Читать книгу Aloha in Surf City - Michael Reisinger - Страница 5

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Es ist pechschwarz hier. Joe sitzt auf einem Stuhl. Sein Kopf tut weh als ob ihm jemand mit dem Hammer eins übergebraten hätte und er hat jegliche Orientierung verloren. Was ist passiert? Ist die Maschine abgestürzt? Adrenalin schießt in sein Blut. Ist er vielleicht in einem Krankenhaus? Einem Leichenschauhaus? Wobei, das macht keinen Sinn. Immerhin sitzt er ja auf einem Stuhl und liegt nicht in einem Bett oder auf einem OP-Tisch. Er schaut sich um. Es ist immer noch dunkel. So dunkel, dass er nicht erkennen kann was sonst noch in dem Zimmer ist.

Es benötigt einen heftigen Kampf mit seinem Kreislauf, um überhaupt aufstehen zu können, den Joe jedoch schlussendlich für sich entscheiden kann. Als erstes überprüft er den Zustand seines Körpers. Er scheint unverletzt, ein mildes Kopfweh seine einzige Beschwerde. Dann steht er langsam und wohldosiert auf, nur um fast gleich wieder wegen eines plötzlich auftauchenden Schwindelanfalls umzukippen. Doch Joe schafft es sich zu stabilisieren.

Er will den Raum untersuchen. Dafür muss aber erstmal der Lichtschalter gefunden werden. Langsam tastet sich Joe die Wände entlang bis er einen Türrahmen erreicht hat. Augenblicke später ist auch der Schalter lokalisiert. Die plötzliche Helligkeit schmerzt Joes Augen und lässt alles erstmal verschwommen erscheinen. Das Kopfweh wird stärker. Schemenhaft beginnt Joe die Ausmaße des Raumes sowie die Anzahl und Art der Einrichtungsgegenstände zu erkennen. Es ist ein sehr kleiner Raum ohne Fenster, mit dicken Wänden und etwas modrig nach Keller riechend. Darin stehen außer einem einfachen Bett und einem Stuhl keine weiteren Gegenstände. Aus dem Raum heraus führt eine Holztür aber, wie schon erwähnt, keine Fenster. Es gibt auch kein besonderes Lüftungssystem, nur der Spalt unter der Holztür scheint den Raum mit Sauerstoff zu versorgen. Sofort fühlt Joe Klaustrophobie in sich hochsteigen. Auch kommt der Schwindel zurück und der kleine Raum um ihn herum beginnt sich wieder stärker zu drehen. Oh Gott, wo ist er hier gelandet?

Um nicht in Panik zu verfallen stürmt Joe auf die Türklinge zu. Sie lässt sich nicht runterdrücken, ist stattdessen starr, als ob sie jemand von außen mit aller Kraft gegen Joes Druck hochhalten würde. Joes Herz rast schneller und schneller. Er ist eingesperrt! Joe beginnt wie wild gegen die Holztür zu hämmern und um Hilfe zu rufen. Keine Antwort. Auch sonst keine erkennbare Veränderung der Lage. Dafür tun ihm nun die Handrücken weh. Sehr sogar.

Jedoch haben Angst und Wut nun die Kontrolle über seine Aktionen übernommen, wodurch er den Schmerz gar nicht mehr spürt. Auch das mit dem klar denken scheint nicht mehr zu funktionieren, denn Joes nächste Handlung ist es, den Stuhl zu nehmen und unzählige Male gegen die Tür zu dreschen. Endresultat dieser Aktion: ein kaputter Stuhl und ein erschöpfter Joe.

Die Angst aber ist immer noch nicht abgeklungen. Also rüttelt Joe wie besessen an der Türklinke. Es tut sich nichts. Einfach nichts. Er ist und bleibt eingesperrt! Joe lässt sich verzweifelt am Türblatt entlang Richtung Boden sinken. Es ist vorbei. Irgendein Psycho hat ihn hier eingesperrt und lässt ihn nun elendig verhungern. Das ist das Ende von Joe - gefangen in einem Verließ, bis ihn die Angst schlussendlich dahinraffen wird. Nun ist er deprimiert. Und erschöpft. Ja richtig müde sogar. Diese Müdigkeit lässt die Angst momentan einer dumpfen Leere weichen. So beruhigt sich sein Puls und sein Atem beginnt wieder normal zu funktionieren. Er schließt kurz die Augen.

Als er sie wieder öffnet sieht er das kitschige Surfbild aus dem Vorraum seines Apartments. Was macht das denn hier? Joe ist verwundert. Es war doch vorher noch gar nicht da. Trotzdem ist er heilfroh dieses vertraute Element aus seiner Wohnung hier zu sehen. Oh wie oft hat er bei diesem Bild komische Gedanken bekommen? Meistens musste er an so etwas Abstraktes wie Freiheit denken. Nachher hat er sich richtig schlecht gefühlt, weil er doch so ein unfreier Mensch ist. Dann hat er sich immer geschworen, dass er eines Tages über seinen eigenen Schatten springen und für längere Zeit ans Meer ziehen wird, um endlich mal diese Freiheit kennenzulernen, an die er immer denken muss. Aber nicht gleich sondern später, dann wenn es besser ins Leben passt.

Und was ist jetzt? Statt freier zu werden ist er noch mehr in Gefangenschaft geraten, in dieser Zelle, in diesem Kerker, wo auch immer er jetzt ist. Ja genau, wo ist er eigentlich? Und wer hat ihn hier eingesperrt? Doch Joe findet keine Antwort. Nein, es ist sinnlos. Stattdessen sollte er sich wohl besser ablenken. Vielleicht mit ein paar schönen Gedanken? So behält er wenigstens noch etwas das Gefühl, Herr über seine eigene Lage zu sein. Auch wenn die Situation gerade beschissen ist, seine Einstellung dazu kann ihm hoffentlich ja wohl keiner nehmen. Darum stellt sich Joe nun ganz intensiv das Schönste vor, an dass er gerade denken kann. Es fällt ihm genau eine Sache ein. Er stellt sich vor, der Surfer in dem Bild zu sein.

Auf einmal macht es Klack, die Türklinge bewegt sich nach unten, die Tür schwingt auf und der ans Türblatt gelehnte Joe purzelt rücklings aus dem Zimmer hinaus. Draußen erwartet ihn ein schlichter Gang der schlecht beleuchtet und komplett leer ist. Weit und breit keine Spur von der Geisterhand, die ihm so unverhofft die Tür geöffnet hat. Joe richtet sich mühsam auf.

Der Gang präsentiert sich als hässlicher, langgezogener Schlurf von dem alte, ziemlich versifft wirkende Holztüren links und rechts abgehen. Wieder gibt es keine Fenster. Joe lehnt sich kurz mit dem Rücken an die Wand und atmet ein paar Mal tief durch. Die Luft ist stickig und riecht ungesund nach Moder. Dann reißt Joe sich von der Wand los und beginnt den Gang Tür für Tür abzuklappern. Tür 1 gegenüber seiner Tür: versperrt. Tür 2 neben seiner Tür, etwas weiter den Gang hinunter: versperrt. Tür 3 gegenüber Tür Nummer 2: ein WC, alt aber anscheinend funktionsfähig. Und relativ sauber. Tür 4: ein Badezimmer, oder besser gesagt ein Raum mit einer Badewanne und einem Waschbecken darin. Keine Schränke, keine Hygieneartikeln, keine Handtücher. Und wieder keine Fenster. Dafür ein richtig fieser Schimmelgeruch, der von dem großen schwarzen Fleck an der Decke herunterströmt. Tür 5: ein weiterer Raum ohne Fenster, diesmal mit einem Tisch und zwei Stühlen ausgestattet. Tür 6: abgesperrt.

Joe hat den gesamten Gang abgeschritten und steht nun vor der letzten Tür, derjenigen gegenüber Nummer 6. Nummer 7 also. Wobei? Streng genommen muss er ja seinen Raum auch mitzählen. Also dann halt Nummer 8. Er versucht die Tür aufzumachen. Sie ist nicht abgesperrt. In dem Raum ist es dunkel. Joe tastet nach dem Lichtschalter neben dem Türstock und drückt ihn. Es wird hell. Seine Augen brauchen den Bruchteil einer Sekunde, dann haben sie sich an die Helligkeit gewöhnt und er sieht wieder klar. Und was er sieht lässt ihn zusammenzucken, aufschreien und einen großen Satz nach hinten machen.

In dem Raum ist nur ein Bett und auf diesem Bett sitz ein Mensch, eine Frau präziser gesagt. Eine sehr schöne Frau um es ganz genau zu nehmen. Schlicht bekleidet mit einem Kleid. Etwas jünger als er selbst. Sie hat die Augen geschlossen und sitzt so da, als ob sie meditieren würde. Der Wirbel von Joes Rein und Raus sowie Vor und Zurück scheint sie gar nicht gestört zu haben. Sie bleibt ruhig auf dem Bett sitzen und lässt ihre Augen geschlossen. Ist sie vielleicht tot?

Langsam wagt sich Joe nach vorne. Ganz vorsichtig nähert er sich der jungen Frau. Ihr Brustkorb bewegt sich und Joe vernimmt Atemgeräusche. Also nicht tot. Er wird mutiger und kommt ihr bis auf Armeslänge näher. Plötzlich öffnet sie ihre Augen. Joe zuckt fürchterlich zusammen. Aus seiner Kehle kommt ein Ton, der an das Quieken eines Schweines erinnert. Die Frau aber zeigt keine Emotion. Stattdessen beginnen ihre kalten, ausdrucklosen Augen ihn mit aller Gründlichkeit zu analysieren.

Die Frau streckt ihre Arme aus und versucht nach Joe zu greifen. Dieser schreit panisch auf und macht einen neuerlichen Satz nach Hinten. Die Frau hat ihn verfehlt. Doch das scheint sie nicht weiter zu stören. Langsam steht sie auf und geht mit ausgestreckten Armen auf den verängstigten Joe zu. Schritt für Schritt weicht dieser zurück. Und Schritt für Schritt folgt sie ihm. Schon ist Joe aus der Tür raus und will diese zuschlagen.

Zu spät. Die Frau hat einen Arm dazwischen gebracht und die Tür schwingt wieder auf. Joe hat die Hosen gestrichen voll. Doch die Frau geht weiter auf ihn zu. Joe weicht zurück und zurück. Plötzlich spürt er etwas Hartes in seinem Rücken. Es ist die Türklinge der gegenüberliegenden Tür. Joe greift schnell danach und drückt sie hinunter. Verdammt, die Tür öffnet sich nicht. Ach ja, stimmt, die war ja abgeschlossen. Er sitzt in der Falle. Die Hände der Frau strecken sich in Richtung seines Halses. Joe hat fürchterliche Angst. Er braucht eine Idee, schnell. Ihre Hände kommen näher. Joes Kehle wird trocken, eine nutzlose Reaktion in dieser Situation. Denk nach Joe, denk nach!

„Wer bist du?“ Er schreit es mehr raus als dass er redet. Aber es ist das Einzige, was ihm auf die Schnelle als Abwehrmaßnahme eingefallen ist. Glücklicherweise scheint es sogar Wirkung zu zeigen. „Ich bin Katerina. Wer bist du?“ Die Frau hat ihm sofort geantwortet. Und sie bleibt stehen, immer noch mit ausgestreckten Armen, welche regungslos in der Luft verharren, einen Fingerbreit von Joes Hals entfernt. Nicht die alltäglichste Kennlernsituation. „Ich bin Joe.“ Rede Junge, rede. Vielleicht hilft das ja diese Psychotante unter Kontrolle zu halten. Scheiße nur dass er kein großer Redner ist. „Was machst du hier unten?“ Kein besonders guter Anfang für Smalltalk, aber das war die erste Frage, die ihm so eingefallen ist. Die Frau, Katerina, scheint sich nicht dran zu stören und antwortet ihm sofort: „Ich warte auf dich. Ich bin hier um mit dir Liebe zu machen.“

Was??? Es ist nicht nur das Schrägste, was Joe je zu hören bekommen hat, vor allem von einer völlig Unbekannten. Sie hat es auch in solch einer monotonen Stimmlage gesagt, als wenn sie eine Empfangsdame an einem Schalter wäre, die zum zehntausendsten Mal Kunden auffordert, das Standardformular auszufüllen. Joe ist nun endgültig verwirrt. Zumindest scheint es positiv, dass sie eher keine Killerin oder ein Zombie ist, der ihn töten möchte. Liebe machen ist da doch irgendwie besser. Vor allem weil Katerina eine sehr attraktive Frau ist. Halt nur völlig ohne Ausstrahlung. Und völlig ohne Talent zum Flirten. „Du bist aber ganz schön forsch. Sollten wir nicht erst mal auf ein Date gehen oder so?“ Ein erbärmlicher Versuch von Joe so etwas wie Flirtstimmung zu kreieren.

„Keine Zeit!“ ist ihre prompte Antwort. „Wir müssen sofort miteinander Liebe machen. Es ist sehr dringend. Deine Vitalwerte zeigen ein hohes Stresspotential an. Du brauchst umgehend Erleichterung.“ Diese Katerina scheint echt einen an der Klatsche zu haben. Natürlich hat er „ein hohes Stresspotential“! Verdammt nochmal, er fühlt sich so gestresst wie noch nie. Offensichtlich im Zustand permanenter Panik, offensichtlich ein Gefangener, von wem auch immer, offensichtlich sexuell bedrängt von einer Verrückten; ja, er hat hohes Stresspotential, sehr hohes sogar.

Katerina scheint ihren Beitrag zu seinen Stresswerten gar nicht mitzubekommen, so beschäftigt ist sie in ihrer Mission „Liebe machen“. Sie hat ihn nun an der Hand gepackt und zieht ihn langsam zurück in das Zimmer. Irgendwie scheint Joe resigniert zu haben, anders kann man seinen nicht vorhandenen Widerstand nicht werten. Kaum sind beide wieder im Raum, schwingt die Tür wie von Geisterhand bewegt zu. Das Licht, nun um ein paar Stufen runtergedimmt, taucht das schlichte Bett in einen warmen, leicht schummrigen Rotton. Im Hintergrund spielt berieselnde Fahrstuhlmusik. Es herrscht die brutalste Bordellstimmung hier drinnen.

„Versuch dich zu entspannen!“ Ihre monotone Stimme schafft es sogar wirklich, ihn etwas zu beruhigen. Aber ob das für Sex reichen wird? Er kennt die Lady ja nicht einmal, hat weniger als zwei Sätze mit ihr geredet. Und jetzt will sie ihm schon an die Wäsche? Sie scheint ein völlig falsches Bild von Joe zu haben. Verdammt, er ist ein Kopfmensch und schüchtern obendrein. Also wenn sie glaubt, dass er so eine Nummer abziehen kann, hat sie sich aber gehörig geschnitten.

Oder? Katerina hat angefangen, ihn sanft zu streicheln. Langsam und zärtlich fährt ihre eine Hand durch seine Haare, verstrubbelt diese leicht, während die andere vorsichtig und behutsam seinen Arm entlang fährt. Dabei lächelt sie ihn an und schaut ihm tief in die Augen. Zwar immer noch mit völlig ausdruckslosem Blick, der total verschleiert welcher Art ihre Intentionen und Gefühle sind. Aber so langsam gewöhnt sich Joe daran. Nein, man muss es anders formulieren; so langsam fängt es an ihn zu reizen. Er will das Geheimnis dieser kühlen Schönheit kennen lernen. Er will sie erobern.

Joe lehnt seinen Kopf leicht nach vorne, zieht Katerina zu sich und gibt ihr einen Kuss auf die Lippen. Sie erwidert ihn, jedoch äußerst enttäuschend für Joe auf eine sehr mechanische Art. Aber hol´s der Geier, er wird gleich Sex haben. Das ist ein wesentlich besseres Gefühl als jenes, dass er noch vor ein paar Minuten gehabt hat, nämlich die Gewissheit, in irgendeinem Verlies elendig zu verrotten. Und wer weiß, vielleicht hat ja die Todesangst von vorher dazu geführt, dass er nun die sexuelle Erregung viel intensiver spürt. Plötzlich fühlt er sich komisch lebendig und seltsam frei. So unglaublich frei, weil er mal über gar nichts nachdenkt sondern einfach nur tut. Und von diesem Hochgefühl kann auch ihre mechanische Art ihn nicht abbringen.

Katerina hat jetzt die Kontrolle. Sie führt Joe zum Bett und bringt ihn mit sanftem Druck dazu sich hin zu setzten. Dann baut sie sich vor ihm auf und wirft sich in Pose. „Gefällt dir was du siehst?“ Sie schaut ihm tief in seine Augen. Dabei bleiben die ihren immer noch völlig emotionslos, was die Situation einfach nur abgefahren macht. Joe ist irritiert. Aber nur für einen kurzen Moment. Dann nickt er. Sie heizt ihn weiter an. „Also gefalle ich dir, Baby?“ Katerina lächelt verführerisch, ihre Zähne beißen auf ihre Unterlippe. „Ja. Sehr sogar.“ Da muss Joe nicht mal lügen; sie gefällt ihm wirklich, so rein optisch. „Gut. Dann genieße die Show.“ Sie beginnt sich auszuziehen.

Aloha in Surf City

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