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03 In letzter Sekunde

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Birunt Hammerschlag sah Varnum und Oldrum mahnend an, nachdem sie mit deutlicher Verspätung in den Fallenden Meißel traten. „Nachdem wir nun die Ehre haben, auch unsere jüngsten Schürfer und Pumper willkommen zu heißen“, knurrte er heiser, „kann ich ja endlich beginnen.“

Das Menschenschiff war vor zwei Tagen aufgebrochen und seitdem erfüllte die Schänke wieder ihren ursprünglichen Zweck. Dieser bestand nicht allein darin, den Zwergen Alkohol und Vergnügen zu bieten, sondern auch am Morgen die Arbeiten einzuteilen oder die Männer tagsüber mit Erfrischungen und Nahrung zu versorgen. Daher lagen die Schänken, mit Ausnahme des Goldenen Grundes, an den vier Außenseiten der schwimmenden Stadt. Jede von ihnen versorgte die Schürfer und Pumper einer ganzen Stadtseite und erst am Abend wurde sie für das Vergnügen des Zwergenvolkes freigegeben.

Fast dreißig Schürftaucher und noch weit mehr Pumper standen um die Tanzfläche herum, auf der sich Birunt aufgebaut hatte und grimmig die Fäuste in die Seiten stemmte. Seine Laune war offensichtlich nicht die Beste und die beiden Freunde bemühten sich, nicht weiter aufzufallen, auch wenn sie nicht der Grund für die Verstimmung des Schlagführers waren.

„Es missfällt mir, was wir bislang gefunden haben“, bekannte der alte Schürfer. „Die anderen drei Seiten waren glücklicherweise erfolgreicher, sonst sähe es noch schlechter aus. Aber wir hinken hinterher. Ein paar läppische Erzbrocken und Kristallfragmente, das ist ausgesprochen mager.“

„Vielleicht müssen wir nur tiefer schürfen“, warf einer der Männer ein. „Deine Erfahrung hat dich nie getrogen, Schlagmeister, also muss auch etwas zu finden sein.“

Birunt Hammerschlag stieß einen undefinierbaren Laut aus. Die Bemerkung des Schürftauchers war vielleicht ermutigend gemeint, aber sie bedeutete auch, dass Birunts Erfahrung durch einen guten Fund bestätigt werden musste, sonst litt sein Ruf. „Ja, vielleicht müssen wir noch ein wenig tiefer schürfen“, sagte er zögernd. „Oder wir graben an der falschen Stelle. Wie dem auch sei“, er straffte seine Gestalt und sah die Männer eindringlich an, „wir werden heute eine neue Suche starten. Die Hälfte geht in die Grube, die andere sucht, so weit die Schläuche reichen. Ich hoffe, wir finden etwas Lohnendes, denn die Stadt wird erst die Anker einholen, wenn die anderen Seiten ihre Gründe abgeerntet haben.“

Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Die vier Seiten der Stadt standen immer in einem spielerischen Wettbewerb und bislang war ihre Seite deutlich im Hintertreffen.

Birunt räusperte sich. „Noch eines, Schürfer. Die Sucher werden Körbe mitnehmen. Die Frauen wollen Tang und Muscheln für die Abendmahlzeit zubereiten.“

Kollektives Stöhnen erfolgte. Die Körbe, in denen Wasserpflanzen und Muscheln gesammelt wurden, waren unhandlich und behinderten die Taucher.

„Ich weiß, Männer, ich habe den Frauen gesagt, wir hätten schon genug zu tun und sie sollten eine der anderen Seiten wählen.“ Birunt zuckte die Schultern. „Aber die müssen ebenfalls ihren Teil beitragen. Immerhin“, er lächelte grimmig, „kommt ihr dem Boden näher, wenn ihr euch nach Tang und Muscheln bückt. Vielleicht erkennt ihr dann eher einen lohnenden Fund. Und nun auf, zu euren Anzügen und Pumpen, Männer. Auf reichen Grund und langen Atem.“

Automatisch und wenig begeistert stimmten die Männer ein und die Versammlung löste sich auf. Heimur Sichelhieb, jener Schürfer, der einige Tage zuvor die beiden Freunde in den Goldenen Grund eingeladen hatte, legte Varnum die Hand auf die Schulter. „Wir beide gehören zu den Suchern, mein junger Freund. Zusammen mit zwölf anderen Männern. Wollen wir hoffen, dass wir etwas finden. Bleib in deiner Strecke und halte die Augen offen, ich spüre in meinen Knochen, dass wir heute etwas Wertvolles entdecken.“

Als sie zu ihrer Plattform kamen, standen dort ein paar Frauen, welche die großen Drahtkörbe mit sich führten. Eine von ihnen war Besana und Varnum grinste erfreut, als er sie erkannte. Leider lächelte auch Oldrum und Varnum hoffte, dass sein Lächeln einer anderen Frau galt. Immerhin war der Freund ja nicht wählerisch. Allerdings war Besana die hübscheste von allen…

Varnum verspürte einen Anflug von Eifersucht, als die Augen der hübschen Zwergin, wenigstens seiner Meinung nach, länger als nötig auf Oldrum ruhten. „Achte nicht so sehr auf die Frauen“, wies er den Freund zurecht. „Heute habe ich meine Hände mit dem Taststock und dem blöden Korb voll. Da habe ich keine Hand frei, um auf den Schlauch zu achten. Achte also darauf…“

„Ja, ja, das er nicht auf dem Boden schleift“, erwiderte Oldrum auflachend. „Keine Angst, wir haben noch drei gute Pumper dabei und ich werde persönlich darauf achten, dass bei dir nichts schleift.“

Varnum legte den Tauchanzug an und der Freund half ihm, die Manschetten dicht zu machen. Dann warf er einen raschen Blick auf Besana und kontrollierte seine Bartzöpfe und den Sitz der kleinen Lederbeutel an ihren Enden. Schließlich legte er sie in den Nacken, verknotete sie und nickte seinem Freund zu.

Der ergriff den schweren Kugelhelm und hob ihn auf die Schultern des Tauchanzugs. Die leichte Drehbewegung im Halsring, das metallische Schnappen der Scharniere und Oldrum packte den Pumpenschwengel, begann ihn langsam auf und ab zu bewegen.

Varnum zeigte die Faust, alles war in Ordnung und trat an die Tonne. Während er die Dichtigkeit von Anzug und Helm überprüfte, knotete einer der anderen Männer eine Halteleine an den ersten Sammelkorb. Als er wieder an den Rand der Plattform trat, drückte Oldrum ihm den Korb in die eine und die Suchstange in die andere Hand.

Varnum spürte den aufmunternden Klaps des Freundes, dann sprang er ins Wasser. Erleichtert spürte er die Kühle, welche die Hitze des Tages von ihm nahm. Rechts und links von ihm waren andere Schürfer auf dem Weg nach unten, einige hatten die Schürfgrube bereits erreicht. Vorbei an zwei Wachen mit ihren Speeren, sank er nach unten.

Knapp jeder zweite Schürfer der jeweiligen Stadtseite würde an diesem Tag nach einer potenziellen Schürfstätte suchen. Jeder von ihnen würde, die Stadt immer im Rücken, einen Streifen des Meeresbodens abgehen und mit der Suchstange zwischen Pflanzen und Korallen umhertasten. Niemand steckte seine Hand in ein potenzielles Versteck, aus dem eine Wasserschlange, ein Krebs oder Raubfisch auftauchen konnte. Die Stangen gaben Sicherheit, denn sie schreckten auf, was sich verbarg und konnten es notfalls auf Distanz halten.

Die Füße mit den angeschnallten Gewichten berührten den Boden und wirbelten den Grund auf. Varnum prüfte den Helm auf Sickerwasser und warf einen Blick auf den Atemschlauch. Alles war in Ordnung und durch das klare Wasser konnte er undeutlich Oldrum erkennen, der über den Rand der Plattform gebeugt stand, und den Luftschlauch führte.

Der Sammelkorb behinderte ihn. Er hätte es sinnvoller gefunden, wenn man einige Schürftaucher damit beauftragt hätte, die Körbe zu füllen, damit die anderen sich dann besser auf die Suche konzentrieren konnten. Hoffentlich fanden sie wenigstens Erze oder Kristalle, die den Abbau lohnten.

Rechts von Varnum ging Heimur Sichelhieb, links neben ihm ein anderer Schürfer. Ihre Linie war weit auseinander gezogen und die Gefahr, ein lohnendes Vorkommen zu übersehen, war durchaus vorhanden. Ihre Füße wirbelten Sediment auf, Fische flüchteten vor ihnen. Varnum achtete darauf, in keine der abgestorbenen Korallen zu treten, die ihm sofort die Füße zerschnitten hätten.

Eher missmutig stieß er die Suchstange in den Grund, zog sie hervor, wenn er keinen Widerstand spürte und untersuchte eine andere Stelle. An den Stellen, an denen die Wasserpflanzen sehr dicht wuchsen, stocherte er sicherheitshalber mit der Stange hinein, dann rammte er sie in den Boden und schnitt mit seinem Messer die grünen Büschel ab und stopfte sie in den Sammelkorb. Dann ging es weiter, Schritt für Schritt.

Gelegentlich warf er einen Blick um sich, um nach Gefahr zu spähen und zu sehen, ob einer der anderen Sucher schon Erfolg hatte. Bei einem schien dies tatsächlich der Fall zu sein. Er reckte triumphierend die Suchstange hoch und rammte sie dann an der Fundstelle in den Boden. Der Mann nahm Hammer und Meißel aus seinem Werkzeuggürtel und begann die Stelle sorgfältig zu untersuchen.

Der Anblick spornte Varnum an und er stieß seine eigene Stange mit neuem Elan in den Boden. Zwei Mal stieß er auf harten Widerstand und beim zweiten Mal klang es metallisch. Aber als er die Stelle näher in Augenschein nahm, erwies sich der Fund als kümmerlicher Brocken. Er fand einen Kristallstock mit roten Säulen, aber sie waren trübe, ein Zeichen dafür, dass sie abstarben. Vielleicht war der Boden ausgelaugt oder ein größerer Fisch war mit voller Wucht dagegen geschwommen und hatte die Zentralader geschädigt. Es konnte auch eines der seltenen Seebeben gewesen sein. In jedem Fall war der Kristallstock ruiniert. Er musste frisch geschlagen und poliert werden, nur dann behielt er seinen Glanz, wenn die Zentralader gekappt wurde.

Der Suchgang über den Meeresboden erwies sich zunehmend als Kräfte zehrende Tortur. Die vorangegangenen Tage hatte Varnum knapp unterhalb der Plattform gearbeitet und das Gewicht des Atemschlauches kaum gespürt. An diesem Tag jedoch, musste er gegen den steten Zug des Schlauches ankämpfen, denn Oldrum bemühte sich, ihn nicht über den Boden schleifen zu lassen. Es war abzuschätzen, dass der Widerstand der lebenswichtigen Nabelschnur bald zu groß werden würde.

Er schob erneut ein paar Büschel der langblättrigen Wasserpflanzen zur Seite und musste einen erschrockenen Schrei unterdrücken.

Zwischen dem Grün hervor grinste ihn ein blanker Totenschädel an.

Varnums Herz schlug wie rasend, aber es gelang ihm, die aufkeimende Panik zu bezwingen. Wem immer der Schädel gehört hatte, war schon lange tot und sicher keine Gefahr mehr. Er fand seinen Atemrhythmus wieder und trat erneut vor. Nun erkannte er auch andere Knochen, von den fast zerfallenen Resten der Bekleidung umgeben. Noch immer umgab eine metallene Spange die knöchernen Füße des Toten.

Der junge Schürftaucher beruhigte sich wieder. Dies war ein Mann des Zwergenvolkes, den man vor langer Zeit der See übergeben hatte, wie es die Tradition der Clans der Meere verlangte. Varnum wusste, dass die Spange als Gewicht diente, damit der Tote rasch versank. Zudem sollte er nicht zur Oberfläche treiben, wenn sich sein Körper zersetzte. Der Name, Clan und die Verdienste des Mannes waren in die Plakette eingraviert. Obwohl er neugierig war, scheute er davor zurück, die Gravur zu betrachten und wandte sich ab, um dem Toten die ewige Ruhe zu belassen.

Gerade, als er sich abwenden wollte, sah er einen anderen hellen Schimmer am Boden. Ganz in der Nähe des Verstorbenen. Abermals trat er näher und streckte zögernd die Suchstange aus. Konnte es sein?

Er fand keine Antwort auf die Frage, denn aus den Augenwinkeln sah er ein silbriges Blitzen im Wasser. Angespannt sah er in die Richtung. Hatten seine Augen ihn getäuscht? Hatten die Reflexe des Sonnenlichtes im Wasser ihn genarrt? Eine Schliere im Glas des Kugelhelms? Varnum verharrte unbeweglich und seine Augen schienen das Wasser durchbohren zu wollen. Nichts. Oder doch?

Ja, da war wieder ein silbriger Schimmer. Dicht über dem Boden und er kam näher. Jetzt sah Varnum auch die hoch aufragende Rückenflosse. Ein Dornfisch, und wo einer dieser Jäger war, befanden sich auch andere.

Er hielt die Suchstange nach oben, zog sein Messer und schlug die stählerne Klinge rhythmisch in schnellen Schlägen gegen das Metall. Das Wasser leitete das Alarmsignal zu den anderen Männern. Sie reagierten augenblicklich. Auch wenn sie die Ursache des Signals nicht sofort erkannten, war seine Bedeutung klar. Raus aus dem Wasser! So schnell, wie irgend möglich.

Schürfer ließen ihre Meißel fallen, Sammelkörbe sanken achtlos zu Boden und, die Beile in den Händen, lösten die Männer hastig die Gewichte von den Füßen. Wer fertig war, zog kurz an seinem Atemschlauch. Zwei Mal in rascher Folge, eine kurze Pause und ein dritter Zug.

Oben auf den Plattformen würde nun Hektik einsetzen. Die erfahrenen Pumper würden die Schwengel nun eine Spur schneller bewegen, dem Atem eines erregten Schürfers angepasst, der wusste, dass es um sein Leben ging. Die anderen Männer auf der Plattform würden nun, Hand über Hand, schnell und mit gleichmäßigem Zug, die Schläuche einholen. Bei aller Eile durfte der Atemschlauch nicht beschädigt werden.

Die dicht unter der Oberfläche schwimmenden Wachen spähten nach der Ursache der Gefahr, ihre Hände umklammerten die Speere. Ihre Möglichkeiten waren beschränkt. Sie konnten die Luft nur für kurze Zeit anhalten und das bedeutete, dass der Schutz ihrer Speere erst wirksam wurde, wenn die Schürfer sich der Oberfläche näherten.

Aus dem silbrigen Schimmer waren mehrere geworden, die nun, auf Grund des Schalls, zielstrebig in Richtung Varnums schwammen. Noch waren die Körper ohne exakte Konturen, wenn man von den Rückenflossen absah, aber der junge Schürfer hatte kein Verlangen, die Gebisse und Dornen der Raubfische aus nächster Nähe zu sehen.

Die anderen Schürftaucher hatten schon einen guten Vorsprung, als er endlich selbst die Gewichte abwarf und sich mit Schwung vom Meeresgrund abstieß. In seiner Hektik hatte er vergessen, an seinem Schlauch zu ziehen, aber Oldrum passte auf. Varnum spürte, wie er von dem Schlauch durchs Wasser gezogen wurde. Schnell, aber nicht schnell genug.

Die Körper der Dornfische waren jetzt deutlich zu erkennen und der vorderste schwamm gerade an dem toten Zwerg vorbei. Sein lang gestreckter Körper glitt mühelos durch das Wasser, dass sein angestammtes Element war. Dornfische waren Tötungswerkzeuge von hoher Effizienz. Maximale Geschwindigkeit bei minimalem Bewegungsaufwand, zwei armlange Dorne vorne am Kopf und ein Gebiss, welches mühelos die Knochen eines Zwerges zerkleinern konnte. Doppelt so lang wie ein Menschenmann und hungriger als eine Schar junger Zwerge. Es war der Tod, der da auf Varnum zueilte und Varnum wusste, dass er sterben würde, wenn kein Wunder geschah.

Er hielt Messer und Beil in den Händen, ruderte verzweifelt mit den Beinen. Vom Atemschlauch rückwärts gezogen, sah er die Annäherung der Dornfische. Atemberaubend in ihrer Schönheit und ebenso tödlich. Er wagte es nicht, nach oben zu sehen. Wo blieben die Axtschläger mit ihren Speeren?

Varnum schätzte, dass er den halben Weg nun zurückgelegt hatte. Der Zug an seinem Schlauch war stärker geworden. Vielleicht hatten die Männer auf der Plattform in dem klaren Wasser erkennen können, in welcher Gefahr er schwebte und zogen schneller. Er hatte nichts dagegen, schneller in Sicherheit zu gelangen, aber er fürchtete um die Haltbarkeit des Atemschlauches.

Da Helm und Halsstück des Tauchanzuges durch die Scharniere miteinander verbunden waren, konnte er sie nicht alleine lösen. Ohne den Anzug und die Glaskugel auf seinem Kopf, hätte er längst oben sein können. Warum dauerte es so lange?

Der führende Dornfisch war fast heran. Sein senkrecht stehendes Maul öffnete sich in Erwartung einer ausgiebigen Mahlzeit. Varnum konnte die beiden Zahnreihen mit ihren tödlichen Dreiecken erkennen und es gab nur eine Möglichkeit, dem Angriff zu begegnen. Er spannte die Muskeln an, wartete auf den richtigen Augenblick.

Der Dornfisch war da, sein Maul weit geöffnet und schon schnappte der Räuber zu.

Varnum zog blitzartig die Beine an den Leib, so eng er konnte und hieb mit dem Beil zu. Das Wasser bremste den Schwung seines Schlages, aber er hatte Glück. Der Angreifer wollte im Reflex seine Richtung ändern, um eines der Beine doch noch zu erwischen und schwamm dabei direkt in die stählerne Schneide. Das Beil traf nicht richtig, aber der Fisch wurde dicht hinter dem Maul verletzt. Blaugrünes Blut quoll hervor, während er zur Seite auswich, um erneut anzugreifen.

Die nachfolgenden Dornfische hatten die Verletzung ihres Führers bemerkt und instinktiv schnappten sie nach der neuen Beute. Ein kurzer Wirbel aus silbrigen Körpern entstand im Wasser, eine Wolke aus Blut breitete sich aus, aus der sich einzelne Fleischbrocken lösten, die langsam zum Meeresboden taumelten, aber von gierigen Mäulern gepackt wurden, bevor sie ihn berührten.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, in denen der verletzte Dornfisch zerteilt wurde, kostbare Augenblicke, die Varnum näher an die schwimmende Stadt brachten.

Ein Speer zischte an ihm vorbei, dann ein zweiter, aber beide verfehlten ihr Ziel und beeindruckten die sich erneut nähernden Räuber nicht. Varnum spürte einen Ruck und wie er an Geschwindigkeit verlor. Sofort begriff er, dass der Atemluftschlauch gerissen war. Ausgerechnet jetzt, so kurz vor der rettenden Plattform. Hoffentlich hielt die Gummimembrane, die verhindern sollte, dass nun das Wasser in den Helm strömte. Hinter sich hörte er das Rauschen entweichender Luft aus dem Schlauch und er schrie auf, als er eine harte Berührung spürte.

Im ersten Moment glaubte er, einer der Dornfische habe ihm den Dorn in den Leib gerammt oder zugebissen, aber er spürte keinen Schmerz, nur unangenehmen Druck. Mit brutaler Gewalt wurde er unvermittelt durchs Wasser gerissen. Ein Schlag traf seinen Rücken, erneut schrie er auf, sah Wellen an seinen Helm schwappen und wusste, dass er endlich oben war. Die Luft begann knapp zu werden und er war noch nicht in Sicherheit.

Rechts und links wurden Speere ins Wasser geschleudert, Hände packten die Riemen seines Tauchanzugs und zerrten ihn rücksichtslos aus dem Wasser. Er stöhnte, als er hart auf die Bretter der Plattform prallte, aber in diesem Moment war es das schönste Gefühl, dass er sich vorstellen konnte.

Er rang nach Luft, fühlte Hände, die an ihm waren und wie mit einem letzten Ruck der Taucherhelm von seinem Kopf gezerrt wurde. Keuchend lag er da, hörte Stimmen, die er nicht verstand und sog gierig die frische Seeluft in seine Lungen. Erst langsam fand er zu sich.

Heimur Sichelhieb kniete neben ihm und grinste breit. „Glück gehabt, mein junger Freund“, sagte er mit Erleichterung in seiner Stimme. „Ich habe mich selten so über einen Fang gefreut.“

Varnum begriff erst, als Heimur den stählernen Fanghaken aus den Riemen des Tauchanzugs befreite. Normalerweise wurden damit große Fische aus dem Wasser gezogen, aber Heimur hatte es gewagt und in Varnums größter Not die überdimensionale Angelleine nach ihm ausgeworfen. Der Haken hatte sich in den Riemen verfangen und die vereinte Muskelkraft der Männer hatte den jungen Schürftaucher gerettet.

Varnum tastete schwach über das stählerne Oberteil seines Tauchanzugs. „Ich hatte Glück, dass die Rüstung mich schützte und du nichts Wertvolles getroffen hast, Heimur Sichelhieb.“

Dessen Grinsen wurde noch breiter. „Du hattest Glück, dass ich überhaupt etwas getroffen habe, mein Freund. Meine Augen sind nicht mehr die Besten.“

Varnum nickte schwach, dann schwanden ihm die Sinne.

Zwerge der Meere

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