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Joe und Katerina sitzen in jenem Raum im Verlies, der zwei Stühle und einen Tisch beherbergt – der Raum hinter Tür Nummer 6 oder 7, je nach Zählweise. Diesmal ist der Raum jedoch nicht leer, sondern auf dem Tisch ist ein üppiges Buffet aufgebaut. Alle Lieblingsspeisen von Joe sind in babylonischem Ausmaß vorhanden und so haut Joe kräftig rein. Er isst und isst und isst.

Joe hört gar nicht mehr auf zu essen. Eine Vorspeise, dann eine zweite, eine dritte und noch eine vierte. Ein riesiges Hauptgericht, noch ein Hauptgericht und noch eins. Nicht mal für einen Augenblick setzt er die Gabel ab. Immer wieder geht die Bewegung der leeren Gabel hinunter zum Teller, um sofort darauf als volle Gabel ihren Weg zurück nach oben zu finden. Und Joe wehrt es nicht ab, er nimmt auch keine Pausen, pflichtbewusst öffnet sich sein Mund und lässt die Gabel mit Essen passieren. Dann schluckt er die Riesenbissen sofort hinunter, denn er hat keine Zeit zu verlieren und Kauen würde ihn unnötig verlangsamen. Die Speiseröhre schmerzt schon richtig, doch Joes Manie zwingt den Gaumen, Stück um Stück einzulassen. Es ist eine bizarre Vorstellung. Joe fühlt sich wie in Trance, er ist so hungrig, so dermaßen hungrig. Dieser Hunger wird auch durch das Essen nicht gestillt, im Gegenteil, er scheint mit jedem Bissen mehr zu werden. Also noch eine weitere Hauptspeise. Und fünf Nachtische, nein, besser sechs. Joe frisst sich wortwörtlich durch das gesamte Buffet.

Katerina ihrerseits isst gar nichts. Erst nach einer Weile, genau genommen bei seinem siebten Nachtisch, registriert Joe Katerinas Reserviertheit dem Buffet gegenüber. Er hält inne in seinem epischen Kampf und schaut besorgt zu seiner neuen Begleitung: „Hast du denn keinen Hunger?“ Sie schüttelt den Kopf und lächelt ihn stumm an. Joe hingegen ist so gefangen in seiner Fresslust, dass er gar keine Zeit findet, sich groß Gedanken um Katerina und ihre Appetitlosigkeit zu machen. Er muss weiteressen. Unbedingt! Das ganze Buffet muss weg. Vielleicht hört ja dann dieser Hunger auf. Bitte lass endlich diesen verdammten Hunger aufhören!

Joe will sich gerade den achten Nachtisch auf den Teller schaufeln, als ein lauter Krach ihn dermaßen erschrecken lässt, dass er die Gabel fallen lässt. Besorgt schaut er zu Katerina, doch diese schaut ihn nur mit ihren ausdrucklosen Augen an. Der Krach wird lauter. Offensichtlich rührt er vom Gang her und beunruhigenderweise kommt er näher und näher. Joe versucht sich zu konzentrieren, versucht sein Gehör zu schärfen, um herauszubekommen, was diesen Lärm denn verursachen könnte. Er meint Hundegebell auszumachen. Oh ja, das ist Hundegebell! Tiefes, aggressives und vielfaches Hundegebell.

Irgendwie klingt es komisch mechanisch, aber nichtsdestotrotz sehr bedrohlich. Äußerst bedrohlich sogar. Und so nahe! Das Gebell ist jetzt unmittelbar vor der Tür, dieser ach so dünnen Holztür. Warum kann das keine stabilere Tür sein? Joe hofft, dass sie einem möglichen Angriff der Hunde statthält.

Doch das Hoffen ist umsonst. Im nächsten Augenblick schon berstet die Tür mit einem lauten Knall und ein Rudel Hunde stürmt herein. Es sind aber keine normalen Hunde. Sie schauen eher aus wie eine Kreuzung zwischen Dobermännern und …ähm… Terminatoren! Eine andere Beschreibung fällt Joe nicht ein, denn die Hunde bestehen in keiner Weise aus organischem Gewebe. Stattdessen sind ihre Haut und ihr Fell aus irgendwelchen Hightech-Metalllegierungen. Und statt Augen haben sie Videokameras die, um dem Ganzen noch mehr Bedrohlichkeit zu verleihen, rot leuchten. Joe kann einen Schriftzug neben der Videokamera eines heranstürmenden Hundes erkennen. Darauf steht „Robodog“.

Und diese Dinger sind schnell, sehr schnell sogar. Im ersten Moment noch die Tür durchbrochen, sind sie jetzt schon in Schnappweite zu Katerina, die mit dem Rücken zur Tür sitzt. „Lauf!“, stößt Joe in Panik aus. Katerina reagiert sofort. Auch sie ist überraschend schnell, fast übermenschlich sogar. Eben noch sitzend, hat sie im nächsten Augenblick schon so viel Abstand zwischen sich und den Robodogs gebracht, dass nun Joe das nächste Ziel für die Hunde darstellt. Aber auch er ist jetzt auf den Beinen und rennt um sein Leben. Er rennt und rennt. Einfach nur weg. Weg von diesen Hunden. Jetzt erst fällt ihm auf, dass dort wo sie hinrennen eigentlich die Rückwand des Raumes sein müsste. Doch wie von Geisterhand bewegt, versetzt sich diese in der Geschwindigkeit von Katerinas und Joes Lauf nach hinten. So ist aus dem Zimmer ein langer, in die Unendlichkeit führender Korridor geworden. Es ist hochgradig absurd.

Joe hat jedoch gerade keine Zeit groß über Logik nachzudenken. Denn Zentimeter um Zentimeter holen die Robodogs auf. Der Vorderste ist bereits auf Armlänge an Joe herangekommen. Joe versucht schneller zu laufen. Seine Lunge schmerzt, sein Bauch tut weh. Oh, tut sein Bauch weh! Er hätte nicht so viel essen sollen. Warum hat er nur so verdammt viel gegessen?

Joe rennt schneller. Aber auch die Robodogs scheinen schneller zu werden und so machen sie weiter Zentimeter um Zentimeter gut. Joes Vorsprung ist auf eine halbe Armlänge geschmolzen. Und langsam kann er nicht mehr. Er hat schon Seitenstechen und am liebsten möchte er Kotzen so schlecht ist ihm vom vielen Essen. Gnadenlos schmilzt sein Vorsprung. Nur noch eine Viertel-Armlänge. Bald, sehr bald wird der vorderste Robodog zum Sprung ansetzten und Joe mit seinen Fängen zerfleischen. Joes Körper reagiert auf diese Bedrohung mit noch mehr Adrenalin, was sich in mehr Geschwindigkeit auswirkt. Doch auch die Robodogs werden schneller.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, hört die fliehende Rückwand auf ihnen Platz zu machen. Stattdessen steht sie auf einmal wieder so starr da, wie das Wände ja normalerweise tun. Was nun passiert geht einfach so schnell, dass Joe es wie in Superzeitlupe wahrnimmt. Katerina bremst vor ihm ab, sie schaut nach oben, dort ist eine Luke in der Decke. Sie springt mit unfassbarer Geschwindigkeit nach oben, zerschlägt mit der bloßen Faust in unmenschlicher Weise die Glasscheibe der Luke und hat sich im nächsten Moment durch eben jene Luke in Sicherheit gebracht. Für Joe hingegen schaut es schlecht aus. Nie im Leben hat er eine Chance so schnell abzubremsen, dass er nicht gegen die Wand krachen wird. Zu allem Überfluss hat diese Erkenntnis auch noch Zeit gekostet, wodurch er den letzten Vorsprung vor den Robodogs verloren hat. Schon hat der erste zum Sprung angesetzt und scharfe, tödliche Fangzähne fliegen durch die Luft, dazu bereit, sich in der nächsten Nanosekunde in das Fleisch von Joes auf die Wand klatschenden Körper zu bohren.

Da passiert das Unglaubliche. Katerina lässt sich akrobatisch aus der Deckenluke herabhängen, packt Joe mit nur einer Hand an der Schulter und zieht ihn mit sagenhafter Leichtigkeit zu sich nach oben. Der Robodog segelt an seinem Ziel vorbei und knallt laut aufjaulend an die Wand. Das komplette Rudel tut es ihm gleich und wenig später liegen alle Robodogs jaulend und winselnd in einem großen Knäuel übereinander. Joe hat durch das Aussetzen aller physikalischen Gesetze und unter Ausschluss jeglicher Logik wie durch ein Wunder überlebt.

Er kann seine Rettung gar nicht fassen. „Danke. Danke. Du hast mein Leben gerettet.“, stammelt er in Richtung Katerina. Diese lächelt ihn nur an und scheint Joes Fassungslosigkeit über die Ereignisse der letzten Minute nicht zu teilen. Wie hat sie das nur gemacht? Es ist doch unmöglich für eine so zierliche Frau, einen wesentlich schwereren Mann mit nur einem Arm nach oben zu ziehen, oder? Noch dazu bei Richtungsänderungen in solchen Geschwindigkeiten.

Doch es bleibt keine Zeit groß über die Physik und deren Relation zu Katerinas Tat nachzudenken, denn nur Augenblicke nach der erfolgreichen Rettung sind die beiden mit der nächsten Bedrohung konfrontiert. „Wer seid ihr und was macht ihr hier?“ fragt eine Stimme harsch und bestimmt aus einer dunklen Ecke heraus. „Wir sind…“, will Joe antworten, doch er bricht ab. Irgendwie kommt ihm die Stimme so bekannt vor. „Mario, bist du das?“ Stille. Dann wird das Gesicht zur Stimme scharf und ein Mann tritt aus dem Schatten ins Licht hinaus. „Joe. Altes Haus! Was machst denn du hier?“ Die Stimme gehört wirklich Mario.

Mario ist Joes bester Freund seit der gemeinsamen Kindergartenzeit. Ein gut aussehender Kerl mit einem gewinnenden Lächeln und langen, wunderschönen Haaren, auf die alle Mädchen stehen und für die Joe ihn insgeheim beneidet. Und die er jetzt offen trägt, was ihm in der Kombination mit einem stattlichen Schnauzer die Erscheinung eines Guerillakämpfers gibt. Neben ihm steht eine junge Frau, die Katerina ähnlich sieht. Nein, warte, bei genauerem Hinsehen sieht sie genau gleich aus wie Katerina. Joe ist verblüfft. Was zum Henker? Mario hilft Joe vom Boden auf und die Männer begrüßen sich mit einer herzlichen Umarmung. Die Frauen dagegen tun so, als ob sie sich nicht kennen würden und als ob sie kein besonderes Interesse aneinander hätten. Schräg, wenn man bedenkt, wie ähnlich die zwei aussehen. Wie eineiige Zwillinge!

„Lass uns wohin gehen wo es gemütlicher ist. Kommt!“ Mario deutet der Gruppe mit einem Winken ihm zu folgen. Und wo er Recht hat, hat er Recht! Dieser Gang, in dem sie sich gerade aufhalten, hat außer einer kaputten Bodenluke, die umgeben ist von tausenden und abertausenden Glassplittern, nichts zu bieten. Das Bellen der Robodogs unter ihnen ist auch nicht besonders heimelig.

Wenig später sitzen die vier auf einer großen Couch in einem abermals fensterlosen Raum, der in der Vergangenheit vielleicht mal als Bibliothek hergehalten hat. Übrig geblieben sind viele leere Bücherregale. Aber es ist trotzdem gemütlich, vor allem im Vergleich zum Verließ einen Stock tiefer und der darin lauernden Bedrohung namens Robodogs. Langsam tritt Entspannung bei Joe ein und er beginnt, die gerade geschehenen Ereignisse zu verarbeiten. Und schon tauchen die nächsten Fragen in seinem Kopf auf. Oh Mann, immer gibt es so viele Fragen! Die erste stellt er gleich mal Mario laut: „Was machst du denn hier?“ „Das Gleiche wie du – Gefangener sein.“ Marios Antwort kommt überraschend emotionslos. „Aber wer hält uns gefangen?“ Diese Frage brennt Joe unter den Fingernägeln. „Ich weiß es nicht. Vielleicht wir selbst?“ Marios Antwort ist kryptisch. Was meint er denn damit? Joe reagiert leicht genervt, zu instabil ist seine Konstitution nach dem ganzen Erlebten. „Mario, verkauf mich hier nicht für blöd. Irgendwer muss ja für das Ganze verantwortlich sein, oder?“ Mario kontert: „Ich bin es nicht. Oder denkst du das etwa?“ Die Stimmung wird angespannt.

Um Druck von der Situation zu nehmen, wechselt Joe seine Aufmerksamkeit zu den zwei identischen Frauen. „Was ist eigentlich eure Geschichte?“ Katerina schaut ihn mit ihren ausdruckslosen Augen an: „Mein Name ist Katerina. Ich bin zwanzig Jahre alt. Meine Hobbies sind…“ „STOP!“ Joe explodiert fast. Nimmt ihn keiner mehr für voll? „Ich meine, warum schaust du ihr…äh, wie war nochmal dein Name?“ Die Frau neben Katerina erwidert seinen Blick mit solch ausdruckslosen Augen, wie er es nur von Katerina gewohnt ist. „Ich heiße Johanna. Wie heißt du?“ „Joe. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Viel wichtiger ist, warum zur Hölle schaut ihr zwei absolut gleich aus?“

Die zwei Frauen betrachten sich für einen kurzen Augenblick gegenseitig, dann wandern ihre emotionslosen Blicke zurück zu Joe. Keine Antwort. Joe wird ungeduldig. „Ist sie deine Schwester oder was?“, blafft er Katerina an. Endlich antwortet sie ihm: „Ja. Johanna ist meine Schwester.“ „Und was machen zwei Schwestern wie ihr hier unten in diesem Verließ?“ „Wir sind da, um mit euch Liebe zu machen.“ „Warum?“ „Es ist sehr wichtig für uns, dass ihr glücklich seid.“ „Und wer, verdammt nochmal hat euch geschickt?“ „Niemand hat uns geschickt. Wir sind gerne hier. Wir wollen dass ihr glücklich seid.“ Sie schaut ihn mit ihren ausdruckslosen Augen an.

„Und was haltest du von der ganzen Geschichte?“ Joe hat sich wieder an Mario gewendet. Seine Stimme klingt nun noch gereizter. Mario stattdessen scheint eher unbeeindruckt von dieser bizarren Zwillingsgeschichte. „Durchdenk nicht immer jede Sache so genau, Joe. Analysiere nicht immer alles zu Tode! Leb´ einfach mal!“ Jetzt hat Mario Joes wunden Punkt getroffen. Und das in einem Moment in dem Joe eh schon auf 180 ist. Wut sammelt sich in seinem Hals und sein Körper beginnt zu zittern. „Du blöder Vollidiot!“ platzt es aus Joe heraus. „Du glaubst auch nur weil dir das Leben so leicht fällt, musst du hier den Arroganten heraushängen lassen. Nicht jeder kann alles so auf die leichte Schulter nehmen wie du und sich um Nichts Sorgen machen. Mir ist mein Leben jedenfalls nicht so egal wie dir deins!“

In diesem Moment beginnen Katerina und Johanna heftig zu zittern. Dabei geben sie ganz furchtbare Geräusche von sich; man könnte sagen, sie klingen wie zwei Waschmaschinen, die gerade in Unwucht geraten! Doch Joe ist immer noch in Rage. Weiter geht es in Marios Richtung: „Weißt du, es wäre schön wenn du einmal, ein einziges verdammtes Mal zugeben würdest, dass man um Dinge im Leben kämpfen muss. Das Leben ist hart, Mario. Geht das nicht in deinen blöden Schädel rein?“

Das Zittern der Mädchen wird heftiger, der aus ihnen kommende Lärm lauter. Sie klingen dabei schon lange nicht mehr wie Menschen. Eher wie Maschinen, die dringendst abgestellt werden sollten. Plötzlich gibt es ein lautes Getöse. Den Mädchen sind die Augen geplatzt. Grauer Schlabber rinnt aus ihren Augenhöhlen, unterstützt von schwarzem, ungesund wirkenden Rauch aus ihren Nasenlöchern und Ohren. Wenige Sekunden der totalen Stille. Dann macht es noch einen schrecklichen Knall. Und gleich drauf noch einen. Dicker Rauch verhüllt den Raum und lässt die Sicht schwinden.

Aloha in Surf City

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