich gewesen war.
Der Anführer machte mit der rechten Hand ein Zeichen und die Soldaten zogen an den Zügeln ihrer Pferde. Sie drehten um und ritten wieder zurück in Richtung Griendvolt. Der verletzte Soldat hatte dabei augenscheinlich große Probleme, sich im Sattel zu halten.
Layla drehte sich zu dem Mädchen um, das ganz langsam den Kopf hob und Layla mit großen, staunenden Augen ansah. Dann sagte sie:
„Was für eine Kraft und Schnelligkeit. Niemals sah ich jemanden auf diese Art kämpfen. Dabei seid Ihr doch eine Frau!“
„Da, wo ich herkomme, können sich Frauen schon verteidigen. Könnt Ihr mir helfen?“
„Das werde ich natürlich. Was benötigt Ihr?“
„Wie gesagt, zuerst einmal brauche ich etwas anderes anzuziehen. Ich schwitze mich zu Tode und bin wohl auffällig, wie ein bunter Hund. Außerdem muss ich herausfinden, wo ich genau bin, wie ich wieder in meine Heimat zurückkehren kann!“
Das Mädchen begann zu kichern und presst sich die Hand auf den Mund. Dann sagt sie:
„Was für eine seltsame Aussprache Ihr habt!“
Da musste Layla auch lachen. Das Mädchen wurde ihr immer sympathischer. Sie sagte:
„Für mich klingt Deine Aussprache auch fremd. Ich werde aber sehr schnell Deinen Akzent annehmen müssen, damit ich nicht auffalle. Kannst Du meine Lehrerin sein?“
„Selbstverständlich werde ich dies mit Freuden tun.“
Daraufhin drehte sich das Mädchen um und ging in den Wald. Sie machte Layla ein Zeichen, ihr zu folgen.
Als sie zwischen den Bäumen verschwunden waren, sagte ihr das Mädchen:
„Es wird sehr schwierig sein, unbemerkt an der Torwache vorbeizukommen.“
„Was ist eine Torwache?“
„Griendvolt ist von einer Stadtmauer umgeben. Es gibt nur drei Tore. Je eines davon im Osten, Westen und Süden. Im Norden ist der Mönchesberg. An den Toren wachen jeweils drei Soldaten, die jede Person, die aus- und eingeht auf das genauste kontrollieren.“
Layla wusste nicht, ob sie sich langsam an den Dialekt des Mädchens gewöhnte, oder ob die nur versuchte, sehr betont und genau zu sprechen, aber auf jeden Fall hatte Layla immer weniger Probleme, sie zu verstehen. Sie machte dem Mädchen ein Zeichen, dass sie sie verstanden hatte. Das Mädchen fuhr fort:
„Ihr werdet hier warten müssen, bis ich Euch passende Kleidung besorgt habe. Ich werde mich beeilen. Verbergt Euch in der Zwischenzeit hier unter den Bäumen. Die Soldaten werden sicher gleich zurückkehren.“
Layla lächelte, froh darüber, eine Hilfe gefunden zu haben. Es war ihr klar, dass sie dem Mädchen würde vertrauen müssen, aber Layla war sich fast sicher, dass das Mädchen dieses Vertrauen verdiente. Als Journalistin hatte sie sich eine sehr gute Menschenkenntnis angeeignet, auf die sie auch sehr stolz war. Nur selten war es ihr geschehen, dass sie jemand grundlegend täuschte.
Layla nahm ihre Brille ab und reicht sie dem Mädchen, die sie mit neugierigen Augen betrachtet. Layla machte ihr ein Zeichen, sie anzuprobieren. Das Mädchen kicherte, setzte sich dann aber die Brille auf. Sie schaute umher und begann begeistert zu tanzen. Das brachte Layla zum Lachen. Es sah wirklich zu komisch aus, das Mädchen mit der altmodischen Kleidung und der ultramodernen Sonnenbrille zu beobachten. Das sah einfach zum Schreien aus. Durch Laylas Lachen musste auch das Mädchen wieder lachen. Offenbar lachte sie gerne. Layla schätzte, dass sie überhaupt ein sehr lebenslustiger Mensch war. Ihr fiel auf, dass sie noch gar nicht wusste, wie das Mädchen hieß, deshalb stellte sie sich erst einmal vor:
„Mein Name ist übrigens Layla Méndez!“
Das Mädchen lachte wieder. Offenbar hatte sie solch einen Namen noch nie gehört. Sie gab Layla die Hand und sagte:
„Ich bin Elisabeth Schickendanz. Freut mich, Euch kennen zu lernen!“
„Es freut mich ebenfalls!“
Dann drehte sich das Mädchen um und ging in Richtung der Stadt. Sie drehte sich aber immer wieder um und winkte Layla fröhlich zu. Kurz vor der Stadt nahm sie die Brille wieder ab und versteckte sie in ihrem Kleid.
Layla sah sich um. Sie spürte wieder einen fast unbändigen Hunger. Sie brauchte dringend Nahrung. Sie sah einen Baum mit Kirsche ähnlichen Früchten, getraute sich aber nicht, diese zu probieren. Sie erinnerte sich an den Fisch, den sie vor kurzem verspeist hatte und das Wasser lief ihr im Munde zusammen. Doch leider konnte sie hier keinen Bach erspähen. Sie wollte sich aber auch nicht zu weit entfernen, falls Elisabeth zurückkam. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Sie hatte gelernt, dass dies die beste Art war, ihre Umgebung mit ihren Werwolf Sinnen auszuspähen. Leider konnte sie auch so nichts hören, aber plötzlich hatte sie einen angenehmen Geruch in der Nase. Da war ein Hase. Ganz in der Nähe. Layla wusste, dass diese flinken Tiere nur sehr schwer zu jagen waren, speziell in ihrer menschlichen Gestalt. Sie hatten normalerweise eine Vielzahl von Eingängen zu ihren Höhlen und immer war einer dieser Eingänge in der Nähe, in der sie auf Nimmerwiedersehen verschwinden konnten. Deshalb war es bei der Hasenjagd sehr wichtig, überraschend und schnell zuzuschlagen. Sonst hatte man keine Chance.
Layla versuchte mit ihren feinen Sinnen festzustellen, wo der Hase sich genau befand. Nach einigen Sekunden konnte sie ihn tatsächlich orten. Er war etwa drei bis vier Meter halblinks von ihr. Vorsichtig öffnete sie die Augen und konnte ihn tatsächlich sehen. Neugierig beachtete er Layla. Als Werwolf hätte sie gute Chancen gehabt, den Hasen zu erwischen, aber als Mensch war der Hase sehr wahrscheinlich zu weit entfernt. Trotzdem wollte Layla es versuchen. Sie brauchte dringend Energie. Layla spannte ihre Muskeln an und wollte gerade losspringen, da hörte sie plötzlich einen lauten Knall. Der Hase rannte in Panik davon. Auch Layla erschrak bis ins Mark und beeilte sich, hinter einem dicken Baum Schutz zu suchen. Dann sah sie sich um? Was war das für ein Knall gewesen? Es hatte sich angehört, wie eine mittelstarke Explosion. Und es war ganz in ihrer Nähe gewesen.
Da sah Layla auf der Wiese, unweit der Stelle, wo sie die Konfrontation mit den Soldaten gehabt hatte, plötzlich drei Bären. Zwei von ihnen stützten den dritten, der offensichtlich eine stark blutende Bauchwunde hatte. Aber auch die beiden anderen Bären waren verletzt. Layla konnte deutlich erkennen, dass die beiden im Gesicht bluten. Einer wies vier lange, blutige Striemen an der Nase auf. Da erkannte Layla die Bären. Es waren die drei, die sie in Grindelwald im Wald gestellt hatten. Die Verletzungen hatten sie von Layla.
Fasziniert beobachtete Layla die drei Bären. Sie konnte die rot leuchtenden Augen auch auf diese Entfernung hin deutlich erkennen. Wenige Sekunden später kamen auch schon wieder die Soldaten aus der Stadt angeritten. Es waren ebenfalls die gleichen, mit denen sie schon zu tun gehabt hatte. Jetzt wurde es doppelt brenzlig. Wenn die Soldaten mit den Bären sprachen, dann wussten diese, dass sie hier in ihrer Welt gelandet war. Dann würde es noch viel schwieriger für Layla werde, sich zu verstecken. Gebannt beobachtete Layla die Szene.
Zu ihrem Glück unterhielten die Bären nicht mit den Soldaten, sondern schickten sie gleich wieder weg. Sie sollten offenbar Hilfe holen. Der verletzte Bär wurde von seinen Kameraden direkt auf die Wiese gelegt. Doch Ruhe war ihm nicht vergönnt, denn nicht einmal eine Minute später kam ein Reiter in gestreckten Galopp aus der Stadt heraus auf die drei zugeritten. Die Bären bemerkten ihn und wurden offensichtlich sehr unruhig. Selbst der verletzte Bär versuchte wieder aufzustehen. Der Reiter musste demnach sehr wichtig sein. Layla betrachtete ihn genauer. Er war ganz in Schwarz gekleidet und hatte trotz der Hitze einen langen schwarzen Umhang, der im Wind hinter ihm her flatterte. Auch sein Pferd war schwarz. Der Mann war auffallend groß und schien soweit es Layla aus ihrer Position beurteilen konnte, sehr hager. Er kam bei den Bären an und sprang schon von Pferd, bevor dieses zum Stillstand gekommen war. Elegant landete er vor den Bären. Staunend bemerkte Layla, dass die Bären sofort eine unterwürfige Haltung annahmen. Dann passierte erst einmal nichts. An der Bewegung der Bären konnte Layla aber erkennen, dass ihnen etwas sehr unangenehm war. Der Mann rührte sich jedoch nicht. Offensichtlich wartete er auf etwas. Da fiel es Layla wie Schuppen von den Augen. Der Mann kommunizierte mit den Bären. Und zwar auf telepathischen Weg. Deshalb konnte Layla auch keine Mundbewegungen erkennen. Das sie Recht hatte, wurde kurz später klar, als der Mann plötzlich sehr wütend wurde. Er stampfte mit den Füssen auf und schlug einem der Bären mit der Hand mitten ins Gesicht. Die Bären duckten sich vor Furcht. Dann drehte sich der Mann um und Layla blieb wie vom Donner gerührt stehen. Er sah direkt in Laylas Richtung und für eine kurze Sekunde glaubte diese erschreckt, er hätte sie entdeckt. Dann aber sprang er elegant wieder auf sein Pferd und ritt zurück zur Stadt. Kurz später war er wieder verschwunden.
Diesmal dauerte es etwas länger, bis etwas passierte. Es kam ein Wagen mit zwei weiß gekleideten Männern. Sie sollten wohl den Bären abtransportieren. Auch dieser Wagen sah sehr mittelalterlich aus. Wenn sie damit den verletzten Bären über diese Rüttelpiste abtransportieren, dann würde das sicher nicht sehr gemütlich für den Bären, dachte sich Layla. Dann sah sie zurück zu den Bären und musste verwundert feststellen, dass dort plötzlich vier Bären waren. Wo zum Teufel war dieser vierte Bär schon wieder so schnell und unbemerkt hergekommen? Layla hatte kaum eine Sekunde nicht dorthin geschaut. Es war also unmöglich, dass er einfach so dort hingelaufen war. Nur wie hatte er es dann gemacht? Diese Welt war wirklich total fremd und seltsam. Es konnte einfach nicht ihre Welt sein. Nur wo war sie dann?
Der vierte Bär kommunizierte ebenfalls telepathisch mit den anderen dreien. Dabei wurde deutlich wahrnehmbar immer aufgeregter, fast schon wütend. Und die drei verletzten Bären wurden offensichtlich immer unglücklicher. Anscheinend wurde der Kampf mit Layla nicht gerade positiv aufgenommen.
Der dazugekommene Bär drehte sich um und ging davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Nach etwa drei Schritten flimmerte plötzlich die Luft und der Bär war einfach verschwunden. Was war denn das? Layla rieb sich verwundert die Augen, aber der Bär blieb verschwunden. Wie hatte er denn das gemacht? Er musste wohl eine Möglichkeit zur Teleportation gefunden haben. Mittlerweile war sich Layla sicher, dass sie nicht mehr in ihrer Welt war. Weder in der Schweiz, noch im Mittelalter noch irgendwo sonst. Und eines war ihr auch klar geworden. Eine Rückkehr ging nur über diese Bären. Layla vermutete, dass diese sie wahrscheinlich aus Versehen während des Kampfes in ihre Welt teleportiert hatten. Nur was hatten sie dann in ihrer, Laylas Welt zu suchen? Offenbar sollten sie diese seltsame Kristallkugel bewachen. Nur was für eine Funktion hatte diese Kristallkugel? Fragen über Fragen, auf die alle Layla keine Antwort hatte. Layla war klar, dass sie bevor sie den Bären gegenüber trat, erst einmal sehr viel über diese Welt herausfinden musste. Sie war sich sicher, dass es beim nächsten Treffen wieder zum Kampf kommen würde und die Kampfkraft dieser mächtigen Tiere hatte sie ausreichend zu spüren bekommen. Layla wusste, dass sie nur bestens vorbereitet eine Chance haben würde. Also musste sie erst einmal untertauchen und hoffen, nicht entdeckt zu werden. Das an sich war schon sehr schwer. Layla wusste ja überhaupt nichts über die Welt und war jedem Fettnäpfchen total hilflos ausgeliefert. Nur führten bei ihr diese Fettnäpfchen nicht zu einer Blamage, sondern wurden vielmehr lebensgefährlich für sie. Hoffentlich konnte Elisabeth ihr helfen.
Layla setzte sich wieder unter einen Baum. Da immer noch kein Zeichen des Mädchens zu sehen war, schloss sie wieder die Augen. Sie wollte versuchen, die Witterung des Hasen wieder aufzunehmen. Doch leider war der verschwunden.
Dafür spürte sie aber plötzlich eine sehr starke Präsenz. Sie hatte das Gefühl, als würde sie von diesem Wesen beobachtet werden. Panik wollte in Layla aufsteigen, die sie jedoch sofort wieder herunterschluckte. Ganz ruhig blieb Layla liegen und überprüfte mit all ihren Werwolf Sinnen die Umgebung. Doch sie konnte weder etwas hören, noch riechen. Langsam öffnete sie die Augen, doch da war niemand. Da war nur das Gefühl in ihr drin, dass sie jemand beobachtete. Layla stand auf, konnte aber nicht orten, von woher dieses Gefühl kam. Sie hatte aber aus ihren vorherigen Abendteuer gelernt, solche Gefühle nicht einfach zu ignorieren. Ihr Instinkt wollte sie vor irgendetwas warnen. Nur vor was?
Da fiel Laylas Blick auf den Dorfplatz. Direkt an der großen Eiche stand der schwarz gekleidete Mann. Er sah wieder in ihre Richtung. Und wieder hatte Layla das Gefühl, er könne sie sehen. Auch ihr wertvolles Amulett begann sofort zu reagieren und wurde warm. Layla war sich sicher, dass es in diesem Moment blau zu leuchten begann, was sie aber nicht sehen konnte, da es in ihren Pullover versteckt war. Das erschien Layla seltsam. Auf die Bären hatte das Amulett überhaupt nicht reagiert, auf diesen schwarzen Mann schien es dagegen sehr heftig zu reagieren. Das Amulett reagierte normalerweise auf alle Art von Magie, speziell aber auf schwarze Magie. War dieser Mann mit der schwarzen Magie im Bunde?
Der Mann hob eine Hand und deutete genau in Laylas Richtung. Erschreckt wollte Layla zurückweichen, dann sah sie jedoch, dass hinter dem Mann die Luft zu flimmern begann. Gespannt sah Layla genauer hin, und tatsächlich. Plötzlich erschien direkt in diesem Luftflimmern ein Bär. Der ging auf den schwarzen Mann zu, der sich auch sofort zu ihm umdrehte. In diesem Moment merkte Layla, wie das Gefühl, beobachtet zu werden, von ihr abfiel. Es war also der schwarze Mann gewesen. Der Bär und der schwarze Mann begannen auf telepathischer Art miteinander zu kommunizieren.
Layla beschloss, etwas weiter in den Wald hineinzugehen. Sie war sich nicht sicher, ob der schwarze Mann sie wirklich bemerkt hatte und wollte verhindern, dass er, wenn die Unterhaltung mit dem Bären beendet war, wieder versuchte, sie aufzuspüren.
Aber diese Furcht war unbegründet. Layla spürte auch dann noch überhaupt nichts von dem schwarzen Mann, als circa zehn Minuten später Elisabeth zurückkam. Sie hatte wieder ihren Korb dabei, doch diesmal war er nicht mit den gesammelten Kräutern gefüllt, sondern mit einem Laib Brot und einem großen Stück Käse. Laylas Herz machte einen Sprung und sie machte sich auch gleich mit Heißhunger darüber her, was Elisabeth wieder dazu brachte herzhaft zu lachen. Dann packte Elisabeth ein braunes, unförmiges Kleid aus, sowie eine beige Schürze, die riesige Flecken und Löcher zeigte. Des Weiteren hatte sie eine Haube, die ähnlich aussah, wie ihre eigene. Die war jedoch pingelig sauber und Layla vermutete, dass sie Elisabeth selbst gehörte.
Langsam entledigte sich Layla ihrer Kleider. Elisabeth drehte dabei sich respektvoll zur Seite. Das Kleid war ebenfalls pingelig sauber. Es bestand aus einen groben Stoff, der zu einem dichten Köper verwebt war. Die Unregelmäßigkeiten in den Bindungen zeigten Layla, dass der Stoff wohl von Hand gewebt sein musste. Das Kleid passte perfekt. Elisabeth musste ein gutes Auge haben. Auch die Haube passte vorzüglich, begann aber in der Hitze des Sommertages sofort an, zu jucken. Schuhe hatte Layla keine, aber da das Mädchen ebenfalls barfuß lief, war dies wohl kein Problem. Als Werwolf lief Layla fast immer barfuß, sogar im Schnee, wodurch ihre Fußsohlen daran gewöhnt sein mussten. Layla legte die Schürze um und fragte sich, warum ausgerechnet die so dreckig war, während das Kleid und die Haube tadellos sauber waren. Dann fiel es ihr aber ein. Würde sie nur mit diesen sauberen Kleidungsstücken durch die Stadt laufen, da würde sie wohl genauso auffallen, wie in ihrer modernen Kleidung. Diese Schürze unterstütze ihre Tarnung. Layla war beeindruckt von der Weitsicht des Mädchens und schenkte ihr ein breites Lächeln, das diese wieder dazu brachte, zu kichern.
Laylas Blick fiel auf ihre Kleidung. Was sollte sie damit tun. Sie konnte sie nicht hier lassen. Dann konnte sie gleich ein Schild mit „Layla was here“ dazu legen. Aber mitnehmen konnte sie die Kleidung natürlich auch nicht. So, wie sie Elisabeth verstanden hatte, wurde am Tor der Stadtmauer sehr gründlich kontrolliert. Die Gefahr einer Entdeckung war somit einfach zu groß. Also musste Layla ihre Kleidung vergraben und zwar so, dass sie sie hinterher wieder fand. Ihr Blick fiel auf eine total windschief gewachsene Fichte. Ein ideales Versteck. Layla öffnete die Tasche ihrer Hose und nahm Bleistiftlampe, Schweizer Taschenmesser und Uhr heraus, die sie in der Tasche ihre Schürze verstaute. Ihr iPhone ließ sie in der Tasche ihres Schneeanzuges. Es nutzte hier so oder so nichts. Das wichtigste überhaupt von all ihren Utensilien war das wertvolle Amulett. Dieses würde sie auf keinen Fall zurücklassen. Aber offen tragen würde sie es auch nicht können. Also begann sie das wertvolle Stück direkt unterhalb ihres Bauchnabels um den Körper zu winden. Zum Glück war die Kette lang genug, dass sie um ihren kompletten Körper herumpasste. Dann nahm sie aus ihrer Hose ein spezielles Klebeband heraus, das sie immer dort trug. Sie begann das Amulett sorgfältig zu fixieren. Natürlich war der Kleber direkt auf der Haut etwas unangenehm, speziell bei diesen heißen Temperaturen. Sicherlich würde Layla einen Ausschlag davon bekommen. Aber dies war ihr im Moment egal. Hauptsache, das Amulett war sicher. Elisabeth sah ihr neugierig dabei zu. Layla lächelte ihr zu.
Dann begann sie mit bloßen Händen unter der Fichte ein Loch zu graben. Als sie circa eine halben Meter tief gegraben hatte, legte sie ihre Kleidung dort hinein. Ihr blutete ihr Herz dabei. Die Kleidung war teuer gewesen, speziell der Angora – Pullover. Aber ihr blieb keine andere Alternative.
Lediglich ihr einteiliges, cremefarbenes Sportdress aus einer Mikrofasermischung mit Lycra das behielt sie an. Dieses Kleidungsstück trug sie eigentlich immer, wenn sie vermutete, sie könnte sich in einen Werwolf verwandeln müssen. Speziell im Sommer trug sie nur dieses, wenn sie sich als Werwolf auf die Jagd ging. Sie hatte schnell lernen müssen, dass es gar keine gute Idee war, nackt in ihrer Werwolf Gestalt herumzulaufen. Einmal hatte sie sich von ihrem Jagdinstinkt treiben lassen und als sie sich dann zurückverwandeln musste, da durfte sie dann noch in ihrer menschlichen Gestalt fast fünf Kilometer splitterfasernackt durch einen Wald flitzen. Zum Glück hatte sie dort niemand gesehen.
Sie sah Elisabeth an, die sie mit großen Augen bestaunte. Jetzt musste Layla lachen. Für das arme Mädchen musste sie vorkommen, wie ein Außerirdischer. Layla bemerkte, dass das Mädchen neugierig auf die Tasche ihrer Schürze guckte. Mit einem Lächeln nahm Layla die Bleistiftlampe heraus und schaltete sie ein. Sie leuchtete dem Mädchen damit in die Augen. Elisabeth erschrak und duckte sich, dann sah sie die Lampe aber fasziniert an. Layla gab sie ihr und erklärte, dass sie dies als Geschenk annehmen solle. Elisabeths Augen leuchteten. Artig dankte sie Layla.
Leider hatte Layla keinen Spiegel dabei. Sie hätte sich selbst jetzt gerne gesehen. Elisabeth fand ihren Aufzug aber voll gelungen, wie sie mit einem herzhaften Gelächter zeigte. Dann sagte sie, wobei sie auf des persönlichere „Du“ übersprang:
„Du bist jetzt eine junge Maid wie ich und von anderen nicht zu unterscheiden“
Layla lächelte und machte eine übertriebene Verbeugung, die Elisabeth wieder zum Lachen brachte. Layla fühlte sich wirklich wieder, wie ein junges Mädchen, was zum einen daran lag, dass sie barfuß lief, was sie als Kind sehr gerne getan hatte, aber auch an dem Kleid. Eine ihrer frühesten Erinnerungen, die sie hatte, war, dass sie als ganz junges Mädchen ein Kleid gehabt hatte, dass auf den ersten Blick relativ ähnlich aussah, obwohl dieses damals natürlich viel moderner gewesen war. Trotzdem rief das Kleid, das Layla jetzt trug genau diese Erinnerung in ihr hervor. Layla lächelte bei dem Gedanken, dann wurde sie aber wieder ernst und sagte:
„Elisabeth, ich habe wirklich keine Ahnung, wie ich mich in der Stadt richtig verhalten soll. Kannst Du mich bitte anleiten?“
„Natürlich werde ich Dir zur Seite stehen, meine Liebe. Da solltest nur im Moment von Deiner seltsamen Aussprache keinen Gebrauch machen. Ich empfehle dir, dass Du im Moment kein Ton sprichst, bis Du unsere Aussprache kennst!“
Layla nickte mit dem Kopf. Elisabeth hatte natürlich Recht. Je weniger sie sprach, desto weniger fiel sie auf. Sie musste fast unsichtbar werden. Layla beschloss, dass sie ein schüchternes kleines Mädchen spielen würde. Da fiel es auch nicht weiter auf, wenn sie den Blick immer scharmvoll zu Boden gleiten ließ und ihr somit niemand in die Augen sehen konnte.
Blieb nur die Frage, wie Layla in der Stadt ihren Lebensunterhalt verdienen konnte. Ihre Dinge, die sie tauschen konnte waren fast aufgebraucht. Sie hatte zwar noch eine goldene Arm Kette, aber die hatte ihr Iztel, ihre Adoptivtochter geschenkt. Die einzutauschen wäre für Layla wirklich die allerletzte Option. Aber an die Planung würde Layla erst später denken können. Zuerst musste sie einmal in die Stadt kommen.
Elisabeth hackte sich bei ihr unter und die beiden gingen langsam in Richtung Stadt. Das Mädchen wandte sich nach Westen. Offenbar wollte sie nicht das südliche Tor nehmen, das von ihrer Position aus näher gelegen wäre. Als sie näher an die Stadt heran kamen, sah Layla auch den Grund dafür. Das südliche Tor schien das Haupttor zu sein, da die Straße, über die auch Layla gekommen war, direkt dort ankam. Am Tor waren deshalb eine Unmenge Soldaten. Layla konnte auf den ersten Blick sieben erkennen, aber in einem kleinen Wachhäuschen, das sich direkt an die Stadtmauer schmiedete waren mit Sicherheit weitere.
Die beiden Mädchen liefen über eine große Wiese, die bis zu dem angesteuerten westlichen Tor führte. Elisabeth begann wieder am Boden nach Pflanzen zu suchen, wie sie es schon getan hatte, als Layla sie das erste Mal gesehen hatte. Layla imitierte ihre Bewegungen, fragte dann aber, nach welchen Pflanzen Elisabeth denn suchte. Die antwortete:
„Das Johanniskraut. Es wurde bei der Wundheilung als Medizin eingesetzt. Meine Mutter, meine Schwester und ich sind Kräutersammlerinnen für den Apotheker. Kennst Du das Aussehen dieses Krauts?“
„Ja, es ist dieses hier mit den gelben Blüten.“
„Genau dieses. Es ist sehr wichtig für den Apotheker, da er daraus eine Tinktur zu brauen gedenkt!“
Die beiden Mädchen suchten noch weitere zehn Minuten nach der Pflanze, wobei sich der Korb relativ schnell füllte. Elisabeth schien ein Gespür dafür zu haben, wo das Kraut zu finden war. Langsam arbeiteten sich die beiden Mädchen in Richtung des westlichen Tors vor. Als der Korb dann letztendlich voll war, waren sie nur noch circa 100 Meter davon entfernt. Layla war so in ihre Aufgabe des Kräutersammelns konzentriert gewesen, dass sie das Tor gar nicht beachtet hatte. Als sie dann den Blick hob und das Tor sah, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es waren lediglich zwei Wächter dort. Die beobachteten sie zwar, sehen aber eher gelangweilt aus. Offenbar waren Elisabeth und Layla lediglich eine Abwechslung in der öden Wache.
Elisabeth hackte sich wieder bei Layla unter und begann ihr eine nutzlose Geschichte über das Sammeln von Kräutern, den optimales Standorten und so weiter zu erzählen. Layla, die den Sinn dahinter natürlich verstand, nickte fleißig mit dem Kopf, sagte aber keinen Ton. Gemächlich gingen die beiden auf das Tor zu. Layla senkte wie aus Scharm den Blick. Erst schien auch alles gut zu gehen. Die Wächter sahen die Mädchen nur gelangweilt an, dann kam aber plötzlich ein Reiter, der genau auf die Wachen zuhielt. Wichtigtuerisch drängte er Layla und Elisabeth zur Seite und sagte mit viel zu lauter Stimme:
„Anweisung vom Hauptmann: Jede Person hat körperlich gründlich überprüft zu werden. Es wurde eine verdächtige Person erkannt, die sich aber dem Zugriff entzogen hat. Jede verdächtige Person ist sofort zu melden.“
Daraufhin zog der Soldat an den Zügeln des Pferdes und wendete es in einem engen Kreis. Dann gab er dem Pferd die Sporen und galoppierte davon. Die Soldaten sahen ihm mit wütendem Blick nach. Offenbar war ihnen die Anweisung gar nicht Recht. Bisher hatten sie ganz gemütlich im Schatten ihres Wachhäuschens stehen können, jetzt mussten sie aber direkt in die pralle Sonne gehen. Da sie ihre Wut aber nicht an dem Reiter, der offenbar ihr Vorgesetzter war, ablassen konnte, sahen sie jetzt mit diesem wütenden Blick Elisabeth und Layla an.