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Coaching macht (nicht immer) Spaß

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Zunächst einmal muss ich Folgendes aus tiefster Überzeugung festhalten. Nach meiner Erfahrung ist das Einzelcoaching die wundervollste Arbeitsform für alle, die sich berufen fühlen, Berater zu sein und schnell die Wirksamkeit des eigenen Beitrags spüren wollen. In diesem Setting kann man sich zu 100 % auf die Bedarfe des Klienten konzentrieren, die Auseinandersetzung zwischen Coach und Coachee ist häufig außerordentlich intensiv und spannend, es gibt keine Langeweile, weil immer Themen im Gespräch sind, bei denen der Klient voll dabei ist und, last, but not least: Wer an Menschen interessiert ist und ihnen gerne helfen möchte, wird sich immer wieder über besondere zwischenmenschliche Begegnungen freuen und auch die Dankbarkeit seiner Klienten genießen können. Das bedeutet aber nicht, dass Coaching Sessions stets harmonische Wohlgefühle erzeugen. Ganz im Gegenteil! Der langjährige Coach des Dallas Cowboys Football Teams, Tom Landry, hat mit seinem Coachingverständnis den Nagel definitorisch auf den Kopf getroffen:

»Ein Coach sagt einem Dinge, die man nicht hören möchte, und er führt einem vor Augen, was man nicht sehen möchte, sodass man zu dem werden kann, den man schon immer in sich erahnt hatte« (Schmidt et al. 2019, p. 86; Übers: M. R.).7

Landry betont das Unbequeme und Fordernde am Coaching. Obwohl er ein Footballcoach war, ist seine Aussage meines Erachtens eins zu eins auf das Executive Coaching übertragbar. Wir müssen immer wieder unsere Klienten aus ihrer Komfortzone locken, damit sie sich im geschützten Raum erfahren, erleben und entwickeln können.

Man kann Coaching aber auch sehr viel nüchterner definieren als

»vertrauliche, prozessorientierte Beratung psychisch stabiler Menschen […], die unter Anwendung von Modellen und Interventionen psychotherapeutischer Herkunft in einem bestimmten Lebenskontext durch eine externe Person stattfindet« (Drath 2012, S. 16).

Diese Definition impliziert eine Grenzziehung zwischen Coaching und Therapie anhand der psychischen Stabilität, die den (Coaching-)Klienten auszeichnet und davor bewahrt, zum (Psychotherapie-)Patienten zu werden. Ob die Differenz zwischen »psychisch stabil« und »psychisch instabil« wirklich dazu taugt, den durchschnittlichen Managercoachee vom durchschnittlichen Therapiebedürftigen zu unterscheiden, lasse ich einmal dahingestellt sein. Zumindest spricht viel dafür, dass die Grenzen eher fließend sind. Wahrscheinlich ist gerade das der Grund, warum so viele Konzepte, Modelle und Vorgehensweisen aus dem therapeutischen Feld erfolgreich Eingang in die Praxis des Coachings gefunden haben. Wichtig in dieser Definition ist jedoch der Hinweis auf den prozessorientierten Charakter des Coachings. Für die Qualität des Beraters und seiner Beratung ist es eine notwendige Voraussetzung, dies zu akzeptieren und als grundlegendes Element seines Selbstverständnisses zu integrieren: In jeder Sitzung begibt man sich auf eine Reise mit ungewissem Ausgang. Das Bedeutsame zeigt sich von Moment zu Moment, und die Aufmerksamkeit des Coachs muss sich für das plötzlich aufscheinende Unerwartete, ja sogar das Unerwartbare bereithalten.

Einer der Wegbereiter und Berater der ersten Stunde in der deutschsprachigen Coachingszene, Wolfgang Looss, stellt in den Mittelpunkt seiner Definition, dass Coaching eine »personenbezogene Einzelberatung von Menschen in der Arbeitswelt« (Looss 1997, S. 13) ist. Mir gefällt diese glasklare Sicht sehr gut, steht sie doch einem verwässernden Trend unseres Metiers entgegen, der zahllose Derivate zweifelhaften Werts hervorgebracht hat: »Life-Coaching«, »Frauen-Coaching«, »Konflikt-Coaching«, »Projekt-Coaching«, »Weisheits-Coaching«, »Selbst-Coaching«, »Tele-Coaching«, »Medien-Coaching«, »Werte-Coaching«. Diese Explosion an Coachingformen, laut Looss »Bindestrich-Coachings« (ebd.), ist sicher dem Umstand geschuldet, dass auch in unserer Profession der eine oder andere Geschäftemacher unterwegs ist.

Bei aller Sympathie für die loosssche Definition möchte ich den Coachingbegriff aber doch ein wenig erweitern. Im Sport gibt es Coachs sowohl für einzelne Sportler, seien sie Individual- oder Mannschaftssportler, als auch für Mannschaften. In ganz unterschiedlichen Branchen, Organisationstypen und -formen habe ich seit den frühen 2000-Jahren die Erfahrung gemacht, dass man sich den Teams, insbesondere den Managementteams, widmen muss, um das Leistungspotenzial der jeweiligen Organisation zu erschließen. Ein wirklich gut funktionierendes Managementteam zählt zu den wichtigsten kritischen Erfolgsfaktoren jeder Organisation. Ein solches Team zu coachen zählt zu den vornehmsten Aufgaben in der Beratung. Gleichzeitig sieht es so aus, als würden hier bei den meisten Firmen riesige blinde Flecken angesiedelt sein. Die Analogie zu den Mannschaftssportarten mag abgegriffen sein – aber sie trifft tatsächlich mehr denn je zu. Starke Teams dienen als interner Prozessor für zunehmend komplexe Herausforderungen, auf die Unternehmen antwortfähig sein müssen. Im Teamcoaching kann es um innere Angelegenheiten des Teams (Dynamik, Kommunikation und Zusammenarbeit, Konfliktbearbeitung etc.) ebenso wie um Fragen gehen, die sich mit der Gestaltung der Teamumwelt befassen (Wie führen wir das Unternehmen? Welche Strategie schlagen wir ein? Welches Dienstleistungsportefeuille wollen wir anbieten? Wie wirken wir auf andere? …).

Im Coaching, ob als Einzel- oder als Teamberatung, entsteht ein sozialer Raum zwischen den beteiligten Personen. Schauen wir uns nun einmal etwas genauer an, wie dieser Raum, dieses System eigentlich zustande kommt.

Zen in der Kunst des Coachings

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