Читать книгу Das Wagnis, ein Einzelner zu sein - Michael Heymel - Страница 21
B Interpretation Pseudonyme Schriften und Erbauliche Reden von 1844
ОглавлениеDer hier dokumentierte Text zum Streit des Beters mit Gott ist ein Ausschnitt aus einer der vier erbaulichen Reden Kierkegaards64, die am 31.8.1844 im Kopenhagener Buchhandel erschienen. Die vierte Rede, die in der deutschen Übersetzung 25 Seiten umfasst, trägt den Titel »Der rechte Beter streitet im Gebet und siegt – damit, daß Gott siegt«.
In diesen vier Reden übt Kierkegaard mit seinem Leser die Destruktion des menschlichen Eigensinns ein. Er nennt diese Destruktion »die Vernichtigung des Menschen« und fügt hinzu: das sei »das Höchste, was ein Mensch zu fassen vermag«.65 In der ersten und zweiten Rede wird in der Auslegung von 2 Kor 12 gezeigt, wie des Apostels Wunschdenken zerstört wird, damit die Gnade in der Schwachheit allein regiere. In der dritten Rede wird der Feigheit eine Absage erteilt, die sich mit allzu menschlicher Rücksicht nicht zu dem Guten bekennt, das um Gottes willen an der Zeit ist. In der vierten Rede wird das Gebet thematisiert, das sich auf einen Streit mit Gott einlässt und zu einem Sieg des Beters führt, indem Gott über den Menschen siegt.
|49| Emanuel Hirsch macht in seiner Einleitung66 zu den vier erbaulichen Reden von 1844 darauf aufmerksam, dass insbesondere die Rede vom Pfahl im Fleisch und die über das Gebet fast wie »Aufzeichnungen aus einem geheimen Tagebuch gelesen werden« dürfen. Hier wie überhaupt in den erbaulichen Reden von 1843–45 trete Kierkegaard dem Leser nicht wie in den pseudonymen Schriften von 1844, in den »Philosophische Brocken« und dem »Begriff Angst« als der »Verhüllte und Unkenntliche« entgegen. Vielmehr lasse er den Leser »an den Meditationen und Selbstgesprächen vor Gott« teilnehmen, in denen er sich selbst zu persönlicher ethischer und religiöser Klarheit durchringe. Die Erlebnisse und Einsichten, die in »Der Begriff Angst« zergliedert und von Vigilius Haufniensis, dem »Wächter Kopenhagens«, fast spielerisch entfaltet seien, würden in den Erbaulichen Reden von 1844 »in das Ganze einer ethisch und religiös tiefen Menschlichkeit eingeordnet«. Deshalb können auch »Der Begriff Angst« und die »Vier erbaulichen Reden von 1844« wie pseudonyme »Protreptik« (Vorbereitung) und religiöse Entfaltung gelesen werden. Die Angst, die »kraft des Glaubens«67 erlösen kann, kommt in den vier erbaulichen Reden mit ihrer wahrhaft erlösenden Kraft zur Entfaltung.