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Wieder in Karthago

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Die Zeit heilte seine Wunde, die neue Umgebung brachte neue Eindrücke und neue Freunde, was er im Vierten Buch der „Bekenntnisse“ schildert, neue Freunde, die liebten, was er liebte, „die ungeheuerliche Fabelei“ und „das weitschichtige Truggeschwätz“, die Lehren Manis, des angeblichen Apostels Jesu Christi. Stärker aber als der gemeinsame Glaube zogen andere Dinge sein Gemüt zu den Freunden:

„mitsammen plaudern und mitsammen lachen und sich einander gefällig erzeigen;

gemeinsam schöne Bücher lesen, gemeinsam scherzen …

bisweilen unterschiedlicher Meinung sein, ohne sich deswegen zu hassen …

einander belehren und lernen voneinander;

die Ausbleibenden schmerzlich vermissen, die Erscheinenden herzlich begrüßen …“

Das ist es, was Freundschaft ausmacht, und daher die große Trauer, wenn ein Freund stirbt. Noch einmal reflektierte er so seinen furchtbaren Schmerz über den, den er verloren hatte: Er habe seine Seele in den Sand gegossen, indem er einem Sterblichen seine Liebe zugewandt habe, als ob der niemals sterben müsste. Selig preist er den, der Gott liebt und den Freund in Gott und den Feind um Gottes willen. „Denn der allein verliert keinen Teuren, dem alle teuer sind in dem, den man nicht verliert.“

Seine Freunde waren wohl alle Manichäer, so manchen von ihnen hatte er für die Lehren der Sekte gewonnen. Ihn selbst aber beschlichen Zweifel an Manis komplizierten Mythen, und wenn er mit Gesinnungsgenossen darüber sprach, dann vertrösteten sie ihn auf die Ankunft eines gewissen Faustus, eines Bischofs der Manichäer. Dem eilte der Ruf großer Gelehrsamkeit voraus.

Wie mehrmals an Wendepunkten seines Lebens leitet Augustinus die Erzählung in den „Bekenntnissen“ mit einer Altersangabe ein: „Im Angesichte meines Gottes will ich offen von jenem neunundzwanzigsten Jahre meines Lebens reden“ – wir stehen also im Jahr 383 –, als der ersehnte Faustus nach Karthago kam. Augustinus fand in ihm einen freundlich-liebenswürdigen Mann, der gefällig zu reden wusste, so dass man ihm gerne zuhörte. Unser Held aber achtete weniger auf die Form als vielmehr auf den Inhalt dessen, was Faustus zu sagen hatte, und das konnte ihn nicht recht überzeugen. Augustinus hatte viel gelesen, kannte die damals gängigen Theorien über die Bewegung der Gestirne, wusste, dass man Sonnen- und Mondfinsternisse genau vorausberechnen konnte, und die Ansichten der Gelehrten kamen ihm plausibler vor als die „weitschweifigen Geschichten“ der Manichäer. Ihre Lehre, dass der Mond zunehme, weil ihm das aus der Welt befreite Licht zuströmte, und abnehme, wenn er das Licht an die Sonne abgebe, ließ sich auch mit den damaligen Erkenntnissen der Naturwissenschaften überhaupt nicht vereinbaren.

Augustinus war auch bald überzeugt, „dass Faustus in den Wissenschaften … nichts verstand“, was er auch unumwunden zugab. Also ging er dazu über, im Verkehr mit Faustus dessen Bildung zu fördern. Der war interessiert, und so las Augustinus, damals „schon Lehrer der Beredsamkeit“, „was er, Faustus, auf Hörensagen hin zu kennen wünschte“ oder was nach Augustins Urteil für eine solche Veranlagung das Passende schien.

Trotz seiner Zweifel blieb er Manis Religion treu. Er wollte sich einstweilen zufrieden geben, „bis vielleicht irgendein Licht erschiene, das besser für mich wäre“. Vielleicht haben ihn die hochpoetischen Psalmen wie der folgend zitierte, die in den von ihm treu besuchten manichäischen Gottesdiensten gesungen wurden, beeindruckt und gefesselt:

Ich habe die ganze Welt durchstreift,

ich habe bezeugt alle Dinge, die in ihr sind.

Ich sah alle Menschen

laufen in Nichtigkeit.

O wie groß sind das Unglück und die Raserei der Finsternis

mit der sie gefesselt sind,

weil sie Gott vergessen haben,

der kam und sich für sie in den Tod gab!

Jetzt rufe ich zu dir in der Bedrängnis meiner Seele,

damit du dich meiner erbarmst,

denn die Mächte des Himmels und der Erde,

sie wollen mich verschlingen.

Es mögen aber auch eigensüchtige Gründe eine Rolle gespielt haben, die ihn in der Glaubensgemeinschaft festhielten. Er wollte beruflich vorankommen, und dazu waren damals wie heute Beziehungen nützlich, die ihm das manichäische Netzwerk durchaus bot, wie sich später zeigen sollte. Emsig arbeitete er an seiner Karriere: Er hatte in Karthago den städtischen Lehrstuhl für Rhetorik inne, hielt öffentliche, nicht nur für seine Studenten bestimmte Vorträge, er nahm an Dichterwettbewerben teil und wurde als Gewinner vom Proconsul Vindicianus, dem er freundschaftlich verbunden blieb, für seine Kunst mit dem Lorbeerkranz geehrt. Sein Ehrgeiz gab sich mit Karthago nicht zufrieden. Er strebte nach Rom, das zwar nicht mehr Residenz der Kaiser, dennoch aber Hauptstadt des Reiches war, Stolz seiner Bürger. Ein Buch über das Schöne und Angemessene, das verloren ist, widmete er dem römischen Rhetor Hierius, den er nicht kannte, den er aber kennenzulernen hoffte, damit der ihm den Weg nach Rom ebne.

Nicht die Aussicht auf ein höheres Einkommen zog ihn nach Rom, auch nicht die Mehrung seines Ansehens, so behauptete er wenigstens, gab aber im selben Atemzug zu, dass auch dies bei seiner damaligen Einstellung etwas Verlockendes hatte. Nein, er wollte nach Rom ziehen, weil er gehört hatte, dass die Studenten dort disziplinierter seien als die in Karthago. In Karthago nämlich drangen junge Leute „wild und frech“ in die Hörsäle auch der Professoren, bei denen sie gar nicht Schüler waren, und brachten wie „eine Horde von Rasenden“ „die Ordnung durcheinander, die der einzelne Lehrer … eingeführt hatte“.

Monnica, „die meinen Weggang leidenschaftlich beklagte und mich bis ans Meer hinaus begleitete“, wollte ihren Sohn festhalten, „um mich wieder heimzubringen oder mit mir zusammen abzureisen“. Er aber gab vor, einem Freund Gesellschaft leisten zu wollen, „bis ihm die aufkommende Brise die Seefahrt verstatte“. Er konnte die Mutter überreden, in der Kapelle des hl. Cyprian, des großen Bischofs und Martyrers, des Schutzpatrons Karthagos, betend die Nacht zu verbringen. Er selbst bestieg heimlich das Schiff und setzte über nach Italien. Es war, wie er später wohl sah und beklagte, eine grausame und niederträchtige Art, sich von der besorgten Mutter zu verabschieden. Das geschah im Herbst des Jahres 383.

Glücklich wollen wir mit Sicherheit sein

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