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Innerlichkeit und Aktivismus
ОглавлениеDie Bochumer Praktische Theologin Isolde Karle hat die evangelische Kirche eine »Kirche im Reformstress«74 genannt. Das Grundproblem vieler Kirchenreformprogramme sei, dass sie zu viel Steuerbarkeit und Planbarkeit unterstellten, dass sie Prozesse organisieren wollten, die sich nicht organisieren lassen. Dadurch manövriere sich die evangelische Kirche in einen Aktivismus hinein, der große Frustrationen hervorrufe und die kirchlichen Mitarbeiter auslauge. Die Frage ist also, was sie mit den Erwartungen machen, die an sie herangetragen werden, ob sie auch entschieden »Nein!« sagen können und eine Zuflucht haben, in der sie sich in Zeiten der Erschöpfung bergen können, um zu neuen Kräften zu kommen.
Natürlich meine ich mit »Zuflucht« den Raum, den das Gebet öffnet. Ich meine als Rhythmus das »Ora et labora«, das nicht nur in einem Kloster, sondern auch in einem Pfarrhaus wie in jedem Haus zum Lebensrhythmus werden kann, frei nach Luthers berühmtem Wort: »Heute habe ich viel zu |56| tun. Da muss ich viel beten!« Doch leider gibt es ja auch die flüchtigen, die geplapperten, die routinierten Gebete, die keinen Raum öffnen, sondern mehr in die Enge treiben. Es sind gar nicht unbedingt die geprägten Gebete wie etwa das Vaterunser oder Luthers Morgen- und Abendsegen, die eine Enge verbreiten. Es sind Gebete, die Gott nur zum Erfüller menschlicher Anliegen degradieren. Ich glaube kaum, dass durch solche Gebete ein Raum der Innerlichkeit eröffnet wird, weil sie noch zu sehr am menschlichen Wunsch kleben, statt ihn loszulassen und »sich in Gott hinein zu arbeiten«.