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Ein leerer Raum, kalt und unpersönlich; einziges Inventar ist ein Küchentisch in der Mitte. Kaltes Neonlicht überflutet den Raum. Joe fühlt sich schutzlos ausgeliefert einer verborgenen psychopathischen Macht, die im Dunkeln bleibt, nicht ihr Gesicht zeigt und deshalb umso bedrohlicher wirkt. Durch den Zusammenbruch der Mädchen hat das Gefühl des Gefangenseins sich den Weg zurück an die Oberfläche von Joes Bewusstsein gebahnt. Er war, er ist und er bleibt ein Gefangener!

Sein einziger Trost ist die Anwesenheit von Mario, seinem besten Freund. Weil er ihn schon seit Kindheitstagen kennt, ist dieser Mensch ihm so vertraut, dass Joe in solchem Moment der Verzweiflung seine Schwäche nicht vor ihm verbergen muss. Die beiden Männer stehen vor dem Küchentisch, auf dem nebeneinander Katerina und Johanna liegen. Erst jetzt fällt Joe auf, dass der Tisch Übermaße haben muss, wenn zwei Frauen problemlos nebeneinander ausgestreckt liegen können, ohne sich im Geringsten zu berühren. Beide liegen auf dem Rücken, ihre gespenstisch leeren Augenhöhlen nach oben Richtung Neonlicht gerichtet, als ob sie es nicht wahrhaben könnten, dass die ehemals darin liegenden Augen fort sind. Es ist ein grausiger Anblick. Noch haben sie ihre Kleidung an.

Noch deshalb, weil Joe und Mario überlegen, eine Autopsie durchzuführen. Denn seit dem Augenblick, als ihre Freundinnen eine hollywoodreife Explosion hingelegt haben, schwillt in den Männern ein übler Verdacht. Das ist doch unnatürlich einfach so in die Luft zu gehen. Haben zwar andere Frauen aus ihrem früherem Leben auch mal gemacht, aber nie wortwörtlich. So etwas machen doch nur Maschinen, oder? Was wenn diese zwei Mädchen mit dem identen Aussehen, dem seltsamen Benehmen und den ausdruckslosen Augen Roboter waren? Ein absurder Gedanke, aber dennoch sehr präsent in Joes Gehirn. Irgendetwas Seltsames ist mit Katerina und Johanna passiert und er ist fest entschlossen herauszufinden, was es damit auf sich hat.

Trotzdem fällt es Mario und Joe nicht leicht, ihren Plan in die Tat um zu setzten. Zwar hat Mario ein Messer in der Hand, doch wirkt er genauso zögerlich wie Joe, der nicht weiß, wohin mit seinen Händen. „Sollen wir sie ausziehen?“ fragt Joe seinen Kumpel unsicher. Er weiß einfach nicht, ob er seine Liebschaft seinem besten Freund nackt präsentieren möchte. Selbst wenn sie wirklich komplett ident ausschauen sollte wie Marios Eroberung. Und nach Marios Rumgedruckste zu urteilen, geht es diesem nicht viel besser. „Wo fangen wir überhaupt an?“ lautet deshalb auch Marios ausweichende Antwort, einige Sekunden zu spät, um wirklich Souveränität zu demonstrieren. Gute Frage. Wo ist es denn am unverfänglichsten? „Hm. Vielleicht am Bauch?“ „Oh ja. Bauch klingt gut. Dann müssen wir ihnen auch nur das T-Shirt leicht nach oben ziehen.“ Mario scheint erleichtert. Auch Joe ist froh, dass wenigstens für den Moment gewisse Grenzen bestehen bleiben.

„Wer schneidet?“ Marios nächste Frage holt den Brechreiz in Joes Kehle zurück. Oh Gott, in wenigen Augenblicken werden sie zwei Menschen aufschneiden. Oder zumindest zwei menschenähnliche Wesen. Und zwar nicht nur irgendwelche Unbekannte, nein, zwei Mädchen mit denen sie vor kurzer Zeit geschlafen haben. Es ist furchtbar. „Schneid du!“ Joe will jegliche Verantwortung von sich schieben. „Nein. Schneid du!“ Leider will Mario dasselbe. Betretenes Schweigen. Beklemmende Stille.

Nach einer gefühlten Ewigkeit: „Ok. Wir machen Schnick-Schnack-Schnuck.“ Erst als er es laut ausspricht wird Joe bewusst, wie absurd sein Vorschlag im Kontext dieser Situation ist. Doch Mario scheint einverstanden. Also spielen die beiden Schere, Stein, Papier. Natürlich verliert Joe. Wie immer. „Gib schon her.“ Leicht grantig deutet er seinem Kumpel, ihm das Messer zu geben. Wenige Sekunden später hat er es schon in der Hand. Genauso viel Zeit mehr und Katerinas T-Shirt ist um eine Handbreite nach oben verschoben.

Scheiße! Jetzt ist es wirklich so weit. Joe holt tief Luft. Doch er zögert. Zögert mehr. Holt nochmal Luft. Schließt die Augen. Öffnet sie wieder. Und dann… dann… ja, dann setzt er langsam das Messer an Katerinas Bauch an. „Stopp!“ Die Klinge will schon ins Bauchfleisch eindringen, da lässt ein lauter Befehl Joe zurückzucken. Instinktiv zeigt das Messer nun Richtung Tür, woher das Kommando kam und wo sich zwei Gestalten Eintritt verschafft haben. Es sind der Professor aus dem Flieger und sein komischer Gehilfe. Joe hat es insgeheim eh schon gespürt, dass die beiden irgendetwas mit dieser ganzen Entführungsgeschichte zu tun haben müssen. Diese Schweine! Diese elendigen, verdammten Drecksschweine!

Ein Lidzucken später hat der Assistent des Professors Joe entwaffnet. Der Angriff war präzise, kalkuliert und blitzschnell. So schnell, wie es Joe nie einem Menschen zugetraut hätte. Dennoch ist es so passiert. Joe ist jetzt ohne Waffe und im Schwitzkasten des Assistenten. Ein beschissenes Gefühl! „Versuchen Sie sich nicht zu wehren. Sie hätten keine Chance gegen den guten alten Mr. Mute.“ Die Stimme des Professors klingt heiter und wenig bedrohlich. Nicht wie die eines Kidnappers. Eher wie von einem alten Sensei, der sich über die Unfähigkeit seines Schülers lustig macht. „Lassen Sie uns lieber über unser Problem reden.“ Unser Problem? Welches Problem ist wichtiger als die Tatsache, dass Joes Kopf unter Mr. Mutes Griff zu platzen droht. Endlich scheint auch der Professor die steigenden Kopfschmerzen zu bemerken, die Joe durch eine solche Behandlung peinigen, denn er signalisiert seinem Assistenten, loszulassen. Joe reibt sich benommen den Schädel. Was für ein Rüpel, dieser Mr. Mute! Und überhaupt, was ist das mal wieder für ein bescheuerter Name.

„Ich möchte mich im Namen meines Assistenten für die grobe Behandlung entschuldigen.“, flötet der Professor gut gelaunt. „Er würde es ja gerne selber machen, doch leider ist er so stumm wie ein Fisch. Ergo der Name: Mr. Mute.“ Der Assistent schaut zu Joe, dann zum Professor und wieder zurück zu Joe. Anscheinend ist das als Entschuldigung zu werten, obwohl, so klar ist das bei der emotionslosen Präsentation des Assistenten nicht. Sein Blick scheint Joes Augen zu durchdringen, denn Mr. Mute vergisst aufs Wimpernschlagen. So kommt er aber nicht sehr reumütig rüber, sondern eher wie ein Psychokiller.

„Genug der Höflichkeiten. Wir haben noch viel zu erledigen. Wie schon gesagt, es gibt ein großes Problem in den Griff zu kriegen.“ Der Professor will weitermachen. Aber von was für einem Problem spricht er da die ganze Zeit? „Entschuldigen Sie, aber was genau meinen sie?“ Joe schaut zu Mario, ob der genauso verwirrt ist wie er selbst? Dem offenen Mund zu folgen ist er es. Der Professor holt kurz Luft, dann setzt er zu einer kleinen Rede an, in einer Art und Weise, wie es eben nur Professoren hinbekommen: „Also meine Lieben, zu Ihrer Erklärung – unser Problem ist die Fehleranfälligkeit unserer Versuchsmodelle. Wir haben es hier mit einer nicht näher identifizierten falschen Programmierung zu tun. Einer Programmierung, die die Prozessoren dazu bringt, sich beim Auftreten von Emotionen in ihrer Umgebung Zugriff auf völlig falsche Daten in den Datenbanken zu verschaffen und dadurch einen Datenstau in den Bussystemen zu produzieren. Dieser Datenstau führt anscheinend zum Überhitzen der operativen Module, was offensichtlich einen Kurzschluss auslösen kann - wie Sie ja eindrucksvoll bewiesen haben. Ergo ist unser Problem, dass die Fembots immer noch nicht massentauglich sind.“

„Fembots???“ Joe und Mario haben es geschafft, das Wort simultan auszusprechen. „Was zum Henker sind Fembots?“ Jetzt ist wirklich der Moment gekommen, in dem Joe nur noch Bahnhof versteht. Wovon redet der alte Tattergreis? „Natürlich Fembots. Bei ihren neuesten Bekanntschaften handelt es sich um weibliche Roboter, also Fembots, wie wir Technik-Affiniados diese Konstruktionen gerne nennen. Sie sind wahrliche Meisterwerke der Wissenschaft. Und ich darf mich als einer ihrer stolzen Schöpfer bezeichnen.“ Bei den letzten Worten ist die Brust des Professors merklich um ein paar Zentimeter angeschwollen. Er scheint wirklich sehr stolz auf diese skurrile Erfindung zu sein.

„Mal eine einfache Frage, die vielleicht blöd klingen mag: Warum haben Sie weibliche Roboter erfunden?“ Joe steht immer noch auf der Leitung, so verblüfft ist er von der Entwicklung der letzten Minuten. „Das ist doch ganz logisch.“ Der Professor strahlt wie ein kleiner Junge, der von seinem Pfadfinderabzeichen erzählen darf. „Die jungen Damen von heute sind anspruchsvoll geworden, wenn es um ihre Partnerwahl geht. Ein potentieller Liebeskandidat muss schön und reich, oder exotisch und stark, oder erfolgreich und berühmt sein. Auf alle Fälle muss er eine gesunde Portion Selbstbewusstsein besitzen. Nur, wie viele Männer, egal ob jung oder alt, kennen Sie, die wirklich über eine nennenswerte Portion Selbstbewusstsein verfügen?“ Er schaut Mario und Joe an. Beide zucken mit ihren Achseln, was zu einem triumphalen Lächeln auf dem Antlitz des Professors führt. „Genau. Es sind verdammt wenige. Ein paar Alphatiere halt. Aber was ist mit dem ganzen Rest an Männern mit eher bescheidenen Fähigkeiten bezüglich des anderem Geschlechts?“

Wieder quittieren die beiden Jungs seine Frage mit Schweigen. Er sieht das als stumme Zustimmung und fährt mit großem Eifer fort, seine Novelle der Männer ohne Sexappeal zu erzählen: „Genau. Diese große Mehrheit schaut durch die Röhre. Aber vergessen sie deshalb ihr Paarungsverhalten? Nein! Im Gegenteil, sie verschwenden mehr und mehr sinnlose Zeit damit, über ihr trauriges Schicksal nachzudenken und sich ganz fürchterlich zu bemitleiden. Und dieser Zustand bewirkt, dass keiner dieser Männer mehr sein wahres Potential ausschöpft. Sie rennen dem illusorischen Zerrbild ihrer Traumfrauen hinterher, ohne überhaupt den Hauch einer reellen Chance zu haben. Dabei verringert sich der produktive Output dieser Männer auf eine Zahl in der Nähe von Null – dies ist eine große Tragödie für den Leistungsanspruch unserer Gesellschaft! Ich würde es sogar als die größte Tragödie der modernen Leistungsgesellschaft benennen. Stimmen Sie mir da zu, meine Herren?“

Größte Tragödie? Nein, also wirklich nicht. Es gibt so viel schrecklichere Dinge, die diese Welt in Atem halten und die für viel unfassbareres Leid verantwortlich sind. Dennoch trifft diese kleine Rede des Professors einen wunden Punkt in Joes Herzen. Er ist ja wieder Single. Und das bedeutet, dass er nun auf Piste gehen muss. Eine Tatsache, die ihm gar nicht gefällt; nein, sie macht ihm sogar richtig Angst. Denn mal ehrlich gesagt, wie soll er jemals wieder eine Freundin bekommen? Zurzeit weiß er nicht mal, ob er je wieder den Mut finden wird, eine Frau überhaupt anzureden. Und dann diese verdammten Alphamänner. Schon in seiner Jugend hat er gegen solche Kerle meistens den Kürzeren gezogen, wenn es um eine Frau seines Interesses ging. Tragischerweise tauchen diese Typen auch immer auf, wenn er sich mal intensiver für ein Mädchen interessiert.

„Ok. Vielleicht haben Sie nicht ganz Unrecht. Aber deshalb gleich Roboter? Ist das nicht etwas übertrieben?“ Joe denkt gerade an Katerina und dass seine Eroberung eine Maschine war. Irgendwie gefällt ihm dieser Gedanke nicht sonderlich. „Genial, oder?“ Offensichtlich sieht der Professor die Dinge ein bisschen anders. „So bekommt jeder Mann seine Traumfrau, vergeudet nicht mehr all diese sinnlose Zeit der Selbstbemitleidung und kann ein produktives Mitglied unserer Gesellschaft werden.“ Der alte Mann strahlt über beide Ohren. „Statt einem Haufen Verlierer bekommen wir durch unsere revolutionäre Erfindung einen unermesslichen Quell an produktiver Energie, die bisher unter Bergen von Selbstmitleid verschüttet war.“

„Aber es sind doch keine echten Frauen. Es sind nur Maschinen.“ Wohl der ausschlaggebende Gedanke rund um die Fembots, der Joe am meisten fertig macht. „Papperlapapp.“ kontert der Professor. „Katerina und Johanna waren Prototypen einer Alphaversion und selbst diese unausgereiften Modelle konnten überzeugende Arbeit verrichten, wie ich in den letzten Tagen an Ihrer Interaktion mit den beiden beobachten durfte!“

„Sie haben uns beobachtet?“ Mario schaltet sich in die Unterhaltung ein. Er scheint ehrlich entsetzt. Auch Joe erschaudert bei dem Gedanken, dass er Objekt einer wissenschaftlichen Studie war und dass dabei sein Intimleben eine Hauptrolle in einer perversen Peepshow gespielt hat. Der alte Mann jedoch wiegelt ab: „Nur rein aus wissenschaftlichen Zwecken. Ich musste das zwischenmenschliche Interaktionspotential der Fembots bestimmen. Und Sie beide waren mir eine große Hilfe dabei.“

„Aber Sie haben uns nicht einmal gefragt!“ Joe ist nun richtig wütend so dermaßen missbraucht worden zu sein. Auch das scheint den Professor nicht sonderlich zu interessieren: „Es geht hier um die Gesellschaft, nicht um einzelne Individuen. Im Dienste der Wissenschaft muss man Opfer erbringen. Ich brauchte unwissende Testpersonen, um einen erfolgreichen Test der Alphaversion durchführen zu können. Und wie man sehen kann, hat dieser Test viele hilfreiche Informationen geliefert.“

Mario antwortet: „Aber das ist moralisch so etwas von falsch, jemanden zu entführen und ohne seine Zustimmung zu zwingen, bei irgendwelchen Experimenten mitzumachen!“ Gott sei Dank ist Mario gleicher Meinung wie Joe. Und Gott sei Dank besitzt er noch die Fassung, seinem Unmut in akustisch verständlicher Weise Luft zu machen. Der Professor kontert: „Moral. Pah. Sie begreifen nicht mal im Ansatz die Komplexität des Begriffes Moral! Aber darum geht es jetzt auch gar nicht. Wir sollten uns langsam wirklich unserem Problem widmen. Mr. Mute!“

Sobald angesprochen von seinem Chef, tritt Mr. Mute aus dem Hintergrund. In seiner Hand hält er eine altmodische Arzttasche, die er dem Professor wortlos hinhält. Dieser öffnet die Tasche gedankenverloren, während seine ganze Aufmerksamkeit auf die beiden toten Körper auf dem Küchentisch gerichtet ist, kramt geistesabwesend ein bisschen in ihr herum und holt schlussendlich ein Skalpell heraus. „So, meine Herren. Mit welcher Dame fangen wir an?“

Instinktiv reagiert Joe auf die Frage mit dem einzigen Wort, das ihm überrumpelt von dieser blitzschnellen Zuspitzung der Situation einfällt: „Johanna.“ „Nein. Katerina.“ Marios Konter ist schnell und ansatzlos. Dabei wirft er Joe einen vernichtenden Blick hinüber. Dieser blockt den Angriff mit einem abweisenden Mundwinkelzucken. „Aber meine Herren. So reißen Sie sich zusammen. Kein Grund seine Manieren zu verlieren. Ich werde Ihnen einfach die Entscheidung abnehmen. Wir fangen mit dem Fembot Johanna an.“ Joe ist über die Worte des Professors derart erleichtert, dass sein Mund ein kurzes Lächeln preisgibt. Dafür erntet er den nächsten wütenden Blick von Mario.

Sonst bleibt sein bester Freund aber ruhig. Kein Versuch den Professor zurückzuhalten. Keine Beschimpfungen oder Flüche. Keine Anstalten, sich zwischen Skalpell und Johanna zu bringen. So beginnt der Professor unbehelligt mit seiner Arbeit. Augenblicke später ist Johannas Brust entblößt und das Skalpell arbeitet sich genüsslich durch künstliches Gewebe. Bald schon ist der Brustkorb geöffnet und gibt den Blick auf einen metallenen Kasten frei, der an Stelle von Herz und Lunge in Johannas Mitte Platz gefunden hat. Der Professor gibt Mr. Mute die Anweisung, ihm einen Schraubenzieher zu geben. Mit diesem macht sich der alte Mann daran, die Befestigungsschrauben der Frontabdeckung zu lösen. Nach ein paar Umdrehungen sind die Schrauben abgenommen und die Abdeckplatte entfernt.

Joe wagt einen Blick weg von dieser bizarren Prozedur, hin zu seinem besten Freund. Doch dessen Erscheinung lässt ihn sogar noch mehr erschrecken. Marios Anblick ist so viel schlimmer als der einer jungen Frau mit geöffneten Brustkorb und einem Metallkasten anstatt von Innereien. Mario ist blass geworden. Aber nicht in der Sorte von blass wie bei Menschen, die sich nicht wohl fühlen. Nein, Marios Blässe ist komplett anders. Es scheint so, als ob ihn eine unsichtbare Macht langsam auszuradieren versucht. Die Farben seiner Kleidung, seiner Haare, und, am gruseligsten, seiner Augen, verlieren langsam jeglichen Glanz und werden von Sekunde zu Sekunde schwächer. Wie ein Fade-Out bei einem Video. Als ob er sich in Luft auflösen würde.

Joe will Mario helfen, will zu ihm hin, doch er kann nicht. Eine unsichtbare Kraft scheint ihn zurückzuhalten und zum Zusehen zu verdammen. Er schafft es nicht einmal, seine Hände zu heben. Wie eine steinerne Säule bleibt er einfach stehen. Dann versucht er zu schreien, denn er möchte den Professor warnen, doch auch die Stimme versagt. So bleibt ihm nur der entsetzte Blick Richtung Mario, der mit Panik in den Augen zu Joe zurückblickt.

Der Professor scheint von dem Drama hinter seinem Rücken nichts mitzubekommen. Eifrig werkt er in Johannas Brustraum herum, studiert akribisch das Innenleben des Metallkastens. In der Mitte ist ein diamantähnlicher Stein, kreisrund geformt und durchsichtig; er ist matt und stumpf. Diesen versucht der Professor nun mit Hilfe des Schraubenziehers aus seiner Verankerung zu lösen. Wenig später ist es ihm gelungen und er signalisiert seinem Assistenten, ihm ein weiteres Teil zu reichen. Es ist ein identer Stein, diesmal jedoch klar und funkelnd. Der Professor betrachtet ihn kurz, dann steckt er ihn in die gleiche Vorrichtung in der Mitte des Metallkastens und beginnt, die Adjustierungen zu schließen.

Plötzlich ertönt ein mechanisches Geräusch, als ob die Zahnräder einer Maschine zu arbeiten beginnen. Dazu noch das monotone Brummen stark belasteter Lüfter. Zeitgleich strahlt ein Licht aus Johannas Brustkorb. Der runde Stein beginnt sich zu drehen – schneller und immer schneller. Das Licht wird heller und heller und noch heller. Schon erfüllt es den ganzen Raum so sehr, dass Joes Augen zu schmerzen beginnen und er sie zukneifen muss.

Das Letzte was er sieht, ist wie der Lichtstrahl sich konzentriert Mario nähert. Plötzlich hat er Joes besten Freund umschlossen und beginnt, in Mario einzudringen. Es ist nun eine Lichtbrücke zwischen den Körpern von Mario und Johanna entstanden, die etwas Unfassbares bewirkt: Der Lichtstrahl lässt Marios Körper durchsichtig werden – erst seine Hände, dann seinen Bauch, dann seine Beine und seine Arme. Zuletzt sein Gesicht. Das Licht wird dabei immer noch heller und zwingt Joe schlussendlich, seine Augen komplett zu schließen. Das letzte Bild das er mitnimmt, sind die angsterfüllten Augen von seinem besten Freund, die als letzte Körperteile vor der kompletten Auslöschung stehen. Dann wird es schwarz. In die plötzliche Dunkelheit hinein hört er Geräusche: Ring, ring, ring. Ring, ring, ring.

Aloha in Surf City

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