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04 Benderskart
ОглавлениеEigentlich kannte jeder Ort im Reiche Anram eine Legende, die sich um ihn rankte, zumindest aber eine Geschichte, die sich zu erzählen lohnte, wenn die Winterabende kalt und lang waren. Geschichten von magischen Wesen, spannenden Jagden oder geheimnisvollen Ereignissen. Von Zauberern war dann die Rede, von Monstern, die sich in den Wäldern verbargen und sogar von Elfen und Zwergen wurde erzählt, wenn die Abende besonders lang waren. Die meisten Erwachsenen schenkten diesen Geschichten keinen Glauben, aber sie eigneten sich gut, die Kinder nachts im Bett zu halten.
Die Orte an der Küste hatten besonders viele Geschichten zu erzählen, denn zu den unwirtlichen Wintern kamen noch die Schlechtwettertage hinzu, an denen keiner der Fischer aufs Meer hinaus wollte. Man konnte von geheimnisvollen Meerungeheuern hören, verwunschenen Fischen und verlockenden Seejungfrauen.
Benderskart lag an der Westküste des Reiches Anram und es hatte mit einer eigenen und ganz besonderen Geschichte aufzuwarten, denn dies war eine für die es, dem Augenschein nach, sogar einen Beweis gab. Es gab Legenden und Lieder über das geheimnisvolle Volk der Zwerge, welches einst im Reich gelebt haben sollte. So geheim und verborgen, dass man es nicht zu Gesicht bekam. Niemand konnte ernsthaft an seine Existenz glauben, bis… Ja, bis man nach Benderskart kam und dem Sere Fennegman begegnete.
Fennegman war ein ungewöhnlich kleiner und sehr kräftiger Mensch und unzweifelhaft ausgewachsen, da er rotes struppiges Haar und einen ebensolchen Bart hatte, der ihm bis weit auf die Brust reichte. Er sah aus, wie man sich einen Zwerg nur vorstellen konnte und sein Erscheinen in Benderskart lag lange zurück. Sehr lange, so dass sich selbst die Ältesten kaum daran erinnern konnten. Fennegman war in den besten Jahren und wenn man ihn so sah, dann erinnerte man sich an die alten Geschichten und dass sie erzählten, die Zwerge seien langlebige Wesen.
Andererseits waren Zwerge keine Menschen. So erzählte man wenigstens. Fennegman hingegen musste ein Mensch sein, denn er hatte die schönste Jungfrau im Dorf geheiratet und inzwischen einen stattlichen Sohn, der mit seinen vierzehn Jahren den Vater um Haupteslänge überragte.
Als Fennegman nach Benderskart gekommen war, da hatte man ihn zunächst verspottet und der kleine Mann hatte sich mit Humor und nötigenfalls Körperkraft gewehrt. Er war ein rauer und vortrefflicher Schläger, wie einige der alten Bewohner zu berichten wussten, aber zugleich ein Kämpfer von großer Ehre, der nie auf einen Gegner einschlug, der hilflos am Boden lag. Am meisten beeindruckte jedoch seine Hilfsbereitschaft und niemand, der in Not geriet, wurde jemals von Fennegman abgewiesen.
Vielleicht war das ja der Grund warum die blonde Henafraw seinem Werben nachgegeben hatte. Obwohl sich die Bewohner von Benderskart nicht einig waren, wer wem den Antrag gemacht hatte. Fennegman wirkte in diesen Dingen eher unbeholfen. Er war nun einmal kein Mann der starken Worte, sondern der starken Taten. Aber die beiden heirateten und man konnte sich kein ungleicheres Paar vorstellen. Die schlanke und frauliche Henafraw neben ihrem kleinen und stämmigen Fennegman. Aber niemand lachte darüber und beide waren glücklich miteinander und bekamen ihren Sohn Torbjong.
Die Familie besaß ein kleines Haus, oben auf der Düne über dem eigentlichen Dorf und lebte, wie so viele, vom Fischfang. Es musste etwas Magisches an Fennegman sein, denn trotz seines geringen Wuchses war er es, der stets den größten Fang mit nach Hause brachte oder die anderen untrüglich zu jenen Stellen führte, wo die Schwärme darauf warteten, in die Netze zu springen.
An diesem Tag würden die Händler nach Benderskart kommen. Frischen Fisch zu handeln lohnte sich nicht, man fing ihn nur für den Bedarf des Ortes. Aber die Bewohner nahmen die Fische aus, salzten sie und hingen sie zum Trocknen an die Luft. Das machte den Fisch haltbar und er war vor allem in Herbergen und Schänken beliebt, da er sich sehr gut mit viel frischem Bier hinunterspülen ließ. Die Truppen des Reiches und Reisende wiederum schätzten ihn wegen des hohen Nährwertes und seiner Unempfindlichkeit gegen Fäulnis.
Die Männer, die wie Fennegman mit ihren Booten dem Strand zustrebten, erwarteten ein gutes Geschäft. Die Trockengestelle am Strand hingen voller Fisch und in ihren Booten brachten sie genug, um sie wieder aufzufüllen.
Die Boote waren verhältnismäßig groß, wenn man bedachte, dass sie von einem einzelnen Mann gerudert oder gesegelt werden konnten. Normalerweise arbeiteten drei Fischer zusammen, denn die Netze mussten über das hochbordige Heck hereinzgezogen werden. Der Bug lief spitz zu, damit das Fahrzeug die Wellen leise und leicht durchschnitt und war nach oben als breite Standplattform ausgearbeitet, von der aus man Netze oder Speere werfen konnte. An beiden Seiten des Bugs waren Augen aufgemalt, die der Besatzung den Weg wiesen und Böses fernhielten. In der Mitte konnte ein kleiner Mast mit einem einzelnen Segel aufgerichtet werden. Notfalls konnte es von dem Mann bedient werden, der zugleich die Ruderpinne am Heck führte.
An diesem Tag waren Wandeman und Losterman mit Fennegman hinaus gefahren. Sie alle hatten Söhne, die den ganzen Tag an den Fischgestellen gearbeitet hatten und nun ihren Vätern zuwinkten, deren Boote sich langsam näherten.
„Ich hoffe, die Handelsherren werden nicht geizig sein“, brummte Losterman und tauchte im Gleichmaß mit Wandeman das Paddel ins Wasser.
„Die sind immer geizig.“ Fennegman lehnte an der Ruderpinne und strich mit der freien Hand durch seinen buschigen roten Bart. „Es sind halt Händler und die streben nach Gewinn. Jedes Mal müssen wir acht geben, dass sie uns nicht mit leerem Beutel über den Tisch ziehen.“
„Ich brauche neue Türbeschläge für mein Haus.“ Losterman warf einen kurzen Blick zu seinem kleinwüchsigen Freund. „Du weißt ja, Schloochman ist ein hervorragender Schmied, aber er lässt sich seine Arbeit auch hervorragend bezahlen.“
Fennegman nickte verständnisvoll. „Wenn ich den ganzen Tag in der Hitze einer Esse stehen müsste, würde ich es mir auch hervorragend bezahlen lassen. Nein, ich bin froh, hinaus aufs Meer zu fahren und die frische Seeluft zu atmen.“
„Du musst die verdammten Beschläge ja auch nicht bezahlen.“ Losterman sah zum Strand, wo sein Sohn winkte. „Der verdammte Bengel hat sich mit einem Freund an die offene Tür gehängt und damit geschaukelt. Da muss ja der beste Beschlag brechen.“
„Du solltest deinen Sohn weniger gut füttern.“ Wandeman lachte. „Dann hätte die Tür auch gehalten.“
„Die Tür habe ich selbst gezimmert und sie hat gehalten“, knurrte Losterman. „Die Beschläge sind es, die nicht hielten.“
„Wir werden guten Lohn für die Arbeit bekommen, Freunde“, sagte Fennegman beschwichtigend. „Und sollte es nicht für deine Beschläge reichen, Losterman, dann gebe ich dir von meinem Teil ab.“
„Du bist ein wahrer Freund, Fennegman“, erwiderte Losterman und nickte. „Das bist du wahrhaftig, auch wenn du auf diese Weise nie ein reicher Mann werden wirst.“
„Ich habe eine wunderbare Frau, einen ebensolchen Sohn, das Meer und gute Freunde.“ Der kleine Mann lachte gutmütig. „Nach welchem Reichtum sollte ich da streben?“
Losterman nickte. „Du bist ein wahrhaft glücklicher Mann.“
„Ich freue mich jedenfalls auf ein frisches Bier in Tolkmans Schänke.“ Wandeman leckte sich über die Lippen. „Er hat ganz frisch gebraut.“
„Mir ist es lieber, wenn es ein wenig abgestanden ist.“ Losterman zuckte die Schultern. „Ich will Bier trinken und nicht Mund und Gesicht voller Schaum haben.“
Fennegman räusperte sich. „Bis die Arbeit getan und der Handel geschlossen ist, wird es ohnehin abgestanden sein. Wir müssen den Fang erst ausnehmen, salzen und aufhängen. Morgen ist es dazu zu spät. Dann ist er verdorben oder die Seevögel schnappen ihn sich.“
Vielleicht hätten sie Zeit gespart, wenn sie den Fang schon im Boot vorbereitet hätten. Aber sie wollten die Abfälle nicht über Bord werfen, denn das lockte die Raubfische an. Ein Schwarm Raubfische vertrieb die anderen Fische und dann konnte es sein, dass sie tagelang keinen ordentlichen Fang machten. Sie konnten die Fische auch nicht bis zum morgigen Tag liegen lassen, schon jetzt kreisten einige Seevögel kreischend über ihnen und waren auf leichte Beute aus. So würden die Männer ihren Fang, wie gewöhnlich, an Land zubereiten und die Abfälle im Sand vergraben.
„Es wird spät werden bis wir fertig sind.“
Fennegman nickte. „Das ist gut. Wenn die Händler warten, dann werden sie durstig. Etwas Bier oder Wein wird ihre Zunge und den Geldbeutel lockern.“
Die älteren Söhne des Ortes kamen heran, als die Boote ans Ufer stießen und halfen den Männern, sie hoch auf den Strand zu ziehen und die Netze zu entladen. Die Mädchen waren, wie die Frauen, damit beschäftigt, die Häuser und den Haushalt zu führen. Eine strikte Einteilung, die der Tradition entsprach und von niemandem gebrochen wurde. Ein Händler hatte einmal erzählt, es gäbe Länder, in denen das anders sei, aber der Mann hatte sicher nur aufschneiden wollen und niemand hatte ihm Glauben geschenkt.
Sie hoben die triefenden Netze aus den Booten und schwatzten miteinander, denn es war ein guter Tag gewesen. Oben am Strand, wo Benderskarts Häuser vor den Fluten geschützt waren, stand eine Gruppe aus Händlern und sah interessiert zu. Mit Sicherheit hatten sie längst die Trockengestelle untersucht, um die Qualität der Handelsware zu prüfen. Wie üblich würden sie Mängel anführen, um den Preis zu drücken, wie üblich würden die Fischer dagegen halten und schließlich, nach viel Gefeilsche und Bier, würde man sich einig werden und alle würden zufrieden sein.
Ihre Söhne hatten Bottiche mit salziger Lake bereitgestellt und sie leerten die Netze in die Behälter. Ein Teil von ihnen würde sich der Fische annehmen, ein anderer der kostbaren Netze. Obwohl sie nur selten den Meeresboden berührten und kaum die Gefahr bestand, dass sie an Felsen oder Korallen Schaden erlitten, konnten sich Fäden des feinen Gespinstes gelöst haben. So wurden die Netze geprüft und gelegentlich fanden die Nadeln der Fischer eine schadhafte Stelle, die es auszubessern galt.
Fennegman warf einen Blick auf den Horizont. Es war spät geworden. Höchste Zeit, mit der Arbeit fertig zu werden, zu Hause etwas zu essen und dann in der Schänke den Handel abzuschließen.
Er zog das scharfe Messer aus dem Gurt und begann gekonnt, die Köpfe der Fische abzutrennen, sie zu öffnen und die Innereien mit der Gräte zu entfernen. Die Köpfe wurden aufgehoben, aus ihnen ließ sich eine schmackhafte Suppe bereiten, der Rest wanderte in andere Behälter, um nachher vergraben zu werden. Die Jungen standen bereit, fingen die Fische auf und salzten sie. Danach wurden sie auf die kleinen Spieße gesteckt und an die Gestelle gehängt. Die Väter würden es kontrollieren, obwohl die Söhne inzwischen erfahren genug waren. Die Händler machten dazu die üblichen, bedenklichen Gesichter, aber Fennegman sah die Gier in ihren Augen.
Während er sich auf die Arbeit konzentrierte, spürte er, wie sein Sohn Torbjong neben ihn trat. „Sie haben sich unterhalten, die Händler“, murmelte er, während er frisches Salz aus einer Kiste nahm. „Auf halber Strecke zum Dorf, als sie glaubten, wir könnten sie nicht mehr hören. Sie kennen die scharfen Ohren unserer Familie nicht.“
Fennegman grinste. „Und? Sind sie zufrieden mit der Ware?“
„Mehr als das. Und die Preise sind gestiegen. Angeblich lässt der König Vorräte anlegen.“
„So, tut er das, der König?“ Die Majestäten in der fernen Hauptstadt interessierten Fennegman und die übrigen Dorfbewohner kaum. Aber das mit den gestiegenen Preisen, dass war wirklich wichtig. Freiwillig würden die Händler nicht davon berichten. „Gut, dass du es mir gesagt hast, mein Sohn. Ich werde mich danach richten. Aber nun geh schon vor. Deine Mutter soll etwas Ordentliches auf den Tisch stellen.“
Fennegman und die anderen schritten zwischen den Gestellen hindurch. Aber ihre Söhne hatten alles richtig gemacht, die fertige Ware abgenommen und die Gestänge mit Meerwasser gesäubert. Die neuen Fische hingen in langen, ordentlichen Reihen und in mehreren Ebenen übereinander. Trotzdem sahen sie genau hin, berochen den einen oder anderen Fisch und schmeckten das Salz. Jetzt konnten sie Fehler noch korrigieren, am kommenden Morgen würde es dafür zu spät sein.
„Gut“, sagte Losterman schließlich. „Vergraben wir die Abfälle und machen wir, dass wir etwas Ordentliches in den Magen bekommen. Wir brauchen eine gute Grundlage, es wird sicherlich lange und feuchte Verhandlungen geben.“
Torbjong war schon vorausgeeilt, so wie alle Söhne ihren Vätern vorauseilten, damit die Ehefrauen ihnen den gebührenden Empfang erweisen konnten. Als Fennegman den Pfad zu seinem Haus entlang ging, der mitten durch die Dünen führte, genoss er es, den weichen Sand an seinen bloßen Füßen zu spüren. Ein paar Seevögel schwirrten über den Trockengestellen umher, aber der hohe Salzgehalt der eingeriebenen Fische würde sie abhalten, mehr als einen Bissen zu nehmen.
Henafraw erwartete ihn und wie es sich gebührte, öffnete sie die Tür, bevor ihr Mann sie berührte, trat vor das Haus und kniete sich rechts der Tür auf dem rechten Bein nieder. Torbjong folgte und tat dies auf der linken Seite mit dem linken Bein. So, wie es die Tradition für die Geschlechter eines Hauses vorschrieb.
„Sei willkommen in deinem Heim, Sere Fennegman“, sagte Henafraw mit geneigtem Haupt. „Alles ist wohl gerichtet.“
Wie erwähnt, Fennegman war ein ungewöhnlich kleiner Mann und obwohl seine geliebte Frau vor ihm kniete, befanden sie sich in Augenhöhe und er konnte das belustigte Funkeln in ihren Augen erkennen. Würdevoll reckte er sich. „Wie es sich für Haus und Weib eines ehrbaren Mannes gebührt.“
Er schritt an ihnen vorbei und spürte, wie sie sich nacheinander aufrichteten, erst der Sohn, da er männlichen Geschlechts war, dann die Mutter, doch sie durfte dem Ehemann zuerst ins Haus folgen, da sie in der Rangfolge über dem Kind rangierte.
Als Torbjong die Tür in den Riegel fallen ließ, mussten seine Eltern wieder einmal über die Zeremonie lachen, die so gar nicht ihrer Lebenseinstellung entsprach. Henafraw kniete sich auf den Boden und umarmte ihren Mann und sie gönnten sich einen innigen Kuss, der von Torbjong mit einem Seufzen quittiert wurde.
„Ich habe Hunger“, brummte der Vierzehnjährige.
Fennegman grinste breit. „Ich auch, mein Sohn, ich auch.“ Er drohte dem Sohn schelmisch mit dem Finger. „Aber lass es in der Öffentlichkeit nicht an Respekt fehlen. Du weißt, wie sehr die Leute Wert darauf legen.“
„Bah, hinter dem Rücken des Dorfältesten drehen sie ihm eine Nase“, erwiderte der Junge.
„Nun, ich hoffe, du tust das nicht, junger Mann.“ Fennegmans Blick wurde ein wenig streng. „Der Sere Amderman hat es nicht verdient, dass man über ihn spottet. Er mag nun alt und gebeugt sein, seine Augen mögen trübe werden und seine Ohren taub, aber sein Verstand ist noch immer scharf und er hat sich ehrbare Verdienste um Benderskart erworben.“ Der kleine Mann legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. „Denke immer daran, dass wir alle sterblich sind und eines Tages ebenso alt und gebeugt sein werden. Auch wir wollen dann hoffen, dass man uns den gebührenden Respekt erweist.“
„Nun redet nicht so viel, ihr hungrigen Seevögel.“ Henafraw trug dampfende Schüsseln zum Tisch und begann die Teller zu füllen. „Das Essen wird kalt. Du bist übrigens heute mit dem Abwasch an der Reihe, mein Gebieter.“
„Schon wieder?“ Fennegman seufzte leise. „Verdammt, ich sollte die Haustüre offen lassen, damit alle hereinsehen können. Dann bliebe mir das erspart.“ Er lächelte dabei und nahm das Brot, um es anzuschneiden. „Ah, heute geht es ohnehin nicht. Die Händler sind da.“
Torbjong sah seine Mutter ernst an. „Das stimmt.“
„Das weiß ich.“ Henafraw lächelte. „Außerdem würde dein Vater mich niemals belügen. Na schön, Fennegman, dann wirst du zwei Tage in Folge abwaschen.“
Der kleine Mann zuckte die Schultern. „Das ist nur gerecht.“ Er teilte das Brot aus. „Bist du mit deiner Arbeit vorangekommen?“
„Das Kleid ist fast fertig. Es ist noch genug Stoff geblieben, so dass ich Torbjong noch eine neue Brottasche machen kann.“
„Sehr gut. Aus der alten verliert er schon die Krümel.“ Fennegman stieß seinen Sohn an und musste sich dazu ordentlich recken. „Im Dorf sagt man schon, man könne seiner Spur am Geschrei der Seevögel folgen.“
Torbjong erwiderte nichts und löffelte eifrig vor sich hin. Schließlich hielt er inne und sah seinen Vater fragend an. „Sollte ich nicht langsam etwas vom Handel lernen, Vater? Die Vorbereitung der Fische beherrsche ich nun und im Fang bin ich auch nicht schlecht.“
„Das ist wahr“, stimmte Fennegman zu. „Und nun willst du ein wenig am Handel schnuppern?“
Torbjong grinste breit und nickte eifrig.
Henafraw räusperte sich. „Ich würde vermuten, er will eher am Bier schnuppern.“
Fennegman sah seinen Sohn streng an. „Ist das so?“
Vor acht Jahren hatte es in Benderskart die letzte öffentliche Auspeitschung gegeben. Einer der Fischer hatte versucht, einen Nachbarn zu übervorteilen. Sechs Hiebe hatte es ihm eingebracht, denn Diebstahl, Betrug oder Lüge wurden in den Dörfern des Reiches nicht geduldet. In den großen Städten mochte das anders sein, aber nicht in den kleinen Gemeinschaften, in denen alle aufeinander angewiesen waren. Wer die Unwahrheit sagte, bekam dies zu spüren und es geschah öffentlich, auf dem Platz vor dem Gemeindehaus.
Torbjong nickte ernsthaft. „Ich hörte, das gehört zum Handel.“
„Auch das ist wahr.“ Fennegman strich ein paar Krümel aus seinem struppigen roten Bart. Er sah seine Frau an, die verständnisvoll lächelte, dass aber zu verbergen suchte. Da der kleine Mann keine Ablehnung in ihrer Haltung erkennen konnte, nickte er langsam. „Gut, du sollst heute einen kleinen Einblick in den Handel bekommen.“ Er lachte leise auf. „Und einen kleinen, sehr kleinen Schluck vom Bier.“
Torbjong stimmte in das Lachen der Eltern ein. Er wusste, dass sein Vater mit sich reden ließ. Zudem sprach Fennegman nach abgeschlossenem Handel gerne dem Bier zu. Oft in einem Maße, dass er den Weg nach Hause nicht auf die kürzeste Weise nahm. Henafraw nahm es hin, denn die Händler kamen nicht oft und das einzige Übel, welches Fennegmans Trunkenheit begleitete, war die Tatsache, dass er dann oft die Balladen der Fischer sang, nicht unbedingt zur Erbauung von Henafraws Ohren.
„Schön, ihr Zwei, dann solltet ihr euch nun auf den Weg machen“, sagte die hübsche Frau entschieden. „Ich werde mich dem Abwasch widmen und euch dann folgen.“
Torbjongs Gesicht wurde etwas länger. Mit dem Vater ließ sich verhandeln, aber Henafraw war eisern in ihren Entscheidungen. Er würde wohl nicht viel mehr als etwas Schaum vom Bier abbekommen. Immerhin, es war ein Anfang.