Читать книгу Kalte Berechnung - Michael Rapp - Страница 9

24.01.2048, London

Оглавление

Richard Harris starrte in den von Royal-Navy-Linienschiffen eingerahmten Werbespiegel der Fleet-Brauerei und sah einen ergrauten und schlecht rasierten alten Mistkerl in einem Tweed-Sakko. Einen Rentner, der vor langer Zeit zugunsten seiner Karriere miese Entscheidungen getroffen hatte und nun, nach seinem letzten Arbeitstag bei der Metropolitan Police, ohne Frau, ohne Kinder und ohne Job dastand. Einen Idioten ohne Sinn und Ziel für sein weiteres Leben. Einen alten Arsch, dachte er, der verdammt noch mal nicht rührselig in einen beschissenen Spiegel starren sollte.

Er nahm einen Schluck Porter und ließ den Blick durch den Pub schweifen, ohne dabei etwas Aufmunterndes zu entdecken – ganz im Gegenteil. Richard hasste The Tardy Hangman. Den sorgsam gepflegten Charme des auf antik getrimmten Schankraumes, die grobkörnigen Schwarz-Weiß-Fotos und die Polizei-Devotionalien an den Wänden. Früher einmal war The Hangman tatsächlich ein Polizistenpub gewesen. In seinen ersten Jahren bei der Met, als Detective Constables noch mehr gewesen waren als das Begleitpersonal für neunmalkluge parallele Intelligenzen mit Augen scharf wie Weltraumteleskope, perfekten Gedächtnissen und einem direkten Draht zum Kriminaltechnik-Zentralcomputer, psychologischen Expertensystemen und den internen Ermittlern. Damals war er mit den Kollegen oft hier gewesen: mit Ioan Read, dem schlaksigen Waliser, der sich beim Abfeuern seiner Waffe immer selbst etwas erschrocken hatte, aber von einer Stelle in der Zeugenschutzgruppe träumte. Mit Susan Ann Lill, einer rothaarigen Schönheit aus Northampton, deren Repliken zu schlagfertig für ihre Vorgesetzten gewesen waren. Seinem Ausbilder und ersten Partner Hassan Tawil, Spross einer stolzen Obsthändlerdynastie aus Soho. Mit Carsten, May, Paula, Harry… Kollegen, Berufsabschnittsgefährten und Freunde, alle waren fort, irgendwann von den Sprossen der Karriereleiter gefallen – oder gestoßen worden. Paula und May hatten geheiratet, Kinder bekommen und waren freiwillig ausgeschieden, versüßt durch eine Abfindung der Stadt. Hassan hatte nach Beschwerden über angebliches Fehlverhalten im Umgang mit Beweismitteln ebenfalls den angebotenen Vorruhestand akzeptiert, ernüchtert und verbittert. Carsten und Susan waren suspendiert und später entlassen worden, weil Carsten den Druck der ständigen Überwachung durch seinen PI-Partner nicht mehr ertragen hatte. Nach einer Rangelei mit einem ausfällig gewordenen Betrunkenen hatten er und Susan versucht, den Kern der PI mit Carstens Com zu manipulieren. Richard prostete dem auf eine Holzplatte gemalten Bild von Guy Fawkes zu, der gerade zu seiner Richtstätte geführt wurde. Du hattest deinen Plan wenigstens nicht von YouTube.

»Willst du den ganzen Tag schmollen?« Mike Drei Sieben lehnte auf dem Tresen und blickte ihn aus seinen blauen Roboteraugen an. Richard fühlte über das Emotionsfeedback des Emo-Links die miesen Schwingungen der Maschine. »Als du sagtest, du wolltest einen auf die alten Zeiten heben, dachte ich, das wird so ein menschliches Abschiedsritual zum Eintritt in eine neue Lebensphase wie ein Junggesellenabschied oder ein Abschlussball – irgendwas Geselliges mit brauchbarem Unterhaltungswert. Aber jetzt sieht es aus, als wolltest du uns in dieser nach Bier und versteinertem Zigarettenqualm stinkenden Touristenfalle endgültig die Stimmung vermiesen.« Leise fügte die Maschine hinzu: »Wenn du mich weiter mit so üblen Emotionen fütterst, werfe ich eine Bombe, und zwar genau hier.«

»Robs haben im Pub nichts zu suchen«, sagte der Barmann, ein molliger Zwanzigjähriger mit dünnem Bart und breiten Hosenträgern über dem Schottenhemd. Richard knurrte nur zur Antwort.

Mike lächelte sardonisch und schabte mit seinen abgenutzten Fingerkuppen über den Tresen. »Komisch, ich dachte, ihr hättet durch die Pacht einen exklusiven Ausschankvertrag mit Fleet. Wieso habe ich dann letzte Woche leere Heineken-Kisten an eurer Hintertür gesehen …? Vielleicht sollte ich das mit dem Fleet-Vertrieb abklären?«

»Scheiß-Maschinenbastard«, schimpfte Mr. Hosenträger, trollte sich aber zu seinen Gin-Flaschen.

Mike kratzte sich mit dem Mittelfinger an der Nase, eine Geste, die er irgendwo abgeschaut hatte und die offenbar das einprogrammierte Beleidigungsverbot unterlief. Er richtete sich auf und streckte sich. »Komm schon, der Laden ist nur was für alte Säcke und unentschlossene Selbstmörder. Wir haben Arbeit.«

Richard seufzte und hob sein Porter. »Auf alle Dinosaurier-Bullen, die hier getrunken haben, bis sie ausgestorben sind.« Er trank sein Bier aus, setzte das Glas lautstark auf den Tresen und erhob sich, wobei er seinen Mantel von der Stuhllehne zog. »Fahren wir nach Hause, ich hab für heute die Schnauze voll.«

»Und der Job?«, fragte Mike genervt. »Ich habe dir gesagt, das ist eine Überraschung. Es wird dir gefallen, und es ist nur eine kurze Fahrt.«

»Ich bin in Rente.« Der Satz schmeckte bitter. Er warf sich den Mantel über und nahm seinen Regenschirm, der am Tresen lehnte.

Mike verzog den Mund. Richard ließ ein letztes Mal den Blick durch den Raum wandern, der sich kaum verändert hatte, seit er vor zweiunddreißig Jahren hier seinen Einstand beim CID gefeiert hatte. Seltsam, in seiner Erinnerung schienen erst ein paar Sommer vergangen zu sein. Dabei war er gerade 67 geworden, und der Schmerz in seinen Gelenken war die neue Normalität. Schon lange hatte er keinen Arzt mehr an sich herumdiagnostizieren lassen, auch wenn Mike ihn ständig daran erinnerte. Schließlich teilten sie über die Emo-Verbindung auch den Schmerz, was für die PI anfangs irritierend gewesen war.

Mit minimalem Nicken grüßte er in Richtung des Barmanns, der sich schmollend wegdrehte. Mike hielt ihm die Tür auf, was Richard zu einem besonders ungehaltenen Knurren veranlasste. Er öffnete und schloss die linke Hand, der Arm schmerzte schon wieder und war etwas steif. Er wusste verdammt gut, was das bedeuten konnte, wusste, welches Risiko er einging, indem er den Schmerz ignorierte. Aber wozu etwas unternehmen? Seine Show war gelaufen, das Feuerwerk abgebrannt. Er würde die City verlassen müssen, die Straßen, in denen er aufgewachsen war und die er jahrzehntelang gegen Mörder und Terroristen verteidigt hatte. Mit seiner Rente konnte er sich das Leben hier nicht mehr leisten – verdammt, selbst mit seinem Lohn hatte er es sich nicht leisten können. Die Interessenten für seine Wohnung kreisten schon. Er hatte die von den Großeltern geerbten achtzig Quadratmeter immer für ein heruntergewirtschaftetes Loch gehalten, aber wie sich herausgestellt hatte, würden sie ihm ein Vermögen bringen. Mehr als genug, um die hundertzweiundneunzigtausend Pfund Privat-Darlehen über UKlendeasy.com zurückzuzahlen und eine schicke neue Wohnung in Ipswich zu kaufen. Doch für jemanden aus der City lag schon Romford verdächtig nahe am Arsch der Welt.

Aus dem grauen Himmel sprühte Regen in sein Gesicht, zu wenig, um deswegen den Schirm zu öffnen. Touristenhorden aus aller Welt zogen unerschütterlich fröhlich über die Bürgersteige, um etwas von dem Restcharme des einstigen Zentrums des Empires aufzusaugen. Wann ist alles scheiße geworden?, fragte sich Richard und rieb sich den Arm. Vielleicht wäre es doch kein Fehler, mal Blutdruck zu messen. Wann war das letzte Mal? Er erinnerte sich nur noch an die Pflichtuntersuchung anlässlich seiner Beförderung zum Chief Inspector …

Ein E-Car hielt vor ihnen auf der Straße. Mike seufzte, öffnete die Tür. Und für einen Moment fühlte Richard Mikes Furcht, dass mit seinem menschlichen Partner irgendwann auch ein Teil von ihm sterben würde.

»Nichts ist peinlicher als ein neurotischer Roboter«, stichelte er.

»Wem sagst du das!« Mike seufzte noch einmal. Er war ebenfalls nicht mehr der Jüngste, sein Baujahr lag so um 2031–32, genau hatte Richard sich das nicht gemerkt. Seine verstärkte schwarz-gelbe Oberfläche glänzte nur noch an wenigen Stellen. Hier und da zeigten sich Spuren vergangener Einsätze. Und an diese konnte sich Richard gut erinnern. Jede Schramme, jede Brandnarbe war eine Geschichte, wenn auch nicht immer eine gute.

Richard ließ sich schnaufend auf den Sitz sinken und wuchtete die Beine in den Wagen, erst das rechte, dann das linke. Seine Knie jubilierten, und seine Hand würgte den Hickorygriff seines Schirms, sodass seine Knöchel weiß hervortraten. Er hatte das Gefühl, von den Touristen angestarrt zu werden wie eine lokale Sehenswürdigkeit, und für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, ihnen etwas für ihr Geld zu zeigen, seinen nackten Arsch zum Beispiel. Aber bis er den hochbekommen hätte, wäre die Bande längst auf der Charing Cross Road verschwunden.

»Was ist das für eine Arbeit, die mir gefallen soll?«, fragte er stattdessen, Desinteresse heuchelnd. »Also, was ist die Überraschung?«

Mike lächelte und ließ sich seinerseits Zeit mit der Antwort. »Ich habe auf deinen Namen eine Detektei eröffnet. Richard Harris ist jetzt Inhaber von Deep Investigations. Deine Lizenz wurde heute Morgen ausgestellt.«

»Ich als Detektiv? Bilde dir bloß nichts ein«, grummelte Richard, kam aber angesichts der Frechheit der PI nicht um ein trockenes Auflachen herum.

»Ich wusste, du würdest den Klang des Wortes mögen …«

»Detektiv?«

Mike sah Richard an.

»Arbeit – der Ruhestand würde uns umbringen.«

Richard starrte aus dem Fenster. »Hast du solche Angst davor, meine Emotionen zu verlieren, weil du dann wieder eine ganz normale PI bist? Oder glaubst du, man wird dich nach meinem Tod verschrotten? Irgendwann ist es auf jeden Fall so weit. Meine Teile können nicht beliebig ausgetauscht werden, und selbst wenn das ginge, würde ich da nicht mitmachen.«

Mike schwieg. Der Wagen bog um die Ecke. Regentropfen zogen kleine Ströme über die Scheibe.

»Privatdetektiv.« Richard schüttelte den Kopf. »Von all deinen dummen Ideen ist das die dümmste. Ganz ehrlich, du müsstest mal zum Schraubendoktor.« Irgendwie machte ihm die Idee aber doch Spaß.

Mike blickte lächelnd aus seinem Fenster. Die City zog vorbei, ein Trupp Royal Horse Guards, verfolgt von einer Kameradrohne der BBC, überteuerte Cafés, Automaten-Schneidereien bekannter Modehäuser und kitschige Andenkenshops. – Vielen Dank für Ihren London-Besuch, wir hoffen, Sie hatten Spaß auf dem Riesenrad. Beehren Sie uns bald wieder und bringen Sie Ihre Kinder mit. Richard und Mike teilten den Ärger und spielten den Ball der Verachtung über den Emo-Link hin und her.

»Wer ist unser Auftraggeber, darf man das erfahren?«, grummelte Richard schließlich. »Für wen sollen wir wen ausspionieren? Wessen abgängigen Ehemann verfolgen?«

»Warum so zynisch? Bei der Met haben wir auch nichts anderes gemacht: Beweise gesucht, Übeltäter verfolgt. DI oder PI, Inspektor oder privater Ermittler, wo ist der Unterschied?«

»Wir haben etwas für die Gesellschaft getan!«, brauste Richard auf. »Abschaum von den Straßen geschafft! Totschläger, Raubmörder und den einen oder anderen richtig gefährlichen Bastard!«

Mike legte den Kopf auf die Seite. »Nur wenn wir Erfolg hatten, was zuletzt nicht immer der Fall war. Denk an die Hardwicks, Martha Engreen und ihren Sohn Nick.«

Richard versteifte sich und sandte Mike ein wirklich übles Gefühl.

Die PI fuhr unbeeindruckt fort: »Vielleicht ist es besser, wenn neuere Modelle unseren Job machen und wir uns zukünftig auf die kleinen Sünder konzentrieren.«

Richard starrte ihn an und versuchte seine Gedanken zu lesen. Was soll das?, fragte er sich. Mike wusste genau, dass er in den letzten Wochen an kaum etwas anderes gedacht hatte als daran, Iven Wescott zu schnappen, den Mörder, der ihm entkommen war, gerettet von Richards Pensionierung. Er erinnerte sich an das Fahndungsbild, das kantige Gesicht unter einem Deckel aus braunem, an den Spitzen rot gefärbtem Haar, an die graublauen, abwesend blickenden Augen. Bankraub war selten geworden, besonders die altmodische Dillinger-Nummer mit vorgehaltener Waffe. Die meisten, die das heute noch versuchten, taten es in rührender Einfalt und fanden sich folgerichtig wenige Schritte hinter der Tür auf dem Bauch liegend unter einem Sicherheitsroboter wieder, der ihnen die Glieder neu ordnete und dabei erklärte, dass die Polizei bereits auf dem Weg sei und die Bank ihnen die Betriebsunterbrechung und alle ihren Kunden und Mitarbeitern anfallenden Kosten in Rechnung stellen werde. Mit solchen Versagern hatte Richard im Stillen sogar Mitleid. In einer Welt gelenkt von künstlicher Intelligenz waren menschliche Idioten eine stark gefährdete Spezies. Wie oft hatte er erlebt, dass sich Betrunkene, halbstarke Schlägertypen oder von sich überzeugte harte Kerle mit Robotern angelegt und den Kürzeren gezogen hatten. Eine Jarlberg-Antiope aus Mikes Baureihe war dreimal so schnell und viermal so stark wie ein kräftiger Mann und kannte im Nahkampf alle schmutzigen Tricks. Dazu kamen die versteckt eingebauten nichttödlichen Waffen. Taser, Schallkanonen und Blitzlichter in den Handflächen, die einen hundert Kilo schweren Kickboxer binnen Sekunden in ein blindes, taubes, zuckendes Panikbündel verwandeln konnten. Nein, Menschen mit einem Funken Verstand legten sich nicht mit PIs an. Es sei denn, sie hatten einen Plan. Iven Wescotts Plan war es gewesen, die Maschinen von sich abzulenken, indem er gezielt auf Unschuldige geschossen hatte. Während die PIs der Bank seinen Opfern Erste Hilfe leisteten, war er entkommen. Der polnische Kundenbetreuer Filip Lipa war auf dem Marmorboden der LC Bank am Schock eines Bauchschusses gestorben. Martha Engreen hatte einen Schulterdurchschuss erlitten. Die austretende Kugel hatte ihren achtjährigen Sohn am Kopf gestreift. Und vor der Bank hatte Martin Hardwick seine Frau Joan verloren, mit der er zwölf Jahre verheiratet gewesen war. Wescott hatte keine Beute gemacht, doch immerhin war er entkommen, als erster englischer Bankräuber seit sieben Jahren, weil er unter all den Idioten der rücksichtsloseste und brutalste war.

Nach einer zehnminütigen Fahrt hielt das E-Car vor einem alten Bürohaus auf der Isle of Dogs. In den Fenstern spiegelten sich der graue Himmel und ein Schwarm Tauben. Über dem Eingang hing die Videofolie eines Maklers: 2.100 Quadratmeter Bürofläche in bester Lage … Richard wuchtete sich vom Sitz, stützte sich auf seinem soliden Schirm ab und warf die Tür hinter sich zu.

»Was wollen wir hier?«

Ohne ein Wort ging Mike zum Eingang. Er legte die Hand auf das RFID-Schloss, öffnete die Tür und trat in die Lobby. Woher hat er den Code?, wunderte sich Richard. Er sah sich um: Teile der Deckenverkleidung fehlten, Kabel und Röhren hingen herab, und es roch abgestanden und ein wenig nach offenem Kanal. Mike verriegelte die Tür hinter Richard. Die verbliebenen LED-Lampen an der Decke leuchteten auf. Das Licht am Aufzug ging an, und die Tür öffnete sich mit leisem Scharren.

»Kannst du mir endlich verraten, was das wird?« Richard folgte Mike in die Kabine, immer noch verärgert, aber auch gespannt, wo das alles hinführte.

»Das Ergebnis des DNA-Abgleichs kam heute früh rein«, sagte Mike geheimnisvoll. »Ich habe ein Labor in Irland damit beauftragt, auf deine Kreditkarte … Tut mir leid, es war nicht billig. Aber ich bin mir sicher, es wird sich lohnen.«

Richard fühlte ein vertrautes Kribbeln in den Fingern. Das Jagdfieber schlich sich an ihn heran. »Abgleich wovon?«

»Einer Probe, die ich von einem Stück Plastikmüll genommen habe, mit der DNA aus Wescotts Wohnung …« Er betätigte den Knopf für das achte Stockwerk.

»Wescott? Du hast ohne mich ermittelt?«

»Ein alter Komplize von Wescott, Ron Voight, hat hier früher als Haustechniker gearbeitet. Er versorgt Wescott immer samstagnachts mit Lebensmitteln, auf Speicherkarten geladenen Serien und Pornos und entsorgt den Müll über seine eigene Tonne. Das erhöhte Müllaufkommen ist mir in seinen Abrechnungsdaten aufgefallen. Also habe ich einige Proben geholt. Dabei bemerkte ich, dass jemand einige der Verpackungen gewaschen hatte, wohl um Fingerabdrücke zu beseitigen, aber die DNA-Spuren wurde er so nicht los. Anschließend habe ich mich ein bisschen mit dem Wagen des Typen darüber unterhalten, wo er so unterwegs war und was er dabei aus dem Netz geladen hat – ein ganz süßes französisches Gefährt übrigens …«

»Mike!«

»Jedenfalls bin ich so auf diese Adresse aufmerksam geworden …«

Der Aufzug hielt, und die Türen öffneten sich. Auf einer Matratze inmitten des großen, offenen Raums, umgeben von Fertignahrungsschalen, Bierdosen und leeren Plastikflaschen, saß ein Mann. Den Kopf über ein Tablet gesenkt, spielte er ein Ballerspiel. Piepsige Musik drang aus seinen Ohrhörern, unterlegt vom dumpfen Wummern der Waffe. Iven Wescott hatte sichtlich Gewicht zugelegt, er wirkte müde und depressiv.

»Herzlichen Glückwunsch zur Pensionierung, Partner.« Mike trat aus der Kabine. Richards Wut kochte in seinen Adern; in seinen Ohren rauschte das Blut. Selbst die schmerzenden Knie waren vergessen. Wütend ging er auf Wescott los. Dieser bemerkte die Bewegung und hob den Kopf, nur um den aus Hickoryholz gefertigten Griff eines Regenschirms auf sich zufliegen zu sehen. Der Mörder kippte zur Seite, verlor den Kopfhörer und spuckte Blut auf die Matratze. Seine Hand schlüpfte unter das Kissen und holte eine klobige Sportpistole hervor. Richard schlug zu, und die Waffe landete zwei Meter entfernt auf dem abgenutzten Teppich. Wescott schrie wütend und versuchte, sich aufzurichten, aber Richard trat seinen Arm weg, sodass er zurücksackte. Der nächste Schlag traf wieder seinen Kopf. Benommen krabbelte der Kerl hinter der Waffe her, doch als er die Hand ausstreckte, nagelte Richard sie mit der Stahlkappe des Schirms auf den Boden.

Mike Drei Sieben sah aufmerksam zu und sog Richards rachsüchtige Genugtuung in sich auf.

»Übertreib es nicht, Partner. Schließlich muss ich nachher aufräumen und mir eine Geschichte ausdenken. Die Leute glauben zwar, dass eine PI nicht lügen würde, aber die Beweise sollten auch nicht gar zu deutlich in diese Richtung weisen. Außerdem ist der Kerl eine Viertelmillion Pfund an Belohnungen wert.« Er sandte ihm ein beruhigendes Gefühl.

Richard kickte die Pistole zur Seite, dann erst hob er den Schirm. Schnaufend kniete er sich auf Wescotts Rücken, verdrehte dem Blutenden und Fluchenden die Arme und legte ihm die Handschellen an, die er aus Gewohnheit in der Manteltasche mitführte.

»Weißt du, ich nehme es zurück. Die Idee mit der Privatdetektei ist vielleicht doch nicht so bescheuert. Mehr Freizeit, weniger Regeln und niemand mault, wenn ich im Dienst trinke …«

»Außer mir, meinst du wohl.«

Zuerst bemerkte Richard es nicht, als an der kahlen Bürowand leuchtende Buchstaben aufflammten und sich, wie von Drucklettern gesetzt, Wörter bildeten. Erst als er Mikes Überraschung fühlte, hob er den Kopf.

»Richard!« Mike starrte auf die Wand.

Glückwunsch zur Verhaftung, PI Harris!

Ihre nächster Auftrag: 28.01., Serenity Base, Meer der Heiterkeit. Erfolg erfüllt Ihnen Ihren größten Wunsch. Dagegen hätte Nichterscheinen ein Aufdecken Ihrer Gesetzesverstöße zur Folge.

Das Licht verschwand, zwei schillernde Papiere lösten sich von der Decke und fielen sich drehend zu Boden.

Mike hob sie auf und betrachtete die leuchtenden Sicherheitshologramme. »Wir werden angeheuert … und erpresst.«

»Was soll der Quatsch?«, schnaufte Richard und stand auf. »Meer der Heiterkeit? Ist das einer deiner Streiche?«

»Das hier sind Bordkarten für den Clipper-Flug nächsten Dienstag. Jeweils Hin- und Rückflug.«

»Und?«

»Weltraum-Clipper, alter Mann! Jede davon kostet fast dreißig Millionen Pfund. Wir wurden in ein Luxusresort auf den Mond bestellt.«

Kalte Berechnung

Подняться наверх