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Im Gebet verändert sich die Gottesbeziehung

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Schließlich fragt Kierkegaard, was denn nun durch den Streit anders geworden sei. Ist Gott vielleicht ein anderer geworden? Nun, es habe sich im Streit gezeigt, dass Gott unveränderlich sei, aber diese Unveränderlichkeit sei nicht mehr jene eisige Gleichgültigkeit, jene tödliche Erhabenheit, jenes kalte Schicksal, das noch der Verstand gepriesen habe. »Nein, im Gegenteil, diese Unveränderlichkeit ist innerlich und warm und allenthalben gegenwärtig, ist unveränderlich in der Sorge für den Menschen und eben darum lässt sie sich nicht verändern durch des Beters Schreien, so als ob nun alles vorüber wäre.«

Und der Beter? Hat er sich durch den Streit des Gebetes verändert? Dessen Veränderung sei nicht schwer einzusehen, meint Kierkegaard, denn am Beginn des Streits sei der Beter ja von seinen Wünschen umgetrieben gewesen. Dann aber, als sein Gebet innerlicher und innerlicher wurde, sammelte sich alles in ihm auf einen Wunsch, bis er auch mit diesem Wunsch zu nichts wurde, weil Gott ihn völlig erfüllte, ein Wechsel, den Kierkegaard mit einem wunderbaren Bild veranschaulicht: »Wenn das Meer alle seine Kraft anstrengt, so kann es das Bild des Himmels gerade nicht widerspiegeln, auch nur die mindeste Bewegung, so spiegelt es den Himmel nicht rein; doch wenn es stille wird und tief, senkt sich das Bild des Himmels in sein Nichts.«

Es braucht freilich zunächst viel Leiden, Kampf und Streit, um zur Innerlichkeit des Gottesverhältnisses vorzudringen. Auch das Gebet ist dazu nicht in der Lage, wenn es aus einem zerstreuten und nicht aus einem gesammelten |53| Herzen kommt. Wo die Innerlichkeit in Kierkegaards Sinn fehlt, da gleicht der Mensch einem Bogen, der nicht gespannt ist, so dass die abgeschossenen Pfeile kraftlos zu Boden fallen und ihr Ziel nicht erreichen.

Wie ist »Innerlichkeit« zu erlernen? Kierkegaard schreibt in seinem Tagebuch69 einmal von der »Methode der Innerlichkeit« und weist auf Hebr 5,8 hin, wo von Christus gesagt wird: »Er lernte an dem, das er litt«. Dies sei die »Methode der Innerlichkeit«, die von Christus als dem »Vorbild« zu erlernen sei. Durch Leiden ist Innerlichkeit zu erlernen, genauer: dadurch, dass ein Mensch dem Leiden nicht ausweicht, das ihm bestimmt ist. Und wie erkenne ich, welches Leiden mir bestimmt ist? Es lässt sich wohl nur im Nachhinein, d. h. im Rückblick auf erlittenes Leiden sagen, was mir an Leiden zugedacht war. So hat ja auch Kierkegaard zeitlebens sich seiner Schwermut gestellt und dadurch »an dem gelernt, was er litt«. Das war für ihn die Schule der Innerlichkeit. »Solange das Leiden dauert, ist es oft ungeheuer qualvoll. Doch nach und nach lernt man mit Gottes Hilfe, glaubend bei Gott zu bleiben, selbst im Augenblick des Leidens, oder doch so hurtig wie möglich wieder zu Gott hinzukommen, wenn es gewesen ist, als hätte er einen kleinen Augenblick einen losgelassen, während man litt. So muß es ja sein, denn könnte man Gott ganz gegenwärtig bei sich haben, so würde man ja gar nicht leiden.«70

Das Wagnis, ein Einzelner zu sein

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