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Kapitel 5

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Showaa war unbestreitbar jung und auf jene Art verspielt, wie es für die

Lederschwingen typisch war. Schwingenführer Mordeschdar hatte Anschudar

darauf vorbereitet und ihm geraten, Showaa ihren Willen zu lassen, solange

dies die Mission nicht gefährdete. »Sie wird sich austoben wollen,

Anschudar«, hatte Mordeschdar gesagt. »Lass sie gewähren. Wenn sie ihrem

natürlichen Trieb nicht folgen kann, wird sie übellaunig, und du weißt ja, wie

störrisch eine Lederschwinge werden kann. Nimm sie nur an den Lenkstab,

wenn es nicht anders geht. Und halte immer die Augen auf. Showaa hat gute

Anlagen, aber ihr fehlt es an Erfahrung. Lass dich also von ihr nicht ablenken,

und achte auf alles, was um dich herum geschieht. Doch das Wichtigste ist,

dass ihr Gelbstein für den Horst findet. In dieser Hinsicht kannst du dich auf

Showaas Instinkte verlassen. Sie ist jung und gierig, denn sie muss noch

wachsen. Da wird sie auf das feinste Anzeichen von Gelbstein reagieren.«


Also ließ Anschudar seiner Showaa ihren Willen. Zumindest

weitestgehend. Die Lederschwinge genoss den langen Flug und versuchte

sich in den verschiedensten Flugmanövern. Für Anschudar war es nicht

besonders angenehm, wenn die junge Schwinge abrupt abtauchte, sich in

rasendem Sturzflug dem Boden näherte und sich dann nach einer Rolle

wieder hinauf in den Himmel schwang. Allmählich begann sein Magen auf

diese Bewegungen zu reagieren, und er war froh, zuvor nicht viel gegessen zu

haben, denn es wäre verschwendet gewesen.


Nach einer mehrfachen Seitenrolle hatte Anschudar genug und setzte nun

doch den Lenkstab ein. »Langsam, Showaa, langsam«, sang er in der

typischen Weise der Schwingenreiter. Der Befehl glich einer sanften Melodie,

doch das Volk der Lederschwingen reagierte instinktiv auf diese Lautfolgen.

Showaa mochte die Worte ihres menschlichen Reiters noch nicht ganz

verstehen, aber die Abfolge der Töne, mit denen sie ausgesungen wurden,

machte ihr sofort deutlich, was Anschudar von ihr erwartete. Die junge

Schwinge stieß ein missbilligendes Zischen aus, ging aber gehorsam in einen

langsamen Flug über, bei dem sich ihre riesigen dreieckigen Schwingen nur

träge bewegten.


Anschudar wartete, bis sich sein Magen beruhigt hatte, und strich seinem

Reittier dann sanft über die schuppige Haut des Halses. Ein leises wohliges

Brummen klang aus Showaas Kehle. »Ich hoffe, du hattest deinen Spaß,

Showaa«, sagte er leise. »Denn jetzt müssen wir uns auf unsere Arbeit

konzentrieren.«


Der Schwingenreiter schob das Visier seines Helms nach oben. Die

Klarsteinscheibe war an der Innenseite beschmutzt und verströmte einen

unangenehmen Geruch. Anschudar hatte sie nicht rechtzeitig öffnen können,

als er sich um seinen Mageninhalt erleichterte. Er würde den Helm gründlich

reinigen müssen und war froh, dass kein anderer Schwingenreiter von seinem

Missgeschick erfuhr. Aber Showaas Lebhaftigkeit hatte ihn wirklich

überrascht. Für eine so junge Schwinge war sie ungewöhnlich schnell.


Anschudar sah sich um und achtete dabei auf das Gelände, das sie

überflogen. Sie hielten sich am östlichen Rand des mächtigen Uma’Roll.

Rechts lag die riesige Ebene von Cantarim. Nahe dem Gebirge wirkte sie öde

und leer, aber Anschudar konnte weiter im Osten ausgedehnte Waldgebiete

erkennen. Das Land begann sich von den Kriegen zu erholen, die es einst

verstümmelt hatten. Nur in der Mitte der Ebene herrschte noch immer die

sengende Öde der Wüste. Doch die würden sie nicht zu Gesicht bekommen,

denn sie mussten sich an die Ausläufer der Berge halten. Nur in den unteren

Regionen oder tiefer gelegenen Bergtälern bestand die Möglichkeit,

ausgedehnte Gelbsteinvorkommen zu finden. Noch gab es Geländemarken,

die Anschudar vertraut waren. Die Zwillingsfelsen, die wie zwei Finger in

den Himmel ragten, der kleine Wasserfall des Gebirgsbaches oder auch jener

einsame Berggipfel, der seine typische Form erhalten hatte, als ein Teil von

ihm abgebrochen war. Aber schon bald würde Anschudar ein Gebiet

erreichen, in das schon sehr lange keine Lederschwinge mehr vorgestoßen

war. Der Pass von Merdoret würde die auffälligste Geländemarke sein und

jene Grenze markieren, die Anschudar und seine Showaa als erste Angehörige

ihres Volkes überqueren würden.


Er spürte, wie Showaa sich mit einem ihrer Beine am Hals kratzte. Sie

mochte die Halteriemen der Packtaschen nicht, die man ihr noch im Horst

umgeschnallt hatte. Aber irgendwie mussten sie ihren Proviant transportieren

und auch den Gelbstein, wenn sie denn welchen fanden. Showaas

Maultentakel hielten keinen der kostbaren Brocken. Der Geruch hätte ihre

Sinne beeinflusst. Feedanaa hatte die junge Schwinge an einem Gelbstein

riechen und lecken lassen, damit sie die Witterung aufnahm. Nun war es an

Showaa, den typischen Geruch des Gelbsteins aufzuspüren, der sie zu einem

Vorkommen führen würde. Aus dieser Höhe würde das allerdings nicht

möglich sein, und so entschloss sich Anschudar, seine Schwinge in den

Tiefflug gleiten zu lassen.


Eine erfahrene Lederschwinge beherrschte es, rasend schnell und in einer

Höhe von nur wenigen Längen über den Boden zu fliegen. Sie passte ihren

Flug dem Gelände an. Ein rasches Auf und Ab und eine tödliche

Überraschung für jeden Feind, der in Bodennähe nicht mit dem Angriff eines

solch gewaltigen Flugwesens rechnete. Showaa würde dies erst noch lernen

müssen. Um den Gelbstein zu wittern, war es ohnehin erforderlich, dass sie

langsam flog, damit ihr nichts entging.


»Tiefer, Showaa«, sang Anschudar aus. »Tiiiiefer, Showaa.« Sie glitt

gehorsam nach unten, bis sie nur eine Körperlänge vom Boden entfernt war.

»So ist es gut, Showaa, so ist es guuuut.«


Die Sonne stand fast senkrecht über ihnen, und Anschudar konnte ihren

Schatten sehen, der über die Felsen hinweghuschte. Von oben sah Showaa

aus, als hätte man ein kleineres Dreieck mit der Spitze an der stumpfen Seite

eines sehr viel größeren Dreiecks befestigt. Anschudar sah fasziniert, wie die

Schatten sich veränderten, wenn Showaa dem Relief des Geländes folgte.


Ein leises Bellen ertönte und ließ den Schwingenreiter aus seinen

Gedanken schrecken. Das Zucken der Maultentakel verriet ihm, dass Showaa

etwas gewittert hatte. »Such, Showaa, suuuch.«


Die junge Schwinge glitt herum und flog ein Stück zurück, langsam und

konzentriert, während ihre Tentakel nervös hin und her zuckten. Es musste

Gelbstein sein. Es konnte gar nichts anderes sein. Anschudar starrte

angestrengt auf den Boden. Vielleicht war es nur ein kleiner Tümpel, in dem

der Gelbstein noch flüssig war und bestialisch nach faulen Eiern stank. Er

hoffte jedoch, dass es sich um ein größeres Vorkommen handelte, das zu

Brocken oder gar Steinen getrocknet war. Aber selbst wenn es nicht fest war,

konnte man das Wasser vorsichtig verdampfen und so das wertvolle Mineral

gewinnen.


Anschudar schnupperte in die Luft, als Showaa langsam zu kreisen

begann. Ihre Schwingen berührten dabei fast den Boden. Ja, er konnte es nun

selbst riechen. Das war Gelbstein, wenn auch wohl in flüssiger Form. Es

konnte nicht viel sein, denn nirgends war ein Tümpel zu erkennen, eines

dieser dampfenden Steinbecken, in denen Gelbstein entstand. Dann bemerkte

er am Boden eine braungelbe Schwade, die sich rasch verflüchtigte.


»Gut gemacht, Showaa«, lobte er und tätschelte ihren Hals.


Showaa landete mit einem sanften Nachschwingen ihres Leibes, und

Anschudar löste die Füße aus den Steigbügeln und wartete, bis sein Reittier

den Hals an den Boden legte. Nachdem er abgestiegen war, richtete sich die

Schwinge wieder auf und hüpfte von einem Bein auf das andere. Sie war

unruhig, ihre Maultentakel streckten sich der dünnen Schwade entgegen, und

die beiden Schlitzpupillen waren geweitet.


»Keine Sorge, Showaa, du bekommst etwas davon«, versicherte ihr

Anschudar. Er näherte sich dem Ursprung der Schwade, wobei er die Füße

vorsichtig aufsetzte. Von dem Tümpel war nichts zu sehen, und doch musste

er da sein, wie ihm der gelbbraune Dunst verriet. Somit war die

Gelbsteinquelle unter dem Boden verborgen. Dieser wirkte fest wie

gewöhnlicher Fels, doch Anschudar wusste, dass dies in diesem Falle

täuschte. Es gab darunter einen Hohlraum, in dem es vor Hitze brodelte, und

es wäre fatal für ihn gewesen, wäre er dort hineingestürzt. Doch wie weit

erstreckte sich der Hohlraum? Wie weit konnte Anschudar gehen, bevor der

Boden unter ihm nachgab?


Er versuchte sich an die zahllosen Ratschläge der anderen Schwingenreiter

zu erinnern. Es hatte wenig Sinn, nach einem Stock zu suchen, mit dem er

hätte tasten können. In der Nähe wuchs nicht einmal einer jener

verkümmerten Bäume, die gelegentlich in den höheren Gebirgslagen zu

finden waren. Steine und Felsbrocken gab es reichlich. Doch erstere waren zu

klein, um die Belastbarkeit des Untergrundes durch einen Wurf zu prüfen,

und letztere zu schwer, um sie überhaupt zu bewegen. Halt. Der

Gelbsteintümpel war heiß. Der Boden müsste erwärmt sein. Zumindest dort

wo die Gesteinsdecke über dem Tümpel nur dünn und somit für ihn

gefährlich war.


Anschudar ging in die Hocke und prüfte mit der Handfläche die Wärme

des Bodens, bewegte sich ein Stück vorwärts und legte die Hand erneut flach

auf den Grund. Nachdem er auf diese Weise wenige Längen in seltsam

watschelnder Gangart zurückgelegt hatte, seufzte er entsagungsvoll und

streckte sich flach hin. Obwohl nun die Steine gegen seinen Körper drückten,

war diese kriechende Fortbewegung doch weit bequemer. Langsam robbte er

auf die aufsteigende Gelbsteinschwade zu und nahm erleichtert zur Kenntnis,

dass der Boden unter ihm wärmer wurde. Na also, auf diese Weise ging es.

Doch wie weit konnte er sich vorwagen, und wie brach er den Boden auf, um

an die Flüssigkeit zu gelangen?


Showaa schnupperte erregt mit den Maultentakeln. Anschudar

konzentrierte sich auf den Untergrund und achtete nicht auf die junge

Lederschwinge, die immer unruhiger wurde. Schließlich stieß sie ein heiseres

Maunzen aus und machte einen Satz, der sie an die Seite ihres Reiters brachte.

Obwohl Showaa nicht sonderlich schwer war, gab ihr zusätzliches Gewicht

den Ausschlag. Anschudar hörte ein bedrohliches Knacken, dann brach der

Boden unter ihm weg.


Während er einen entsetzten Schrei ausstieß und verzweifelt versuchte,

sich herumzuwerfen, ließ Showaa ein empörtes Zischen hören und schaffte

es, sich mit der Kraft ihrer Schwingen in die Luft zu erheben. Eine von ihnen

streifte dabei unabsichtlich Anschudar. Vielleicht war dies sein Glück, denn

der Stoß, so unsanft er auch war, schleuderte den Reiter ein Stück nach oben.

Gerade weit genug, dass er sich mit den Händen am Rand des Felsbruchs

festhalten konnte. Panisch klammerte er sich fest und spürte dabei die Hitze,

die aus dem freigelegten Gelbsteintümpel aufstieg. Fauliger Gestank breitete

sich aus und raubte ihm fast die Sinne. Schweiß drang aus seinen Poren, und

er fürchtete den Dampf, der ihn verbrühen könnte, noch bevor er den Halt

verlor. Seine Finger krallten sich in den felsigen Grund.


Anschudar war in einer misslichen Lage. Seine Kräfte reichten nicht aus,

sich weiter hinaufzuziehen, und bald würden sie nachlassen. Dann würde er

rücklings in den heißen Brodem des flüssigen Gelbsteins stürzen und bei

lebendigem Leib gekocht werden. Diese Aussicht spornte den

Schwingenreiter zu einer letzten Kraftanstrengung an, aber es gelang ihm

dennoch nicht, sich zu retten. Den Tod vor Augen, suchte er fieberhaft nach

einer Lösung. Er versuchte sich auf Showaa zu konzentrieren, fühlte und rief

ihren Namen mit Mund und Gedanken. Aber immer wieder drängte sich ihm

das Bild auf, wie er hilflos in die kochende Flüssigkeit hinabstürzte.


Dann, als er schon glaubte, den Halt endgültig zu verlieren, schob sich

unvermutet Showaa in sein Gesichtsfeld. Die Schlitzpupillen ihres Auges

fixierten ihn, und die junge Schwinge legte den Kopf ein wenig schief, als

müsste sie angestrengt überlegen, warum ihr Reiter da so zappelte und schrie.


»Hierher, Showaa«, ächzte Anschudar. »Komm hierher.«


Eher unschlüssig pendelten die Pupillen zwischen ihm und dem für

Showaa so verlockenden Gelbsteintümpel hin und her. Schließlich kam die

Schwinge zögernd näher und senkte den Schädel. Die beiden Tentakel unter

ihrem Maul streckten sich dem jungen Mann entgegen und zogen sich dann

wieder zurück.


Anschudar blieb keine Wahl. Als einer der Tentakel erneut in seine Nähe

kam, setzte er alles auf einen Wurf und packte beherzt zu. Showaa zischte

wütend. Obwohl die Tentakel muskulös waren und großer Hitze

widerstanden, waren sie doch zugleich empfindlich. Instinktiv versuchte die

junge Schwinge dem unangenehmen Druck des Griffes zu entkommen,

während ihr Reiter sich krampfhaft weiter am Tentakel festhielt. Anschudar

spürte den Schmerz, als er von der Bewegung nach oben gezogen wurde und

sein Bauch über die Felskante schrammte. Zugleich empfand er unendliche

Erleichterung, denn Showaa hatte ihn gerettet.


Er blieb auf dem Bauch liegen und schnappte keuchend nach Luft, doch

seine Augen verrieten die Dankbarkeit, die er Showaa gegenüber empfand.

Diese aber hatte sich ein Stück zurückgezogen und sah ihn nun sichtlich

beleidigt an.


»Du bist eine gute Schwinge, Showaa«, sagte Anschudar beschwichtigend

und erhob sich, um zu ihr hinüberzugehen. »Du hast mich gerettet, das werde

ich dir nicht vergessen.«


Sie zog die Tentakel ein und wich ein Stück zurück, aber dann fasste sie

wieder Zutrauen zum weichen Klang der Stimme. Schließlich begann sie leise

zu zischen und reckte ihren Hals voller Wohlbehagen, als Anschudar sie sacht

streichelte. Durch die Berührung gelang nun auch wieder die geistige

Verbindung, die so wichtig für eine Schwinge und ihren Reiter war.


Es war an der Zeit, sich anzusehen, was sie beide da entdeckt hatten. Ohne

Zweifel Gelbstein, doch wie viel und in welcher Form? Wo zuvor eine dünne

Schwade gelbbraunen Gelbsteindampfes aufgestiegen war, klaffte nun ein

Loch von mehreren Längen Durchmesser. Der unterhöhlte Boden war in die

Kaverne gestürzt, in der es vernehmlich zischte und brodelte. Sehr viel

vorsichtiger als zuvor trat Anschudar an den Rand heran und spähte in die

tiefe Mulde. Der Gestank hatte sich beinahe verflüchtigt, ein gutes Zeichen.

Nur flüssiger Gelbstein roch so penetrant, in fester Form war der Geruch bei

Weitem nicht so ausgeprägt.


Es war, wie Anschudar vermutet hatte, und seine Erleichterung war groß.

Vor langer Zeit musste sich hier der unterirdische Tümpel gebildet haben. Der

durch die kochende Flüssigkeit entstehende Druck hatte die Kaverne stetig

vergrößert, bis er sich durch die Öffnung im Fels ein Ventil geschaffen hatte.

Beim ersten Durchbruch musste es eine beeindruckende Fontäne gewesen

sein, deren Zischen und Brausen sicherlich weit zu hören gewesen war. Im

Lauf der Jahre war die meiste Flüssigkeit verkocht oder hatte sich zu festem

Gelbstein gewandelt. Anschudar sah nur eine kleine Pfütze verbliebener

Flüssigkeit. Mit dem Einbruch der Gesteinsdecke waren nun Hitze und

Überdruck gewichen.


»Gelbstein«, murmelte er andächtig. »Nicht besonders viel, aber es wird

helfen.« Der Schwingenreiter schätzte die Menge ab. Es gab einige große

Brocken, das meiste jedoch war eine körnige Substanz und ähnelte grobem

Sand. Aber diese Substanz konnte man zu festen Klumpen pressen. Die

Schwingen und Menschen des Horstes verstanden sich darauf und würden

nichts von dem kostbaren Gelbstein verschwenden.


Es war gerade genug, um die leeren Transporttaschen damit zu füllen.

Sollte er den kostbaren Fund erst zum Horst bringen oder seine Suche

fortsetzen? Ihn für später zurückzulassen, kam nicht infrage. Wenn es ein

schweres Unwetter gab, konnte sich die Mulde füllen, und das Wasser würde

den Gelbstein vielleicht mit sich führen. Oder es gab einen Steinschlag, der

den Fundort verschüttete. Nein, Anschudar konnte das Risiko nicht eingehen.

Er musste den Gelbstein für den Horst bergen.


Der Schwingenreiter knotete ein dünnes Seil um einen der umstehenden

Felsen und ließ sich daran in die Mulde hinab. Die Hitze war erträglich und

der Boden fest genug. Er begann die festen Brocken mit seinem Messer zu

lösen und warf sie dann nach oben. Während Showaa Wache hielt und

begehrlich auf den Gelbstein schielte, den ihr Reiter ans Tageslicht

beförderte, löste dieser ein Stück nach dem anderen. Er merkte kaum, wie die

Zeit verging. Schließlich war er erschöpft und beschloss, eine Pause

einzulegen. Gerade rechtzeitig, denn es begann schon dunkel zu werden. Die

Nacht würde kalt sein, aber ein Feuer wäre zu verräterisch gewesen, und

Anschudar wusste nicht, was in den tieferen Lagen des Gebirges

herumstreifen mochte. Raubkrallen und Pelzbeißer, sicherlich Felsböcke und

möglicherweise auch Orks. Anschudar fürchtete sich nicht vor einer

Begegnung mit ihnen, aber im Zuge dessen hätte er die Mulde mit dem

verbleibenden Rest an Gelbstein vielleicht aufgeben müssen. So fütterte er

Showaa mit einigen Fleischstreifen aus dem Reiseproviant, aß selbst etwas

davon und schmiegte sich dann zur Nacht an seine Schwinge.


Mit dem ersten Tageslicht erwachte er durch eine Bewegung Showaas und

befürchtete im ersten Moment, sie hätte eine Gefahr entdeckt. Doch alles war

ruhig. So stieg er wieder hinab in die Mulde, nahm diesmal zwei der Taschen

mit und füllte das körnige Gelbsteinpulver hinein. Die Taschen waren zu

schwer, um sie nach oben zu werfen, und so knotete er sie an die Leine,

kletterte hinauf und zog die Taschen dann nach oben.


Showaas Tentakel tasteten begierig nach dem verlockenden Geruch, doch

Anschudar schüttelte den Kopf. »Wir müssen weitersuchen, Showaa. Der

Horst braucht noch viel mehr Gelbstein. Den müssen wir finden. Wir fliegen

noch bis zum Pass von Merdoret, dann kehren wir um und bringen unsere

Beute heim.«


Er wusste, dass dies Showaa nicht gefiel. Über viele vergangene

Generationen hinweg waren die Instinkte der Lederschwingen darauf

ausgerichtet worden, den Gelbstein für ihren Flammenatem zu verwenden,

und nun hatte sie den begehrten Stein vor ihrer Nase und durfte ihn nicht

benutzen. Anschudar hätte ihr gern begreiflich gemacht, warum es nicht

anders ging, doch dafür war ihre Verbindung noch nicht intensiv genug. In

jedem Fall musste er den geborgenen Gelbstein vor dem Weiterflug so

verpacken, dass Showaa durch seinen Geruch nicht abgelenkt wurde.


Das Einpacken war eine mühsame Arbeit, denn Showaa versuchte immer

wieder, mit ihren Tentakeln einen der Brocken zu erreichen, die ihr Reiter,

ebenso wie das Gelbsteinpulver, sorgfältig in Leder hüllte. Nachdem alles gut

verschnürt war, zog er eine metallene Flasche aus der Provianttasche und

öffnete sie. Ein intensiver Duft nach Blüten stieg auf, und Anschudar tröpfelte

etwas von der Essenz auf jeden Packen und verrieb sie sorgfältig. Er konnte

nur hoffen, dass diese Maßnahme genügte, um Showaas Witterung zu

täuschen. Mordeschdar hatte ihm das versichert und diese List nach eigenem

Bekunden selbst erfolgreich angewandt.


Anschudar vergewisserte sich, dass die Packtaschen gut befestigt waren,

und klopfte dann sanft gegen Showaas Hals. Sie senkte ihren Kopf, und er

stieg in den Sattel. Dann schwang sich die Lederschwinge mit mächtigen

Schlägen in die Luft. Die Suche ging weiter und würde sie beide nun bis zum

Pass von Merdoret führen.


Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen

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