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Kapitel 3

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Die »Aivaar« stampfte in der schweren See. Der Rumpf des

Dampfkanonenschiffes hob und senkte sich ungleichmäßig und rollte dabei

von der einen zur anderen Seite, sodass die unvorhersagbaren Bewegungen

selbst den erfahrensten Seeleuten zu schaffen machten. Nur eine Handvoll

Männer von der ursprünglichen Besatzung war noch an Bord. Die

entkleideten Leichen der anderen hatte man kurzerhand über Bord geworfen,

und nun zeugten nur noch die getrockneten Blutflecke auf den Planken des

unteren Decks von den Männern, die das Schiff einst mit Leben erfüllt hatten.

Auf dem Oberdeck und der Brücke verriet nur wenig, welch heftiger Kampf

zuvor auf der »Aivaar« getobt hatte.


Das Oberdeck war vorbildlich aufgeräumt, und die Hände, welche die

Leinen der Segel führten und das Steuer des Schiffes bedienten, waren kundig

und verrieten die Erfahrung der Mannschaft. Einige Seesoldaten in den

Uniformen und Rüstungen des Königreiches Alnoa versuchten, die

Bewegungen des Schiffes mit den Beinen auszugleichen, was nicht immer

gelang und gelegentlich Spott bei den anderen Männern hervorrief.


Nur wer die Ausrüstung der Männer näher betrachtete, erkannte die

frischen Schrammen und Beulen in so manchem der Harnische und die hastig

und nur grob vernähten Risse in der Kleidung.


»Dieses ganze metallene Zeug engt mich ein«, brummte einer der Männer

missmutig. »Es behindert mich in meinen Bewegungen und macht Lärm.«


»Du brauchst es nicht lange zu tragen«, erwiderte ein anderer mit den

Abzeichen eines Offiziers der alnoischen Seesoldaten. »Nur so lange, bis wir

die Wachen von Gendaneris überrumpelt haben.«


Das Dampfkanonenschiff hob sich in der schweren See, sein Bug kam frei

und klatschte dann mit brutaler Wucht ins Wasser zurück. Gischt sprühte über

das Vorschiff, bis über den sorgsam mit Leinen festgebundenen Kanonenturm

hinweg, und das Knarren des hölzernen Rumpfes mischte sich mit dem

Ächzen der metallenen Verstärkungen.


»Dieses alnoische Schiff fährt sich wie ein Stein«, brüllte einer der

Steuerleute dem Kapitän zu.


»Hauptsache, es sinkt nicht wie ein solcher.« Der Kommandant der

Korsarenbesatzung lachte und wischte sich Spritzwasser aus Gesicht und

Haaren. Er konnte sich mit dem ungewohnten Helm eines alnoischen

Kapitäns nicht anfreunden und ließ ihn lose am Kinnriemen vom Arm

baumeln. Er würde ihn erst aufsetzen, wenn es wirklich erforderlich wurde

und sie sich der Hafenfestung Gendaneris auf Sichtweite näherten.


Der Korsar am Steuer rief ihm eine unverständliche Antwort zu, die vom

Tosen des Sturms verschluckt wurde. Das Unwetter war mit unerwarteter

Schnelligkeit und Stärke über die Schiffe des Verbandes hergefallen, und

selbst die seeerfahrenen Korsaren hatten Mühe, ihn mit ihren Schiffen

abzureiten. Die Segler hatten die meisten Segel gerefft und fuhren nur noch

mit den kleinen Sturmsegeln, welche die Schiffe steuerbar hielten. Die beiden

erbeuteten Dampfkanonenboote hingegen fuhren nur mit der Kraft ihrer

Brennsteinantriebe.


Die Korsaren verstanden sich darauf, ihre Schwarmschiffe über das Meer

zu führen, aber die mächtigen Brennsteinmaschinen im Rumpf der

Dampfkanonenboote waren ihnen fremd. Sie verstanden, dass man die Feuer

in den Kesseln mit Brennstein füttern musste und Wasser in dem großen Tank

darüber kochte, doch wie sich daraus die Kraft eines Antriebs gewinnen ließ,

konnten sie nicht nachvollziehen. Daher hatte man einige der

Brennsteinmänner der »Aivaar« verschont, die nun die Maschine bedienen

mussten.


Nunnes stammte aus Khalanaris in der südlichen Provinz Alnoas. Immer

schon war es seine Sehnsucht gewesen, eines Tages mit einem der stolzen

Schiffe der alnoischen Marine zur See zu fahren. Gegen den Widerstand

seiner Eltern, die einen großen Bauernhof bewirtschafteten, war er nach

Alneris, in die Stadt des Königs, gegangen und hatte sich dort als Seemann

verdingt. Das Königreich verfügte über eine ansehnliche Flotte, die im

inneren Hafen der Weißen Stadt vor Anker lag, und es bestand immer Bedarf

an Matrosen, um die Schiffe zu bemannen. Von Zeit zu Zeit gab es Unfälle an

Bord, und schon der schlecht verheilte Bruch eines Armes oder Beines

machte einen Mann untauglich für den Dienst zur See. Anderen war dieser

Dienst zuwider, denn nur selten fuhr man aus, und die Arbeit beschränkte sich

oft darauf, die Schiffe sauber und bereit zu halten, weshalb die Männer lieber

an Land arbeiteten. Die Besatzungen hatten keinen besonders guten Ruf, denn

die Landtruppen verachteten sie, da sie nur selten in Kämpfe verwickelt

wurden. Auch Nunnes hatte oft die spöttischen Bemerkungen über sich

ergehen lassen müssen, mit denen man den Mannschaften begegnete.


»Ah, seht nur, die Besatzungen der Schiffe kommen an Land, es müssen

wohl Korsaren auf dem Fluss unterwegs sein.« Solchen Hohn hatte Nunnes

klaglos erduldet, denn er liebte die Schiffe und hatte immer den Moment

herbeigesehnt, an dem sie endlich auslaufen würden, um dem Feind zu

begegnen.


Wie die anderen hatte er gejubelt, als die »Aivaar« der »Shanvaar« aus

dem Hafen gefolgt war, um die Korsaren vom Fluss zu vertreiben. Er hatte

geglaubt, das mächtige Kanonenschiff werde leicht mit ihnen fertig, und noch

immer saß ihm der Schock in den Gliedern, dass er nun einer ihrer wenigen

Gefangenen war.


Hier unten, im Rumpf der »Aivaar«, machten sich die Bewegungen des

Schiffes noch weitaus unangenehmer bemerkbar. An Deck sah man die See,

sodass man sich auf die heranwogenden Wellen einstellen und sich rechtzeitig

einen Halt verschaffen konnte, aber unter Deck musste man die Stöße einfach

hinnehmen.


Vor wenigen Augenblicken war einer von Nunnes Leidensgefährten bei

einer heftigen Rollbewegung der »Aivaar« gegen den Brennsteinkessel

geschleudert worden. Nun schrie der Mann, dessen eine Körperseite schwer

verbrannt war, jämmerlich vor Schmerz und krümmte sich am Boden.


»Ihr verblödeten Landmänner«, brüllte einer der Korsaren, die unter Deck

Wache hielten, wütend. »Eine Hand für das Schiff und eine Hand für euch

selbst, so will es das Gesetz der See! Schafft den nutzlosen Fresser über

Bord!«


Nunnes hatte seinen Posten am langen Ventilhebel des Brennsteinkessels

verlassen, um sich um den Schwerverletzten zu kümmern, und sah den

Korsaren schockiert an. »Er lebt, und man kann ihm helfen.«


»Unsinn.« Der Korsar schüttelte den Kopf, kam näher und trat dem

Verletzten in die Seite. »Er kann den fauchenden Kessel nicht mehr füttern

und ist deshalb nutzlos. Also, schafft ihn fort.«


Eher unbewusst schüttelte Nunnes den Kopf und schrie unwillkürlich auf,

als die Wache ihn brutal ohrfeigte. Der Schlag war so heftig, dass Nunnes

Augenbraue platzte und Blut über sein Gesicht tropfte.


»Ich sagte, ihr sollt den Fresser über Bord werfen«, stieß der Korsar

wütend hervor. Erneut legte die »Aivaar« über, und die Männer versuchten

instinktiv, sich Halt zu verschaffen. Plötzlich lachte der Mann auf. »Nun

macht schon, ihr Landmänner. Er ist unnützer Ballast. Je leichter dieses

seltsame Schiff wird, desto länger wird es schwimmen.«


Zwei andere Korsaren traten vor und stießen zwei der Gefangenen zu dem

Verletzten hinüber. »Packt ihn und dann raus mit ihm. Oder ihr geht

zusammen mit ihm über Bord.«


Der Verletzte wimmerte vor Schmerzen und Furcht, denn er begriff, dass

er keine Gnade finden würde. Trotz seiner erfolglosen Gegenwehr mussten

die beiden Alnoer ihren Kameraden packen und unter Bewachung aufs Deck

bringen.


Nunnes spürte das Blut, das über die linke Hälfte seines Gesichtes rann,

aber er machte sich nicht die Mühe, es abzuwischen. Von heißem Zorn erfüllt,

starrte er den Wortführer der Korsaren an.


»Was ist?«, brüllte der. »Füttere dieses fauchende Ungeheuer mit

Brennstein, oder ich mache dir Beine.«


Es war drückend heiß unter Deck. Unentwegt hatten sie Brennstein in den

gierigen Schlund des Kessels geschaufelt, und die Maschine lief mit höchster

Leistung, um die »Aivaar« durch den Sturm zu treiben. Nunnes und seine

Leidensgefährten wussten nicht, welchen Kurs die Korsaren genommen

hatten, aber im Augenblick interessierten sie sich nur dafür, am Leben zu

bleiben. Folgsam hoben sie frischen Brennstein aus den Lagerbuchten, die

sich entlang der Maschine an den Bordwänden erstreckten, und schoben ihn

mit den Ladeschaufeln in die offene Feueröffnung des Kessels.


Über dem Fauchen des Kesselfeuers war das Stampfen zu hören, mit dem

die massigen Kolben das Schaufelrad im Heck des Schiffes antrieben. Immer

wieder ließ der hohe Dampfdruck den Ventilhebel nach oben springen, und

ein durchdringendes Pfeifen und Zischen ertönte, wenn der Überdruck durch

die Öffnung unter dem Hebel entwich. Für Nunnes und seine Gefährten war

es eine gewisse Genugtuung, wenn die Korsaren bei diesem Geräusch noch

immer erschrocken zusammenzuckten.


Die beiden alnoischen Matrosen, die ihren verletzten Leidensgenossen an

Deck gebracht hatten, kamen die breite Holztreppe, die in den Bauch des

Schiffes führte, wieder herunter und würdigten die Korsaren keines Blickes.


»Sie haben Niederträchtiges vor, diese Bestien der See«, raunte einer von

ihnen Nunnes zu. »Die Männer an Deck tragen die Rüstungen unserer

erschlagenen Soldaten.«


Nunnes vergewisserte sich, dass die Korsaren mit sich selbst beschäftigt

waren, und nickte dann. »Ja, sie lieben unser Schiff nicht. Für sie ist es keine

wertvolle Beute, und es gibt nur einen Grund, warum sie noch an Bord sind.

Sie wollen es benutzen, um unsere Truppen zu täuschen. Deshalb tragen sie

auch unsere Kleidung.«


»Meinst du, sie wollen noch ein Schiff nehmen?«


Nunnes schüttelte den Kopf. »Nein, Schiffe haben sie genug, und sie

mögen die unseren nicht besonders. Sie wollen größere Beute machen.«


»Bei den Finsteren Abgründen.« Einer der Brennsteinmänner sah Nunnes

betroffen an. »Du meinst, sie wollen … sie wollen eine Stadt überfallen?«


»Nicht irgendeine Stadt.« Nunnes spuckte wütend aus, und sein Speichel

verkochte zischend an der heißen Kesselwand. »Ich wette, sie wollen

Gendaneris nehmen.«


»Das wird ihnen nicht gelingen«, ächzte einer der anderen.


Erneut spuckte Nunnes aus. »Warum sollte es nicht gelingen? Sie kommen

mit unseren Schiffen und unseren Rüstungen. Keine der Wachen wird eine

Gefahr wittern, bis es zu spät ist.«


»Sie sind zu wenige«, raunte ein Mann überzeugt. »Man wird sie

erschlagen und uns befreien.«


»Du Narr.« Nunnes warf einen vorsichtigen Blick zu den Korsaren, die

sich zu einer Gruppe zusammengefunden hatten und miteinander sprachen.

»Der ›Aivaar‹ und der ›Shanvaar‹ folgen noch andere Schiffe. Mit sehr viel

mehr von diesen Schlächtern an Bord.«


Einer der Matrosen erblasste. »All die Frauen und Kinder … Wenn die

Bestien Stadt und Festung nehmen, liegt der Westen des Reiches offen vor

ihnen.«


»Die Truppen des Königs werden sie vertreiben.«


»Ja, doch bis sie sich gesammelt haben und gegen sie vorrücken können,

werden die Bestien viel Elend über unser Volk gebracht haben.«


»Wir müssen etwas unternehmen. Wir müssen sie daran hindern.«


»Schön, und wie soll das gehen?« Nunnes sah die anderen an. »Wir sind zu

wenige, um die ›Aivaar‹ wieder in unsere Gewalt zu bekommen …«


Der Anführer der Wachen wurde auf sie aufmerksam und sah sie drohend

an. »Füttert den Kessel, ihr Landmänner, oder wir füttern die Dornfische mit

euren unnützen Leibern!«


Die fünf Männer, mehr waren von der alnoischen Besatzung nicht mehr

übrig, zuckten zusammen und begannen hastig wieder Brennstein in das

Kesselfeuer zu schaufeln. Auf Nunnes’ Gesicht mischten sich Blut und

Schweiß, denn die drückende Schwüle im Kesselraum ließ das Blut nicht

richtig gerinnen. Wieder einmal ertönte der Pfiff des Überdruckventils, und

der Hebel schob sich nach oben, um dem übergroßen Dampfdruck

nachzugeben. Automatisch langte Nunnes über sich und zog den Hebel nach

unten, damit nicht zu viel des kostbaren Drucks nutzlos entwich.


»Hört mit diesem furchtbaren Lärm auf«, brüllte der Wachführer der

Korsaren.


Der Brennsteinmann neben Nunnes fuhr wütend herum. »Manchmal muss

es pfeifen! Das …«


Der Matrose ächzte, als Nunnes ihm in die Rippen stieß. Dann wandte sich

dieser dem Korsaren zu und hielt dabei demonstrativ den Hebel nach unten

gezogen. »Wie Ihr befiehlt, Schwarmmann. Habt keine Sorge, es wird nicht

mehr pfeifen.«


»Das will ich euch Landmännern auch geraten haben«, grunzte der Korsar.


Der andere Matrose sah Nunnes betroffen an. »Bist du wahnsinnig? Es

pfeift immer, wenn der Überdruck zu groß wird und der Ventilhebel nach

oben geht. Sonst platzt uns …«


Der Mann verstummte, und Nunnes nickte bedächtig. »Ja, sonst platzt uns

der Kessel.«


Einer der anderen Alnoer sah Nunnes leichenblass an. »Es wird die

›Aivaar‹ zerreißen …«


»Und mit ihr die verfluchte Korsarenbrut«, zischte Nunnes wütend. »Sie

werden uns ohnehin töten, wenn sie ihr Ziel erreicht haben. So nehmen wir

wenigstens einen Teil der Bestien mit uns.«


Die Männer waren keine Helden. Ihre Gesichter waren blass, die Augen

weit aufgerissen, und die Lippen und Hände zitterten. Vielleicht hätten sie

Nunnes behindert, wenn sie eine Chance gesehen hätten, von den Korsaren

verschont zu werden. Aber Nunnes hatte in allem recht, und so sprang ein

zweiter Mann hinzu, als der Druck immer größer wurde und er den

Ventilhebel nach oben zu drücken begann.


Schwarmführer Elek-Mar T’os und sein Stellvertreter Segu-Mar T’os

standen nebeneinander auf der Brücke der eroberten »Shanvaar«, als der

Kessel der »Aivaar« explodierte.


Obwohl der Sturm noch immer tobte, war der mächtige Schlag zu hören,

mit dem der Brennsteinkessel dem Überdruck nachgab und

auseinanderplatzte. Dampf und Feuer hüllten Nunnes und die anderen Männer

im Kesselraum ein, doch sie spürten nichts mehr von den metallenen

Fragmenten des Kessels, die durch den Rumpf des Schiffes rasten und Leiber

und Holz gleichermaßen zerschlugen. Bordwand und Oberdeck schienen sich

nach außen zu wölben und für einen kurzen Augenblick so zu verharren,

bevor das alnoische Dampfkanonenboot in eine Wolke aus Gischt und Dampf

gehüllt wurde.


Die Korsaren auf der »Shanvaar« fuhren bei der Explosion herum und

sahen zu der Stelle, an der wenige Momente zuvor das Schwesterschiff noch

gegen Sturm und Wellen angekämpft hatte. Doch als der Blick wieder frei

wurde, war die »Aivaar« verschwunden, und von der Brücke der »Shanvaar«

aus sah man nur noch ein Stück des Hauptmastes sowie einige Planken und

leblose Körper auf dem Wasser treiben.


Elek-Mar T’os schlug wütend mit der flachen Hand auf die Einfassung der

Brücke. »Ich wusste, diese alnoischen Schiffe taugen nichts!«


Segu-Mar T’os schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein, ich denke nicht,

dass es an dem Schiff lag.«


Sein Schwarmführer fuhr herum. »Wie meinst du das?«


»Die Alnoer mögen Landmänner sein, aber sie sind nicht dumm.« Segu-

Mar ließ seine Hand über die Reling gleiten. »Dieses Schiff ist ein

erstaunliches Wunderding.«


»Ich würde es nicht als Schiff bezeichnen«, brummte Elek-Mar zurück.


»Da magst du recht haben«, räumte Segu-Mar ein. »Dennoch ist es

erstaunlich, wie die Landmänner Alnoas aus Wasser und Brennstein die Kraft

eines Antriebes erschufen.« Er sah seinen Schwarmführer ernst an. »Ich

denke nicht, dass das Schiff versagt hat. Ich denke vielmehr, dass einige der

Landmänner das Herz fanden, es selbst zu vernichten.«


»Verdammte Landbrut«, knurrte Elek-Mar. »Meinst du wirklich? Ich kann

mir nicht vorstellen, dass die Taugenichtse die Herzen von Schwarmmännern

haben.«


»Und wenn doch?« Segu-Mar wies vor sich auf das Deck des Schiffes,

hinüber zu der Treppe, die in den Rumpf führte. »Was, wenn auch unsere

Gefangenen einen Weg finden, das Schiff zu versenken?«


Erneut schlug der Schwarmführer auf das Geländer der Brücke. »Das darf

niemals geschehen. Wir brauchen dieses Schiff, um unerkannt in den Hafen

zu gelangen.« Er stieß ein leises Knurren aus und strich dabei unbewusst über

die Narbe in seinem Gesicht. »Nun gut, ich habe eine Idee, wie wir die

Landmänner dazu anregen können, hier an Bord nicht solchen Unsinn zu

versuchen.«


»Du denkst an die Dornenhand?«


»Ich denke an die Dornenhand.«


Auch an Bord der »Shanvaar« gab es überlebende Brennsteinmänner, die

widerwillig dem Kommando der Korsaren folgten. Sie waren ebenso

überrascht wie die Wachen, als wenig später die beiden Anführer des

Schwarms der Dornfische in den Kesselraum herunterstiegen. In ihrer

Begleitung befand sich eine Person, die im Schwarm als die »Dornenhand«

bekannt war. Die Bedeutung dieser Bezeichnung wurde den unglücklichen

Alnoern rasch bewusst, als Elek-Mar einen von ihnen zur Seite führen ließ.


»Vielleicht seid ihr Landmänner von Alnoa nicht damit einverstanden,

dass dieses Schiff nach Gendaneris fährt«, begann der Schwarmführer mit

kaltem Lächeln. »Vielleicht wollt ihr sogar versuchen, uns daran zu hindern.«

Elek-Mar legte eine Hand auf die Schulter der besagten Person, und sein

Lächeln vertiefte sich. »Dies ist die Dornenhand. Sie wird euch gute Gründe

dafür liefern, uns an unser Ziel zu bringen.«


Der unglückliche Alnoer wurde mit zwei ledernen Riemen an die

Handläufe der Treppe gebunden, dann trat die Dornenhand vor und streifte

sich einen seltsamen Handschuh über, dessen Aussehen dem Namen des

Trägers gerecht wurde. (Anmerkung: Ich will hier die Identität und das

Geschlecht der »Dornenhand« noch im Dunkeln lassen.) Er bestand aus

starkem Leder und wies zahlreiche Flecke auf, die verrieten, dass er schon oft

benutzt worden war. Auf dem Handrücken waren zwei unterschiedlich lange

Dorne befestigt, welche die Farbe gebleichter Knochen hatten.


»Ihr wollt nun sicherlich wissen, was es mit diesen hübschen Dornen auf

sich hat«, sagte die Dornenhand mit merkwürdig sanft klingender Stimme.

»Es sind die Stechdorne eines Dornfisches, Landmänner, und sie sind lang

und spitz.« Die Dornenhand trat zu den Alnoern und führte den Handschuh

vor den Augen der erbleichten Männer entlang. »Aber sie sind nicht glatt.

Könnt ihr es sehen? Die zahllosen kleinen Widerhaken, mit denen der

Dornfisch die schrecklichen Wunden in sein Opfer reißt? Könnt ihr sie

sehen?«


Die Männer konnten sie sehen, und während sie Schauder verspürten,

lachten die Korsaren unbarmherzig. Die Dornenhand lächelte noch immer

freundlich und wandte sich dann dem gefesselten Brennsteinmann zu. »Dieser

hier wird sich nun bald wünschen, nie zur See gefahren zu sein«, sagte sie

leise. »Ihr anderen hingegen werdet euch danach sehnen, die See so rasch wie

möglich zu verlassen. Ich glaube, ihr werdet euch wirkliche Mühe geben, uns

schnell und sicher nach Gendaneris zu bringen.«


Nach einem bedrohlichen Moment des Schweigens begann die

Dornenhand sich ihrer Aufgabe zu widmen, und die Schreie setzten ein.


Niemand hätte zu sagen vermocht, ob ihre Tätigkeit die Dornenhand mit

Leidenschaft und Freude erfüllte. Eher wirkte sie neugierig, während sie ihr

grausames Werk verrichtete. Die Schreie schwollen an, bis sie jeden Winkel

der »Shanvaar« erfüllten, dann wurden sie zusehends leiser und gingen

schließlich in ein Wimmern über. Die Dornenhand ging mit Sorgfalt vor, und

es dauerte eine Weile, bis sie sich zufriedengab und aus dem Seemann Alnoas

ein zuckendes Bündel blutigen Fleisches geworden war.


Elek-Mar hatte dem grausamen Schauspiel mit freudiger Erregung

zugesehen, während sein Stellvertreter Segu-Mar kaum eine Miene verzog.

Als die Dornenhand den Handschuh vorsichtig wieder abstreifte, straffte sich

der Anführer des Schwarms.


»Werft den nutzlosen Fresser über Bord«, brummte er. Doch als sich zwei

Korsaren nach den menschlichen Überresten beugten, hielt er sie zurück.

»Nein, wartet. Die Landmänner sollen vor Augen behalten, was mit ihnen

geschehen könnte.« Er lachte leise. »Es wird sie zusätzlich anspornen.«


Während er mit seinem Stellvertreter wieder aufs Deck hinaufstieg, grinste

er kalt. »Das wird sie ganz gewiss anspornen.«


Segu-Mar warf einen Blick auf die Dornenhand, deren Gesicht ruhig und

entspannt wirkte. »Ja, das wird es wohl.«


Zurück auf der Brücke klatschte Elek-Mar erfreut in die Hände. »Ah, der

Sturm legt sich. Ist der Schwarm noch hinter uns?«


Segu-Mar blickte über das Heck zurück. »Der Sturm hat ihn etwas

zerstreut, aber er sammelt sich bereits wieder.«


»Gut, gut«, brummte der Schwarmführer erfreut. »Das wird ein

unerquickliches Erwachen für die Landmänner von Gendaneris.«


»Und für ihre Frauen«, stimmte Segu-Mar zu.


Der Schwarmführer lachte. »Ja, für die auch. Aber für die Landmänner

wird es vor allem ein kurzes Erwachen.«


Selbst die Dornenhand stimmte in das Lachen der beiden Korsaren ein.



Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel

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